Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883.dachten, bei dem damals schier zahllosen Heer von Beamten Weiter kommt Hr. Dr. Windhorst auf eine zweite Lieblings- Auf was läuft das hinaus? Auf die bekannte Malthus'sche Gewiß stimme ich darin dem Herrn Abg. Dr. Windthorst Allein dergleichen läßt sich durch Ge- und Verbote, durch dachten, bei dem damals schier zahllosen Heer von Beamten Weiter kommt Hr. Dr. Windhorst auf eine zweite Lieblings- Auf was läuft das hinaus? Auf die bekannte Malthus’sche Gewiß stimme ich darin dem Herrn Abg. Dr. Windthorst Allein dergleichen läßt sich durch Ge- und Verbote, durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="23"/> dachten, bei dem damals schier zahllosen Heer von Beamten<lb/> aber nicht.</p><lb/> <p>Weiter kommt Hr. Dr. Windhorst auf eine zweite Lieblings-<lb/> idee, indem er sagt, die Hauptursache des Vagabondenthums<lb/> ist die ungemein leichte Weise, mit welcher Heirathen ge-<lb/> schlossen werden, die Männer heirathen jetzt schon im 20., die<lb/> Mädchen sogar im 16. Jahre, daraus entsteht diese Uebervölke-<lb/> rung, und daraus dann wieder die Unzahl Vagabonden.</p><lb/> <p>Auf was läuft das hinaus? Auf die bekannte Malthus’sche<lb/> Theorie, die heutzutage, abgesehen von einem gelehrten Quer-<lb/> kopfe in England, im Großen und Ganzen wohl für einen über-<lb/> wundenen Standpunkt gelten darf, für die man allerdings vor<lb/> 30, 40 Jahren schwärmte. Ich erinnere mich, daß damals ein<lb/> sächsischer Schriftsteller vorschlug, daß bezüglich der Menschen<lb/> weiblichen Geschlechts eine ähnliche Vorrichtung gemacht werden<lb/> solle, wie sie bei weiblichen Schafen stattzufinden pflegt. Sie<lb/> ist den Landwirthen in unserer Mitte wohlbekannt und ich darf<lb/> mich daher wohl enthalten, sie zu schildern. Ich habe nicht ge-<lb/> hört, daß man heutzutage auf diesen wahrhaft empörenden Vor-<lb/> schlag wieder zurückgekommen wäre. Möglich ist es immerhin<lb/> bei der heute in gewissen Regionen herrschenden social-phan-<lb/> tastischen und gewaltthätigen Richtung.</p><lb/> <p>Gewiß stimme ich darin dem Herrn Abg. Dr. Windthorst<lb/> bei, daß es besser wäre, wenn unsere Bevölkerung ähnlich, wie<lb/> es in anderen Ländern, wie z. B. in der Schweiz, der Fall ist,<lb/> in Betreff der Verheirathung jenen Grad der Vorsicht und Zurück-<lb/> haltung bethätigte, welcher den Eheschluß auf ein etwas reiferes<lb/> Alter hinausschiebt, und wenn sie überhaupt etwas mehr Selbst-<lb/> beherrschung an den Tag legte.</p><lb/> <p>Allein dergleichen läßt sich durch Ge- und Verbote, durch<lb/> Polizeimaaßregeln und dergl. nicht erzwingen. Auch vermag<lb/> die Erschwerung der Eheschließung, namentlich das der weniger<lb/> bemittelten Klasse von der Polizei und Verwaltungsbehörde auf-<lb/> erlegte Zwangscölibat, einen Einfluß in jener sittlichen Richtung<lb/> nicht auszuüben. Wir haben ja früher solche Einrichtungen in<lb/> einer großen Zahl deutscher Staaten besessen und dadurch Ge-<lb/> legenheit gehabt, vergleichende Studien zu machen. Die Er-<lb/> fahrung hat uns gelehrt, daß jene Beschränkungen keineswegs<lb/> die Zahl der Geburten vermindern, sondern nur die der unehe-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0025]
dachten, bei dem damals schier zahllosen Heer von Beamten
aber nicht.
Weiter kommt Hr. Dr. Windhorst auf eine zweite Lieblings-
idee, indem er sagt, die Hauptursache des Vagabondenthums
ist die ungemein leichte Weise, mit welcher Heirathen ge-
schlossen werden, die Männer heirathen jetzt schon im 20., die
Mädchen sogar im 16. Jahre, daraus entsteht diese Uebervölke-
rung, und daraus dann wieder die Unzahl Vagabonden.
Auf was läuft das hinaus? Auf die bekannte Malthus’sche
Theorie, die heutzutage, abgesehen von einem gelehrten Quer-
kopfe in England, im Großen und Ganzen wohl für einen über-
wundenen Standpunkt gelten darf, für die man allerdings vor
30, 40 Jahren schwärmte. Ich erinnere mich, daß damals ein
sächsischer Schriftsteller vorschlug, daß bezüglich der Menschen
weiblichen Geschlechts eine ähnliche Vorrichtung gemacht werden
solle, wie sie bei weiblichen Schafen stattzufinden pflegt. Sie
ist den Landwirthen in unserer Mitte wohlbekannt und ich darf
mich daher wohl enthalten, sie zu schildern. Ich habe nicht ge-
hört, daß man heutzutage auf diesen wahrhaft empörenden Vor-
schlag wieder zurückgekommen wäre. Möglich ist es immerhin
bei der heute in gewissen Regionen herrschenden social-phan-
tastischen und gewaltthätigen Richtung.
Gewiß stimme ich darin dem Herrn Abg. Dr. Windthorst
bei, daß es besser wäre, wenn unsere Bevölkerung ähnlich, wie
es in anderen Ländern, wie z. B. in der Schweiz, der Fall ist,
in Betreff der Verheirathung jenen Grad der Vorsicht und Zurück-
haltung bethätigte, welcher den Eheschluß auf ein etwas reiferes
Alter hinausschiebt, und wenn sie überhaupt etwas mehr Selbst-
beherrschung an den Tag legte.
Allein dergleichen läßt sich durch Ge- und Verbote, durch
Polizeimaaßregeln und dergl. nicht erzwingen. Auch vermag
die Erschwerung der Eheschließung, namentlich das der weniger
bemittelten Klasse von der Polizei und Verwaltungsbehörde auf-
erlegte Zwangscölibat, einen Einfluß in jener sittlichen Richtung
nicht auszuüben. Wir haben ja früher solche Einrichtungen in
einer großen Zahl deutscher Staaten besessen und dadurch Ge-
legenheit gehabt, vergleichende Studien zu machen. Die Er-
fahrung hat uns gelehrt, daß jene Beschränkungen keineswegs
die Zahl der Geburten vermindern, sondern nur die der unehe-
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