Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Raubthiere. Katzen. -- Tschitah. Hunde.
besiegt haben, wenn ich dem Kampfe nicht ein Ende gemacht hätte. Zwei Eimer voll Wasser, welche ich
über die wüthenden Kämpen goß, unterbrachen den Streit augenblicklich. Beide sahen sich höchst ver-
dutzt an, und der Leopard hielt es, der ihm höchst verhaßten Wasserbäder sich plötzlich erinnernd,
trotz aller Wuth und alles Fauchens doch für das Beste, so schnell als möglich seinen Käfig zu suchen,
welcher dann auch sofort verschlossen wurde. Jack war schon wenige Minuten nach dem Kampfe
wieder ganz der Alte: er leckte, reinigte und putzte sich und begann wieder zu spinnen, als ob Nichts
geschehen wäre.

Wie zahm, gemüthlich und liebenswürdig mein Jack war, mag aus Folgendem hervorgehen.
Einige deutsche Damen, welche sich gerade in Alexandrien befanden, waren gekommen, um meine
Thiersammlung anzusehen, hatten mich aber nicht zu Hause gefunden und somit ihrem Wunsche auch
nicht genügen können. Jch versprach ihnen jetzt scherzend, wenigstens einige von meinen Thieren zu
ihnen zu bringen, und führte diesen Scherz auch wirklich einmal aus, als ich erfahren hatte, daß die
Damen just zusammen waren. Jch konnte mich auf Jack vollständig verlassen und durfte schon Etwas
wagen. Jhn an der Leine hinter mir fortführend, betrat ich also das betreffende Haus, beschwichtigte
die entsetzten Diener, welche mich mit dem fürchterlichen Raubthiere hatten sehen kommen und Lärm
schlagen wollten, und stieg nun ruhig nach dem zweiten Stockwerke des Hauses empor. An dem
rechten Zimmer angelangt, öffnete ich die Thüre zur Hälfte und bat um Erlaubniß, eintreten, zugleich
aber auch meinen Hund mitbringen zu dürfen. Dies wurde zugestanden, und Jack trat gemächlich
ein. Ein lauter Aufschrei begrüßte den Harmlosen und setzte ihn in höchste Verwunderung. Die
geängstigten Damen suchten, sich so gut als möglich zu retten, und sprangen in ihrer Verzweiflung
auf einen großen, runden Tisch, welcher mitten im Zimmer stand. Dies aber diente blos dazu,
Jack zu dem Gleichen aufzufordern, und ehe sich die Armen besannen, stand er mitten unter ihnen,
spann höchst gemüthlich und schmiegte sich traulich bald an Diese, bald an Jene an. Da war denn
freilich die Furcht bald verschwunden. Die beherzteste Dame begann, den hübschen Burschen zu lieb-
kosen, und bald folgten alle übrigen ihrem Beispiele. Jack wurde der erklärte Liebling und schien
nicht wenig stolz zu sein auf die ihm gewordene Auszeichnung.

Aus Diesem und dem weiter oben Mitgetheilten geht unzweifelhaft hervor, daß der Gepard
auch in geistiger Hinsicht ein echtes Mittelding zwischen Katze und Hund ist, und in seinem Wesen
jedenfalls mehr unserm treuen Hausfreunde entspricht, als seinen gewöhnlich tückischen und hinter-
listigen Verwandten. Er mag uns deshalb auch unmittelbar zu den Hunden führen.



Gemeinsame und gleichmäßige Berücksichtigung aller Eigenthümlichkeiten eines Thieres oder
einer Thierfamilie sind für den Kundigen maßgebend zur Beurtheilung und Würdigung der betreffen-
den Geschöpfe. Eben deshalb beschäftigen uns die Hunde (Canes) erst in der zweiten Familie.

