Blutdurst des Puma. Fortpflanzung. Jagd und Fang. Gezähmte Pumas.
Jn der Provinz St. Louis und in der Sierra von Mendoza sah Göring auf den Umzäunungen, in welche nachts die Weidethiere getrieben werden, viele Pumaköpfe aufgespießt und erfuhr, daß man dieses Siegeszeichen hier aufstecke, um andere Pumas von dem Besuch der Hürden abzuhalten: -- gerade so, wie man in früheren Zeiten die Köpfe der gerichteten Verbrecher vor die Thore der Stadt zu pflanzen pflegte, innerhalb deren Weichbildes sie den Lohn ihrer Sünden empfangen. Die Besitzer der Pumaköpfe hielten dieselben außerordentlich werth und erlaubten Göring nicht, einen einzigen von dem Pfahle herabzunehmen. Nicht einmal für Geld waren die Leute zu bewegen, einen der Köpfe zu veräußern. Die Hürdenbesitzer haben nämlich den sonderbaren Aberglauben, daß der Puma sicherlich eine Herde angreifen wird, welche nicht durch den Kopf eines seiner Artgenossen gefeit ist. Dabei ist es merkwürdig, daß der Gaucho, wenn er seine Hürde nicht durch einen Kopf verziert hat, keineswegs ängstlich ist; er wird dies aber, wenn er bereits einen besessen und ihn veräußert hat. Wird ein solcher Kopf gestohlen, so entsteht förmliche Bestürzung unter allen Herdenbesitzern. Der Dieb würde seine That sicherlich mit dem Leben bezahlen müssen.
Alt eingefangene Kuguars nehmen selten in der Gefangenschaft Futter an, sondern opfern sich freiwillig dem Hungertode; sehr jung eingefangene dagegen werden bald und zwar außerordentlich zahm. Reugger versichert, daß man den Puma zum Hausthier machen könnte, wenn ihn nicht hin und wieder die Lust anwandelte, seine Blutgier an dem zahmen Geflügel auszulassen. Man zieht ihn mit Milch und gekochtem Fleische auf; Pflanzennahrung ist ihm sehr zuwider und muß wenigstens mit Fleischbrühe gekocht werden, wenn er sie genießen soll; auch erkrankt er sehr bald, wenn man ihm kein Fleisch giebt. Seine Lieblingsspeise ist warmes Blut, und davon kann er, wie unser Gewährsmann sagt, fünf bis sechs Pfund auf einmal ohne Nachtheil trinken. Das rohe Fleisch beleckt er, wie viele Katzen es thun, bevor er es verzehrt; beim Fressen hält er, wie unsere Hauskatze, den Kopf auf die Seite. Nach der Mahlzeit leckt er sich zunächst die Pfoten und einen Theil des Leibes; dann legt er sich schlafen und bringt so einige Stunden des Tages zu. Man muß dem gefangenen Kuguar viele Flüssig- keiten reichen, besonders im Sommer, weil ihm nicht einmal frisches Blut das Wasser gänzlich ersetzen kann und er auch, wenn er durstig ist, weit eher unter dem zahmen Federvieh Schaden anrichtet, als wenn man ihn reichlich mit Wasser versorgt. Er lernt seine Hausgenossen, sowohl Menschen, als Thiere, nach und nach kennen und fügt ihnen keinen Schaden zu. Mit Hunden und Katzen lebt und verträgt er sich gut und gaukelt mit ihnen; dagegen ist er niemals im Stande, der Lust zu widerstehen, Feder- vieh aller Arten anzugreifen und abzuwürgen. -- Nach Katzenart spielt er oft stundenlang mit beweg- lichen Gegenständen, zumal mit Kugeln.
