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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde.
passenden Schlupfwinkel zurück, den sie auffinden. Nur die wenigsten leben paarweise, denn selbst
diejenigen Arten, bei denen Männchen und Weibchen zeitweilig zusammenhalten, schlagen sich unter
Umständen in stärkere Meuten zusammen: man kann wohl behaupten, daß alle Hunde ohne Ausnahme
gesellige Thiere sind.

Hinsichtlich der Beweglichkeit geben die Hunde den Katzen wenig nach. Jhre stumpfen Krallen
erlauben ihnen nicht, zu klettern, sie sind deshalb auf den Boden gebannt; auch verstehen sie nicht, so
hohe und weite Sprünge auszuführen, wie die Katzen, im Uebrigen aber übertreffen sie diese ganz
entschieden. Sie sind vortreffliche Läufer und besitzen eine unglaubliche Ausdauer; sie schwimmen ohne
Ausnahme und zum Theil ganz meisterhaft, ja wir finden bei ihnen bereits förmliche Wasserthiere d. h.
Hunde, welche sich mit wahrer Wonne in den Wellen herumtummeln. Beim Gehen treten sie blos mit
den Zehen auf, wie die Katzen, ihr Gang ist aber eigenthümlich schief, weil sie die Beine nicht gerade
vor sich hinzusetzen pflegen.

Ganz vorzüglich sind die Sinne der Hunde. Das Gehör steht dem der Katzen kaum nach, der
Geruch dagegen ist zu einer bewunderungswürdigen Schärfe ausgebildet, und auch vom Gesicht darf
man behaupten, daß es besser, als bei den Katzen ist: denn die Nachthunde stehen den Katzen gleich und
die Taghunde übertreffen sie entschieden.

Noch viel ausgezeichneter sind die geistigen Fähigkeiten der Hunde. Die tiefstehenden Arten be-
kunden überaus große List und Schlauheit, zum Theil sogar auf Kosten des Muthes, welchen andere
im hohen Grade besitzen, die höherstehenden Hunde aber und namentlich diejenigen, welche mit dem
Menschen verkehren oder, besser gesagt, sich ihm hingegeben haben mit Leib und Seele, beweisen tag-
täglich, daß ihre Geistesfähigkeiten einer Ausbildung fähig sind, wie bei keinem andern Thiere. Der
zahme Hund und der wilde Fuchs handeln mit wahrhaft vernünftiger Ueberlegung und führen
sorgfältig durchdachte Pläne aus, deren Ergebniß sie mit größtmöglicher Sicherheit im voraus abschätzen.
Dieser Verstand ist es, welcher die Hunde auf das innigste mit den Menschen verbunden hat und sie
über alle übrigen Thiere stellt; denn man muß dabei immer bedenken, daß der Hund ein Raubthier ist,
gewöhnt, über andere Geschöpfe zu herrschen, und trotzdem seinen Verstand bereitwillig und aus
wirklich vernünftigen Gründen dem höhern Menschengeiste unterordnet! Auch bei den ganz wild
lebenden Arten zeigt sich dieser hohe Verstand in der großen Vorsicht, Behutsamkeit und dem Argwohn,
mit welchem sie alle Handlungen verrichten. Nur der wüthendste Hunger ist im Stande, solches Be-
tragen zuweilen in das entgegengesetzte zu verwandeln. Dabei sind die Hunde gemüthliche Burschen,
aufgelegt zu Spiel und Scherz, heiter und lustig, gutmüthig und verhältnißmäßig sanft, wenn sich gleich
nicht leugnen läßt, daß es, wie überall, so auch bei ihnen Ausnahmen giebt.

Die Nahrung der Hunde besteht hauptsächlich aus thierischen Stoffen, zumal aus Säugethieren
und Vögeln. Sie fressen frisch erlegte Beute ebenso gern, wie Aas, für welches alle Arten sogar eine
gewisse Vorliebe zu haben scheinen. Einzelne verzehren auch sehr gern Knochen, und andere finden
selbst in den schmuzigsten Auswurfsstoffen des menschlichen Leibes noch eine erwünschte Speise. Außer-
dem fressen die Hunde Lurche, Fische, Schalthiere, Krebse, Kerbthiere oder Honig, Obst, Feld- und
Gartenfrüchte, ja sogar Baumknospen, Pflanzensprossen, Wurzeln, Gras und Mos. Manche sind sehr
gefräßig und tödten mehr, als sie verzehren können, doch zeigt sich der Blutdurst niemals in der ab-
schreckenden Gestalt, wie bei den Katzen, und keinen einzigen Hund giebt es, welcher sich im Blute der
von ihm getödteten Schlachtopfer mit Lust berauscht.

