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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Hinz.
verkauft werden darf, und Dem wird hinzugefügt, daß sie von jenem Augenblicke an des doppelten
Preises werth sei. Der Käufer hatte das Recht, zu verlangen, daß Augen, Ohren und Krallen, voll-
kommen wären und daß sich das Thier aufs Mausen verstände, ebenso auch, daß ein gekauftes
Weibchen seine Jungen gut erziehe. War sie mit irgend einem Fehler behaftet, so kounte der Käufer
das Drittheil des Kaufpreises zurückverlangen. Wer auf den fürstlichen Kornböden eine Hauskatze
stahl oder tödtete, mußte sie mit einem Schafe sammt dem Lamm büßen oder soviel Weizen als Ersatz
für sie geben, als erforderlich war, um die Katze, wenn sie an dem Schwanze so aufgehängt wird, daß
sie mit der Nase den Boden berührt, vollkommen zu bedecken.

Dieses Gesetz ist für uns von hohem Werthe, denn es liefert uns den Beweis, daß man zu
damaliger Zeit die Hauskatze als eine sehr werthvolle Erwerbung betrachtete; zugleich aber sehen wir
daraus, daß die Wildkatze nicht wohl als die Stammmutter jener angesehen werden darf: denn zu da-
maliger Zeit gab es auch in England so viele Wildkatzen, daß es jedenfalls nicht schwer gewesen sein
würde, sich die Jungen davon in beliebiger Menge zu zähmen.

Gegenwärtig findet sich die Katze fast in allen Ländern, in welchen der Mensch feste Wohnsitze
hat. Jn Europa ist sie überall zu treffen und in Amerika schon seit Entdeckung dieses Erdtheils ver-
breitet. Auch in Asien und in Australien ist sie ziemlich häufig, weniger jedoch in Afrika, zumal im
Jnnern des Erdtheils, wo sie in vielen Ländern gänzlich fehlt. Manche Völkerschaften Asiens,
z. B. die Mandschu, treiben noch einen ziemlich bedeutenden Handel mit ihr. Sie geben den
Giljaken junge Kater, niemals aber Miezen, und unterhalten sich somit immer ihre Absatzquelle
offen. Die Käufer tauschen solche Katzen mit Zobelfellen ein, und beide Theile machen ein sehr
gutes Geschäft.

Jn den gesitteten Ländern ist die Hauskatze das einzige Mitglied ihrer Familie, welches allgemein
gezähmt und im Hause gehalten wird. Gleichwohl bewahrt sich jede Katze immer in einem gewissen
Grade ihre Selbstständigkeit und unterwirst sich dem Menschen nur insoweit, als sie es für gut be-
findet. Je mehr sich dieser mit ihr beschäftigt, um so treuere Anhänglichkeit gewinnt sie an die
Familie, je mehr man aber eine Katze sich selbst überläßt, um so größer wird ihre Anhänglichkeit an
das Haus, in welchem sie geboren wurde. Der Mensch bestimmt unter allen Umständen den Grad
der Zähmung und der Häuslichkeit einer Katze. Wo sie sich selbst überlassen wird, kommt es nicht
selten vor, daß sie zur Zeit des Sommers ganz dem Hause entläuft und sich in die Wälder begiebt,
in denen sie unter Umständen fast völlig verwildern kann. Bei Eintritt des Winters kehrt sie ge-
wöhnlich in ihre frühere Wohnung zurück und bringt dahin auch ihre Jungen, welche sie während ihres
Sommeraufenthalts zur Welt gebracht hat; doch kommt es, zumal in warmen Ländern, häusig genug
vor, daß sie sich, auch wenn sie zurückgekehrt ist, fast gar nicht mehr um den Menschen kümmert.
Namentlich die Katzen in Paraguay leben, wie uns Rengger mittheilt, in der größten Selbstständig-
keit. Sie folgen, zumal in den wenig bevölkerten Gegenden, ganz ihrem Triebe zur Unabhängigkeit,
und selbst diejenigen, welche man als an das Haus gewöhnte betrachten kann, streifen Tage lang in
den Waldungen und auf den Feldern umher, stellen allen kleinen, wehrlosen Säugethieren nach, be-
schleichen des Nachts die Vögel auf den Bäumen und kommen blos bei regnerischem oder stürmischem
Wetter nach Hause. Man versichert, daß auch die, welche doch sorgfältig von Jugend auf behandelt
worden sind, mit zunehmendem Alter ihren Hang zur Freiheit zeigen, und daß nur verschnittene
Mänuchen guter Mäusejäger abgeben, welche wirklich im Hause bleiben und ihre Aufgabe vollständig
genügen. Gleichwohl ist auch in Paraguay die Hauskatze noch nicht vollständig verwildert; denn,
sowie die Regenzeit eintritt, nähert sie sich gewöhnlich wieder den Wohnungen und bringt dahin auch
ihre Jungen mit. Letztere gehen regelmäßig zu Grunde, wenn sie in der rauhen Witterung in den
Wäldern gelassen werden, und selbst die Alten scheinen den Regen nicht vertragen zu können. Jeden-
falls findet man nirgends wirklich verwilderte Katzen dieser Art in den Waldungen; sie sind sogar
aus den ehemals bewohnten Gegenden verschwunden, in denen sie beim Abzuge der Weißen zurück-
gelassen wurden.

