wichtigen Grund gegen sich: sie erfordert einen zu großen Aufwand von Kraft und Geld und kann deshalb nicht regelmäßig betrieben werden, sondern immer nur als Festtag gelten. Deshalb ist ihr Erfolg verhältnißmäßig gering.
Weit ergiebiger, als alle die großen Treiben, wenn auch weniger pomphaft, sind die Einzel- jagden, welche Engländer allein oder mit wenigen Gehilfen unternehmen. Wie Afrika seine Löwen- jäger, hat Ostindien seine besonderen Tigerjäger, und eine der ersten Stellen unter ihnen dürfte der Lieutenant Rice einnehmen. Derselbe hat ein besonderes Werk herausgegeben, unter dem Titel "Tiger Shooting in India", und erzählt darin, daß er 68 Tiger, drei Panther und 25 Bären erlegt und außerdem noch viele derselben verwundet habe. Da mir das Werk nicht zur Hand ist, entnehme ich Einiges aus demselben, welches Hartwig in seiner "Tropenwelt" mittheilt.
Mit vortrefflichen Doppelläufen versehen und von wohl bezahlten Treibern und einer Koppel muthiger Hunde begleitet, drang Rice herzhaft in das Dickicht und suchte selbst den aufgescheuchten Tiger auf. Voran ging gewöhnlich der Schikari oder Haupttreiber, welcher, mit Aufmerksamkeit die Spuren des Tigers beobachtend, die einzuschlagende Richtung angab. Rechts und links schritten neben ihm die Engländer, stets schußfertig, und dicht hinter ihnen die sichersten ihrer Leute mit geladenen Gewehren zum Austausch. Dann folgte die Musik, welche aus vier oder fünf Trommeln verschiedener Größe, Zimbeln, Hörnern und ein Paar Pistolen bestand, welch letztere fort und fort abgeschossen wurden. Männer, welche mit Säbeln und langen Jagdspießen bewaffnet waren, dienten der Musik zum Geleite; den Nachtrupp bildeten Schleuderer, welche beständig über die Köpfe der Vorderen hin- weg Steine in die Dschungeln warfen und damit noch viel besser, als durch den Höllenlärm jener Werkzeuge, den Tiger aufscheuchten. Ab und zu kletterte auch ein Mann auf einen Baum, die Be- wegung des Thieres zu beobachten. Der ganze Trupp bildete einen dicht geschlossenen Haufen.
Niemals wagt es der Tiger, eine Menschenmasse anzugreifen, welche sich auf eine so geräusch- volle Weise ankündigt. So wild und verwegen er ist, wenn es sich um das Beschleichen und Ueber- fallen einer ahnungslosen Beute handelt, so wenig Muth beweist er bei Gefahr. Einem Kampfe mit dem Menschen sucht er immer auszuweichen, und sobald er sich verfolgt sieht, ergreift er fast feig die Flucht, während der Löwe unter ähnlichen Umständen gerade am furchtbarsten wird. Wird der Tiger verwundet, so stürzt er allerdings augenblicklich mit der blindesten Wuth auf seine Feinde los; gehen diese aber in der eben angegebenen Weise durch die Dschungeln, so ist mit ziemlicher Sicherheit darauf zu rechnen, daß das Leben der Treiber bei der Untersuchung eben keine große Gefahr länft, die Rohr- bestände mögen so dick sein, wie sie wollen. Am schwierigsten ist es, die Leute immer gehörig zu- sammenzuhalten, weil dieselben oft, von ihrem eignen Muthe hingerissen, bei dem geringsten günstigen Erfolge geneigt sind, sich zu zerstrenen.
So warf sich einer von Rice's Treibern, alle Geduld über einen Tiger verlierend, welchen weder der Lärm, noch Steinwürfe, noch Feuerbrände von seinem Lager aufjagen konnten, mit ge- zogenem Säbel ganz allein in das Dickicht; aber wenige Augenblicke später war er auch von dem Tiger ergriffen und gräßlich zerfleischt. Ohne sich zu bedenken, stürzten ihm seine Gefährten zur Hilfe nach und nöthigten den Tiger, ihn wieder fahren zu lassen. Seine Wunden, obgleich schrecklich anzu- sehen, waren glücklicherweise nicht lebensgefährlich, und er machte noch manches Treiben mit.
