Die Flatterthiere. Blattnasen. -- Zier-, Leier- und Klappnase.
Schmerzgefühl, an das von dem Biß eines Blutegels herrührende erinnernd, griff zu und erwürgte den Blutsauger.
Diesen Berichten will ich noch die von Burmeister uns gegebene Schilderung der Vampire und ihrer Blutsaugereien hinzufügen.
"Die berüchtigten, oft besprochenen Blutfauger, denen man ohne Grund so viel Uebles nach- gesagt hat, sind fast überall in Brasilien zu Hause und verrathen ihre Anwesenheit fast täglich durch Bisse an Reit- und Lastthieren. Allein sie richten hierdurch nur höchst selten Schaden oder Verlust an, weil die Blutmasse, welche sie den Thieren entziehen, eine sehr geringe ist. Besonders in der kalten Jahreszeit, wo den Fledermäusen die Kerbthiere fehlen, bemerkt man die Bisse und zwar immer an ganz bestimmten Stellen, namentlich da, wo die Haare des Thieres einen Wirbel bilden und die Fledermäuse leicht bis auf die nackte Haut kommen können. Jch fand die meisten Bißwunden am Widerrist, besonders bei solchen Thieren, welche daselbst durch Reibung nackte oder blutrünstige Stellen hatten. Ein zweiter Lieblingsplatz ist die Schenkelfuge oben neben dem Becken, wo die Haare aus einander stehen; auch unten am Beine beißen sie gern, selten unter dem Halse. Am Kopfe, der
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Die Leiernase (Megaderma Lyra).
Nase und Lippen kommen nur ausnahmsweise Wunden vor. Solange der Gaul oder der Esel noch wach ist, läßt er die Fledermäuse nicht heran; er wird unruhig, stampft, schüttelt sich und verscheucht den Feind, welcher ihn umschwirrt; nur schlafende Thiere lassen sich ruhig besaugen. Daß die Blatt- nasen dabei mit den Flügeln fächeln, ist eine Fabel. Mitunter werden saugende Fledermäuse von den Wächtern der Tropa, die von Zeit zu Zeit nach den Thieren sehen, ergriffen, so eifrig und arglos sind sie bei ihrem Geschäft. Von Vissen an Menschen habe ich keine sichere Erfahrung; mir ist Nie- mand vorgekommen, der gebissen worden wäre. Wie die Fledermaus beißt, läßt sich nicht mit völliger Sicherheit angeben. Man weiß nur, daß sie sich mit halbgeöffneter Flügelweite niedersetzt, die Haare etwas aus einander schiebt, das warzige Kinn fest niederdrückt und nun zu saugen beginnt. Die Wunde ist ein kleines, flaches Grübchen, welches nicht wie eine scharfe Stichwunde aussieht. Jch glaube, daß die Oeffnung meist erst bemerkt wird, nachdem die Fledermaus eine Stelle der Haut etwas emporgesogen hat, und nun die Spitze ein- oder abbeißt, aber mit den zwei spitzen Ober- und mittleren Schneidezähnen, nicht mit den Eckzähnen, welche sich dazu gar nicht eignen. Die Nach-
Die Flatterthiere. Blattnaſen. — Zier-, Leier- und Klappnaſe.
Schmerzgefühl, an das von dem Biß eines Blutegels herrührende erinnernd, griff zu und erwürgte den Blutſauger.
Dieſen Berichten will ich noch die von Burmeiſter uns gegebene Schilderung der Vampire und ihrer Blutſaugereien hinzufügen.
„Die berüchtigten, oft beſprochenen Blutfauger, denen man ohne Grund ſo viel Uebles nach- geſagt hat, ſind faſt überall in Braſilien zu Hauſe und verrathen ihre Anweſenheit faſt täglich durch Biſſe an Reit- und Laſtthieren. Allein ſie richten hierdurch nur höchſt ſelten Schaden oder Verluſt an, weil die Blutmaſſe, welche ſie den Thieren entziehen, eine ſehr geringe iſt. Beſonders in der kalten Jahreszeit, wo den Fledermäuſen die Kerbthiere fehlen, bemerkt man die Biſſe und zwar immer an ganz beſtimmten Stellen, namentlich da, wo die Haare des Thieres einen Wirbel bilden und die Fledermäuſe leicht bis auf die nackte Haut kommen können. Jch fand die meiſten Bißwunden am Widerriſt, beſonders bei ſolchen Thieren, welche daſelbſt durch Reibung nackte oder blutrünſtige Stellen hatten. Ein zweiter Lieblingsplatz iſt die Schenkelfuge oben neben dem Becken, wo die Haare aus einander ſtehen; auch unten am Beine beißen ſie gern, ſelten unter dem Halſe. Am Kopfe, der
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Die Leiernaſe (Megaderma Lyra).
