Vergötterung des Tigers. Der Mensch im Kampfe gegen ihn.
Bellen im dichten Gebüsch, und ehe noch ein Schuß gefallen, sprang der Tiger auf den Rücken eines Elefanten, welcher drei Jäger trug. Dieser schüttelte sich gewaltig und warf den Tiger und die drei Reiter ab, so daß alle vier ins Gebüsch flogen. Schon gab man die Reiter verloren, da krochen sie zum Erstaunen der Anwesenden zwar mit ängstlichen Gesichtern, aber unversehrt aus dem Gebüsch hervor. Der Nabob ließ jetzt größere Massen von Elefanten ins Gebüsch rücken und den Tiger nach der Stelle treiben, wo er selbst, von Bewaffneten umgeben, ihn auf seinem Elefanten erwartete. Beim Vorgehen ward der Tiger angeschossen, dann gegen den Nabob hingedrängt und dort erlegt.
Karl von Görtz hat bei Seharunpore eine Tigerjagd mitgemacht, welche von dem Ober- befehlshaber des indischen Heeres veranstaltet ward. Vierzig Elefanten standen in Bereitschaft, acht davon waren für die Jäger bestimmt. Jeder Elefant hatte einen von Rohrgeflecht umgebenen, bequemen Sitz für einen Schützen und hinter diesem einen kleinern für einen Diener, welcher zwei bis drei Ge- wehre in Bereitschaft hielt. Um hinaufzukommen, kletterte man, während der Elefant niederkauerte, an ihm empor. Vorn auf dem Halse des Thieres saß der Mahut. Die übrigen 32 Elefanten waren zum Treiben bestimmt; auf mehreren von ihnen saßen außer dem Lenker zwei bis drei Eingeborne. Schilf und Gras war da, wo sich die Reihe von vierzig Elefanten vorwärts bewegte, oft 15 bis 20 Fuß hoch. Zum untrüglichen Zeichen von der Nähe eines Tigers erhoben die Elefanten den Rüssel und stießen zu wiederholten Malen den bekannten trompetenartigen Laut aus, welchen sie hören lassen, wenn sie irgendwie erregt sind. Der erste Tiger ward von einem gewissen Harvey, dem besten Schützen, welcher schon dem Tode von hundert Tigern beigewohnt hatte, erspäht und verwundet. Gleich darauf hing das Thier an dem Rüssel des Elefanten. Dieser stand unbeweglich. Harvey gab dem Tiger einen zweiten Schuß, worauf er zu Boden fiel, noch eine Kugel bekam, starb und auf einen Elefanten gebunden wurde, welcher ihn jedoch nur mit großem Widerwillen aufnahm.
Die indischen Fürsten wenden zuweilen auch die Lappjagd in großartigem Maßstabe an. Man setzt nämlich, auf 13 bis 14 Fuß Entfernung, hohe Bambusstangen mit außerordentlich großen, starken Netzen, welche an einem gewissen Punkte gegen einander laufen, und treibt dahin den Tiger. Jn dem Winkel, welchen die Netze bilden, werden dann für die hohen Herren Gerüste errichtet und mit den besten Schützen, namentlich mit den königlichen Hoheiten, besetzt. Die Netze sind an ihrer niedrigsten Stelle etwa 11 Fuß hoch, aber überall nur locker an die Stangen gehängt, damit sie augenblicklich herab- fallen, wenn ein Tiger gegen sie springt, und diesen dann verwickeln. Die eigentliche Jagd erfordert ebenfalls ein großes Heer von Menschen und wird wenigstens gegenwärtig nicht häufig mehr an- gewandt; dabei muß man sich auch noch vorsehen, daß nicht etwa Elefanten oder andere große Thiere in dem begrenzten Theile der Dschungeln sich befinden, da sie sonst durch ihr blindes Anrennen die Netze augenblicklich zerreißen und somit, trotz den längs der Netze aufgestellten Wachen, die Jagd auf den Tiger vereiteln würden.
