deshalb erscheinen hier die Flecken ganz unregelmäßig gestellt. Am Kopf und an den Beinen gehen die Ringflecken nach und nach in Punkte, am Bauche aber in große (oft noch doppelte) Tupfen über; die Punkte an den Läufen bilden noch Reihen, die Tupfen stehen unregelmäßig. Der Schwanz ist den größten Theil seiner Länge nach mit ringförmigen Flecken besetzt, welche gegen die Spitze hin voll werden und einige, durch schmale, lichte Bänder getrennte Halbringe bilden. Auf der Hinter- seite der Ohren steht ein lichter Fleck. Mit zunehmendem Alter wird der Leopard oben dunkler, unten aber lichter.
Dem Kopfe geben die kleinen Ohren, welche er noch dazu gern zurücklegt, und die großen, funkelnden, goldgrünen Augen einen Ausdruck furchtloser Kühnheit, verbunden mit listiger Tücke.
Auf den ersten Blick hin will es scheinen, als wäre das Kleid des Leoparden viel zu bunt für einen Räuber, welcher durch ein lauerndes Verstecken und Anschleichen seine Beute gewinnen und sich vor dem scharfen Auge derselben decken muß. Allein bei einer oberflächlichen Betrachtung der Gegenden, welche das Thier bewohnt, muß jede derartige Meinung verschwinden. Wer Jnnerafrika aus eigener Erfahrung kennen lernte, erstaunt über das bunte Gewand, welches dort die Erde trägt, und findet es ganz natürlich, daß in derselben ein so farbenreiches Geschöpf, selbst in sehr geringer Entfernung, übersehen werden kann. Das Fell des Leoparden und der Boden stimmen in ihrer Färbung auf das genaueste überein!
Fast ganz Afrika ist die Heimat des Leoparden. Er findet sich überall, wo es zusammen- hängende, wenn auch nur dünn bestandene Waldungen giebt, und zwar in verhältnißmäßig sehr großer Menge. Unter den Waldungen behagen ihm besonders diejenigen, welche zwischen den höheren Bäumen mit dichtem Unterholz bestanden sind. Grasige Ebenen liebt er nicht, obwohl er in der Steppe eine keineswegs seltene Erscheinung ist. Sehr gern zieht er sich in das Gebirg zurück, dessen reichbewachsene Höhen ihm nicht nur treffliche Versteckplätze, sondern auch reichliche Beute ge- währen. Jn Habesch bietet ihm noch ein Höhengürtel von 8000 Fuß über dem Meere alle An- nehmlichkeiten, welche er sich wünschen kann. Gar nicht selten sucht er sich seinen Aufenthaltsort nahe an den menschlichen Wohnungen oder in diesen selbst und unternimmt von hier aus seine Raubzüge: So erzählte mir Schimper, daß ein Leopard in einem Hause der Stadt Adoa in Habesch sogar Junge warf. Unter allen Umständen aber wählt sich der schlaue Räuber Plätze, welche ihn soviel als möglich dem Auge entziehen. Jn den Wäldern weiß er sich so vortrefflich zu bergen, daß man gewöhnlich blos an den Bäumen seine Spur auffindet: die eingekratzten Streifen, welche er beim Klettern in der Rinde zurückläßt. Seine Fährte sieht man nur äußerst selten, höchstens auf dem feuchten Sande in der Nähe seiner Tränkplätze, wo der leise aufgesetzte Fuß sich abdrückt. Auf dem harten Waldboden nimmt auch das geübteste Jägerauge keine Spur von dem Schleicher wahr.
Wie die meisten Pardelkatzen, hat der Leopard keinen bestimmten Aufenthaltsort, sondern streift weit herum und verändert seinen Wohnsitz nach Umständen. So verläßt er eine Gegend vollständig, nachdem er sie ausgeraubt oder in ihr wiederholte Nachstellungen erfahren hat.