Wollten wir die geistigen Eigenschaften und Fähigkeiten allein in Betracht ziehen, so müßten
wir den Hunden unzweifehaft die erste Stellung unter allen Raubthieren einräumen; denn die große
Mehrzahl dieser ausgezeichneten Geschöpfe übertrifft in geistiger Hinsicht die Katzen bei weitem. Aber
die Katzen sind einhelliger gebaut, als die Hunde, und ihre Geisteskräfte wenigstens nicht so gering, daß
sie eine Voranstellung in der Reihe der Raubthiere verbieten sollten. Einzelne Naturforscher stellen
zwischen die Katzen und Hunde die Hiänen als besondere Familie hin und wollen, auf den Bau des
Gebisses sich stützend, in ihnen Bindeglieder zwischen den Katzen und Hunden erblicken: allein die
ordnenden Thierkundigen dürfen ebensowenig das Gebiß allein berücksichtigen, als den Leibesbau oder
das Wesen und den Verstand eines Thieres. Betrachtet man alle Eigenthümlichkeiten der betreffen-
den Thiere zusammen, so wird man geradezu genöthigt sein, die Hiänen als verbildete, mißgestaltete
Hunde in leiblicher und geistiger Hinsicht anzusehen, und wird sie deshalb höchstens an das Ende der

Die Raubthiere. Katzen. — Tſchitah. Hunde.
beſiegt haben, wenn ich dem Kampfe nicht ein Ende gemacht hätte. Zwei Eimer voll Waſſer, welche ich
über die wüthenden Kämpen goß, unterbrachen den Streit augenblicklich. Beide ſahen ſich höchſt ver-
dutzt an, und der Leopard hielt es, der ihm höchſt verhaßten Waſſerbäder ſich plötzlich erinnernd,
trotz aller Wuth und alles Fauchens doch für das Beſte, ſo ſchnell als möglich ſeinen Käfig zu ſuchen,
welcher dann auch ſofort verſchloſſen wurde. Jack war ſchon wenige Minuten nach dem Kampfe
wieder ganz der Alte: er leckte, reinigte und putzte ſich und begann wieder zu ſpinnen, als ob Nichts
geſchehen wäre.

Wie zahm, gemüthlich und liebenswürdig mein Jack war, mag aus Folgendem hervorgehen.
Einige deutſche Damen, welche ſich gerade in Alexandrien befanden, waren gekommen, um meine
Thierſammlung anzuſehen, hatten mich aber nicht zu Hauſe gefunden und ſomit ihrem Wunſche auch
nicht genügen können. Jch verſprach ihnen jetzt ſcherzend, wenigſtens einige von meinen Thieren zu
ihnen zu bringen, und führte dieſen Scherz auch wirklich einmal aus, als ich erfahren hatte, daß die
Damen juſt zuſammen waren. Jch konnte mich auf Jack vollſtändig verlaſſen und durfte ſchon Etwas
wagen. Jhn an der Leine hinter mir fortführend, betrat ich alſo das betreffende Haus, beſchwichtigte
die entſetzten Diener, welche mich mit dem fürchterlichen Raubthiere hatten ſehen kommen und Lärm
ſchlagen wollten, und ſtieg nun ruhig nach dem zweiten Stockwerke des Hauſes empor. An dem
rechten Zimmer angelangt, öffnete ich die Thüre zur Hälfte und bat um Erlaubniß, eintreten, zugleich
aber auch meinen Hund mitbringen zu dürfen. Dies wurde zugeſtanden, und Jack trat gemächlich
ein. Ein lauter Aufſchrei begrüßte den Harmloſen und ſetzte ihn in höchſte Verwunderung. Die
geängſtigten Damen ſuchten, ſich ſo gut als möglich zu retten, und ſprangen in ihrer Verzweiflung
auf einen großen, runden Tiſch, welcher mitten im Zimmer ſtand. Dies aber diente blos dazu,
Jack zu dem Gleichen aufzufordern, und ehe ſich die Armen beſannen, ſtand er mitten unter ihnen,
ſpann höchſt gemüthlich und ſchmiegte ſich traulich bald an Dieſe, bald an Jene an. Da war denn
freilich die Furcht bald verſchwunden. Die beherzteſte Dame begann, den hübſchen Burſchen zu lieb-
koſen, und bald folgten alle übrigen ihrem Beiſpiele. Jack wurde der erklärte Liebling und ſchien
nicht wenig ſtolz zu ſein auf die ihm gewordene Auszeichnung.

