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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aus dem Gefangenleben eines Miriki.
konnte. Selbst eingemachte Kirschen, die sonst sein Leckerbissen gewesen waren, mochte es jetzt nicht
mehr aus der Flüssigkeit nehmen."

"Kälte schien Sally ziemlich wohl zu ertragen; sie war übrigens auch hinreichend mit warmer
Kleidung versehen, die ihr an der eisigen Küste Neufundlands sehr zustattenkam. Gleichwohl drückte
sie ihr Mißbehagen an solchem Wetter durch beständiges Schauern aus. Um sich gegen die kalte
Witterung zu schützen, verfiel sie selbst auf einen glücklichen Gedanken. Zwei junge Neufund-
länder, die sich an Bord befanden, hatten eine mit Stroh wohl versehene Hütte inne: in diese
Wohnung hinein kroch sie und legte gemüthlich ihre Arme den beiden Hündchen um den Hals; und
hatte sie nun noch ihren Schweif um sich geschlagen, so befand sie sich glücklich und wohl. Sie war
allen möglichen Thieren zugethan, besonders wenn sie klein waren, aber ihre vorzüglichsten Lieblinge
waren diese beiden Hunde. Jhre Zuneigung zu ihnen war so groß, daß sie ganz eifersüchtig auf sie
war, und wenn irgend Jemand näher an ihnen vorüberging, als sie für passend erachtete, so sprang
sie aus der Hütte heraus und streckte die Arme nach dem Eindringling mit einer Miene, als ob
sie ihn zurechtweisen wollte. Für sie selbst war ebenfalls ein Hänschen gebaut worden, aber sie
ging nie hinein."

"Sie ist ein sehr empfindliches Thier und kann kein Dach über sich ansstehen; deshalb verschmähte
sie ihr Hänschen und rollte sich lieber in einer Hängematte zum Schlafen zusammen. Sie ist etwas
schläfrigen Wesens, geht gern zeitig zu Bett und schläst früh lange".

"Seit etwa drei Jahren ist sie im Besitze ihres Herrn; ihren Zähnen nach ist sie vier Jahre alt,
obschon man sie nach ihrem altrunzeligen Gesichte für einen hundertjährigen Greis halten möchte."



Während die beiden ersten Gruppen der neuweltlichen Affen bis heutigen Tages noch zu den
Seltenheiten in Thiergärten gehören, sieht man diesen oder jenen Vertreter einer andern Sippe, einen
Rollaffen (Cebus), fast in jeder Thierschaubude. Eine der gemeinsten Arten dieser Gruppe, der
Kapuziner- oder Winselaffe, dürfte wohl Jedermann bekannt geworden sein.

Die Rollaffen unterscheiden sich von den bisher genannten zunächst durch ihren einhelligern
Leibesbau und dann sicher durch den allenthalben behaarten, sehr langen Rollschwanz, welcher zwar noch
um Aeste gewickelt werden kann, aber als Greifwerkzeug nichts mehr taugt. Der Scheitel ist rundlich;
die Arme sind nur mittellang, die Hände überall fünffingerig. Ein mehr oder minder entwickelter
Bart ziert das Gesicht; im Uebrigen ist der Pelz dicht und kurz.