Ungeachtet seiner nicht eben bedeutenden Größe ist der Leopard ein wahrhaft furchtbarer Feind aller Thiere und selbst des Menschen, obgleich er diesem gern ausweicht, wo es geht. Jn allen Leibesübungen Meister und listiger, als andere Raubthiere, versteht er es auch, das flüchtigste oder das scheueste Wild zu berücken. Sein Lauf ist zwar nicht schnell, aber er kann durch gewaltige Sprünge Das schon ersetzen, was ihm vor hochbeinigen Thieren abgeht. Jm Klettern steht er nur wenig anderen Katzen nach. Man trifft ihn fast ebenso oft auf Bäumen, als in einem Busch versteckt. Bei Verfolgung bäumt er regelmäßig. Wenn es sein muß, steht er auch nicht an, über ziemlich breite Ströme zu schwimmen, obgleich er sonst das Wasser scheut. Erst bei seinen Bewegungen zeigt er sich in seiner vollen Schönheit. Denn jede einzelne ist so biegsam, so federnd, gewandt und behend, daß man an dem Thiere seine wahre Freude haben muß, so sehr man auch den Räuber hassen mag. Da kann man Nichts gewahren, was irgend eine Austrengung bekundet. Der Körper windet und dreht sich nach allen Richtungen hin, und der Fuß tritt so leise auf, als ob er den leichtesten Körper trüge.
17 *
Beſchreibung. Heimat. Begabungen.
deshalb erſcheinen hier die Flecken ganz unregelmäßig geſtellt. Am Kopf und an den Beinen gehen die Ringflecken nach und nach in Punkte, am Bauche aber in große (oft noch doppelte) Tupfen über; die Punkte an den Läufen bilden noch Reihen, die Tupfen ſtehen unregelmäßig. Der Schwanz iſt den größten Theil ſeiner Länge nach mit ringförmigen Flecken beſetzt, welche gegen die Spitze hin voll werden und einige, durch ſchmale, lichte Bänder getrennte Halbringe bilden. Auf der Hinter- ſeite der Ohren ſteht ein lichter Fleck. Mit zunehmendem Alter wird der Leopard oben dunkler, unten aber lichter.
Dem Kopfe geben die kleinen Ohren, welche er noch dazu gern zurücklegt, und die großen, funkelnden, goldgrünen Augen einen Ausdruck furchtloſer Kühnheit, verbunden mit liſtiger Tücke.
Auf den erſten Blick hin will es ſcheinen, als wäre das Kleid des Leoparden viel zu bunt für einen Räuber, welcher durch ein lauerndes Verſtecken und Anſchleichen ſeine Beute gewinnen und ſich vor dem ſcharfen Auge derſelben decken muß. Allein bei einer oberflächlichen Betrachtung der Gegenden, welche das Thier bewohnt, muß jede derartige Meinung verſchwinden. Wer Jnnerafrika aus eigener Erfahrung kennen lernte, erſtaunt über das bunte Gewand, welches dort die Erde trägt, und findet es ganz natürlich, daß in derſelben ein ſo farbenreiches Geſchöpf, ſelbſt in ſehr geringer Entfernung, überſehen werden kann. Das Fell des Leoparden und der Boden ſtimmen in ihrer Färbung auf das genaueſte überein!
Faſt ganz Afrika iſt die Heimat des Leoparden. Er findet ſich überall, wo es zuſammen- hängende, wenn auch nur dünn beſtandene Waldungen giebt, und zwar in verhältnißmäßig ſehr großer Menge. Unter den Waldungen behagen ihm beſonders diejenigen, welche zwiſchen den höheren Bäumen mit dichtem Unterholz beſtanden ſind. Graſige Ebenen liebt er nicht, obwohl er in der Steppe eine keineswegs ſeltene Erſcheinung iſt. Sehr gern zieht er ſich in das Gebirg zurück, deſſen reichbewachſene Höhen ihm nicht nur treffliche Verſteckplätze, ſondern auch reichliche Beute ge- währen. Jn Habeſch bietet ihm noch ein Höhengürtel von 8000 Fuß über dem Meere alle An- nehmlichkeiten, welche er ſich wünſchen kann. Gar nicht ſelten ſucht er ſich ſeinen Aufenthaltsort nahe an den menſchlichen Wohnungen oder in dieſen ſelbſt und unternimmt von hier aus ſeine Raubzüge: So erzählte mir Schimper, daß ein Leopard in einem Hauſe der Stadt Adoa in Habeſch ſogar Junge warf. Unter allen Umſtänden aber wählt ſich der ſchlaue Räuber Plätze, welche ihn ſoviel als möglich dem Auge entziehen. Jn den Wäldern weiß er ſich ſo vortrefflich zu bergen, daß man gewöhnlich blos an den Bäumen ſeine Spur auffindet: die eingekratzten Streifen, welche er beim Klettern in der Rinde zurückläßt. Seine Fährte ſieht man nur äußerſt ſelten, höchſtens auf dem feuchten Sande in der Nähe ſeiner Tränkplätze, wo der leiſe aufgeſetzte Fuß ſich abdrückt. Auf dem harten Waldboden nimmt auch das geübteſte Jägerauge keine Spur von dem Schleicher wahr.