Die Raubthiere. Katzen. — Hinz.
verkauft werden darf, und Dem wird hinzugefügt, daß ſie von jenem Augenblicke an des doppelten
Preiſes werth ſei. Der Käufer hatte das Recht, zu verlangen, daß Augen, Ohren und Krallen, voll-
kommen wären und daß ſich das Thier aufs Mauſen verſtände, ebenſo auch, daß ein gekauftes
Weibchen ſeine Jungen gut erziehe. War ſie mit irgend einem Fehler behaftet, ſo kounte der Käufer
das Drittheil des Kaufpreiſes zurückverlangen. Wer auf den fürſtlichen Kornböden eine Hauskatze
ſtahl oder tödtete, mußte ſie mit einem Schafe ſammt dem Lamm büßen oder ſoviel Weizen als Erſatz
für ſie geben, als erforderlich war, um die Katze, wenn ſie an dem Schwanze ſo aufgehängt wird, daß
ſie mit der Naſe den Boden berührt, vollkommen zu bedecken.

Dieſes Geſetz iſt für uns von hohem Werthe, denn es liefert uns den Beweis, daß man zu
damaliger Zeit die Hauskatze als eine ſehr werthvolle Erwerbung betrachtete; zugleich aber ſehen wir
daraus, daß die Wildkatze nicht wohl als die Stammmutter jener angeſehen werden darf: denn zu da-
maliger Zeit gab es auch in England ſo viele Wildkatzen, daß es jedenfalls nicht ſchwer geweſen ſein
würde, ſich die Jungen davon in beliebiger Menge zu zähmen.

Gegenwärtig findet ſich die Katze faſt in allen Ländern, in welchen der Menſch feſte Wohnſitze
hat. Jn Europa iſt ſie überall zu treffen und in Amerika ſchon ſeit Entdeckung dieſes Erdtheils ver-
breitet. Auch in Aſien und in Auſtralien iſt ſie ziemlich häufig, weniger jedoch in Afrika, zumal im
Jnnern des Erdtheils, wo ſie in vielen Ländern gänzlich fehlt. Manche Völkerſchaften Aſiens,
z. B. die Mandſchu, treiben noch einen ziemlich bedeutenden Handel mit ihr. Sie geben den
Giljaken junge Kater, niemals aber Miezen, und unterhalten ſich ſomit immer ihre Abſatzquelle
offen. Die Käufer tauſchen ſolche Katzen mit Zobelfellen ein, und beide Theile machen ein ſehr
gutes Geſchäft.