Man kann die Rollaffen die Meerkatzen Amerikas nennen. Mit jener lustigen Gesellschaft haben
sie große Aehnlichkeit, wenn auch mehr in ihrem Betragen, als in ihrer Gestalt. Sie sind echte Affen,
d. h. lebhafte, gelehrige, muthwillige, neugierige und launenhafte Thiere. Gerade deshalb werden sie
von den Menschen viel häusiger gezähmt, als alle übrigen, und kommen demnach auch viel häusiger zu
uns herüber. Jhrer weinerlichen, sanften Stimme verdanken sie den Namen "Winselaffe". Diese
Stimme hört man aber nur, so lange sie bei guter Laune sind. Bei der geringsten Erregung schreien
und kreischen sie abscheulich. Sie leben ausschließlich auf Bäumen und sind hier ebenso daheim, wie
ihre überseeischen Vettern auf den Mimosen und Tamarinden. Schon in der Vorwelt in Brasilien
heimisch, bewohnen sie noch gegenwärtig und zwar in bedeutender Anzahl alle größeren Waldungen
des eigentlichen Südens. Man findet sie in ziemlich zahlreichen Gesellschaften und häufig untermischt
mit anderen ihnen verwandten Arten. Jhre Geselligkeit ist so groß, daß sie sich gern mit allen ihnen
nahestehenden Affen, denen sie zufällig begegnen, verbinden, um dann gemeinschaftlich umherzuschweifen.
Manche Naturforscher glauben deshalb die verschiedenen Abänderungen mehr oder weniger als Blend-
linge ansehen zu dürfen. "Keine Affensippe," sagt Schomburgk, "zeigt in Bezug auf Größe,
Farbe und Haarwuchs mehr Abänderung, als die Rollaffen, und eben deshalb sind eine Menge von
Arten aufgestellt worden, welche weiter Nichts als Abänderungen sind, die aus einer Vermischung des
Kapuziners und des Apella entstanden. Jch bin fast nie einer Herde der ersteren begegnet, unter

Aus dem Gefangenleben eines Miriki.
konnte. Selbſt eingemachte Kirſchen, die ſonſt ſein Leckerbiſſen geweſen waren, mochte es jetzt nicht
mehr aus der Flüſſigkeit nehmen.‟

„Kälte ſchien Sally ziemlich wohl zu ertragen; ſie war übrigens auch hinreichend mit warmer
Kleidung verſehen, die ihr an der eiſigen Küſte Neufundlands ſehr zuſtattenkam. Gleichwohl drückte
ſie ihr Mißbehagen an ſolchem Wetter durch beſtändiges Schauern aus. Um ſich gegen die kalte
Witterung zu ſchützen, verfiel ſie ſelbſt auf einen glücklichen Gedanken. Zwei junge Neufund-
länder, die ſich an Bord befanden, hatten eine mit Stroh wohl verſehene Hütte inne: in dieſe
Wohnung hinein kroch ſie und legte gemüthlich ihre Arme den beiden Hündchen um den Hals; und
hatte ſie nun noch ihren Schweif um ſich geſchlagen, ſo befand ſie ſich glücklich und wohl. Sie war
allen möglichen Thieren zugethan, beſonders wenn ſie klein waren, aber ihre vorzüglichſten Lieblinge
waren dieſe beiden Hunde. Jhre Zuneigung zu ihnen war ſo groß, daß ſie ganz eiferſüchtig auf ſie
war, und wenn irgend Jemand näher an ihnen vorüberging, als ſie für paſſend erachtete, ſo ſprang
ſie aus der Hütte heraus und ſtreckte die Arme nach dem Eindringling mit einer Miene, als ob
ſie ihn zurechtweiſen wollte. Für ſie ſelbſt war ebenfalls ein Hänschen gebaut worden, aber ſie
ging nie hinein.‟

„Sie iſt ein ſehr empfindliches Thier und kann kein Dach über ſich ansſtehen; deshalb verſchmähte
ſie ihr Hänschen und rollte ſich lieber in einer Hängematte zum Schlafen zuſammen. Sie iſt etwas
ſchläfrigen Weſens, geht gern zeitig zu Bett und ſchläſt früh lange‟.

„Seit etwa drei Jahren iſt ſie im Beſitze ihres Herrn; ihren Zähnen nach iſt ſie vier Jahre alt,
obſchon man ſie nach ihrem altrunzeligen Geſichte für einen hundertjährigen Greis halten möchte.‟



Während die beiden erſten Gruppen der neuweltlichen Affen bis heutigen Tages noch zu den
Seltenheiten in Thiergärten gehören, ſieht man dieſen oder jenen Vertreter einer andern Sippe, einen
Rollaffen (Cebus), faſt in jeder Thierſchaubude. Eine der gemeinſten Arten dieſer Gruppe, der
Kapuziner- oder Winſelaffe, dürfte wohl Jedermann bekannt geworden ſein.