Die Fruchtbarkeit der Hunde ist größer, als die der Katzen; ja, die Zahl ihrer Jungen erreicht
zuweilen beinahe die äußersten Grenzen der Erzeugungsfähigkeit der Sängethiere überhaupt. Jm
Mittel darf man annehmen, daß die Hunde zwischen vier bis neun Junge werfen; doch sind Aus-
nahmsfälle bekannt, in welchen eine Mutter auf einen Wurf ihrer fünfzehn, und selbst einundzwanzig
zur Welt brachte. Es kommt vor, daß der Vater seine Sprößlinge oder ein anderer männlicher Hund
die junge Nachkommenschaft einer Hündin mit Mordgedanken verfolgt und auffrißt, wenn er es thun
kann; zumal geschieht Dies bei den Wölfen und Füchsen, welche unter Umständen auch ihres Gleichen

Die Raubthiere. Hunde.
paſſenden Schlupfwinkel zurück, den ſie auffinden. Nur die wenigſten leben paarweiſe, denn ſelbſt
diejenigen Arten, bei denen Männchen und Weibchen zeitweilig zuſammenhalten, ſchlagen ſich unter
Umſtänden in ſtärkere Meuten zuſammen: man kann wohl behaupten, daß alle Hunde ohne Ausnahme
geſellige Thiere ſind.

Hinſichtlich der Beweglichkeit geben die Hunde den Katzen wenig nach. Jhre ſtumpfen Krallen
erlauben ihnen nicht, zu klettern, ſie ſind deshalb auf den Boden gebannt; auch verſtehen ſie nicht, ſo
hohe und weite Sprünge auszuführen, wie die Katzen, im Uebrigen aber übertreffen ſie dieſe ganz
entſchieden. Sie ſind vortreffliche Läufer und beſitzen eine unglaubliche Ausdauer; ſie ſchwimmen ohne
Ausnahme und zum Theil ganz meiſterhaft, ja wir finden bei ihnen bereits förmliche Waſſerthiere d. h.
Hunde, welche ſich mit wahrer Wonne in den Wellen herumtummeln. Beim Gehen treten ſie blos mit
den Zehen auf, wie die Katzen, ihr Gang iſt aber eigenthümlich ſchief, weil ſie die Beine nicht gerade
vor ſich hinzuſetzen pflegen.

Ganz vorzüglich ſind die Sinne der Hunde. Das Gehör ſteht dem der Katzen kaum nach, der
Geruch dagegen iſt zu einer bewunderungswürdigen Schärfe ausgebildet, und auch vom Geſicht darf
man behaupten, daß es beſſer, als bei den Katzen iſt: denn die Nachthunde ſtehen den Katzen gleich und
die Taghunde übertreffen ſie entſchieden.

Noch viel ausgezeichneter ſind die geiſtigen Fähigkeiten der Hunde. Die tiefſtehenden Arten be-
kunden überaus große Liſt und Schlauheit, zum Theil ſogar auf Koſten des Muthes, welchen andere
im hohen Grade beſitzen, die höherſtehenden Hunde aber und namentlich diejenigen, welche mit dem
Menſchen verkehren oder, beſſer geſagt, ſich ihm hingegeben haben mit Leib und Seele, beweiſen tag-
täglich, daß ihre Geiſtesfähigkeiten einer Ausbildung fähig ſind, wie bei keinem andern Thiere. Der
zahme Hund und der wilde Fuchs handeln mit wahrhaft vernünftiger Ueberlegung und führen
ſorgfältig durchdachte Pläne aus, deren Ergebniß ſie mit größtmöglicher Sicherheit im voraus abſchätzen.
Dieſer Verſtand iſt es, welcher die Hunde auf das innigſte mit den Menſchen verbunden hat und ſie
über alle übrigen Thiere ſtellt; denn man muß dabei immer bedenken, daß der Hund ein Raubthier iſt,
gewöhnt, über andere Geſchöpfe zu herrſchen, und trotzdem ſeinen Verſtand bereitwillig und aus
wirklich vernünftigen Gründen dem höhern Menſchengeiſte unterordnet! Auch bei den ganz wild
lebenden Arten zeigt ſich dieſer hohe Verſtand in der großen Vorſicht, Behutſamkeit und dem Argwohn,
mit welchem ſie alle Handlungen verrichten. Nur der wüthendſte Hunger iſt im Stande, ſolches Be-
tragen zuweilen in das entgegengeſetzte zu verwandeln. Dabei ſind die Hunde gemüthliche Burſchen,
aufgelegt zu Spiel und Scherz, heiter und luſtig, gutmüthig und verhältnißmäßig ſanft, wenn ſich gleich
nicht leugnen läßt, daß es, wie überall, ſo auch bei ihnen Ausnahmen giebt.

