Die Affen. Springaffen. -- Titi. Schweifaffen. -- Judenaffe.
hände haben dieselbe Farbe. Von diesen Abzeichen rührt der Name her: die Spanier sehen in ihnen Schleier, Halstuch und Handschuh einer Witwe in Trauer. -- Rothbraune und rothröthliche Aeffchen derselben Gestaltung und Farbenvertheilung werden als Abänderungen derselben Art angesehen.
Westbrasilien und Peru sind das Vaterland der Viudita. Humboldt fand sie namentlich am rechten Ufer des Orinoko im Granitgebirg. "Die Gemüthsart dieses kleinen Affen," berichtet er, "verräth sich durch seine Haltung nur wenig. Blos beim Fressen stellt er sich auf die Hinterbeine, sonst sitzt er wie ein Nager da. Er sieht sanft und schüchtern aus; häufig berührt er das Fressen nicht, welches man ihm bietet, selbst wenn er starken Hunger hat. Die Gesellschaft anderer Affen liebt er nicht; wenn er des kleinsten Saimiri ansichtig wird, läuft er davon. Sein Auge verräth große Lebhaftigkeit. Wir sahen ihn stundenlang regungslos dasitzen, ohne daß er schlief, und auf Alles, was um ihn vorging, achten. Aber die Schüchternheit und Sanftmuth der Viudita sind nur
[Abbildung]
Der Titi (Callithrix torquata).
scheinbar. Jst sie allein, sich selbst überlassen, so wird sie wüthend, sobald sie einen Vogel sieht. Sie klettert und läuft dann mit erstaunlicher Behendigkeit; sie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die Katze, und erwürgt, was sie erwischen kann."
Die Schweifaffen (Pithecia) unterscheiden sich von den Vorhergehenden durch ihren gedrun- genen Leib, welcher durch die sehr lange und lockere Behaarung noch plumper erscheint, als er wirklich ist, durch den langen und buschig behaarten Schwanz, ihre regelmäßig dunkle Färbung und endlich durch den Zahnbau. Jhre Heimat sind die nördlichen Länder Südamerikas. Hier leben sie in dunklen Wäldern, nur zu kleinen Gesellschaften vereint, träg bei Tage, oft sich viele Stunden lang in den dichtesten Wipfeln bergend und hier regungslos verharrend, bis der kühle Abend hereinbricht und sie ermuntert. Hohe, trockene, von Unterholz freie Urwälder scheinen ihnen besonders zuzusagen. Von den übrigen Affen halten sie sich streng abgesondert. Jhre laute Stimme verräth sie von weitem dem Jäger, welcher ihnen gern nachgeht, um sich aus ihrer Schar einen Braten zu holen, obgleich ihre Jagd, wie die aller kleinen Affen, dem fühlenden Menschen manches Herzleid bringt.
Die Affen. Springaffen. — Titi. Schweifaffen. — Judenaffe.
hände haben dieſelbe Farbe. Von dieſen Abzeichen rührt der Name her: die Spanier ſehen in ihnen Schleier, Halstuch und Handſchuh einer Witwe in Trauer. — Rothbraune und rothröthliche Aeffchen derſelben Geſtaltung und Farbenvertheilung werden als Abänderungen derſelben Art angeſehen.
Weſtbraſilien und Peru ſind das Vaterland der Viudita. Humboldt fand ſie namentlich am rechten Ufer des Orinoko im Granitgebirg. „Die Gemüthsart dieſes kleinen Affen,‟ berichtet er, „verräth ſich durch ſeine Haltung nur wenig. Blos beim Freſſen ſtellt er ſich auf die Hinterbeine, ſonſt ſitzt er wie ein Nager da. Er ſieht ſanft und ſchüchtern aus; häufig berührt er das Freſſen nicht, welches man ihm bietet, ſelbſt wenn er ſtarken Hunger hat. Die Geſellſchaft anderer Affen liebt er nicht; wenn er des kleinſten Saimiri anſichtig wird, läuft er davon. Sein Auge verräth große Lebhaftigkeit. Wir ſahen ihn ſtundenlang regungslos daſitzen, ohne daß er ſchlief, und auf Alles, was um ihn vorging, achten. Aber die Schüchternheit und Sanftmuth der Viudita ſind nur
[Abbildung]
Der Titi (Callithrix torquata).