Wie die meiſten Pardelkatzen, hat der Leopard keinen beſtimmten Aufenthaltsort, ſondern ſtreift weit herum und verändert ſeinen Wohnſitz nach Umſtänden. So verläßt er eine Gegend vollſtändig, nachdem er ſie ausgeraubt oder in ihr wiederholte Nachſtellungen erfahren hat.
Ungeachtet ſeiner nicht eben bedeutenden Größe iſt der Leopard ein wahrhaft furchtbarer Feind aller Thiere und ſelbſt des Menſchen, obgleich er dieſem gern ausweicht, wo es geht. Jn allen Leibesübungen Meiſter und liſtiger, als andere Raubthiere, verſteht er es auch, das flüchtigſte oder das ſcheueſte Wild zu berücken. Sein Lauf iſt zwar nicht ſchnell, aber er kann durch gewaltige Sprünge Das ſchon erſetzen, was ihm vor hochbeinigen Thieren abgeht. Jm Klettern ſteht er nur wenig anderen Katzen nach. Man trifft ihn faſt ebenſo oft auf Bäumen, als in einem Buſch verſteckt. Bei Verfolgung bäumt er regelmäßig. Wenn es ſein muß, ſteht er auch nicht an, über ziemlich breite Ströme zu ſchwimmen, obgleich er ſonſt das Waſſer ſcheut. Erſt bei ſeinen Bewegungen zeigt er ſich in ſeiner vollen Schönheit. Denn jede einzelne iſt ſo biegſam, ſo federnd, gewandt und behend, daß man an dem Thiere ſeine wahre Freude haben muß, ſo ſehr man auch den Räuber haſſen mag. Da kann man Nichts gewahren, was irgend eine Auſtrengung bekundet. Der Körper windet und dreht ſich nach allen Richtungen hin, und der Fuß tritt ſo leiſe auf, als ob er den leichteſten Körper trüge.
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[259/0323]
Beſchreibung. Heimat. Begabungen.
deshalb erſcheinen hier die Flecken ganz unregelmäßig geſtellt. Am Kopf und an den Beinen gehen
die Ringflecken nach und nach in Punkte, am Bauche aber in große (oft noch doppelte) Tupfen über;
die Punkte an den Läufen bilden noch Reihen, die Tupfen ſtehen unregelmäßig. Der Schwanz iſt
den größten Theil ſeiner Länge nach mit ringförmigen Flecken beſetzt, welche gegen die Spitze hin
voll werden und einige, durch ſchmale, lichte Bänder getrennte Halbringe bilden. Auf der Hinter-
ſeite der Ohren ſteht ein lichter Fleck. Mit zunehmendem Alter wird der Leopard oben dunkler,
unten aber lichter.
Dem Kopfe geben die kleinen Ohren, welche er noch dazu gern zurücklegt, und die großen,
funkelnden, goldgrünen Augen einen Ausdruck furchtloſer Kühnheit, verbunden mit liſtiger Tücke.
Auf den erſten Blick hin will es ſcheinen, als wäre das Kleid des Leoparden viel zu bunt
für einen Räuber, welcher durch ein lauerndes Verſtecken und Anſchleichen ſeine Beute gewinnen und
ſich vor dem ſcharfen Auge derſelben decken muß. Allein bei einer oberflächlichen Betrachtung der
Gegenden, welche das Thier bewohnt, muß jede derartige Meinung verſchwinden. Wer Jnnerafrika
aus eigener Erfahrung kennen lernte, erſtaunt über das bunte Gewand, welches dort die Erde trägt,
und findet es ganz natürlich, daß in derſelben ein ſo farbenreiches Geſchöpf, ſelbſt in ſehr geringer
Entfernung, überſehen werden kann. Das Fell des Leoparden und der Boden ſtimmen in ihrer
Färbung auf das genaueſte überein!