Um den Tiger an die Schießstände zu treiben, werden alle möglichen Arten von Schreckmitteln angewandt. Man schießt, trommelt, zündet Feuer an, wirft brennende Fackeln in das Rohr, benutzt mit dem besten Erfolge sehr große Raketen, welche man in geringer Höhe über den Rohrwald dahin- sausen läßt etc. Wenn eine solche Rakete zu fliegen beginnt und zischend und leuchtend über die Dschungeln dahinfährt, versetzt sie alle Geschöpfe und auch den Tiger in einen namenlosen Schrecken. Die Feuerstrahlen und das Gezisch und Gebrause sind fürchterliche Dinge für das Raubthier, und kein Tiger kann einem solchen feurigen Drachen, der mit soviel Wuth und Kraft dahinrauscht, wider- stehen. Schon nach kurzer Zeit gewahrt man ein Bewegen der Dschungeln und sieht, wie sich das erschreckte Raubthier feig aus dem Staube machen will. Von hinten her kommt der Lärm, nach vor- wärts also muß es stürmen! Da erreicht es die Netze; sie sind zu hoch, um über sie wegsetzen zu können, und zu gefährlich, um den Versuch zu wagen, sie zu durchbrechen; die Stangen aber, an welchen sie befestigt sind, sind viel zu leicht und biegsam, als daß der Flüchtende an ihnen emporklimmen könnte, und so ist er genöthigt, sich längs derselben fortzuschleichen und den in sicherer Höhe thronenden Schützen zur Zielscheibe zu werden. Diese an und für sich treffliche Jagdweise hat aber einen sehr
Vergötterung des Tigers. Der Menſch im Kampfe gegen ihn.
Bellen im dichten Gebüſch, und ehe noch ein Schuß gefallen, ſprang der Tiger auf den Rücken eines Elefanten, welcher drei Jäger trug. Dieſer ſchüttelte ſich gewaltig und warf den Tiger und die drei Reiter ab, ſo daß alle vier ins Gebüſch flogen. Schon gab man die Reiter verloren, da krochen ſie zum Erſtaunen der Anweſenden zwar mit ängſtlichen Geſichtern, aber unverſehrt aus dem Gebüſch hervor. Der Nabob ließ jetzt größere Maſſen von Elefanten ins Gebüſch rücken und den Tiger nach der Stelle treiben, wo er ſelbſt, von Bewaffneten umgeben, ihn auf ſeinem Elefanten erwartete. Beim Vorgehen ward der Tiger angeſchoſſen, dann gegen den Nabob hingedrängt und dort erlegt.
Karl von Görtz hat bei Seharunpore eine Tigerjagd mitgemacht, welche von dem Ober- befehlshaber des indiſchen Heeres veranſtaltet ward. Vierzig Elefanten ſtanden in Bereitſchaft, acht davon waren für die Jäger beſtimmt. Jeder Elefant hatte einen von Rohrgeflecht umgebenen, bequemen Sitz für einen Schützen und hinter dieſem einen kleinern für einen Diener, welcher zwei bis drei Ge- wehre in Bereitſchaft hielt. Um hinaufzukommen, kletterte man, während der Elefant niederkauerte, an ihm empor. Vorn auf dem Halſe des Thieres ſaß der Mahut. Die übrigen 32 Elefanten waren zum Treiben beſtimmt; auf mehreren von ihnen ſaßen außer dem Lenker zwei bis drei Eingeborne. Schilf und Gras war da, wo ſich die Reihe von vierzig Elefanten vorwärts bewegte, oft 15 bis 20 Fuß hoch. Zum untrüglichen Zeichen von der Nähe eines Tigers erhoben die Elefanten den Rüſſel und ſtießen zu wiederholten Malen den bekannten trompetenartigen Laut aus, welchen ſie hören laſſen, wenn ſie irgendwie erregt ſind. Der erſte Tiger ward von einem gewiſſen Harvey, dem beſten Schützen, welcher ſchon dem Tode von hundert Tigern beigewohnt hatte, erſpäht und verwundet. Gleich darauf hing das Thier an dem Rüſſel des Elefanten. Dieſer ſtand unbeweglich. Harvey gab dem Tiger einen zweiten Schuß, worauf er zu Boden fiel, noch eine Kugel bekam, ſtarb und auf einen Elefanten gebunden wurde, welcher ihn jedoch nur mit großem Widerwillen aufnahm.