Die Rollaffen unterſcheiden ſich von den bisher genannten zunächſt durch ihren einhelligern
Leibesbau und dann ſicher durch den allenthalben behaarten, ſehr langen Rollſchwanz, welcher zwar noch
um Aeſte gewickelt werden kann, aber als Greifwerkzeug nichts mehr taugt. Der Scheitel iſt rundlich;
die Arme ſind nur mittellang, die Hände überall fünffingerig. Ein mehr oder minder entwickelter
Bart ziert das Geſicht; im Uebrigen iſt der Pelz dicht und kurz.

Man kann die Rollaffen die Meerkatzen Amerikas nennen. Mit jener luſtigen Geſellſchaft haben
ſie große Aehnlichkeit, wenn auch mehr in ihrem Betragen, als in ihrer Geſtalt. Sie ſind echte Affen,
d. h. lebhafte, gelehrige, muthwillige, neugierige und launenhafte Thiere. Gerade deshalb werden ſie
von den Menſchen viel häuſiger gezähmt, als alle übrigen, und kommen demnach auch viel häuſiger zu
uns herüber. Jhrer weinerlichen, ſanften Stimme verdanken ſie den Namen „Winſelaffe‟. Dieſe
Stimme hört man aber nur, ſo lange ſie bei guter Laune ſind. Bei der geringſten Erregung ſchreien
und kreiſchen ſie abſcheulich. Sie leben ausſchließlich auf Bäumen und ſind hier ebenſo daheim, wie
ihre überſeeiſchen Vettern auf den Mimoſen und Tamarinden. Schon in der Vorwelt in Braſilien
heimiſch, bewohnen ſie noch gegenwärtig und zwar in bedeutender Anzahl alle größeren Waldungen
des eigentlichen Südens. Man findet ſie in ziemlich zahlreichen Geſellſchaften und häufig untermiſcht
mit anderen ihnen verwandten Arten. Jhre Geſelligkeit iſt ſo groß, daß ſie ſich gern mit allen ihnen
naheſtehenden Affen, denen ſie zufällig begegnen, verbinden, um dann gemeinſchaftlich umherzuſchweifen.
Manche Naturforſcher glauben deshalb die verſchiedenen Abänderungen mehr oder weniger als Blend-
linge anſehen zu dürfen. „Keine Affenſippe,‟ ſagt Schomburgk, „zeigt in Bezug auf Größe,
Farbe und Haarwuchs mehr Abänderung, als die Rollaffen, und eben deshalb ſind eine Menge von
Arten aufgeſtellt worden, welche weiter Nichts als Abänderungen ſind, die aus einer Vermiſchung des
Kapuziners und des Apella entſtanden. Jch bin faſt nie einer Herde der erſteren begegnet, unter

