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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Wildjagd mit dem Gepard. Sein Betragen in der Gefangenschaft. Kampf mit Hund und Leopard.
des Wesens unsers Thieres. Dem angebundenen Gepard fällt es gar nicht ein, den leichten Strick
zu zerbeißen, an welchen man ihn gefesselt hat. Er denkt nie daran, dem Etwas zu Leide zu thun,
welcher sich mit ihm beschäftigt, und man darf ohne Bedenken dreist zu ihm hingehen und ihn
streicheln und liebkosen. Scheinbar gleichmüthig nimmt er solche Liebkosungen an, und das Höchste,
was man erlangen kann, ist, daß er etwas beschleunigter spinnt, als gewöhnlich. Solange er
nämlich wach ist, spinnt er ununterbrochen nach Katzenart, nur etwas tiefer und lauter. Oft steht er
stundenlang unbeweglich da, sieht träumerisch starr nach einer Richtung und spinnt dabei höchst
behaglich. Jn solchen Augenblicken dürfen Hühner, Tauben, Sperlinge, Ziegen und Schafe an
ihm vorübergehen: er würdigt sie kaum eines Blickes. Nur andere Raubthiere stören seine "unge-
heure Heiterkeit" und Gemüthlichkeit. Ein vorüberschleichender Hund regt ihn sichtlich auf: das
Spinnen unterbleibt augenblicklich; er äugt scharf nach dem gewöhnlich etwas verlegenen Hunde,
spitzt die Ohren und versucht wohl auch, einige kühne Springe zu machen, um ihn zu erreichen. Jch
besaß einen Gepard, welcher so zahm war, daß ich ihn wie einen Hund am Stricke herumführen
konnte und es dreist wagen durfte, mit ihm in den Straßen zu lustwandeln. So lange er es blos mit
Menschen zu thun hatte, ging er immer ruhig zur Seite; anders aber wurde es, wenn uns Hunde
begegneten. Er zeigte dann jedesmal eine so große Unruhe, daß ich auf den Gedanken kam, einmal
zu versuchen, was er denn machen würde, wenn er wenigstens beschränkt frei wäre. Jch band ihn
also an eine Leine von ungefähr funfzig oder sechzig Fuß Länge, wickelte mir diese leicht um Hand
und Ellbogen und führte ihn spazieren. Zwei große, faule Köter kreuzten den Weg. Jack, so
hieß mein Gepard, äugte verwundert, endigte sein gemüthliches Spinnen und wurde ungeduldig; jetzt
faßte ich das Ende der Leine und warf die Schlinge zu Boden, so daß er Spielraum hatte. Augen-
blicklich legte er sich platt auf die Erde und kroch nun in der oben beschriebenen Weise an die Hunde
hinan, welche ihrerseits ganz verdutzt und verwundert das sonderbare Wesen betrachteten. Je näher er
den Hunden kam, um so aufgeregter, aber zugleich auch vorsichtiger wurde er. Wie eine Schlange glitt
er auf dem Boden hin. Endlich glaubte er nahe genug zu sein, und nun stürzte er mit drei, vier gewal-
tigen Sätzen auf einen der Hunde los, erreichte ihn, trotzdem daß dieser die Flucht ergriff, und schlug
ihn mit den Tatzen nieder. Dies geschah in ganz eigenthümlicher Weise. Er hieb seine Krallen nicht
ein, sondern er prügelte blos mit seinen Vorderläufen auf den Hund los, bis dieser zu Boden fiel.