Naſe und Lippen kommen nur ausnahmsweiſe Wunden vor. Solange der Gaul oder der Eſel noch wach iſt, läßt er die Fledermäuſe nicht heran; er wird unruhig, ſtampft, ſchüttelt ſich und verſcheucht den Feind, welcher ihn umſchwirrt; nur ſchlafende Thiere laſſen ſich ruhig beſaugen. Daß die Blatt- naſen dabei mit den Flügeln fächeln, iſt eine Fabel. Mitunter werden ſaugende Fledermäuſe von den Wächtern der Tropa, die von Zeit zu Zeit nach den Thieren ſehen, ergriffen, ſo eifrig und arglos ſind ſie bei ihrem Geſchäft. Von Viſſen an Menſchen habe ich keine ſichere Erfahrung; mir iſt Nie- mand vorgekommen, der gebiſſen worden wäre. Wie die Fledermaus beißt, läßt ſich nicht mit völliger Sicherheit angeben. Man weiß nur, daß ſie ſich mit halbgeöffneter Flügelweite niederſetzt, die Haare etwas aus einander ſchiebt, das warzige Kinn feſt niederdrückt und nun zu ſaugen beginnt. Die Wunde iſt ein kleines, flaches Grübchen, welches nicht wie eine ſcharfe Stichwunde ausſieht. Jch glaube, daß die Oeffnung meiſt erſt bemerkt wird, nachdem die Fledermaus eine Stelle der Haut etwas emporgeſogen hat, und nun die Spitze ein- oder abbeißt, aber mit den zwei ſpitzen Ober- und mittleren Schneidezähnen, nicht mit den Eckzähnen, welche ſich dazu gar nicht eignen. Die Nach-
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Die Flatterthiere. Blattnaſen. — Zier-, Leier- und Klappnaſe.
Schmerzgefühl, an das von dem Biß eines Blutegels herrührende erinnernd, griff zu und erwürgte
den Blutſauger.
Dieſen Berichten will ich noch die von Burmeiſter uns gegebene Schilderung der Vampire
und ihrer Blutſaugereien hinzufügen.
„Die berüchtigten, oft beſprochenen Blutfauger, denen man ohne Grund ſo viel Uebles nach-
geſagt hat, ſind faſt überall in Braſilien zu Hauſe und verrathen ihre Anweſenheit faſt täglich durch
Biſſe an Reit- und Laſtthieren. Allein ſie richten hierdurch nur höchſt ſelten Schaden oder Verluſt
an, weil die Blutmaſſe, welche ſie den Thieren entziehen, eine ſehr geringe iſt. Beſonders in der
kalten Jahreszeit, wo den Fledermäuſen die Kerbthiere fehlen, bemerkt man die Biſſe und zwar immer
an ganz beſtimmten Stellen, namentlich da, wo die Haare des Thieres einen Wirbel bilden und die
Fledermäuſe leicht bis auf die nackte Haut kommen können. Jch fand die meiſten Bißwunden am
Widerriſt, beſonders bei ſolchen Thieren, welche daſelbſt durch Reibung nackte oder blutrünſtige
Stellen hatten. Ein zweiter Lieblingsplatz iſt die Schenkelfuge oben neben dem Becken, wo die Haare
aus einander ſtehen; auch unten am Beine beißen ſie gern, ſelten unter dem Halſe. Am Kopfe, der
[Abbildung Die Leiernaſe (Megaderma Lyra).]
Naſe und Lippen kommen nur ausnahmsweiſe Wunden vor. Solange der Gaul oder der Eſel noch
wach iſt, läßt er die Fledermäuſe nicht heran; er wird unruhig, ſtampft, ſchüttelt ſich und verſcheucht
den Feind, welcher ihn umſchwirrt; nur ſchlafende Thiere laſſen ſich ruhig beſaugen. Daß die Blatt-
naſen dabei mit den Flügeln fächeln, iſt eine Fabel. Mitunter werden ſaugende Fledermäuſe von den
Wächtern der Tropa, die von Zeit zu Zeit nach den Thieren ſehen, ergriffen, ſo eifrig und arglos
ſind ſie bei ihrem Geſchäft. Von Viſſen an Menſchen habe ich keine ſichere Erfahrung; mir iſt Nie-
mand vorgekommen, der gebiſſen worden wäre. Wie die Fledermaus beißt, läßt ſich nicht mit völliger
Sicherheit angeben. Man weiß nur, daß ſie ſich mit halbgeöffneter Flügelweite niederſetzt, die Haare
etwas aus einander ſchiebt, das warzige Kinn feſt niederdrückt und nun zu ſaugen beginnt. Die
Wunde iſt ein kleines, flaches Grübchen, welches nicht wie eine ſcharfe Stichwunde ausſieht. Jch
glaube, daß die Oeffnung meiſt erſt bemerkt wird, nachdem die Fledermaus eine Stelle der Haut
etwas emporgeſogen hat, und nun die Spitze ein- oder abbeißt, aber mit den zwei ſpitzen Ober-
und mittleren Schneidezähnen, nicht mit den Eckzähnen, welche ſich dazu gar nicht eignen. Die Nach-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/234>, abgerufen am 16.07.2024.
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