Die Nahrung der Hunde beſteht hauptſächlich aus thieriſchen Stoffen, zumal aus Säugethieren
und Vögeln. Sie freſſen friſch erlegte Beute ebenſo gern, wie Aas, für welches alle Arten ſogar eine
gewiſſe Vorliebe zu haben ſcheinen. Einzelne verzehren auch ſehr gern Knochen, und andere finden
ſelbſt in den ſchmuzigſten Auswurfsſtoffen des menſchlichen Leibes noch eine erwünſchte Speiſe. Außer-
dem freſſen die Hunde Lurche, Fiſche, Schalthiere, Krebſe, Kerbthiere oder Honig, Obſt, Feld- und
Gartenfrüchte, ja ſogar Baumknoſpen, Pflanzenſproſſen, Wurzeln, Gras und Mos. Manche ſind ſehr
gefräßig und tödten mehr, als ſie verzehren können, doch zeigt ſich der Blutdurſt niemals in der ab-
ſchreckenden Geſtalt, wie bei den Katzen, und keinen einzigen Hund giebt es, welcher ſich im Blute der
von ihm getödteten Schlachtopfer mit Luſt berauſcht.

Die Fruchtbarkeit der Hunde iſt größer, als die der Katzen; ja, die Zahl ihrer Jungen erreicht
zuweilen beinahe die äußerſten Grenzen der Erzeugungsfähigkeit der Sängethiere überhaupt. Jm
Mittel darf man annehmen, daß die Hunde zwiſchen vier bis neun Junge werfen; doch ſind Aus-
nahmsfälle bekannt, in welchen eine Mutter auf einen Wurf ihrer fünfzehn, und ſelbſt einundzwanzig
zur Welt brachte. Es kommt vor, daß der Vater ſeine Sprößlinge oder ein anderer männlicher Hund
die junge Nachkommenſchaft einer Hündin mit Mordgedanken verfolgt und auffrißt, wenn er es thun
kann; zumal geſchieht Dies bei den Wölfen und Füchſen, welche unter Umſtänden auch ihres Gleichen