Jn den geſitteten Ländern iſt die Hauskatze das einzige Mitglied ihrer Familie, welches allgemein
gezähmt und im Hauſe gehalten wird. Gleichwohl bewahrt ſich jede Katze immer in einem gewiſſen
Grade ihre Selbſtſtändigkeit und unterwirſt ſich dem Menſchen nur inſoweit, als ſie es für gut be-
findet. Je mehr ſich dieſer mit ihr beſchäftigt, um ſo treuere Anhänglichkeit gewinnt ſie an die
Familie, je mehr man aber eine Katze ſich ſelbſt überläßt, um ſo größer wird ihre Anhänglichkeit an
das Haus, in welchem ſie geboren wurde. Der Menſch beſtimmt unter allen Umſtänden den Grad
der Zähmung und der Häuslichkeit einer Katze. Wo ſie ſich ſelbſt überlaſſen wird, kommt es nicht
ſelten vor, daß ſie zur Zeit des Sommers ganz dem Hauſe entläuft und ſich in die Wälder begiebt,
in denen ſie unter Umſtänden faſt völlig verwildern kann. Bei Eintritt des Winters kehrt ſie ge-
wöhnlich in ihre frühere Wohnung zurück und bringt dahin auch ihre Jungen, welche ſie während ihres
Sommeraufenthalts zur Welt gebracht hat; doch kommt es, zumal in warmen Ländern, häuſig genug
vor, daß ſie ſich, auch wenn ſie zurückgekehrt iſt, faſt gar nicht mehr um den Menſchen kümmert.
Namentlich die Katzen in Paraguay leben, wie uns Rengger mittheilt, in der größten Selbſtſtändig-
keit. Sie folgen, zumal in den wenig bevölkerten Gegenden, ganz ihrem Triebe zur Unabhängigkeit,
und ſelbſt diejenigen, welche man als an das Haus gewöhnte betrachten kann, ſtreifen Tage lang in
den Waldungen und auf den Feldern umher, ſtellen allen kleinen, wehrloſen Säugethieren nach, be-
ſchleichen des Nachts die Vögel auf den Bäumen und kommen blos bei regneriſchem oder ſtürmiſchem
Wetter nach Hauſe. Man verſichert, daß auch die, welche doch ſorgfältig von Jugend auf behandelt
worden ſind, mit zunehmendem Alter ihren Hang zur Freiheit zeigen, und daß nur verſchnittene
Mänuchen guter Mäuſejäger abgeben, welche wirklich im Hauſe bleiben und ihre Aufgabe vollſtändig
genügen. Gleichwohl iſt auch in Paraguay die Hauskatze noch nicht vollſtändig verwildert; denn,
ſowie die Regenzeit eintritt, nähert ſie ſich gewöhnlich wieder den Wohnungen und bringt dahin auch
ihre Jungen mit. Letztere gehen regelmäßig zu Grunde, wenn ſie in der rauhen Witterung in den
Wäldern gelaſſen werden, und ſelbſt die Alten ſcheinen den Regen nicht vertragen zu können. Jeden-
falls findet man nirgends wirklich verwilderte Katzen dieſer Art in den Waldungen; ſie ſind ſogar
aus den ehemals bewohnten Gegenden verſchwunden, in denen ſie beim Abzuge der Weißen zurück-
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[282/0346] Die Raubthiere. Katzen. — Hinz. verkauft werden darf, und Dem wird hinzugefügt, daß ſie von jenem Augenblicke an des doppelten Preiſes werth ſei. Der Käufer hatte das Recht, zu verlangen, daß Augen, Ohren und Krallen, voll- kommen wären und daß ſich das Thier aufs Mauſen verſtände, ebenſo auch, daß ein gekauftes Weibchen ſeine Jungen gut erziehe. War ſie mit irgend einem Fehler behaftet, ſo kounte der Käufer das Drittheil des Kaufpreiſes zurückverlangen. Wer auf den fürſtlichen Kornböden eine Hauskatze ſtahl oder tödtete, mußte ſie mit einem Schafe ſammt dem Lamm büßen oder ſoviel Weizen als Erſatz für ſie geben, als erforderlich war, um die Katze, wenn ſie an dem Schwanze ſo aufgehängt wird, daß ſie mit der Naſe den Boden berührt, vollkommen zu bedecken. Dieſes Geſetz iſt für uns von hohem Werthe, denn es liefert uns den Beweis, daß man zu damaliger Zeit die Hauskatze als eine ſehr werthvolle Erwerbung betrachtete; zugleich aber ſehen wir daraus, daß