Der arme Köter bekam plötzlich Todtenangst, als er das Katzengesicht über sich erblickte, und fing
an, jämmerlich zu heulen. Sämmtliche Hunde der Straße geriethen in Aufruhr und heulten und
bellten aus Mitleiden; ein dichter Volkshaufe sammelte sich, und ich mußte wohl oder übel meinen
Gepard an mich nehmen, ohne eigentlich zum Spiele gekommen zu sein d. h. ohne gesehen zu haben,
was er mit dem Hunde beginnen würde. Dagegen veranstaltete ich in unserm Hofe einen großen
Thierkampf, welcher überhaupt, zu meiner Schande will ich es gestehn, das Ergötzlichste ist, was ich
sehen kann. Jch besaß zu derselben Zeit einen erwachsenen Leoparden, ein rasendes, wüthendes
Thier ohne Gleichen, ich möchte fast sagen, einen Teufel in Katzengestalt -- doch ich habe ihn ja
schon beschrieben. Die Kette des Leoparden wurde also durch einen darangebundenen Strick ver-
längert und er aus seinem Käfig heraus in den Hof gelassen. Der Gepard seinerseits war unge-
fesselt und konnte nach Belieben den Kampf aufnehmen oder abbrechen. Er befand sich gerade in
höchst gemüthlicher Stimmung und schnurrte besonders ausdrucksvoll, als ich ihn herbeiholte. Kaum
aber ersah er seinen Herrn Vetter, als nicht nur alle Gemüthlichkeit verschwand, sondern auch sein
ganzes Aussehen ein durchaus anderes wurde. Die Seher traten aus ihren Höhlen heraus, die
Mähne sträubte sich, er fauchte sogar, was ich sonst niemals vernommen hatte, und nun stürzte er sich
muthig auf seinen Gegner los. Der hielt ihm auch Stand, und so begann jetzt ein Kampf und ein
Fauchen, daß mir, ich will es gern zugeben, angst und bange dabei wurde. Der Leopard war bald
niedergetrommelt, aber gerade jetzt wurde er furchtbar. Er lag auf dem Rücken und mißhandelte
meinen Jack mit seinen vier Tatzen, daß ich mit Recht besorgt um ihn wurde. Jack achtete aber der
Schmerzen nicht, sondern biß muthig auf den heimtückischen Vetter los und würde ihn jedenfalls

Wildjagd mit dem Gepard. Sein Betragen in der Gefangenſchaft. Kampf mit Hund und Leopard.
des Weſens unſers Thieres. Dem angebundenen Gepard fällt es gar nicht ein, den leichten Strick
zu zerbeißen, an welchen man ihn gefeſſelt hat. Er denkt nie daran, dem Etwas zu Leide zu thun,
welcher ſich mit ihm beſchäftigt, und man darf ohne Bedenken dreiſt zu ihm hingehen und ihn
ſtreicheln und liebkoſen. Scheinbar gleichmüthig nimmt er ſolche Liebkoſungen an, und das Höchſte,
was man erlangen kann, iſt, daß er etwas beſchleunigter ſpinnt, als gewöhnlich. Solange er
nämlich wach iſt, ſpinnt er ununterbrochen nach Katzenart, nur etwas tiefer und lauter. Oft ſteht er
ſtundenlang unbeweglich da, ſieht träumeriſch ſtarr nach einer Richtung und ſpinnt dabei höchſt
behaglich. Jn ſolchen Augenblicken dürfen Hühner, Tauben, Sperlinge, Ziegen und Schafe an
ihm vorübergehen: er würdigt ſie kaum eines Blickes. Nur andere Raubthiere ſtören ſeine „unge-
heure Heiterkeit‟ und Gemüthlichkeit. Ein vorüberſchleichender Hund regt ihn ſichtlich auf: das
Spinnen unterbleibt augenblicklich; er äugt ſcharf nach dem gewöhnlich etwas verlegenen Hunde,
ſpitzt die Ohren und verſucht wohl auch, einige kühne Springe zu machen, um ihn zu erreichen. Jch
beſaß einen Gepard, welcher ſo zahm war, daß ich ihn wie einen Hund am Stricke herumführen
konnte und es dreiſt wagen durfte, mit ihm in den Straßen zu luſtwandeln. So lange er es blos mit
Menſchen zu thun hatte, ging er immer ruhig zur Seite; anders aber wurde es, wenn uns Hunde
begegneten. Er zeigte dann jedesmal eine ſo große Unruhe, daß ich auf den Gedanken kam, einmal
zu verſuchen, was er denn machen würde, wenn er wenigſtens beſchränkt frei wäre. Jch band ihn
alſo an eine Leine von ungefähr funfzig oder ſechzig Fuß Länge, wickelte mir dieſe leicht um Hand
und Ellbogen und führte ihn ſpazieren. Zwei große, faule Köter kreuzten den Weg. Jack, ſo
hieß mein Gepard, äugte verwundert, endigte ſein gemüthliches Spinnen und wurde ungeduldig; jetzt
faßte ich das Ende der Leine und warf die Schlinge zu Boden, ſo daß er Spielraum hatte. Augen-
blicklich legte er ſich platt auf die Erde und kroch nun in der oben beſchriebenen Weiſe an die Hunde
hinan, welche ihrerſeits ganz verdutzt und verwundert das ſonderbare Weſen betrachteten. Je näher er
den Hunden kam, um ſo aufgeregter, aber zugleich auch vorſichtiger wurde er. Wie eine Schlange glitt
er auf dem Boden hin. Endlich glaubte er nahe genug zu ſein, und nun ſtürzte er mit drei, vier gewal-
tigen Sätzen auf einen der Hunde los, erreichte ihn, trotzdem daß dieſer die Flucht ergriff, und ſchlug
ihn mit den Tatzen nieder. Dies geſchah in ganz eigenthümlicher Weiſe. Er hieb ſeine Krallen nicht
ein, ſondern er prügelte blos mit ſeinen Vorderläufen auf den Hund los, bis dieſer zu Boden fiel.