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[107/0165] Aus dem Gefangenleben eines Miriki. konnte. Selbſt eingemachte Kirſchen, die ſonſt ſein Leckerbiſſen geweſen waren, mochte es jetzt nicht mehr aus der Flüſſigkeit nehmen.‟ „Kälte ſchien Sally ziemlich wohl zu ertragen; ſie war übrigens auch hinreichend mit warmer Kleidung verſehen, die ihr an der eiſigen Küſte Neufundlands ſehr zuſtattenkam. Gleichwohl drückte ſie ihr Mißbehagen an ſolchem Wetter durch beſtändiges Schauern aus. Um ſich gegen die kalte Witterung zu ſchützen, verfiel ſie ſelbſt auf einen glücklichen Gedanken. Zwei junge Neufund- länder, die ſich an Bord befanden, hatten eine mit Stroh wohl verſehene Hütte inne: in dieſe Wohnung hinein kroch ſie und legte gemüthlich ihre Arme den beiden Hündchen um den Hals; und hatte ſie nun noch ihren Schweif um ſich geſchlagen, ſo befand ſie ſich glücklich und wohl. Sie war allen möglichen Thieren zugethan, beſonders wenn ſie klein waren, aber ihre vorzüglichſten Lieblinge waren dieſe beiden Hunde. Jhre Zuneigung zu ihnen war ſo groß, daß ſie ganz eiferſüchtig auf ſie war, und wenn irgend Jemand näher an ihnen vorüberging, als ſie für paſſend erachtete, ſo ſprang ſie aus der Hütte heraus und ſtreckte die Arme nach dem Eindringling mit einer Miene, als ob ſie ihn zurechtweiſen wollte. Für ſie ſelbſt war ebenfalls ein Hänschen gebaut worden, aber ſie ging nie hinein.‟ „Sie iſt ein ſehr empfindliches Thier und kann kein Dach über ſich ansſtehen; deshalb verſchmähte ſie ihr Hänschen und rollte ſich lieber in einer Hängematte zum Schlafen zuſammen. Sie iſt etwas ſchläfrigen Weſens, geht gern zeitig zu Bett und ſchläſt früh lange‟. „Seit etwa drei Jahren iſt ſie im Beſitze ihres Herrn; ihren Zähnen nach iſt ſie vier Jahre alt, obſchon man ſie nach ihrem altrunzeligen Geſichte für einen hundertjährigen Greis halten möchte.‟ Während die beiden erſten Gruppen der neuweltlichen Affen bis heutigen Tages noch zu den Seltenheiten in Thiergärten gehören, ſieht man dieſen oder jenen Vertreter einer andern Sippe, einen Rollaffen (Cebus), faſt in jeder Thierſchaubude. Eine der gemeinſten Arten dieſer Gruppe, der Kapuziner- oder Winſelaffe, dürfte wohl Jedermann bekannt geworden ſein. Die Rollaffen unterſcheiden ſich von den bisher genannten zunächſt durch ihren einhelligern Leibesbau und dann ſicher durch den allenthalben behaarten, ſehr langen Rollſchwanz, welcher zwar noch um Aeſte gewickelt werden kann, aber als Greifwerkzeug nichts mehr taugt. Der Scheitel iſt rundlich; die Arme ſind nur mittellang, die Hände überall fünffingerig. Ein mehr oder minder entwickelter Bart ziert das Geſicht; im Uebrigen iſt der Pelz dicht und kurz. Man kann die Rollaffen die Meerkatzen Amerikas nennen. Mit jener luſtigen Geſellſchaft haben ſie große Aehnlichkeit, wenn auch mehr in ihrem Betragen, als in ihrer Geſtalt. Sie ſind echte Affen, d. h. lebhafte, gelehrige, muthwillige, neugierige und launenhafte Thiere. Gerade deshalb werden ſie von den Menſchen viel häuſiger gezähmt, als alle übrigen, und kommen demnach auch viel häuſiger zu uns herüber. Jhrer weinerlichen, ſanften Stimme verdanken ſie den Namen „Winſelaffe‟. Dieſe Stimme hört man aber nur, ſo lange ſie bei guter Laune ſind. Bei der geringſten Erregung ſchreien und kreiſchen ſie abſcheulich. Sie leben ausſchließlich auf Bäumen und ſind hier ebenſo daheim, wie ihre überſeeiſchen Vettern auf den Mimoſen und Tamarinden. Schon in der Vorwelt in Braſilien heimiſch, bewohnen ſie noch gegenwärtig und zwar in bedeutender Anzahl alle größeren Waldungen des eigentlichen Südens. Man findet ſie in ziemlich zahlreichen Geſellſchaften und häufig untermiſcht mit anderen ihnen verwandten Arten. Jhre Geſelligkeit iſt ſo groß, daß ſie ſich gern mit allen ihnen naheſtehenden Affen, denen ſie zufällig begegnen, verbinden, um dann gemeinſchaftlich umherzuſchweifen. Manche Naturforſcher glauben deshalb die verſchiedenen Abänderungen mehr oder weniger als Blend- linge anſehen zu dürfen. „Keine Affenſippe,‟ ſagt Schomburgk, „zeigt in Bezug auf Größe, Farbe und Haarwuchs mehr Abänderung, als die Rollaffen, und eben deshalb ſind eine Menge von Arten aufgeſtellt worden, welche weiter Nichts als Abänderungen ſind, die aus einer Vermiſchung des Kapuziners und des Apella entſtanden. Jch bin faſt nie einer Herde der erſteren begegnet, unter

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/165>, abgerufen am 21.11.2024.