Aus Dieſem und dem weiter oben Mitgetheilten geht unzweifelhaft hervor, daß der Gepard
auch in geiſtiger Hinſicht ein echtes Mittelding zwiſchen Katze und Hund iſt, und in ſeinem Weſen
jedenfalls mehr unſerm treuen Hausfreunde entſpricht, als ſeinen gewöhnlich tückiſchen und hinter-
liſtigen Verwandten. Er mag uns deshalb auch unmittelbar zu den Hunden führen.



Gemeinſame und gleichmäßige Berückſichtigung aller Eigenthümlichkeiten eines Thieres oder
einer Thierfamilie ſind für den Kundigen maßgebend zur Beurtheilung und Würdigung der betreffen-
den Geſchöpfe. Eben deshalb beſchäftigen uns die Hunde (Canes) erſt in der zweiten Familie.

Wollten wir die geiſtigen Eigenſchaften und Fähigkeiten allein in Betracht ziehen, ſo müßten
wir den Hunden unzweifehaft die erſte Stellung unter allen Raubthieren einräumen; denn die große
Mehrzahl dieſer ausgezeichneten Geſchöpfe übertrifft in geiſtiger Hinſicht die Katzen bei weitem. Aber
die Katzen ſind einhelliger gebaut, als die Hunde, und ihre Geiſteskräfte wenigſtens nicht ſo gering, daß
ſie eine Voranſtellung in der Reihe der Raubthiere verbieten ſollten. Einzelne Naturforſcher ſtellen
zwiſchen die Katzen und Hunde die Hiänen als beſondere Familie hin und wollen, auf den Bau des
Gebiſſes ſich ſtützend, in ihnen Bindeglieder zwiſchen den Katzen und Hunden erblicken: allein die
ordnenden Thierkundigen dürfen ebenſowenig das Gebiß allein berückſichtigen, als den Leibesbau oder
das Weſen und den Verſtand eines Thieres. Betrachtet man alle Eigenthümlichkeiten der betreffen-
den Thiere zuſammen, ſo wird man geradezu genöthigt ſein, die Hiänen als verbildete, mißgeſtaltete
Hunde in leiblicher und geiſtiger Hinſicht anzuſehen, und wird ſie deshalb höchſtens an das Ende der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0376" n="310"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Katzen. &#x2014; <hi rendition="#g">T&#x017F;chitah.</hi> Hunde.</fw><lb/>
be&#x017F;iegt haben, wenn ich dem Kampfe nicht ein Ende gemacht hätte. Zwei Eimer voll Wa&#x017F;&#x017F;er, welche ich<lb/>
über die wüthenden Kämpen goß, unterbrachen den Streit augenblicklich. Beide &#x017F;ahen &#x017F;ich höch&#x017F;t ver-<lb/>
dutzt an, und der Leopard hielt es, der ihm höch&#x017F;t verhaßten Wa&#x017F;&#x017F;erbäder &#x017F;ich plötzlich erinnernd,<lb/>
trotz aller Wuth und alles Fauchens doch für das Be&#x017F;te, &#x017F;o &#x017F;chnell als möglich &#x017F;einen Käfig zu &#x017F;uchen,<lb/>
welcher dann auch &#x017F;ofort ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wurde. Jack war &#x017F;chon wenige Minuten nach dem Kampfe<lb/>
wieder ganz der Alte: er leckte, reinigte und putzte &#x017F;ich und begann wieder zu &#x017F;pinnen, als ob Nichts<lb/>
ge&#x017F;chehen wäre.</p><lb/>
          <p>Wie zahm, gemüthlich und liebenswürdig mein Jack war, mag aus Folgendem hervorgehen.<lb/>
Einige deut&#x017F;che Damen, welche &#x017F;ich gerade in Alexandrien befanden, waren gekommen, um meine<lb/>