Manche Kuguare läßt man frei im ganzen Hause herumlaufen. Sie suchen ihren Wärter auf, schmiegen sich an ihn, belecken ihm die Hände und legen sich ihm zärtlich zu Füßen. Wenn man sie streichelt, schnurren sie in ähnlicher Weise, wie die Katzen. Dies thun sie wohl auch sonst, wenn sie sich recht behaglich fühlen. Jhre Furcht geben sie durch eine Art von Schnäuzen, ihren Unwillen durch einen murrenden Laut zu erkennen; ein Gebrüll hat man aber niemals von ihnen vernommen. Zwei Pumas, welche sich in unserm Thiergarten befinden, begrüßen ihre Bekannten stets durch ein nicht allzulautes, aber scharfes und dabei kurz ausgestoßenes Pfeifen, wie ich es von andern Katzen nie hörte. Nur durch eins wird der zahme Kuguar unangenehm. Er pflegt sich, wenn er seinen Herrn erst liebgewonnen hat und gern mit ihm spielt, bei seiner Annäherung zu verstecken und springt dann unversehens auf ihn los -- gerade so, wie Dies zahme Löwen auch zu thun pflegen. Man kann sich leicht denken, wie ungemüthlich solche, zu unrechter Zeit angebrachte Zärtlichkeit manchmal werden kann. Zudem gebraucht der Kuguar, wenngleich nur spielend, seine Krallen und Zähne auf unan- genehme Weise. Einzelne sollen so zahm geworden sein, daß man sie geradezu zur Jagd abrichten konnte; doch bedarf diese Angabe wohl noch sehr der Bestätigung. Azara besaß einen jung auf- gezogenen Kuguar über vier Monate lang und erzählt außer ähnlichen Thatsachen auch noch, daß das Thier seinen Wärtern zum Fluß folgte und dabei die ganze Stadt durchkreuzte, ohne sich mit den Hunden auf der Straße in Streit einzulassen. Wenn er frei im Hofe herumlief, sprang er zuweilen
Blutdurſt des Puma. Fortpflanzung. Jagd und Fang. Gezähmte Pumas.
Jn der Provinz St. Louis und in der Sierra von Mendoza ſah Göring auf den Umzäunungen, in welche nachts die Weidethiere getrieben werden, viele Pumaköpfe aufgeſpießt und erfuhr, daß man dieſes Siegeszeichen hier aufſtecke, um andere Pumas von dem Beſuch der Hürden abzuhalten: — gerade ſo, wie man in früheren Zeiten die Köpfe der gerichteten Verbrecher vor die Thore der Stadt zu pflanzen pflegte, innerhalb deren Weichbildes ſie den Lohn ihrer Sünden empfangen. Die Beſitzer der Pumaköpfe hielten dieſelben außerordentlich werth und erlaubten Göring nicht, einen einzigen von dem Pfahle herabzunehmen. Nicht einmal für Geld waren die Leute zu bewegen, einen der Köpfe zu veräußern. Die Hürdenbeſitzer haben nämlich den ſonderbaren Aberglauben, daß der Puma ſicherlich eine Herde angreifen wird, welche nicht durch den Kopf eines ſeiner Artgenoſſen gefeit iſt. Dabei iſt es merkwürdig, daß der Gaucho, wenn er ſeine Hürde nicht durch einen Kopf verziert hat, keineswegs ängſtlich iſt; er wird dies aber, wenn er bereits einen beſeſſen und ihn veräußert hat. Wird ein ſolcher Kopf geſtohlen, ſo entſteht förmliche Beſtürzung unter allen Herdenbeſitzern. Der Dieb würde ſeine That ſicherlich mit dem Leben bezahlen müſſen.
Alt eingefangene Kuguars nehmen ſelten in der Gefangenſchaft Futter an, ſondern opfern ſich freiwillig dem Hungertode; ſehr jung eingefangene dagegen werden bald und zwar außerordentlich zahm. Reugger verſichert, daß man den Puma zum Hausthier machen könnte, wenn ihn nicht hin und wieder die Luſt anwandelte, ſeine Blutgier an dem zahmen Geflügel auszulaſſen. Man zieht ihn mit Milch und gekochtem Fleiſche auf; Pflanzennahrung iſt ihm ſehr zuwider und muß wenigſtens mit Fleiſchbrühe gekocht werden, wenn er ſie genießen ſoll; auch erkrankt er ſehr bald, wenn man ihm kein Fleiſch giebt. Seine Lieblingsſpeiſe iſt warmes Blut, und davon kann er, wie unſer Gewährsmann ſagt, fünf bis ſechs Pfund auf einmal ohne Nachtheil trinken. Das rohe Fleiſch beleckt er, wie viele Katzen es thun, bevor er es verzehrt; beim Freſſen hält er, wie unſere Hauskatze, den Kopf auf die Seite. Nach der Mahlzeit leckt er ſich zunächſt die Pfoten und einen Theil des Leibes; dann legt er ſich ſchlafen und bringt ſo einige Stunden des Tages zu. Man muß dem gefangenen Kuguar viele Flüſſig- keiten reichen, beſonders im Sommer, weil ihm nicht einmal friſches Blut das Waſſer gänzlich erſetzen kann und er auch, wenn er durſtig iſt, weit eher unter dem zahmen Federvieh Schaden anrichtet, als wenn man ihn reichlich mit Waſſer verſorgt. Er lernt ſeine Hausgenoſſen, ſowohl Menſchen, als Thiere, nach und nach kennen und fügt ihnen keinen Schaden zu. Mit Hunden und Katzen lebt und verträgt er ſich gut und gaukelt mit ihnen; dagegen iſt er niemals im Stande, der Luſt zu widerſtehen, Feder- vieh aller Arten anzugreifen und abzuwürgen. — Nach Katzenart ſpielt er oft ſtundenlang mit beweg- lichen Gegenſtänden, zumal mit Kugeln.