Bei einer solchen Jagd gerieth der Fähndrich Elliot, ein Freund des Tigertödters, in große Gefahr. Von vierzig Treibern unterstützt, hatten beide Engländer eine Dschungel in Angriff ge- nommen, welche nicht viel zu versprechen schien, und waren mit ihren Gewehren auf kleine Bäume gestiegen, um den Erfolg der Untersuchung abzuwarten. Plötzlich scheuchten die Leute einen schönen Tiger auf, und dieser schritt langsam auf sie zu. Sie schwiegen ganz still, aber einer ihrer Begleiter, welcher auf einem andern Baume Wache hielt und fürchtete, daß sie von dem Tiger überrascht werden möchten, schrie ihnen zu, auf ihrer Hut zu sein. Dies war genug, den Tiger von der eingeschlagenen Richtung abzulenken, so daß die Engländer kaum Zeit hatten, ihm eine Kugel nachzusenden. Sein lautes Gebrüll verkündete, daß er verwundet sei, doch hatte er sich schon zu weit in die Rohrwälder
Die Raubthiere. Katzen. — Tiger.
wichtigen Grund gegen ſich: ſie erfordert einen zu großen Aufwand von Kraft und Geld und kann deshalb nicht regelmäßig betrieben werden, ſondern immer nur als Feſttag gelten. Deshalb iſt ihr Erfolg verhältnißmäßig gering.
Weit ergiebiger, als alle die großen Treiben, wenn auch weniger pomphaft, ſind die Einzel- jagden, welche Engländer allein oder mit wenigen Gehilfen unternehmen. Wie Afrika ſeine Löwen- jäger, hat Oſtindien ſeine beſonderen Tigerjäger, und eine der erſten Stellen unter ihnen dürfte der Lieutenant Rice einnehmen. Derſelbe hat ein beſonderes Werk herausgegeben, unter dem Titel „Tiger Shooting in India‟, und erzählt darin, daß er 68 Tiger, drei Panther und 25 Bären erlegt und außerdem noch viele derſelben verwundet habe. Da mir das Werk nicht zur Hand iſt, entnehme ich Einiges aus demſelben, welches Hartwig in ſeiner „Tropenwelt‟ mittheilt.
Mit vortrefflichen Doppelläufen verſehen und von wohl bezahlten Treibern und einer Koppel muthiger Hunde begleitet, drang Rice herzhaft in das Dickicht und ſuchte ſelbſt den aufgeſcheuchten Tiger auf. Voran ging gewöhnlich der Schikari oder Haupttreiber, welcher, mit Aufmerkſamkeit die Spuren des Tigers beobachtend, die einzuſchlagende Richtung angab. Rechts und links ſchritten neben ihm die Engländer, ſtets ſchußfertig, und dicht hinter ihnen die ſicherſten ihrer Leute mit geladenen Gewehren zum Austauſch. Dann folgte die Muſik, welche aus vier oder fünf Trommeln verſchiedener Größe, Zimbeln, Hörnern und ein Paar Piſtolen beſtand, welch letztere fort und fort abgeſchoſſen wurden. Männer, welche mit Säbeln und langen Jagdſpießen bewaffnet waren, dienten der Muſik zum Geleite; den Nachtrupp bildeten Schleuderer, welche beſtändig über die Köpfe der Vorderen hin- weg Steine in die Dſchungeln warfen und damit noch viel beſſer, als durch den Höllenlärm jener Werkzeuge, den Tiger aufſcheuchten. Ab und zu kletterte auch ein Mann auf einen Baum, die Be- wegung des Thieres zu beobachten. Der ganze Trupp bildete einen dicht geſchloſſenen Haufen.