ſcheinbar. Jſt ſie allein, ſich ſelbſt überlaſſen, ſo wird ſie wüthend, ſobald ſie einen Vogel ſieht. Sie klettert und läuft dann mit erſtaunlicher Behendigkeit; ſie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die Katze, und erwürgt, was ſie erwiſchen kann.‟
Die Schweifaffen (Pithecia) unterſcheiden ſich von den Vorhergehenden durch ihren gedrun- genen Leib, welcher durch die ſehr lange und lockere Behaarung noch plumper erſcheint, als er wirklich iſt, durch den langen und buſchig behaarten Schwanz, ihre regelmäßig dunkle Färbung und endlich durch den Zahnbau. Jhre Heimat ſind die nördlichen Länder Südamerikas. Hier leben ſie in dunklen Wäldern, nur zu kleinen Geſellſchaften vereint, träg bei Tage, oft ſich viele Stunden lang in den dichteſten Wipfeln bergend und hier regungslos verharrend, bis der kühle Abend hereinbricht und ſie ermuntert. Hohe, trockene, von Unterholz freie Urwälder ſcheinen ihnen beſonders zuzuſagen. Von den übrigen Affen halten ſie ſich ſtreng abgeſondert. Jhre laute Stimme verräth ſie von weitem dem Jäger, welcher ihnen gern nachgeht, um ſich aus ihrer Schar einen Braten zu holen, obgleich ihre Jagd, wie die aller kleinen Affen, dem fühlenden Menſchen manches Herzleid bringt.
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0176"n="118"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Affen.</hi> Springaffen. —<hirendition="#g">Titi.</hi> Schweifaffen. —<hirendition="#g">Judenaffe.</hi></fw><lb/>
hände haben dieſelbe Farbe. Von dieſen Abzeichen rührt der Name her: die Spanier ſehen in ihnen<lb/>
Schleier, Halstuch und Handſchuh einer Witwe in Trauer. — Rothbraune und rothröthliche Aeffchen<lb/>
derſelben Geſtaltung und Farbenvertheilung werden als Abänderungen derſelben Art angeſehen.</p><lb/><p>Weſtbraſilien und Peru ſind das Vaterland der Viudita. Humboldt fand ſie namentlich am<lb/>
rechten Ufer des Orinoko im Granitgebirg. „Die Gemüthsart dieſes kleinen Affen,‟ berichtet er,<lb/>„verräth ſich durch ſeine Haltung nur wenig. Blos beim Freſſen ſtellt er ſich auf die Hinterbeine,<lb/>ſonſt ſitzt er wie ein Nager da. Er ſieht ſanft und ſchüchtern aus; häufig berührt er das Freſſen<lb/>
nicht, welches man ihm bietet, ſelbſt wenn er ſtarken Hunger hat. Die Geſellſchaft anderer Affen<lb/>
liebt er nicht; wenn er des kleinſten Saimiri anſichtig wird, läuft er davon. Sein Auge verräth<lb/>
große Lebhaftigkeit. Wir ſahen ihn ſtundenlang regungslos daſitzen, ohne daß er ſchlief, und auf<lb/>
Alles, was um ihn vorging, achten. Aber die Schüchternheit und Sanftmuth der Viudita ſind nur<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Der Titi</hi> (<hirendition="#aq">Callithrix torquata</hi>).</hi></head></figure><lb/>ſcheinbar. Jſt ſie allein, ſich ſelbſt überlaſſen, ſo wird ſie wüthend, ſobald ſie einen Vogel ſieht. Sie<lb/>
klettert und läuft dann mit erſtaunlicher Behendigkeit; ſie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die<lb/>
Katze, und erwürgt, was ſie erwiſchen kann.‟</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Die <hirendition="#g">Schweifaffen</hi> (<hirendition="#aq">Pithecia</hi>) unterſcheiden ſich von den Vorhergehenden durch ihren gedrun-<lb/>
genen Leib, welcher durch die ſehr lange und lockere Behaarung noch plumper erſcheint, als er wirklich<lb/>
iſt, durch den langen und buſchig behaarten Schwanz, ihre regelmäßig dunkle Färbung und endlich<lb/>
durch den Zahnbau. Jhre Heimat ſind die nördlichen Länder Südamerikas. Hier leben ſie in dunklen<lb/>
Wäldern, nur zu kleinen Geſellſchaften vereint, träg bei Tage, oft ſich viele Stunden lang in den<lb/>
dichteſten Wipfeln bergend und hier regungslos verharrend, bis der kühle Abend hereinbricht und ſie<lb/>
ermuntert. Hohe, trockene, von Unterholz freie Urwälder ſcheinen ihnen beſonders zuzuſagen. Von<lb/>
den übrigen Affen halten ſie ſich ſtreng abgeſondert. Jhre laute Stimme verräth ſie von weitem dem<lb/>
Jäger, welcher ihnen gern nachgeht, um ſich aus ihrer Schar einen Braten zu holen, obgleich ihre<lb/>
Jagd, wie die aller kleinen Affen, dem fühlenden Menſchen manches Herzleid bringt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[118/0176]
Die Affen. Springaffen. — Titi. Schweifaffen. — Judenaffe.
