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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Tiger.
erhebt er ein furchtbares Gebrüll und ruft damit seine Gegner herbei, welche nun leichtes
Spiel haben.

Ein sehr gefährlich scheinender, aber in Wahrheit ungefährlicher Jagdplan besteht auch in
Folgendem: Man baut einen Käfig aus sehr starkem Bambus und stellt ihn auf den Wechsel des
Tigers. Jn diesen Käfig verbirgt sich ein bewaffneter Mann und giebt sich somit selbst als Köder
hin. Mit Anbruch der Nacht erscheint der Tiger und gewahrt natürlich sehr bald den Menschen,
welcher seinerseits alle Mittel gebraucht, um ihn herbeizulocken, und klagt und jammert oder anderes
Geräusch hervorbringt. Die Sache näher zu untersuchen, kommt der Tiger heran, sieht sein ver-
meintliches Opfer durch die Stäbe des Gitters und versucht jetzt, diese mit seinen Tatzen zu zerbrechen.
Dabei muß er sich aber nothwendigerweise so stellen, daß seine Brust nach dem Manne zugekehrt
wird, und dieser benutzt den günstigen Augenblick, um ihm seine Lanze mit Macht in das Herz zu
rennen. Da nun die Lanze, in einigen Gegenden wenigstens, vergiftet ist, wird das Raubthier fast
regelmäßig mit dem ersten Stoß erlegt.

Bei allen Jagden gebrauchen die Schikaris die Vorsicht, eine besondere Kleidung anzulegen.
Durch langjährige Erfahrung hat man gefunden, daß in den Tigergegenden kein Kleid bessere Dienste
leistet, als ein den abgefallenen Blättern in der Färbung ähnelndes. Ein solches steht in so voll-
kommenem Einklange mit der Umgebung, daß der Jäger schon auf kurze Entfernung hin gänzlich
zu verschwinden scheint und auch dem scharfen Auge eines Tigers weit weniger sichtbar ist, als wenn
er in grellen und von der Umgebung abstechend gefärbten Kleidern in die Dschungeln dringen wollte.

Es ist merkwürdig, daß ein so gewaltiges Thier, wie der Tiger, gewöhnlich auch einer leichten
Verwundung erliegt. Ein angeschossener Tiger geht fast regelmäßig zu Grunde. Dabei wirken freilich
noch andere Ursachen mit. Jn jenen heißen Ländern ist das Heer der stechenden und blutsaugenden
Kerbthiere selbstverständlich ein weit größeres, als bei uns. Hunderte von Fliegen beeilen sich, ihre
Eier an den Rändern der Wunde abzulegen. Da entstehen denn schon am zweiten Tage die bös-
artigsten Geschwüre. Es stellt sich Wundsieber ein, und das Thier geht zu Grunde, selbst wenn die
Kugel keinen einzigen der edleren Theile getroffen hat. Die geübten Jäger sehen übrigens augen-
blicklich, ob sie einen Tiger so verwundet haben, daß er bald verendet, oder ob er blos leicht getroffen
worden ist. Bei Schüssen nämlich, deren Kugel das Herz, die Lungen oder die Leber durchbohrt hat,
streckt der fliehende Tiger beim Gehen gleichsam krampfhaft alle feine Klauen aus, und diese hinter-
lassen jetzt eine auch dem Unkundigen besonders auffallende Fährte, während er, wenn er blos leicht
verwundet wird, wie gewöhnlich auftritt d. h. gar keine Fährte zurückläßt. An den Blutspuren ist selten
die Verwundung zu erkennen, ja in den meisten Fällen verlieren die durch die Brust geschossenen Tiger
kaum einen Tropfen Blut. Das leicht aufliegende und verschiebbare Fell bedeckt bei den Bewegungen
des Thieres die Wunde so vollständig, daß es den Austritt des Blutes verwehrt.

Der Leichnam des Tigers soll, wie allgemein versichert wird, außerordentlich leicht in Fäulniß
übergehen. Man hütet sich deshalb sorgfältig, einen erlegten Tiger den Strahlen der Sonne auszu-
setzen oder auf einen von ihr beschienenen, freien Platz zu legen. Schon nach wenigen Minuten, so
behauptet man, gehen, wenn man diese Vorsicht verabsäumt, die Haare in großen Ballen aus, und
bereits wenige Stunden nach dem Tode macht sich die vollständigste Fäulniß bemerklich. Jeder ge-
tödtete Tiger wird deshalb sogleich mit einem dichten Haufen von belaubten Zweigen bedeckt und
sobald als möglich abgestreift.

