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Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883.

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richt führt den Titel "Vagrancy and Mendicancy, a report based
on a general inquiry instituted by the committee of the Howard
Association".

Auch Nordamerika bietet uns in seiner Presse vielfach Aus-
kunft über die Vagabondage, welche dort durch die Vielstaaterei
des Ostens gefördert wird; denn die "tramps" treiben sich dort
an einem einzigen Tage in drei verschiedenen Staaten umher.

Ich bitte mir diese Abschweifung zu verzeihen. Ich bin
zu derselben veranlaßt durch die sich mir immer mehr auf-
drängende Ueberzeugung, daß in Deutschland die Vagabunden-
frage sehr einseitig behandelt wird, und daß Minister und Ab-
geordnete wohl daran thun würden, auch von der Literatur
anderer Länder Kenntniß zu nehmen, welche ebenfalls unter
der Vagabundenfrage leiden. Ich kehre nunmehr zurück zu den
Auseinandersetzungen des Herrn Ministers des Innern. Er ist
weiter auf die Vermehrung der Gensdarmen zurückgekommen.

Ich will mich über diesen Punkt nicht weiter verbreiten.
Wir behandeln hier die Frage vom volkswirthschaftlichen Stand-
punkt. Die Erörterung des Thema's "Vermehrung der Gens-
darmerie" aber ist nur zu geeignet, uns zu Excursen auf das
Gebiet der Politik zu verleiten, welche ich im Interesse der
Wahrung des rein wissenschaftlichen Charakters unserer Gesell-
schaft vermieden zu sehn wünsche. Der Inhalt meines Vortrags
wird indessen, wie ich hoffe, meinen verehrten Herren Zuhörern
nicht schwer machen, zu erkennen, daß ich von der "Vermehrung
der Gensdarmerie" weder allein noch vorzugsweise eine Heilung
dieser Krankheit des Vagantenthums erwarte.

Nach dem preußischen Minister des Innern ergreift das
Wort der vormalige Justizminister von Hannover, der Herr Abg.
Windthorst-Meppen.

Nach seiner Versicherung ist früher in Hannover alles vor-
trefflich gewesen, aber jetzt geht es auch dort schief, namentlich
auch in Betreff der Vagabondage. Zunächst kommt Herr Dr.
Windthorst auf eine Lieblingsidee zurück, die er schon bei ver-
schiedenen Gelegenheiten geäußert hat, namentlich auch neuer-
dings im deutschen Reichstag. Er sagt, die Vagabondage hat
ihren Grund in dem starken Anwachsen der Bevölkerung, in
der "Uebervölkerung", welche eine der Ursachen ist, warum es
so viele gewerbs- und hilfslose Menschen in der Welt giebt.

richt führt den Titel «Vagrancy and Mendicancy, a report based
on a general inquiry instituted by the committee of the Howard
Association».

Auch Nordamerika bietet uns in seiner Presse vielfach Aus-
kunft über die Vagabondage, welche dort durch die Vielstaaterei
des Ostens gefördert wird; denn die «tramps» treiben sich dort
an einem einzigen Tage in drei verschiedenen Staaten umher.

Ich bitte mir diese Abschweifung zu verzeihen. Ich bin
zu derselben veranlaßt durch die sich mir immer mehr auf-
drängende Ueberzeugung, daß in Deutschland die Vagabunden-
frage sehr einseitig behandelt wird, und daß Minister und Ab-
geordnete wohl daran thun würden, auch von der Literatur
anderer Länder Kenntniß zu nehmen, welche ebenfalls unter
der Vagabundenfrage leiden. Ich kehre nunmehr zurück zu den
Auseinandersetzungen des Herrn Ministers des Innern. Er ist
weiter auf die Vermehrung der Gensdarmen zurückgekommen.