die Wildkatze nicht wohl als die Stammmutter jener angeſehen werden darf: denn zu da- maliger Zeit gab es auch in England ſo viele Wildkatzen, daß es jedenfalls nicht ſchwer geweſen ſein würde, ſich die Jungen davon in beliebiger Menge zu zähmen. Gegenwärtig findet ſich die Katze faſt in allen Ländern, in welchen der Menſch feſte Wohnſitze hat. Jn Europa iſt ſie überall zu treffen und in Amerika ſchon ſeit Entdeckung dieſes Erdtheils ver- breitet. Auch in Aſien und in Auſtralien iſt ſie ziemlich häufig, weniger jedoch in Afrika, zumal im Jnnern des Erdtheils, wo ſie in vielen Ländern gänzlich fehlt. Manche Völkerſchaften Aſiens, z. B. die Mandſchu, treiben noch einen ziemlich bedeutenden Handel mit ihr. Sie geben den Giljaken junge Kater, niemals aber Miezen, und unterhalten ſich ſomit immer ihre Abſatzquelle offen. Die Käufer tauſchen ſolche Katzen mit Zobelfellen ein, und beide Theile machen ein ſehr gutes Geſchäft. Jn den geſitteten Ländern iſt die Hauskatze das einzige Mitglied ihrer Familie, welches allgemein gezähmt und im Hauſe gehalten wird. Gleichwohl bewahrt ſich jede Katze immer in einem gewiſſen Grade ihre Selbſtſtändigkeit und unterwirſt ſich dem Menſchen nur inſoweit, als ſie es für gut be- findet. Je mehr ſich dieſer mit ihr beſchäftigt, um ſo treuere Anhänglichkeit gewinnt ſie an die Familie, je mehr man aber eine Katze ſich ſelbſt überläßt, um ſo größer wird ihre Anhänglichkeit an das Haus, in welchem ſie geboren wurde. Der Menſch beſtimmt unter allen Umſtänden den Grad der Zähmung und der Häuslichkeit einer Katze. Wo ſie ſich ſelbſt überlaſſen wird, kommt es nicht ſelten vor, daß ſie zur Zeit des Sommers ganz dem Hauſe entläuft und ſich in die Wälder begiebt, in denen ſie unter Umſtänden faſt völlig verwildern kann. Bei Eintritt des Winters kehrt ſie ge- wöhnlich in ihre frühere Wohnung zurück und bringt dahin auch ihre Jungen, welche ſie während ihres Sommeraufenthalts zur Welt gebracht hat; doch kommt es, zumal in warmen Ländern, häuſig genug vor, daß ſie ſich, auch wenn ſie zurückgekehrt iſt, faſt gar nicht mehr um den Menſchen kümmert. Namentlich die Katzen in Paraguay leben, wie uns Rengger mittheilt, in der größten Selbſtſtändig- keit. Sie folgen, zumal in den wenig bevölkerten Gegenden, ganz ihrem Triebe zur Unabhängigkeit, und ſelbſt diejenigen, welche man als an das Haus gewöhnte betrachten kann, ſtreifen Tage lang in den Waldungen und auf den Feldern umher, ſtellen allen kleinen, wehrloſen Säugethieren nach, be- ſchleichen des Nachts die Vögel auf den Bäumen und kommen blos bei regneriſchem oder ſtürmiſchem Wetter nach Hauſe. Man verſichert, daß auch die, welche doch ſorgfältig von Jugend auf behandelt worden ſind, mit zunehmendem Alter ihren Hang zur Freiheit zeigen, und daß nur verſchnittene Mänuchen guter Mäuſejäger abgeben, welche wirklich im Hauſe bleiben und ihre Aufgabe vollſtändig genügen. Gleichwohl iſt auch in Paraguay die Hauskatze noch nicht vollſtändig verwildert; denn, ſowie die Regenzeit eintritt, nähert ſie ſich gewöhnlich wieder den Wohnungen und bringt dahin auch ihre Jungen mit. Letztere gehen regelmäßig zu Grunde, wenn ſie in der rauhen Witterung in den Wäldern gelaſſen werden, und ſelbſt die Alten ſcheinen den Regen nicht vertragen zu können. Jeden- falls findet man nirgends wirklich verwilderte Katzen dieſer Art in den Waldungen; ſie ſind ſogar aus den ehemals bewohnten Gegenden verſchwunden, in denen ſie beim Abzuge der Weißen zurück- gelaſſen wurden.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/346>, abgerufen am 22.11.2024.