Der Nutzen, welchen ein geübter Tigerjäger aus seinen Jagden zieht, ist nicht unbedeutend.
Ganz abgesehen von der Belohnung, welche dem glücklichen Schützen wird, kann er fast alle Theile
des Tigers verwerthen. Das Fleisch wird allerdings nicht gegessen, wie man in Anbetracht der
Gewohnheiten vieler Völker, welche alle erlegten wilden Katzen als gute Beute betrachten, ver-
muthen möchte: wohl aber benutzt man das Fell, die Klauen, die Zähne und das Fett. Das Fell
wird mit irgend einem Gerbstoffe und Schutzmittel gegen die Kerbthiere getrocknet und wandert dann
zumeist in die Hände der Europäer oder nach China. Es wird weniger geschätzt, als das Pantherfell

Die Raubthiere. Katzen. — Tiger.
erhebt er ein furchtbares Gebrüll und ruft damit ſeine Gegner herbei, welche nun leichtes
Spiel haben.

Ein ſehr gefährlich ſcheinender, aber in Wahrheit ungefährlicher Jagdplan beſteht auch in
Folgendem: Man baut einen Käfig aus ſehr ſtarkem Bambus und ſtellt ihn auf den Wechſel des
Tigers. Jn dieſen Käfig verbirgt ſich ein bewaffneter Mann und giebt ſich ſomit ſelbſt als Köder
hin. Mit Anbruch der Nacht erſcheint der Tiger und gewahrt natürlich ſehr bald den Menſchen,
welcher ſeinerſeits alle Mittel gebraucht, um ihn herbeizulocken, und klagt und jammert oder anderes
Geräuſch hervorbringt. Die Sache näher zu unterſuchen, kommt der Tiger heran, ſieht ſein ver-
meintliches Opfer durch die Stäbe des Gitters und verſucht jetzt, dieſe mit ſeinen Tatzen zu zerbrechen.
Dabei muß er ſich aber nothwendigerweiſe ſo ſtellen, daß ſeine Bruſt nach dem Manne zugekehrt
wird, und dieſer benutzt den günſtigen Augenblick, um ihm ſeine Lanze mit Macht in das Herz zu
rennen. Da nun die Lanze, in einigen Gegenden wenigſtens, vergiftet iſt, wird das Raubthier faſt
regelmäßig mit dem erſten Stoß erlegt.

Bei allen Jagden gebrauchen die Schikaris die Vorſicht, eine beſondere Kleidung anzulegen.
Durch langjährige Erfahrung hat man gefunden, daß in den Tigergegenden kein Kleid beſſere Dienſte
leiſtet, als ein den abgefallenen Blättern in der Färbung ähnelndes. Ein ſolches ſteht in ſo voll-
kommenem Einklange mit der Umgebung, daß der Jäger ſchon auf kurze Entfernung hin gänzlich
zu verſchwinden ſcheint und auch dem ſcharfen Auge eines Tigers weit weniger ſichtbar iſt, als wenn
er in grellen und von der Umgebung abſtechend gefärbten Kleidern in die Dſchungeln dringen wollte.