Die indiſchen Fürſten wenden zuweilen auch die Lappjagd in großartigem Maßſtabe an. Man ſetzt nämlich, auf 13 bis 14 Fuß Entfernung, hohe Bambusſtangen mit außerordentlich großen, ſtarken Netzen, welche an einem gewiſſen Punkte gegen einander laufen, und treibt dahin den Tiger. Jn dem Winkel, welchen die Netze bilden, werden dann für die hohen Herren Gerüſte errichtet und mit den beſten Schützen, namentlich mit den königlichen Hoheiten, beſetzt. Die Netze ſind an ihrer niedrigſten Stelle etwa 11 Fuß hoch, aber überall nur locker an die Stangen gehängt, damit ſie augenblicklich herab- fallen, wenn ein Tiger gegen ſie ſpringt, und dieſen dann verwickeln. Die eigentliche Jagd erfordert ebenfalls ein großes Heer von Menſchen und wird wenigſtens gegenwärtig nicht häufig mehr an- gewandt; dabei muß man ſich auch noch vorſehen, daß nicht etwa Elefanten oder andere große Thiere in dem begrenzten Theile der Dſchungeln ſich befinden, da ſie ſonſt durch ihr blindes Anrennen die Netze augenblicklich zerreißen und ſomit, trotz den längs der Netze aufgeſtellten Wachen, die Jagd auf den Tiger vereiteln würden.
Um den Tiger an die Schießſtände zu treiben, werden alle möglichen Arten von Schreckmitteln angewandt. Man ſchießt, trommelt, zündet Feuer an, wirft brennende Fackeln in das Rohr, benutzt mit dem beſten Erfolge ſehr große Raketen, welche man in geringer Höhe über den Rohrwald dahin- ſauſen läßt ꝛc. Wenn eine ſolche Rakete zu fliegen beginnt und ziſchend und leuchtend über die Dſchungeln dahinfährt, verſetzt ſie alle Geſchöpfe und auch den Tiger in einen namenloſen Schrecken. Die Feuerſtrahlen und das Geziſch und Gebrauſe ſind fürchterliche Dinge für das Raubthier, und kein Tiger kann einem ſolchen feurigen Drachen, der mit ſoviel Wuth und Kraft dahinrauſcht, wider- ſtehen. Schon nach kurzer Zeit gewahrt man ein Bewegen der Dſchungeln und ſieht, wie ſich das erſchreckte Raubthier feig aus dem Staube machen will. Von hinten her kommt der Lärm, nach vor- wärts alſo muß es ſtürmen! Da erreicht es die Netze; ſie ſind zu hoch, um über ſie wegſetzen zu können, und zu gefährlich, um den Verſuch zu wagen, ſie zu durchbrechen; die Stangen aber, an welchen ſie befeſtigt ſind, ſind viel zu leicht und biegſam, als daß der Flüchtende an ihnen emporklimmen könnte, und ſo iſt er genöthigt, ſich längs derſelben fortzuſchleichen und den in ſicherer Höhe thronenden Schützen zur Zielſcheibe zu werden. Dieſe an und für ſich treffliche Jagdweiſe hat aber einen ſehr
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Vergötterung des Tigers. Der Menſch im Kampfe gegen ihn.
Bellen im dichten Gebüſch, und ehe noch ein Schuß gefallen, ſprang der Tiger auf den Rücken eines
Elefanten, welcher drei Jäger trug. Dieſer ſchüttelte ſich gewaltig und warf den Tiger und die drei
Reiter ab, ſo daß alle vier ins Gebüſch flogen. Schon gab man die Reiter verloren, da krochen ſie
zum Erſtaunen der Anweſenden zwar mit ängſtlichen Geſichtern, aber unverſehrt aus dem Gebüſch
hervor. Der Nabob ließ jetzt größere Maſſen von Elefanten ins Gebüſch rücken und den Tiger nach
der Stelle treiben, wo er ſelbſt, von Bewaffneten umgeben, ihn auf ſeinem Elefanten erwartete.
Beim Vorgehen ward der Tiger angeſchoſſen, dann gegen den Nabob hingedrängt und dort erlegt.
Karl von Görtz hat bei Seharunpore eine Tigerjagd mitgemacht, welche von dem Ober-
befehlshaber des indiſchen Heeres veranſtaltet ward. Vierzig Elefanten ſtanden in Bereitſchaft, acht
davon waren für die Jäger beſtimmt. Jeder Elefant hatte einen von Rohrgeflecht umgebenen, bequemen
Sitz für einen Schützen und hinter dieſem einen kleinern für einen Diener, welcher zwei bis drei Ge-
wehre in Bereitſchaft hielt. Um hinaufzukommen, kletterte man, während der Elefant niederkauerte,
an ihm empor. Vorn auf dem Halſe des Thieres ſaß der Mahut. Die übrigen 32 Elefanten waren
zum Treiben beſtimmt; auf mehreren von ihnen ſaßen außer dem Lenker zwei bis drei Eingeborne.