hände haben dieſelbe Farbe. Von dieſen Abzeichen rührt der Name her: die Spanier ſehen in ihnen
Schleier, Halstuch und Handſchuh einer Witwe in Trauer. — Rothbraune und rothröthliche Aeffchen
derſelben Geſtaltung und Farbenvertheilung werden als Abänderungen derſelben Art angeſehen.
Weſtbraſilien und Peru ſind das Vaterland der Viudita. Humboldt fand ſie namentlich am
rechten Ufer des Orinoko im Granitgebirg. „Die Gemüthsart dieſes kleinen Affen,‟ berichtet er,
„verräth ſich durch ſeine Haltung nur wenig. Blos beim Freſſen ſtellt er ſich auf die Hinterbeine,
ſonſt ſitzt er wie ein Nager da. Er ſieht ſanft und ſchüchtern aus; häufig berührt er das Freſſen
nicht, welches man ihm bietet, ſelbſt wenn er ſtarken Hunger hat. Die Geſellſchaft anderer Affen
liebt er nicht; wenn er des kleinſten Saimiri anſichtig wird, läuft er davon. Sein Auge verräth
große Lebhaftigkeit. Wir ſahen ihn ſtundenlang regungslos daſitzen, ohne daß er ſchlief, und auf
Alles, was um ihn vorging, achten. Aber die Schüchternheit und Sanftmuth der Viudita ſind nur
[Abbildung Der Titi (Callithrix torquata).]
ſcheinbar. Jſt ſie allein, ſich ſelbſt überlaſſen, ſo wird ſie wüthend, ſobald ſie einen Vogel ſieht. Sie
klettert und läuft dann mit erſtaunlicher Behendigkeit; ſie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die
Katze, und erwürgt, was ſie erwiſchen kann.‟
Die Schweifaffen (Pithecia) unterſcheiden ſich von den Vorhergehenden durch ihren gedrun-
genen Leib, welcher durch die ſehr lange und lockere Behaarung noch plumper erſcheint, als er wirklich
iſt, durch den langen und buſchig behaarten Schwanz, ihre regelmäßig dunkle Färbung und endlich
durch den Zahnbau. Jhre Heimat ſind die nördlichen Länder Südamerikas. Hier leben ſie in dunklen
Wäldern, nur zu kleinen Geſellſchaften vereint, träg bei Tage, oft ſich viele Stunden lang in den
dichteſten Wipfeln bergend und hier regungslos verharrend, bis der kühle Abend hereinbricht und ſie
ermuntert. Hohe, trockene, von Unterholz freie Urwälder ſcheinen ihnen beſonders zuzuſagen. Von
den übrigen Affen halten ſie ſich ſtreng abgeſondert. Jhre laute Stimme verräth ſie von weitem dem
Jäger, welcher ihnen gern nachgeht, um ſich aus ihrer Schar einen Braten zu holen, obgleich ihre
Jagd, wie die aller kleinen Affen, dem fühlenden Menſchen manches Herzleid bringt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/176>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.