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[312/0378] Die Raubthiere. Hunde. paſſenden Schlupfwinkel zurück, den ſie auffinden. Nur die wenigſten leben paarweiſe, denn ſelbſt diejenigen Arten, bei denen Männchen und Weibchen zeitweilig zuſammenhalten, ſchlagen ſich unter Umſtänden in ſtärkere Meuten zuſammen: man kann wohl behaupten, daß alle Hunde ohne Ausnahme geſellige Thiere ſind. Hinſichtlich der Beweglichkeit geben die Hunde den Katzen wenig nach. Jhre ſtumpfen Krallen erlauben ihnen nicht, zu klettern, ſie ſind deshalb auf den Boden gebannt; auch verſtehen ſie nicht, ſo hohe und weite Sprünge auszuführen, wie die Katzen, im Uebrigen aber übertreffen ſie dieſe ganz entſchieden. Sie ſind vortreffliche Läufer und beſitzen eine unglaubliche Ausdauer; ſie ſchwimmen ohne Ausnahme und zum Theil ganz meiſterhaft, ja wir finden bei ihnen bereits förmliche Waſſerthiere d. h. Hunde, welche ſich mit wahrer Wonne in den Wellen herumtummeln. Beim Gehen treten ſie blos mit den Zehen auf, wie die Katzen, ihr Gang iſt aber eigenthümlich ſchief, weil ſie die Beine nicht gerade vor ſich hinzuſetzen pflegen. Ganz vorzüglich ſind die Sinne der Hunde. Das Gehör ſteht dem der Katzen kaum nach, der Geruch dagegen iſt zu einer bewunderungswürdigen Schärfe ausgebildet, und auch vom Geſicht darf man behaupten, daß es beſſer, als bei den Katzen iſt: denn die Nachthunde ſtehen den Katzen gleich und die Taghunde übertreffen ſie entſchieden. Noch viel ausgezeichneter ſind die geiſtigen Fähigkeiten der Hunde. Die tiefſtehenden Arten be- kunden überaus große Liſt und Schlauheit, zum Theil ſogar auf Koſten des Muthes, welchen andere im hohen Grade beſitzen, die höherſtehenden Hunde aber und namentlich diejenigen, welche mit dem Menſchen verkehren oder, beſſer geſagt, ſich ihm hingegeben haben mit Leib und Seele, beweiſen tag- täglich, daß ihre Geiſtesfähigkeiten einer Ausbildung fähig ſind, wie bei keinem andern Thiere. Der zahme Hund und der wilde Fuchs handeln mit wahrhaft vernünftiger Ueberlegung und führen ſorgfältig durchdachte Pläne aus, deren Ergebniß ſie mit größtmöglicher Sicherheit im voraus abſchätzen. Dieſer Verſtand iſt es, welcher die Hunde auf das innigſte mit den Menſchen verbunden hat und ſie über alle übrigen Thiere ſtellt; denn man muß dabei immer bedenken, daß der Hund ein Raubthier iſt, gewöhnt, über andere Geſchöpfe zu herrſchen, und trotzdem ſeinen Verſtand bereitwillig und aus wirklich vernünftigen Gründen dem höhern Menſchengeiſte unterordnet! Auch bei den ganz wild lebenden Arten zeigt ſich dieſer hohe Verſtand in der großen Vorſicht, Behutſamkeit und dem Argwohn, mit welchem ſie alle Handlungen verrichten. Nur der wüthendſte Hunger iſt im Stande, ſolches Be- tragen zuweilen in das entgegengeſetzte zu verwandeln. Dabei ſind die Hunde gemüthliche Burſchen, aufgelegt zu Spiel und Scherz, heiter und luſtig, gutmüthig und verhältnißmäßig ſanft, wenn ſich gleich nicht leugnen läßt, daß es, wie überall, ſo auch bei ihnen Ausnahmen giebt. Die Nahrung der Hunde beſteht hauptſächlich aus thieriſchen Stoffen, zumal aus Säugethieren und Vögeln. Sie freſſen friſch erlegte Beute ebenſo gern, wie Aas, für welches alle Arten ſogar eine gewiſſe Vorliebe zu haben ſcheinen. Einzelne verzehren auch ſehr gern Knochen, und andere finden ſelbſt in den ſchmuzigſten Auswurfsſtoffen des menſchlichen Leibes noch eine erwünſchte Speiſe. Außer- dem freſſen die Hunde Lurche, Fiſche, Schalthiere, Krebſe, Kerbthiere oder Honig, Obſt, Feld- und Gartenfrüchte, ja ſogar Baumknoſpen, Pflanzenſproſſen, Wurzeln, Gras und Mos. Manche ſind ſehr gefräßig und tödten mehr, als ſie verzehren können, doch zeigt ſich der Blutdurſt niemals in der ab- ſchreckenden Geſtalt, wie bei den Katzen, und keinen einzigen Hund giebt es, welcher ſich im Blute der von ihm getödteten Schlachtopfer mit Luſt berauſcht. Die Fruchtbarkeit der Hunde iſt größer, als die der Katzen; ja, die Zahl ihrer Jungen erreicht zuweilen beinahe die äußerſten Grenzen der Erzeugungsfähigkeit der Sängethiere überhaupt. Jm Mittel darf man annehmen, daß die Hunde zwiſchen vier bis neun Junge werfen; doch ſind Aus- nahmsfälle bekannt, in welchen eine Mutter auf einen Wurf ihrer fünfzehn, und ſelbſt einundzwanzig zur Welt brachte. Es kommt vor, daß der Vater ſeine Sprößlinge oder ein anderer männlicher Hund die junge Nachkommenſchaft einer Hündin mit Mordgedanken verfolgt und auffrißt, wenn er es thun kann; zumal geſchieht Dies bei den Wölfen und Füchſen, welche unter Umſtänden auch ihres Gleichen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/378>, abgerufen am 24.11.2024.