Schilf und Gras war da, wo ſich die Reihe von vierzig Elefanten vorwärts bewegte, oft 15 bis
20 Fuß hoch. Zum untrüglichen Zeichen von der Nähe eines Tigers erhoben die Elefanten den
Rüſſel und ſtießen zu wiederholten Malen den bekannten trompetenartigen Laut aus, welchen ſie
hören laſſen, wenn ſie irgendwie erregt ſind. Der erſte Tiger ward von einem gewiſſen Harvey,
dem beſten Schützen, welcher ſchon dem Tode von hundert Tigern beigewohnt hatte, erſpäht und
verwundet. Gleich darauf hing das Thier an dem Rüſſel des Elefanten. Dieſer ſtand unbeweglich.
Harvey gab dem Tiger einen zweiten Schuß, worauf er zu Boden fiel, noch eine Kugel bekam, ſtarb
und auf einen Elefanten gebunden wurde, welcher ihn jedoch nur mit großem Widerwillen aufnahm.
Die indiſchen Fürſten wenden zuweilen auch die Lappjagd in großartigem Maßſtabe an. Man
ſetzt nämlich, auf 13 bis 14 Fuß Entfernung, hohe Bambusſtangen mit außerordentlich großen, ſtarken
Netzen, welche an einem gewiſſen Punkte gegen einander laufen, und treibt dahin den Tiger. Jn dem
Winkel, welchen die Netze bilden, werden dann für die hohen Herren Gerüſte errichtet und mit den beſten
Schützen, namentlich mit den königlichen Hoheiten, beſetzt. Die Netze ſind an ihrer niedrigſten Stelle
etwa 11 Fuß hoch, aber überall nur locker an die Stangen gehängt, damit ſie augenblicklich herab-
fallen, wenn ein Tiger gegen ſie ſpringt, und dieſen dann verwickeln. Die eigentliche Jagd erfordert
ebenfalls ein großes Heer von Menſchen und wird wenigſtens gegenwärtig nicht häufig mehr an-
gewandt; dabei muß man ſich auch noch vorſehen, daß nicht etwa Elefanten oder andere große Thiere
in dem begrenzten Theile der Dſchungeln ſich befinden, da ſie ſonſt durch ihr blindes Anrennen die
Netze augenblicklich zerreißen und ſomit, trotz den längs der Netze aufgeſtellten Wachen, die Jagd auf
den Tiger vereiteln würden.
Um den Tiger an die Schießſtände zu treiben, werden alle möglichen Arten von Schreckmitteln
angewandt. Man ſchießt, trommelt, zündet Feuer an, wirft brennende Fackeln in das Rohr, benutzt
mit dem beſten Erfolge ſehr große Raketen, welche man in geringer Höhe über den Rohrwald dahin-
ſauſen läßt ꝛc. Wenn eine ſolche Rakete zu fliegen beginnt und ziſchend und leuchtend über die
Dſchungeln dahinfährt, verſetzt ſie alle Geſchöpfe und auch den Tiger in einen namenloſen Schrecken.
Die Feuerſtrahlen und das Geziſch und Gebrauſe ſind fürchterliche Dinge für das Raubthier, und
kein Tiger kann einem ſolchen feurigen Drachen, der mit ſoviel Wuth und Kraft dahinrauſcht, wider-
ſtehen. Schon nach kurzer Zeit gewahrt man ein Bewegen der Dſchungeln und ſieht, wie ſich das
erſchreckte Raubthier feig aus dem Staube machen will. Von hinten her kommt der Lärm, nach vor-
wärts alſo muß es ſtürmen! Da erreicht es die Netze; ſie ſind zu hoch, um über ſie wegſetzen zu können,
und zu gefährlich, um den Verſuch zu wagen, ſie zu durchbrechen; die Stangen aber, an welchen ſie
befeſtigt ſind, ſind viel zu leicht und biegſam, als daß der Flüchtende an ihnen emporklimmen könnte,
und ſo iſt er genöthigt, ſich längs derſelben fortzuſchleichen und den in ſicherer Höhe thronenden
Schützen zur Zielſcheibe zu werden. Dieſe an und für ſich treffliche Jagdweiſe hat aber einen ſehr
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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