Es iſt merkwürdig, daß ein ſo gewaltiges Thier, wie der Tiger, gewöhnlich auch einer leichten
Verwundung erliegt. Ein angeſchoſſener Tiger geht faſt regelmäßig zu Grunde. Dabei wirken freilich
noch andere Urſachen mit. Jn jenen heißen Ländern iſt das Heer der ſtechenden und blutſaugenden
Kerbthiere ſelbſtverſtändlich ein weit größeres, als bei uns. Hunderte von Fliegen beeilen ſich, ihre
Eier an den Rändern der Wunde abzulegen. Da entſtehen denn ſchon am zweiten Tage die bös-
artigſten Geſchwüre. Es ſtellt ſich Wundſieber ein, und das Thier geht zu Grunde, ſelbſt wenn die
Kugel keinen einzigen der edleren Theile getroffen hat. Die geübten Jäger ſehen übrigens augen-
blicklich, ob ſie einen Tiger ſo verwundet haben, daß er bald verendet, oder ob er blos leicht getroffen
worden iſt. Bei Schüſſen nämlich, deren Kugel das Herz, die Lungen oder die Leber durchbohrt hat,
ſtreckt der fliehende Tiger beim Gehen gleichſam krampfhaft alle feine Klauen aus, und dieſe hinter-
laſſen jetzt eine auch dem Unkundigen beſonders auffallende Fährte, während er, wenn er blos leicht
verwundet wird, wie gewöhnlich auftritt d. h. gar keine Fährte zurückläßt. An den Blutſpuren iſt ſelten
die Verwundung zu erkennen, ja in den meiſten Fällen verlieren die durch die Bruſt geſchoſſenen Tiger
kaum einen Tropfen Blut. Das leicht aufliegende und verſchiebbare Fell bedeckt bei den Bewegungen
des Thieres die Wunde ſo vollſtändig, daß es den Austritt des Blutes verwehrt.

Der Leichnam des Tigers ſoll, wie allgemein verſichert wird, außerordentlich leicht in Fäulniß
übergehen. Man hütet ſich deshalb ſorgfältig, einen erlegten Tiger den Strahlen der Sonne auszu-
ſetzen oder auf einen von ihr beſchienenen, freien Platz zu legen. Schon nach wenigen Minuten, ſo
behauptet man, gehen, wenn man dieſe Vorſicht verabſäumt, die Haare in großen Ballen aus, und
bereits wenige Stunden nach dem Tode macht ſich die vollſtändigſte Fäulniß bemerklich. Jeder ge-
tödtete Tiger wird deshalb ſogleich mit einem dichten Haufen von belaubten Zweigen bedeckt und
ſobald als möglich abgeſtreift.

Der Nutzen, welchen ein geübter Tigerjäger aus ſeinen Jagden zieht, iſt nicht unbedeutend.
Ganz abgeſehen von der Belohnung, welche dem glücklichen Schützen wird, kann er faſt alle Theile
des Tigers verwerthen. Das Fleiſch wird allerdings nicht gegeſſen, wie man in Anbetracht der
Gewohnheiten vieler Völker, welche alle erlegten wilden Katzen als gute Beute betrachten, ver-
muthen möchte: wohl aber benutzt man das Fell, die Klauen, die Zähne und das Fett. Das Fell
wird mit irgend einem Gerbſtoffe und Schutzmittel gegen die Kerbthiere getrocknet und wandert dann
zumeiſt in die Hände der Europäer oder nach China. Es wird weniger geſchätzt, als das Pantherfell

