Die Raubthiere. Hunde. -- Dingo. Verwilderte Hunde.
an allen Gliedern zerrissen, wahrscheinlich weil er die Eifersucht der berechtigteren Liebhaber erregt haben mochte."
Nicht selten kreuzt sich der Dingo mit zahmen Hündinnen. Diese bringen dann ein Gewölfe, welches größer und wilder zu sein pflegt, als alle übrigen Haushunde. Die Dingohündin wirft sechs bis acht Junge gewöhnlich in einer Höhle oder unter Baumwurzeln. Bei Gefahr schafft die Mutter ihre Jungen in Sicherheit. Ein Gewölfe von Dingos wurde einst in einer Felsenspalte aufgefunden; da aber die Mutter nicht zugegen war, merkte sich der Entdecker den Ort, in der Absicht, bald zurück- zukehren, um der ganzen Familie auf einmal den Garaus zu machen. Als er nach einiger Zeit zurückkam, fand er zu seinem großen Aerger die Höhle verlassen; die Alte mochte die Spur des fremden Besuchers gewittert und somit den Besuch unschädlich gemacht haben.
Vor dem Menschen nimmt der Dingo regelmäßig Reißaus, wenn dazu noch Zeit ist. Er zeigt auf der Flucht alle List und Schlauheit des Fuchses und versteht es meisterhaft, jede Gelegenheit zu benutzen; wird er aber von seinen Feinden hart verfolgt und glaubt er nicht mehr entrinnen zu können, so dreht er sich mit einer wilden Wuth um und wehrt sich mit der Raserei der Verzweiflung; dabei sucht er aber immer sobald als möglich davonzukommen.
Von der Zähigkeit seines Lebens erzählt Bennett geradezu unglaubliche Dinge. Ein Dingo war von seinen Feinden überrascht und so geschlagen worden, daß man meinte, alle seine Knochen müßten zerbrochen sein; deshalb ließ man ihn auch liegen. Kaum aber hatten sich die Männer von dem anscheinend leblosen Körper entfernt, als sie zu ihrer Ueberraschung das Thier sich erheben, schütteln und so eilig als möglich nach dem Busch begeben sahen. Ein anderer, anscheinend todter Dingo war schon in eine Hütte getragen worden, wo er abgezogen werden sollte. Der Arbeiter hatte ihm bereits das Fell von der halben Seite des Gesichts abgezogen, da sprang er plötzlich auf und versuchte nach dem Mann der Wissenschaft zu beißen.
Gegenwärtig gelten alle Mittel, um den Dingo auszurotten. Jedermanns Hand ist über ihm. Man schießt ihn, fängt ihn in Fallen und vergiftet ihn mit Strychnin. Ein kleines Stück Fleisch, in welches eine Messerspitze dieses fürchterlichen Giftes gebracht worden ist, hängt man an einem Busch auf, so daß es ein paar Fuß über der Erde schwebt; dann findet man regelmäßig in nächster Nähe den armen Schelm, welcher seine Freßlust so schwer büßen mußte. Mit dem Gewehr erlegt man ihn nur zufällig; er ist zu scheu und listig, als daß er öfters vor das Rohr kommen sollte, und nicht einmal auf Treibjagden kann man seiner so habhaft werden.
Gewöhnlich hat man den Dingo für unzähmbar gehalten. Jn der Gesellschaft der Eingebornen Australiens findet man ab und zu Dingos, welche aber nur in einem halbwilden Zustande leben. Jhre Anhänglichkeit an den Menschen ist kaum nennenswerth. Der Dingo bleibt bei ihm, weil er ein bequemeres Leben führen kann. Von Treue, Wachsamkeit, Eigenthumsrecht weiß er nicht mehr, als sein Herr. Doch ist es zuweilen vorgekommen, daß man Dingos fast ebenso zahm gemacht hat, wie die Haushunde es sind. Ein alter Schäfer soll einen Dingo besessen haben, welcher auch viel Liebe und Anhänglichkeit an ihn zeigte. Abrichtungsfähig ist das Thier nicht, und das ist sehr schade; denn seine vortreffliche Nase würde ihn den besten Spürhund übertreffen lassen.