Der arme Köter bekam plötzlich Todtenangſt, als er das Katzengeſicht über ſich erblickte, und fing
an, jämmerlich zu heulen. Sämmtliche Hunde der Straße geriethen in Aufruhr und heulten und
bellten aus Mitleiden; ein dichter Volkshaufe ſammelte ſich, und ich mußte wohl oder übel meinen
Gepard an mich nehmen, ohne eigentlich zum Spiele gekommen zu ſein d. h. ohne geſehen zu haben,
was er mit dem Hunde beginnen würde. Dagegen veranſtaltete ich in unſerm Hofe einen großen
Thierkampf, welcher überhaupt, zu meiner Schande will ich es geſtehn, das Ergötzlichſte iſt, was ich
ſehen kann. Jch beſaß zu derſelben Zeit einen erwachſenen Leoparden, ein raſendes, wüthendes
Thier ohne Gleichen, ich möchte faſt ſagen, einen Teufel in Katzengeſtalt — doch ich habe ihn ja
ſchon beſchrieben. Die Kette des Leoparden wurde alſo durch einen darangebundenen Strick ver-
längert und er aus ſeinem Käfig heraus in den Hof gelaſſen. Der Gepard ſeinerſeits war unge-
feſſelt und konnte nach Belieben den Kampf aufnehmen oder abbrechen. Er befand ſich gerade in
höchſt gemüthlicher Stimmung und ſchnurrte beſonders ausdrucksvoll, als ich ihn herbeiholte. Kaum
aber erſah er ſeinen Herrn Vetter, als nicht nur alle Gemüthlichkeit verſchwand, ſondern auch ſein
ganzes Ausſehen ein durchaus anderes wurde. Die Seher traten aus ihren Höhlen heraus, die
Mähne ſträubte ſich, er fauchte ſogar, was ich ſonſt niemals vernommen hatte, und nun ſtürzte er ſich
muthig auf ſeinen Gegner los. Der hielt ihm auch Stand, und ſo begann jetzt ein Kampf und ein
Fauchen, daß mir, ich will es gern zugeben, angſt und bange dabei wurde. Der Leopard war bald
niedergetrommelt, aber gerade jetzt wurde er furchtbar. Er lag auf dem Rücken und mißhandelte
meinen Jack mit ſeinen vier Tatzen, daß ich mit Recht beſorgt um ihn wurde. Jack achtete aber der
Schmerzen nicht, ſondern biß muthig auf den heimtückiſchen Vetter los und würde ihn jedenfalls

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[309/0375] Wildjagd mit dem Gepard. Sein Betragen in der Gefangenſchaft. Kampf mit Hund und Leopard. des Weſens unſers Thieres. Dem angebundenen Gepard fällt es gar nicht ein, den leichten Strick zu zerbeißen, an welchen man ihn gefeſſelt hat. Er denkt nie daran, dem Etwas zu Leide zu thun, welcher ſich mit ihm beſchäftigt, und man darf ohne Bedenken dreiſt zu ihm hingehen und ihn ſtreicheln und liebkoſen. Scheinbar gleichmüthig nimmt er ſolche Liebkoſungen an, und das Höchſte, was man erlangen kann, iſt, daß er etwas beſchleunigter ſpinnt, als gewöhnlich. Solange er nämlich wach iſt, ſpinnt er ununterbrochen nach Katzenart, nur etwas tiefer und lauter. Oft ſteht er ſtundenlang unbeweglich da, ſieht träumeriſch ſtarr nach einer Richtung und ſpinnt dabei höchſt behaglich. Jn ſolchen Augenblicken dürfen Hühner, Tauben, Sperlinge, Ziegen und Schafe an ihm vorübergehen: er würdigt ſie kaum eines Blickes. Nur andere Raubthiere ſtören ſeine „unge- heure Heiterkeit‟ und Gemüthlichkeit. Ein vorüberſchleichender Hund regt ihn ſichtlich auf: das Spinnen unterbleibt augenblicklich; er äugt ſcharf nach dem gewöhnlich etwas verlegenen Hunde, ſpitzt die Ohren und verſucht wohl auch, einige kühne Springe zu machen, um ihn zu erreichen. Jch beſaß einen Gepard, welcher ſo zahm war, daß ich ihn wie einen Hund am Stricke herumführen konnte und es dreiſt wagen durfte, mit ihm in den Straßen zu luſtwandeln. So lange