Thier&#x017F;ammlung anzu&#x017F;ehen, hatten mich aber nicht zu Hau&#x017F;e gefunden und &#x017F;omit ihrem Wun&#x017F;che auch<lb/>
nicht genügen können. Jch ver&#x017F;prach ihnen jetzt &#x017F;cherzend, wenig&#x017F;tens einige von meinen Thieren zu<lb/>
ihnen zu bringen, und führte die&#x017F;en Scherz auch wirklich einmal aus, als ich erfahren hatte, daß die<lb/>
Damen ju&#x017F;t zu&#x017F;ammen waren. Jch konnte mich auf Jack voll&#x017F;tändig verla&#x017F;&#x017F;en und durfte &#x017F;chon Etwas<lb/>
wagen. Jhn an der Leine hinter mir fortführend, betrat ich al&#x017F;o das betreffende Haus, be&#x017F;chwichtigte<lb/>
die ent&#x017F;etzten Diener, welche mich mit dem fürchterlichen Raubthiere hatten &#x017F;ehen kommen und Lärm<lb/>
&#x017F;chlagen wollten, und &#x017F;tieg nun ruhig nach dem zweiten Stockwerke des Hau&#x017F;es empor. An dem<lb/>
rechten Zimmer angelangt, öffnete ich die Thüre zur Hälfte und bat um Erlaubniß, eintreten, zugleich<lb/>
aber auch meinen Hund mitbringen zu dürfen. Dies wurde zuge&#x017F;tanden, und Jack trat gemächlich<lb/>
ein. Ein lauter Auf&#x017F;chrei begrüßte den Harmlo&#x017F;en und &#x017F;etzte ihn in höch&#x017F;te Verwunderung. Die<lb/>
geäng&#x017F;tigten Damen &#x017F;uchten, &#x017F;ich &#x017F;o gut als möglich zu retten, und &#x017F;prangen in ihrer Verzweiflung<lb/>
auf einen großen, runden Ti&#x017F;ch, welcher mitten im Zimmer &#x017F;tand. Dies aber diente blos dazu,<lb/>
Jack zu dem Gleichen aufzufordern, und ehe &#x017F;ich die Armen be&#x017F;annen, &#x017F;tand er mitten unter ihnen,<lb/>
&#x017F;pann höch&#x017F;t gemüthlich und &#x017F;chmiegte &#x017F;ich traulich bald an Die&#x017F;e, bald an Jene an. Da war denn<lb/>
freilich die Furcht bald ver&#x017F;chwunden. Die beherzte&#x017F;te Dame begann, den hüb&#x017F;chen Bur&#x017F;chen zu lieb-<lb/>
ko&#x017F;en, und bald folgten alle übrigen ihrem Bei&#x017F;piele. Jack wurde der erklärte Liebling und &#x017F;chien<lb/>
nicht wenig &#x017F;tolz zu &#x017F;ein auf die ihm gewordene Auszeichnung.</p><lb/>
          <p>Aus Die&#x017F;em und dem weiter oben Mitgetheilten geht unzweifelhaft hervor, daß der Gepard<lb/>
auch in gei&#x017F;tiger Hin&#x017F;icht ein echtes Mittelding zwi&#x017F;chen Katze und Hund i&#x017F;t, und in &#x017F;einem We&#x017F;en<lb/>
jedenfalls mehr un&#x017F;erm treuen Hausfreunde ent&#x017F;pricht, als &#x017F;einen gewöhnlich tücki&#x017F;chen und hinter-<lb/>
li&#x017F;tigen Verwandten. Er mag uns deshalb auch unmittelbar zu den Hunden führen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Gemein&#x017F;ame und gleichmäßige Berück&#x017F;ichtigung <hi rendition="#g">aller</hi> Eigenthümlichkeiten eines Thieres oder<lb/>
einer Thierfamilie &#x017F;ind für den Kundigen maßgebend zur Beurtheilung und Würdigung der betreffen-<lb/>
den Ge&#x017F;chöpfe. Eben deshalb be&#x017F;chäftigen uns <hi rendition="#g">die Hunde</hi> (<hi rendition="#aq">Canes</hi>) er&#x017F;t in der <hi rendition="#g">zweiten Familie.</hi></p><lb/>