Alle Dingos, welche man bisher bei uns in der Gefangenschaft hielt, blieben wild und bösartig, und ihre Wolfsnatur brach bei jeder Gelegenheit durch, so daß sich ihre Wärter beständig vor ihnen zu hüten hatten. Auch gegen Thiere, die man zu ihnen brachte, zeigten sie sich unfreundlich und un- duldsam. Nur mit Mühe vermochte man den Zähnen eines nach England gebrachten Dingo einen friedlichen Esel zu entreißen, und im Pariser Thiergarten sprang einer wüthend gegen die Eisengitter der Bären, Jaguare und Panther. Ein in England geborner war schon in der frühsten Jugend mißmuthig und scheu, er verkroch sich in den dunkelsten Winkel des Zimmers und schwieg, wenn Menschen, gleichviel ob Bekannte oder Fremde, zugegen waren, stieß aber, allein gelassen, ein schwer- müthiges Geheul aus. Den ihn pflegenden Wärter lernte er kennen, zeigte sich aber niemals gegen denselben hündisch schwanzwedelnd oder freundlich. Gegen Fremde war er mürrisch und scheu, und oft
Die Raubthiere. Hunde. — Dingo. Verwilderte Hunde.
an allen Gliedern zerriſſen, wahrſcheinlich weil er die Eiferſucht der berechtigteren Liebhaber erregt haben mochte.‟
Nicht ſelten kreuzt ſich der Dingo mit zahmen Hündinnen. Dieſe bringen dann ein Gewölfe, welches größer und wilder zu ſein pflegt, als alle übrigen Haushunde. Die Dingohündin wirft ſechs bis acht Junge gewöhnlich in einer Höhle oder unter Baumwurzeln. Bei Gefahr ſchafft die Mutter ihre Jungen in Sicherheit. Ein Gewölfe von Dingos wurde einſt in einer Felſenſpalte aufgefunden; da aber die Mutter nicht zugegen war, merkte ſich der Entdecker den Ort, in der Abſicht, bald zurück- zukehren, um der ganzen Familie auf einmal den Garaus zu machen. Als er nach einiger Zeit zurückkam, fand er zu ſeinem großen Aerger die Höhle verlaſſen; die Alte mochte die Spur des fremden Beſuchers gewittert und ſomit den Beſuch unſchädlich gemacht haben.
Vor dem Menſchen nimmt der Dingo regelmäßig Reißaus, wenn dazu noch Zeit iſt. Er zeigt auf der Flucht alle Liſt und Schlauheit des Fuchſes und verſteht es meiſterhaft, jede Gelegenheit zu benutzen; wird er aber von ſeinen Feinden hart verfolgt und glaubt er nicht mehr entrinnen zu können, ſo dreht er ſich mit einer wilden Wuth um und wehrt ſich mit der Raſerei der Verzweiflung; dabei ſucht er aber immer ſobald als möglich davonzukommen.
Von der Zähigkeit ſeines Lebens erzählt Bennett geradezu unglaubliche Dinge. Ein Dingo war von ſeinen Feinden überraſcht und ſo geſchlagen worden, daß man meinte, alle ſeine Knochen müßten zerbrochen ſein; deshalb ließ man ihn auch liegen. Kaum aber hatten ſich die Männer von dem anſcheinend lebloſen Körper entfernt, als ſie zu ihrer Ueberraſchung das Thier ſich erheben, ſchütteln und ſo eilig als möglich nach dem Buſch begeben ſahen. Ein anderer, anſcheinend todter Dingo war ſchon in eine Hütte getragen worden, wo er abgezogen werden ſollte. Der Arbeiter hatte ihm bereits das Fell von der halben Seite des Geſichts abgezogen, da ſprang er plötzlich auf und verſuchte nach dem Mann der Wiſſenſchaft zu beißen.
Gegenwärtig gelten alle Mittel, um den Dingo auszurotten. Jedermanns Hand iſt über ihm. Man ſchießt ihn, fängt ihn in Fallen und vergiftet ihn mit Strychnin. Ein kleines Stück Fleiſch, in welches eine Meſſerſpitze dieſes fürchterlichen Giftes gebracht worden iſt, hängt man an einem Buſch auf, ſo daß es ein paar Fuß über der Erde ſchwebt; dann findet man regelmäßig in nächſter Nähe den armen Schelm, welcher ſeine Freßluſt ſo ſchwer büßen mußte. Mit dem Gewehr erlegt man ihn nur zufällig; er iſt zu ſcheu und liſtig, als daß er öfters vor das Rohr kommen ſollte, und nicht einmal auf Treibjagden kann man ſeiner ſo habhaft werden.