er es blos mit Menſchen zu thun hatte, ging er immer ruhig zur Seite; anders aber wurde es, wenn uns Hunde begegneten. Er zeigte dann jedesmal eine ſo große Unruhe, daß ich auf den Gedanken kam, einmal zu verſuchen, was er denn machen würde, wenn er wenigſtens beſchränkt frei wäre. Jch band ihn alſo an eine Leine von ungefähr funfzig oder ſechzig Fuß Länge, wickelte mir dieſe leicht um Hand und Ellbogen und führte ihn ſpazieren. Zwei große, faule Köter kreuzten den Weg. Jack, ſo hieß mein Gepard, äugte verwundert, endigte ſein gemüthliches Spinnen und wurde ungeduldig; jetzt faßte ich das Ende der Leine und warf die Schlinge zu Boden, ſo daß er Spielraum hatte. Augen- blicklich legte er ſich platt auf die Erde und kroch nun in der oben beſchriebenen Weiſe an die Hunde hinan, welche ihrerſeits ganz verdutzt und verwundert das ſonderbare Weſen betrachteten. Je näher er den Hunden kam, um ſo aufgeregter, aber zugleich auch vorſichtiger wurde er. Wie eine Schlange glitt er auf dem Boden hin. Endlich glaubte er nahe genug zu ſein, und nun ſtürzte er mit drei, vier gewal- tigen Sätzen auf einen der Hunde los, erreichte ihn, trotzdem daß dieſer die Flucht ergriff, und ſchlug ihn mit den Tatzen nieder. Dies geſchah in ganz eigenthümlicher Weiſe. Er hieb ſeine Krallen nicht ein, ſondern er prügelte blos mit ſeinen Vorderläufen auf den Hund los, bis dieſer zu Boden fiel. Der arme Köter bekam plötzlich Todtenangſt, als er das Katzengeſicht über ſich erblickte, und fing an, jämmerlich zu heulen. Sämmtliche Hunde der Straße geriethen in Aufruhr und heulten und bellten aus Mitleiden; ein dichter Volkshaufe ſammelte ſich, und ich mußte wohl oder übel meinen Gepard an mich nehmen, ohne eigentlich zum Spiele gekommen zu ſein d. h. ohne geſehen zu haben, was er mit dem Hunde beginnen würde. Dagegen veranſtaltete ich in unſerm Hofe einen großen Thierkampf, welcher überhaupt, zu meiner Schande will ich es geſtehn, das Ergötzlichſte iſt, was ich ſehen kann. Jch beſaß zu derſelben Zeit einen erwachſenen Leoparden, ein raſendes, wüthendes Thier ohne Gleichen, ich möchte faſt ſagen, einen Teufel in Katzengeſtalt — doch ich habe ihn ja ſchon beſchrieben. Die Kette des Leoparden wurde alſo durch einen darangebundenen Strick ver- längert und er aus ſeinem Käfig heraus in den Hof gelaſſen. Der Gepard ſeinerſeits war unge- feſſelt und konnte nach Belieben den Kampf aufnehmen oder abbrechen. Er befand ſich gerade in höchſt gemüthlicher Stimmung und ſchnurrte beſonders ausdrucksvoll, als ich ihn herbeiholte. Kaum aber erſah er ſeinen Herrn Vetter, als nicht nur alle Gemüthlichkeit verſchwand, ſondern auch ſein ganzes Ausſehen ein durchaus anderes wurde. Die Seher traten aus ihren Höhlen heraus, die Mähne ſträubte ſich, er fauchte ſogar, was ich ſonſt niemals vernommen hatte, und nun ſtürzte er ſich muthig auf ſeinen Gegner los. Der hielt ihm auch Stand, und ſo begann jetzt ein Kampf und ein Fauchen, daß mir, ich will es gern zugeben, angſt und bange dabei wurde. Der Leopard war bald niedergetrommelt, aber gerade jetzt wurde er furchtbar. Er lag auf dem Rücken und mißhandelte meinen Jack mit ſeinen vier Tatzen, daß ich mit Recht beſorgt um ihn wurde. Jack achtete aber der Schmerzen nicht, ſondern biß muthig auf den heimtückiſchen Vetter los und würde ihn jedenfalls

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/375>, abgerufen am 24.11.2024.