Faſt ganz Afrika iſt die Heimat des Leoparden. Er findet ſich überall, wo es zuſammen-
hängende, wenn auch nur dünn beſtandene Waldungen giebt, und zwar in verhältnißmäßig ſehr
großer Menge. Unter den Waldungen behagen ihm beſonders diejenigen, welche zwiſchen den
höheren Bäumen mit dichtem Unterholz beſtanden ſind. Graſige Ebenen liebt er nicht, obwohl er
in der Steppe eine keineswegs ſeltene Erſcheinung iſt. Sehr gern zieht er ſich in das Gebirg zurück,
deſſen reichbewachſene Höhen ihm nicht nur treffliche Verſteckplätze, ſondern auch reichliche Beute ge-
währen. Jn Habeſch bietet ihm noch ein Höhengürtel von 8000 Fuß über dem Meere alle An-
nehmlichkeiten, welche er ſich wünſchen kann. Gar nicht ſelten ſucht er ſich ſeinen Aufenthaltsort nahe
an den menſchlichen Wohnungen oder in dieſen ſelbſt und unternimmt von hier aus ſeine Raubzüge:
So erzählte mir Schimper, daß ein Leopard in einem Hauſe der Stadt Adoa in Habeſch ſogar
Junge warf. Unter allen Umſtänden aber wählt ſich der ſchlaue Räuber Plätze, welche ihn ſoviel
als möglich dem Auge entziehen. Jn den Wäldern weiß er ſich ſo vortrefflich zu bergen, daß man
gewöhnlich blos an den Bäumen ſeine Spur auffindet: die eingekratzten Streifen, welche er beim
Klettern in der Rinde zurückläßt. Seine Fährte ſieht man nur äußerſt ſelten, höchſtens auf dem
feuchten Sande in der Nähe ſeiner Tränkplätze, wo der leiſe aufgeſetzte Fuß ſich abdrückt. Auf dem
harten Waldboden nimmt auch das geübteſte Jägerauge keine Spur von dem Schleicher wahr.
Wie die meiſten Pardelkatzen, hat der Leopard keinen beſtimmten Aufenthaltsort, ſondern ſtreift
weit herum und verändert ſeinen Wohnſitz nach Umſtänden. So verläßt er eine Gegend vollſtändig,
nachdem er ſie ausgeraubt oder in ihr wiederholte Nachſtellungen erfahren hat.
Ungeachtet ſeiner nicht eben bedeutenden Größe iſt der Leopard ein wahrhaft furchtbarer Feind
aller Thiere und ſelbſt des Menſchen, obgleich er dieſem gern ausweicht, wo es geht. Jn allen
Leibesübungen Meiſter und liſtiger, als andere Raubthiere, verſteht er es auch, das flüchtigſte oder
das ſcheueſte Wild zu berücken. Sein Lauf iſt zwar nicht ſchnell, aber er kann durch gewaltige
Sprünge Das ſchon erſetzen, was ihm vor hochbeinigen Thieren abgeht. Jm Klettern ſteht er nur
wenig anderen Katzen nach. Man trifft ihn faſt ebenſo oft auf Bäumen, als in einem Buſch verſteckt.
Bei Verfolgung bäumt er regelmäßig. Wenn es ſein muß, ſteht er auch nicht an, über ziemlich breite
Ströme zu ſchwimmen, obgleich er ſonſt das Waſſer ſcheut. Erſt bei ſeinen Bewegungen zeigt er ſich
in ſeiner vollen Schönheit. Denn jede einzelne iſt ſo biegſam, ſo federnd, gewandt und behend, daß
man an dem Thiere ſeine wahre Freude haben muß, ſo ſehr man auch den Räuber haſſen mag. Da
kann man Nichts gewahren, was irgend eine Auſtrengung bekundet. Der Körper windet und dreht
ſich nach allen Richtungen hin, und der Fuß tritt ſo leiſe auf, als ob er den leichteſten Körper trüge.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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