Manche Kuguare läßt man frei im ganzen Hauſe herumlaufen. Sie ſuchen ihren Wärter auf, ſchmiegen ſich an ihn, belecken ihm die Hände und legen ſich ihm zärtlich zu Füßen. Wenn man ſie ſtreichelt, ſchnurren ſie in ähnlicher Weiſe, wie die Katzen. Dies thun ſie wohl auch ſonſt, wenn ſie ſich recht behaglich fühlen. Jhre Furcht geben ſie durch eine Art von Schnäuzen, ihren Unwillen durch einen murrenden Laut zu erkennen; ein Gebrüll hat man aber niemals von ihnen vernommen. Zwei Pumas, welche ſich in unſerm Thiergarten befinden, begrüßen ihre Bekannten ſtets durch ein nicht allzulautes, aber ſcharfes und dabei kurz ausgeſtoßenes Pfeifen, wie ich es von andern Katzen nie hörte. Nur durch eins wird der zahme Kuguar unangenehm. Er pflegt ſich, wenn er ſeinen Herrn erſt liebgewonnen hat und gern mit ihm ſpielt, bei ſeiner Annäherung zu verſtecken und ſpringt dann unverſehens auf ihn los — gerade ſo, wie Dies zahme Löwen auch zu thun pflegen. Man kann ſich leicht denken, wie ungemüthlich ſolche, zu unrechter Zeit angebrachte Zärtlichkeit manchmal werden kann. Zudem gebraucht der Kuguar, wenngleich nur ſpielend, ſeine Krallen und Zähne auf unan- genehme Weiſe. Einzelne ſollen ſo zahm geworden ſein, daß man ſie geradezu zur Jagd abrichten konnte; doch bedarf dieſe Angabe wohl noch ſehr der Beſtätigung. Azara beſaß einen jung auf- gezogenen Kuguar über vier Monate lang und erzählt außer ähnlichen Thatſachen auch noch, daß das Thier ſeinen Wärtern zum Fluß folgte und dabei die ganze Stadt durchkreuzte, ohne ſich mit den Hunden auf der Straße in Streit einzulaſſen. Wenn er frei im Hofe herumlief, ſprang er zuweilen
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[217/0279]
Blutdurſt des Puma. Fortpflanzung. Jagd und Fang. Gezähmte Pumas.
Jn der Provinz St. Louis und in der Sierra von Mendoza ſah Göring auf den Umzäunungen,
in welche nachts die Weidethiere getrieben werden, viele Pumaköpfe aufgeſpießt und erfuhr, daß man
dieſes Siegeszeichen hier aufſtecke, um andere Pumas von dem Beſuch der Hürden abzuhalten: —
gerade ſo, wie man in früheren Zeiten die Köpfe der gerichteten Verbrecher vor die Thore der Stadt
zu pflanzen pflegte, innerhalb deren Weichbildes ſie den Lohn ihrer Sünden empfangen. Die Beſitzer
der Pumaköpfe hielten dieſelben außerordentlich werth und erlaubten Göring nicht, einen einzigen von
dem Pfahle herabzunehmen. Nicht einmal für Geld waren die Leute zu bewegen, einen der Köpfe zu
veräußern. Die Hürdenbeſitzer haben nämlich den ſonderbaren Aberglauben, daß der Puma ſicherlich
eine Herde angreifen wird, welche nicht durch den Kopf eines ſeiner Artgenoſſen gefeit iſt. Dabei iſt
es merkwürdig, daß der Gaucho, wenn er ſeine Hürde nicht durch einen Kopf verziert hat, keineswegs
ängſtlich iſt; er wird dies aber, wenn er bereits einen beſeſſen und ihn veräußert hat. Wird ein
ſolcher Kopf geſtohlen, ſo entſteht förmliche Beſtürzung unter allen Herdenbeſitzern. Der Dieb würde
ſeine That ſicherlich mit dem Leben bezahlen müſſen.