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[232/0296] Die Raubthiere. Katzen. — Tiger. erhebt er ein furchtbares Gebrüll und ruft damit ſeine Gegner herbei, welche nun leichtes Spiel haben. Ein ſehr gefährlich ſcheinender, aber in Wahrheit ungefährlicher Jagdplan beſteht auch in Folgendem: Man baut einen Käfig aus ſehr ſtarkem Bambus und ſtellt ihn auf den Wechſel des Tigers. Jn dieſen Käfig verbirgt ſich ein bewaffneter Mann und giebt ſich ſomit ſelbſt als Köder hin. Mit Anbruch der Nacht erſcheint der Tiger und gewahrt natürlich ſehr bald den Menſchen, welcher ſeinerſeits alle Mittel gebraucht, um ihn herbeizulocken, und klagt und jammert oder anderes Geräuſch hervorbringt. Die Sache näher zu unterſuchen, kommt der Tiger heran, ſieht ſein ver- meintliches Opfer durch die Stäbe des Gitters und verſucht jetzt, dieſe mit ſeinen Tatzen zu zerbrechen. Dabei muß er ſich aber nothwendigerweiſe ſo ſtellen, daß ſeine Bruſt nach dem Manne zugekehrt wird, und dieſer benutzt den günſtigen Augenblick, um ihm ſeine Lanze mit Macht in das Herz zu rennen. Da nun die Lanze, in einigen Gegenden wenigſtens, vergiftet iſt, wird das Raubthier faſt regelmäßig mit dem erſten Stoß erlegt. Bei allen Jagden gebrauchen die Schikaris die Vorſicht, eine beſondere Kleidung anzulegen. Durch langjährige Erfahrung hat man gefunden, daß in den Tigergegenden kein Kleid beſſere Dienſte leiſtet, als ein den abgefallenen Blättern in der Färbung ähnelndes. Ein ſolches ſteht in ſo voll- kommenem Einklange mit der Umgebung, daß der Jäger ſchon auf kurze Entfernung hin gänzlich zu verſchwinden ſcheint und auch dem ſcharfen Auge eines Tigers weit weniger ſichtbar iſt, als wenn er in grellen und von der Umgebung abſtechend gefärbten Kleidern in die Dſchungeln dringen wollte. Es iſt merkwürdig, daß ein ſo gewaltiges Thier, wie der Tiger, gewöhnlich auch einer leichten Verwundung erliegt. Ein angeſchoſſener Tiger geht faſt regelmäßig zu Grunde. Dabei wirken freilich noch andere Urſachen mit. Jn jenen heißen Ländern iſt das Heer der ſtechenden und blutſaugenden Kerbthiere ſelbſtverſtändlich ein weit größeres, als bei uns. Hunderte von Fliegen beeilen ſich, ihre Eier an den Rändern der Wunde abzulegen. Da entſtehen denn ſchon am zweiten Tage die bös- artigſten Geſchwüre. Es ſtellt ſich Wundſieber ein, und das Thier geht zu Grunde, ſelbſt wenn die Kugel keinen einzigen der edleren Theile getroffen hat. Die geübten Jäger ſehen übrigens augen- blicklich, ob ſie einen Tiger ſo verwundet haben, daß er bald verendet, oder ob er blos leicht getroffen worden iſt. Bei Schüſſen nämlich, deren Kugel das Herz, die Lungen oder die Leber durchbohrt hat, ſtreckt der fliehende Tiger beim Gehen gleichſam krampfhaft alle feine Klauen aus, und dieſe hinter- laſſen jetzt eine auch dem Unkundigen beſonders auffallende Fährte, während er, wenn er blos leicht verwundet wird, wie gewöhnlich auftritt d. h. gar keine Fährte zurückläßt. An den Blutſpuren iſt ſelten die Verwundung zu erkennen, ja in den meiſten Fällen verlieren die durch die Bruſt geſchoſſenen Tiger kaum einen Tropfen Blut. Das leicht aufliegende und verſchiebbare Fell bedeckt bei den Bewegungen des Thieres die Wunde ſo vollſtändig, daß es den Austritt des Blutes verwehrt. Der Leichnam des Tigers ſoll, wie allgemein verſichert wird, außerordentlich leicht in Fäulniß übergehen. Man hütet ſich deshalb ſorgfältig, einen erlegten Tiger den Strahlen der Sonne auszu- ſetzen oder auf einen von ihr beſchienenen, freien Platz zu legen. Schon nach wenigen Minuten, ſo behauptet man, gehen, wenn man dieſe Vorſicht verabſäumt, die Haare in großen Ballen aus, und bereits wenige Stunden nach dem Tode macht ſich die vollſtändigſte Fäulniß bemerklich. Jeder ge- tödtete Tiger wird deshalb ſogleich mit einem dichten Haufen von belaubten Zweigen bedeckt und ſobald als möglich abgeſtreift. Der Nutzen, welchen ein geübter Tigerjäger aus ſeinen Jagden zieht, iſt nicht unbedeutend. Ganz abgeſehen von der Belohnung, welche dem glücklichen Schützen wird, kann er faſt alle Theile des Tigers verwerthen. Das Fleiſch wird allerdings nicht gegeſſen, wie man in Anbetracht der Gewohnheiten vieler Völker, welche alle erlegten wilden Katzen als gute Beute betrachten, ver- muthen möchte: wohl aber benutzt man das Fell, die Klauen, die Zähne und das Fett. Das Fell wird mit irgend einem Gerbſtoffe und Schutzmittel gegen die Kerbthiere getrocknet und wandert dann zumeiſt in die Hände der Europäer oder nach China. Es wird weniger geſchätzt, als das Pantherfell

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/296>, abgerufen am 22.11.2024.