Niemals wagt es der Tiger, eine Menſchenmaſſe anzugreifen, welche ſich auf eine ſo geräuſch- volle Weiſe ankündigt. So wild und verwegen er iſt, wenn es ſich um das Beſchleichen und Ueber- fallen einer ahnungsloſen Beute handelt, ſo wenig Muth beweiſt er bei Gefahr. Einem Kampfe mit dem Menſchen ſucht er immer auszuweichen, und ſobald er ſich verfolgt ſieht, ergreift er faſt feig die Flucht, während der Löwe unter ähnlichen Umſtänden gerade am furchtbarſten wird. Wird der Tiger verwundet, ſo ſtürzt er allerdings augenblicklich mit der blindeſten Wuth auf ſeine Feinde los; gehen dieſe aber in der eben angegebenen Weiſe durch die Dſchungeln, ſo iſt mit ziemlicher Sicherheit darauf zu rechnen, daß das Leben der Treiber bei der Unterſuchung eben keine große Gefahr länft, die Rohr- beſtände mögen ſo dick ſein, wie ſie wollen. Am ſchwierigſten iſt es, die Leute immer gehörig zu- ſammenzuhalten, weil dieſelben oft, von ihrem eignen Muthe hingeriſſen, bei dem geringſten günſtigen Erfolge geneigt ſind, ſich zu zerſtrenen.
So warf ſich einer von Rice’s Treibern, alle Geduld über einen Tiger verlierend, welchen weder der Lärm, noch Steinwürfe, noch Feuerbrände von ſeinem Lager aufjagen konnten, mit ge- zogenem Säbel ganz allein in das Dickicht; aber wenige Augenblicke ſpäter war er auch von dem Tiger ergriffen und gräßlich zerfleiſcht. Ohne ſich zu bedenken, ſtürzten ihm ſeine Gefährten zur Hilfe nach und nöthigten den Tiger, ihn wieder fahren zu laſſen. Seine Wunden, obgleich ſchrecklich anzu- ſehen, waren glücklicherweiſe nicht lebensgefährlich, und er machte noch manches Treiben mit.
Bei einer ſolchen Jagd gerieth der Fähndrich Elliot, ein Freund des Tigertödters, in große Gefahr. Von vierzig Treibern unterſtützt, hatten beide Engländer eine Dſchungel in Angriff ge- nommen, welche nicht viel zu verſprechen ſchien, und waren mit ihren Gewehren auf kleine Bäume geſtiegen, um den Erfolg der Unterſuchung abzuwarten. Plötzlich ſcheuchten die Leute einen ſchönen Tiger auf, und dieſer ſchritt langſam auf ſie zu. Sie ſchwiegen ganz ſtill, aber einer ihrer Begleiter, welcher auf einem andern Baume Wache hielt und fürchtete, daß ſie von dem Tiger überraſcht werden möchten, ſchrie ihnen zu, auf ihrer Hut zu ſein. Dies war genug, den Tiger von der eingeſchlagenen Richtung abzulenken, ſo daß die Engländer kaum Zeit hatten, ihm eine Kugel nachzuſenden. Sein lautes Gebrüll verkündete, daß er verwundet ſei, doch hatte er ſich ſchon zu weit in die Rohrwälder
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Die Raubthiere. Katzen. — Tiger.
wichtigen Grund gegen ſich: ſie erfordert einen zu großen Aufwand von Kraft und Geld und kann
deshalb nicht regelmäßig betrieben werden, ſondern immer nur als Feſttag gelten. Deshalb iſt ihr
Erfolg verhältnißmäßig gering.
Weit ergiebiger, als alle die großen Treiben, wenn auch weniger pomphaft, ſind die Einzel-
jagden, welche Engländer allein oder mit wenigen Gehilfen unternehmen. Wie Afrika ſeine Löwen-
jäger, hat Oſtindien ſeine beſonderen Tigerjäger, und eine der erſten Stellen unter ihnen dürfte
der Lieutenant Rice einnehmen. Derſelbe hat ein beſonderes Werk herausgegeben, unter dem Titel
„Tiger Shooting in India‟, und erzählt darin, daß er 68 Tiger, drei Panther und 25 Bären erlegt
und außerdem noch viele derſelben verwundet habe. Da mir das Werk nicht zur Hand iſt, entnehme
ich Einiges aus demſelben, welches Hartwig in ſeiner „Tropenwelt‟ mittheilt.