          <p>Wollten wir die gei&#x017F;tigen Eigen&#x017F;chaften und Fähigkeiten <hi rendition="#g">allein</hi> in Betracht ziehen, &#x017F;o müßten<lb/>
wir den Hunden unzweifehaft die er&#x017F;te Stellung unter allen Raubthieren einräumen; denn die große<lb/>
Mehrzahl die&#x017F;er ausgezeichneten Ge&#x017F;chöpfe übertrifft in gei&#x017F;tiger Hin&#x017F;icht die <hi rendition="#g">Katzen</hi> bei weitem. Aber<lb/>
die Katzen &#x017F;ind einhelliger gebaut, als die Hunde, und ihre Gei&#x017F;teskräfte wenig&#x017F;tens nicht &#x017F;o gering, daß<lb/>
&#x017F;ie eine Voran&#x017F;tellung in der Reihe der Raubthiere verbieten &#x017F;ollten. Einzelne Naturfor&#x017F;cher &#x017F;tellen<lb/>
zwi&#x017F;chen die Katzen und Hunde die <hi rendition="#g">Hiänen</hi> als be&#x017F;ondere Familie hin und wollen, auf den Bau des<lb/>
Gebi&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ich &#x017F;tützend, in ihnen Bindeglieder zwi&#x017F;chen den Katzen und Hunden erblicken: allein die<lb/>
ordnenden Thierkundigen dürfen eben&#x017F;owenig das Gebiß <hi rendition="#g">allein</hi> berück&#x017F;ichtigen, als den Leibesbau oder<lb/>
das We&#x017F;en und den Ver&#x017F;tand eines Thieres. Betrachtet man <hi rendition="#g">alle</hi> Eigenthümlichkeiten der betreffen-<lb/>
den Thiere zu&#x017F;ammen, &#x017F;o wird man geradezu genöthigt &#x017F;ein, die <hi rendition="#g">Hiänen</hi> als verbildete, mißge&#x017F;taltete<lb/>
Hunde in leiblicher und gei&#x017F;tiger Hin&#x017F;icht anzu&#x017F;ehen, und wird &#x017F;ie deshalb höch&#x017F;tens an das Ende der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0376] Die Raubthiere. Katzen. — Tſchitah. Hunde. beſiegt haben, wenn ich dem Kampfe nicht ein Ende gemacht hätte. Zwei Eimer voll Waſſer, welche ich über die wüthenden Kämpen goß, unterbrachen den Streit augenblicklich. Beide ſahen ſich höchſt ver- dutzt an, und der Leopard hielt es, der ihm höchſt verhaßten Waſſerbäder ſich plötzlich erinnernd, trotz aller Wuth und alles Fauchens doch für das Beſte, ſo ſchnell als möglich ſeinen Käfig zu ſuchen, welcher dann auch ſofort verſchloſſen wurde. Jack war ſchon wenige Minuten nach dem Kampfe wieder ganz der Alte: er leckte, reinigte und putzte ſich und begann wieder zu ſpinnen, als ob Nichts geſchehen wäre. Wie zahm, gemüthlich und liebenswürdig mein Jack war, mag aus Folgendem hervorgehen. Einige deutſche Damen, welche ſich gerade in Alexandrien befanden, waren gekommen, um meine Thierſammlung anzuſehen, hatten mich aber nicht zu Hauſe gefunden und ſomit ihrem Wunſche auch nicht genügen können. Jch verſprach ihnen jetzt ſcherzend, wenigſtens einige von meinen Thieren zu ihnen zu bringen, und führte dieſen Scherz auch wirklich einmal aus, als ich erfahren hatte, daß die Damen juſt zuſammen waren. Jch konnte mich auf Jack vollſtändig verlaſſen und durfte ſchon Etwas wagen. Jhn an der Leine hinter mir fortführend, betrat ich alſo das betreffende Haus, beſchwichtigte die