Ich will mich über diesen Punkt nicht weiter verbreiten.
Wir behandeln hier die Frage vom volkswirthschaftlichen Stand-
punkt. Die Erörterung des Thema’s «Vermehrung der Gens-
darmerie» aber ist nur zu geeignet, uns zu Excursen auf das
Gebiet der Politik zu verleiten, welche ich im Interesse der
Wahrung des rein wissenschaftlichen Charakters unserer Gesell-
schaft vermieden zu sehn wünsche. Der Inhalt meines Vortrags
wird indessen, wie ich hoffe, meinen verehrten Herren Zuhörern
nicht schwer machen, zu erkennen, daß ich von der «Vermehrung
der Gensdarmerie» weder allein noch vorzugsweise eine Heilung
dieser Krankheit des Vagantenthums erwarte.

Nach dem preußischen Minister des Innern ergreift das
Wort der vormalige Justizminister von Hannover, der Herr Abg.
Windthorst-Meppen.

Nach seiner Versicherung ist früher in Hannover alles vor-
trefflich gewesen, aber jetzt geht es auch dort schief, namentlich
auch in Betreff der Vagabondage. Zunächst kommt Herr Dr.
Windthorst auf eine Lieblingsidee zurück, die er schon bei ver-
schiedenen Gelegenheiten geäußert hat, namentlich auch neuer-
dings im deutschen Reichstag. Er sagt, die Vagabondage hat
ihren Grund in dem starken Anwachsen der Bevölkerung, in
der «Uebervölkerung», welche eine der Ursachen ist, warum es
so viele gewerbs- und hilfslose Menschen in der Welt giebt.

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[21/0023] richt führt den Titel «Vagrancy and Mendicancy, a report based on a general inquiry instituted by the committee of the Howard Association». Auch Nordamerika bietet uns in seiner Presse vielfach Aus- kunft über die Vagabondage, welche dort durch die Vielstaaterei des Ostens gefördert wird; denn die «tramps» treiben sich dort an einem einzigen Tage in drei verschiedenen Staaten umher. Ich bitte mir diese Abschweifung zu verzeihen. Ich bin zu derselben veranlaßt durch die sich mir immer mehr auf- drängende Ueberzeugung, daß in Deutschland die Vagabunden- frage sehr einseitig behandelt wird, und daß Minister und Ab- geordnete wohl daran thun würden, auch von der Literatur anderer Länder Kenntniß zu nehmen, welche ebenfalls unter der Vagabundenfrage leiden. Ich kehre nunmehr zurück zu den Auseinandersetzungen des Herrn Ministers des Innern. Er ist weiter auf die Vermehrung der Gensdarmen zurückgekommen. Ich will mich über diesen Punkt nicht weiter verbreiten. Wir behandeln hier die Frage vom volkswirthschaftlichen Stand- punkt. Die Erörterung des Thema’s «Vermehrung der Gens- darmerie» aber ist nur zu geeignet, uns zu Excursen auf das Gebiet der Politik zu verleiten, welche ich im Interesse der Wahrung des rein wissenschaftlichen Charakters unserer Gesell- schaft vermieden zu sehn wünsche. Der Inhalt meines Vortrags wird indessen, wie ich hoffe, meinen verehrten Herren Zuhörern nicht schwer machen, zu erkennen, daß ich von der «Vermehrung der Gensdarmerie» weder allein noch vorzugsweise eine Heilung dieser Krankheit des Vagantenthums erwarte. Nach dem preußischen Minister des Innern ergreift das Wort der vormalige Justizminister von Hannover, der Herr Abg. Windthorst-Meppen. Nach seiner Versicherung ist früher in Hannover alles vor- trefflich gewesen, aber jetzt geht es auch dort schief, namentlich auch in Betreff der Vagabondage. Zunächst kommt Herr Dr. Windthorst auf eine Lieblingsidee zurück, die er schon bei ver- schiedenen Gelegenheiten geäußert hat, namentlich auch neuer- dings im deutschen Reichstag. Er sagt, die Vagabondage hat ihren Grund in dem starken Anwachsen der Bevölkerung, in der «Uebervölkerung», welche eine der Ursachen ist, warum es so viele gewerbs- und hilfslose Menschen in der Welt giebt.

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Zitationshilfe: Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883/23>, abgerufen am 22.11.2024.