Alt eingefangene Kuguars nehmen ſelten in der Gefangenſchaft Futter an, ſondern opfern ſich
freiwillig dem Hungertode; ſehr jung eingefangene dagegen werden bald und zwar außerordentlich zahm.
Reugger verſichert, daß man den Puma zum Hausthier machen könnte, wenn ihn nicht hin und
wieder die Luſt anwandelte, ſeine Blutgier an dem zahmen Geflügel auszulaſſen. Man zieht ihn mit
Milch und gekochtem Fleiſche auf; Pflanzennahrung iſt ihm ſehr zuwider und muß wenigſtens mit
Fleiſchbrühe gekocht werden, wenn er ſie genießen ſoll; auch erkrankt er ſehr bald, wenn man ihm kein
Fleiſch giebt. Seine Lieblingsſpeiſe iſt warmes Blut, und davon kann er, wie unſer Gewährsmann
ſagt, fünf bis ſechs Pfund auf einmal ohne Nachtheil trinken. Das rohe Fleiſch beleckt er, wie viele
Katzen es thun, bevor er es verzehrt; beim Freſſen hält er, wie unſere Hauskatze, den Kopf auf die
Seite. Nach der Mahlzeit leckt er ſich zunächſt die Pfoten und einen Theil des Leibes; dann legt er ſich
ſchlafen und bringt ſo einige Stunden des Tages zu. Man muß dem gefangenen Kuguar viele Flüſſig-
keiten reichen, beſonders im Sommer, weil ihm nicht einmal friſches Blut das Waſſer gänzlich erſetzen
kann und er auch, wenn er durſtig iſt, weit eher unter dem zahmen Federvieh Schaden anrichtet, als
wenn man ihn reichlich mit Waſſer verſorgt. Er lernt ſeine Hausgenoſſen, ſowohl Menſchen, als Thiere,
nach und nach kennen und fügt ihnen keinen Schaden zu. Mit Hunden und Katzen lebt und verträgt
er ſich gut und gaukelt mit ihnen; dagegen iſt er niemals im Stande, der Luſt zu widerſtehen, Feder-
vieh aller Arten anzugreifen und abzuwürgen. — Nach Katzenart ſpielt er oft ſtundenlang mit beweg-
lichen Gegenſtänden, zumal mit Kugeln.
Manche Kuguare läßt man frei im ganzen Hauſe herumlaufen. Sie ſuchen ihren Wärter auf,
ſchmiegen ſich an ihn, belecken ihm die Hände und legen ſich ihm zärtlich zu Füßen. Wenn man ſie
ſtreichelt, ſchnurren ſie in ähnlicher Weiſe, wie die Katzen. Dies thun ſie wohl auch ſonſt, wenn ſie
ſich recht behaglich fühlen. Jhre Furcht geben ſie durch eine Art von Schnäuzen, ihren Unwillen
durch einen murrenden Laut zu erkennen; ein Gebrüll hat man aber niemals von ihnen vernommen.
Zwei Pumas, welche ſich in unſerm Thiergarten befinden, begrüßen ihre Bekannten ſtets durch ein
nicht allzulautes, aber ſcharfes und dabei kurz ausgeſtoßenes Pfeifen, wie ich es von andern Katzen
nie hörte. Nur durch eins wird der zahme Kuguar unangenehm. Er pflegt ſich, wenn er ſeinen Herrn
erſt liebgewonnen hat und gern mit ihm ſpielt, bei ſeiner Annäherung zu verſtecken und ſpringt dann
unverſehens auf ihn los — gerade ſo, wie Dies zahme Löwen auch zu thun pflegen. Man kann ſich
leicht denken, wie ungemüthlich ſolche, zu unrechter Zeit angebrachte Zärtlichkeit manchmal werden
kann. Zudem gebraucht der Kuguar, wenngleich nur ſpielend, ſeine Krallen und Zähne auf unan-
genehme Weiſe. Einzelne ſollen ſo zahm geworden ſein, daß man ſie geradezu zur Jagd abrichten
konnte; doch bedarf dieſe Angabe wohl noch ſehr der Beſtätigung. Azara beſaß einen jung auf-
gezogenen Kuguar über vier Monate lang und erzählt außer ähnlichen Thatſachen auch noch, daß das
Thier ſeinen Wärtern zum Fluß folgte und dabei die ganze Stadt durchkreuzte, ohne ſich mit den
Hunden auf der Straße in Streit einzulaſſen. Wenn er frei im Hofe herumlief, ſprang er zuweilen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/279>, abgerufen am 22.11.2024.
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