entſetzten Diener, welche mich mit dem fürchterlichen Raubthiere hatten ſehen kommen und Lärm ſchlagen wollten, und ſtieg nun ruhig nach dem zweiten Stockwerke des Hauſes empor. An dem rechten Zimmer angelangt, öffnete ich die Thüre zur Hälfte und bat um Erlaubniß, eintreten, zugleich aber auch meinen Hund mitbringen zu dürfen. Dies wurde zugeſtanden, und Jack trat gemächlich ein. Ein lauter Aufſchrei begrüßte den Harmloſen und ſetzte ihn in höchſte Verwunderung. Die geängſtigten Damen ſuchten, ſich ſo gut als möglich zu retten, und ſprangen in ihrer Verzweiflung auf einen großen, runden Tiſch, welcher mitten im Zimmer ſtand. Dies aber diente blos dazu, Jack zu dem Gleichen aufzufordern, und ehe ſich die Armen beſannen, ſtand er mitten unter ihnen, ſpann höchſt gemüthlich und ſchmiegte ſich traulich bald an Dieſe, bald an Jene an. Da war denn freilich die Furcht bald verſchwunden. Die beherzteſte Dame begann, den hübſchen Burſchen zu lieb- koſen, und bald folgten alle übrigen ihrem Beiſpiele. Jack wurde der erklärte Liebling und ſchien nicht wenig ſtolz zu ſein auf die ihm gewordene Auszeichnung. Aus Dieſem und dem weiter oben Mitgetheilten geht unzweifelhaft hervor, daß der Gepard auch in geiſtiger Hinſicht ein echtes Mittelding zwiſchen Katze und Hund iſt, und in ſeinem Weſen jedenfalls mehr unſerm treuen Hausfreunde entſpricht, als ſeinen gewöhnlich tückiſchen und hinter- liſtigen Verwandten. Er mag uns deshalb auch unmittelbar zu den Hunden führen. Gemeinſame und gleichmäßige Berückſichtigung aller Eigenthümlichkeiten eines Thieres oder einer Thierfamilie ſind für den Kundigen maßgebend zur Beurtheilung und Würdigung der betreffen- den Geſchöpfe. Eben deshalb beſchäftigen uns die Hunde (Canes) erſt in der zweiten Familie. Wollten wir die geiſtigen Eigenſchaften und Fähigkeiten allein in Betracht ziehen, ſo müßten wir den Hunden unzweifehaft die erſte Stellung unter allen Raubthieren einräumen; denn die große Mehrzahl dieſer ausgezeichneten Geſchöpfe übertrifft in geiſtiger Hinſicht die Katzen bei weitem. Aber die Katzen ſind einhelliger gebaut, als die Hunde, und ihre Geiſteskräfte wenigſtens nicht ſo gering, daß ſie eine Voranſtellung in der Reihe der Raubthiere verbieten ſollten. Einzelne Naturforſcher ſtellen zwiſchen die Katzen und Hunde die Hiänen als beſondere Familie hin und wollen, auf den Bau des Gebiſſes ſich ſtützend, in ihnen Bindeglieder zwiſchen den Katzen und Hunden erblicken: allein die ordnenden Thierkundigen dürfen ebenſowenig das Gebiß allein berückſichtigen, als den Leibesbau oder das Weſen und den Verſtand eines Thieres. Betrachtet man alle Eigenthümlichkeiten der betreffen- den Thiere zuſammen, ſo wird man geradezu genöthigt ſein, die Hiänen als verbildete, mißgeſtaltete Hunde in leiblicher und geiſtiger Hinſicht anzuſehen, und wird ſie deshalb höchſtens an das Ende der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/376
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/376>, abgerufen am 24.11.2024.