Mit vortrefflichen Doppelläufen verſehen und von wohl bezahlten Treibern und einer Koppel
muthiger Hunde begleitet, drang Rice herzhaft in das Dickicht und ſuchte ſelbſt den aufgeſcheuchten
Tiger auf. Voran ging gewöhnlich der Schikari oder Haupttreiber, welcher, mit Aufmerkſamkeit die
Spuren des Tigers beobachtend, die einzuſchlagende Richtung angab. Rechts und links ſchritten neben
ihm die Engländer, ſtets ſchußfertig, und dicht hinter ihnen die ſicherſten ihrer Leute mit geladenen
Gewehren zum Austauſch. Dann folgte die Muſik, welche aus vier oder fünf Trommeln verſchiedener
Größe, Zimbeln, Hörnern und ein Paar Piſtolen beſtand, welch letztere fort und fort abgeſchoſſen
wurden. Männer, welche mit Säbeln und langen Jagdſpießen bewaffnet waren, dienten der Muſik
zum Geleite; den Nachtrupp bildeten Schleuderer, welche beſtändig über die Köpfe der Vorderen hin-
weg Steine in die Dſchungeln warfen und damit noch viel beſſer, als durch den Höllenlärm jener
Werkzeuge, den Tiger aufſcheuchten. Ab und zu kletterte auch ein Mann auf einen Baum, die Be-
wegung des Thieres zu beobachten. Der ganze Trupp bildete einen dicht geſchloſſenen Haufen.
Niemals wagt es der Tiger, eine Menſchenmaſſe anzugreifen, welche ſich auf eine ſo geräuſch-
volle Weiſe ankündigt. So wild und verwegen er iſt, wenn es ſich um das Beſchleichen und Ueber-
fallen einer ahnungsloſen Beute handelt, ſo wenig Muth beweiſt er bei Gefahr. Einem Kampfe mit
dem Menſchen ſucht er immer auszuweichen, und ſobald er ſich verfolgt ſieht, ergreift er faſt feig die
Flucht, während der Löwe unter ähnlichen Umſtänden gerade am furchtbarſten wird. Wird der Tiger
verwundet, ſo ſtürzt er allerdings augenblicklich mit der blindeſten Wuth auf ſeine Feinde los; gehen
dieſe aber in der eben angegebenen Weiſe durch die Dſchungeln, ſo iſt mit ziemlicher Sicherheit darauf
zu rechnen, daß das Leben der Treiber bei der Unterſuchung eben keine große Gefahr länft, die Rohr-
beſtände mögen ſo dick ſein, wie ſie wollen. Am ſchwierigſten iſt es, die Leute immer gehörig zu-
ſammenzuhalten, weil dieſelben oft, von ihrem eignen Muthe hingeriſſen, bei dem geringſten günſtigen
Erfolge geneigt ſind, ſich zu zerſtrenen.
So warf ſich einer von Rice’s Treibern, alle Geduld über einen Tiger verlierend, welchen
weder der Lärm, noch Steinwürfe, noch Feuerbrände von ſeinem Lager aufjagen konnten, mit ge-
zogenem Säbel ganz allein in das Dickicht; aber wenige Augenblicke ſpäter war er auch von dem
Tiger ergriffen und gräßlich zerfleiſcht. Ohne ſich zu bedenken, ſtürzten ihm ſeine Gefährten zur Hilfe
nach und nöthigten den Tiger, ihn wieder fahren zu laſſen. Seine Wunden, obgleich ſchrecklich anzu-
ſehen, waren glücklicherweiſe nicht lebensgefährlich, und er machte noch manches Treiben mit.
Bei einer ſolchen Jagd gerieth der Fähndrich Elliot, ein Freund des Tigertödters, in große
Gefahr. Von vierzig Treibern unterſtützt, hatten beide Engländer eine Dſchungel in Angriff ge-
nommen, welche nicht viel zu verſprechen ſchien, und waren mit ihren Gewehren auf kleine Bäume
geſtiegen, um den Erfolg der Unterſuchung abzuwarten. Plötzlich ſcheuchten die Leute einen ſchönen
Tiger auf, und dieſer ſchritt langſam auf ſie zu. Sie ſchwiegen ganz ſtill, aber einer ihrer Begleiter,
welcher auf einem andern Baume Wache hielt und fürchtete, daß ſie von dem Tiger überraſcht werden
möchten, ſchrie ihnen zu, auf ihrer Hut zu ſein. Dies war genug, den Tiger von der eingeſchlagenen
Richtung abzulenken, ſo daß die Engländer kaum Zeit hatten, ihm eine Kugel nachzuſenden. Sein
lautes Gebrüll verkündete, daß er verwundet ſei, doch hatte er ſich ſchon zu weit in die Rohrwälder
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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