Gewöhnlich hat man den Dingo für unzähmbar gehalten. Jn der Geſellſchaft der Eingebornen Auſtraliens findet man ab und zu Dingos, welche aber nur in einem halbwilden Zuſtande leben. Jhre Anhänglichkeit an den Menſchen iſt kaum nennenswerth. Der Dingo bleibt bei ihm, weil er ein bequemeres Leben führen kann. Von Treue, Wachſamkeit, Eigenthumsrecht weiß er nicht mehr, als ſein Herr. Doch iſt es zuweilen vorgekommen, daß man Dingos faſt ebenſo zahm gemacht hat, wie die Haushunde es ſind. Ein alter Schäfer ſoll einen Dingo beſeſſen haben, welcher auch viel Liebe und Anhänglichkeit an ihn zeigte. Abrichtungsfähig iſt das Thier nicht, und das iſt ſehr ſchade; denn ſeine vortreffliche Naſe würde ihn den beſten Spürhund übertreffen laſſen.
Alle Dingos, welche man bisher bei uns in der Gefangenſchaft hielt, blieben wild und bösartig, und ihre Wolfsnatur brach bei jeder Gelegenheit durch, ſo daß ſich ihre Wärter beſtändig vor ihnen zu hüten hatten. Auch gegen Thiere, die man zu ihnen brachte, zeigten ſie ſich unfreundlich und un- duldſam. Nur mit Mühe vermochte man den Zähnen eines nach England gebrachten Dingo einen friedlichen Eſel zu entreißen, und im Pariſer Thiergarten ſprang einer wüthend gegen die Eiſengitter der Bären, Jaguare und Panther. Ein in England geborner war ſchon in der frühſten Jugend mißmuthig und ſcheu, er verkroch ſich in den dunkelſten Winkel des Zimmers und ſchwieg, wenn Menſchen, gleichviel ob Bekannte oder Fremde, zugegen waren, ſtieß aber, allein gelaſſen, ein ſchwer- müthiges Geheul aus. Den ihn pflegenden Wärter lernte er kennen, zeigte ſich aber niemals gegen denſelben hündiſch ſchwanzwedelnd oder freundlich. Gegen Fremde war er mürriſch und ſcheu, und oft
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Die Raubthiere. Hunde. — Dingo. Verwilderte Hunde.
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Nicht ſelten kreuzt ſich der Dingo mit zahmen Hündinnen. Dieſe bringen dann ein Gewölfe,
welches größer und wilder zu ſein pflegt, als alle übrigen Haushunde. Die Dingohündin wirft ſechs
bis acht Junge gewöhnlich in einer Höhle oder unter Baumwurzeln. Bei Gefahr ſchafft die Mutter
ihre Jungen in Sicherheit. Ein Gewölfe von Dingos wurde einſt in einer Felſenſpalte aufgefunden;
da aber die Mutter nicht zugegen war, merkte ſich der Entdecker den Ort, in der Abſicht, bald zurück-
zukehren, um der ganzen Familie auf einmal den Garaus zu machen. Als er nach einiger Zeit
zurückkam, fand er zu ſeinem großen Aerger die Höhle verlaſſen; die Alte mochte die Spur des
fremden Beſuchers gewittert und ſomit den Beſuch unſchädlich gemacht haben.
Vor dem Menſchen nimmt der Dingo regelmäßig Reißaus, wenn dazu noch Zeit iſt. Er zeigt
auf der Flucht alle Liſt und Schlauheit des Fuchſes und verſteht es meiſterhaft, jede Gelegenheit zu
benutzen; wird er aber von ſeinen Feinden hart verfolgt und glaubt er nicht mehr entrinnen zu
können, ſo dreht er ſich mit einer wilden Wuth um und wehrt ſich mit der Raſerei der Verzweiflung;
dabei ſucht er aber immer ſobald als möglich davonzukommen.
Von der Zähigkeit ſeines Lebens erzählt Bennett geradezu unglaubliche Dinge. Ein Dingo
war von ſeinen Feinden überraſcht und ſo geſchlagen worden, daß man meinte, alle ſeine Knochen
müßten zerbrochen ſein; deshalb ließ man ihn auch liegen. Kaum aber hatten ſich die Männer von
dem anſcheinend lebloſen Körper entfernt, als ſie zu ihrer Ueberraſchung das Thier ſich erheben,
ſchütteln und ſo eilig als möglich nach dem Buſch begeben ſahen. Ein anderer, anſcheinend todter
Dingo war ſchon in eine Hütte getragen worden, wo er abgezogen werden ſollte. Der Arbeiter hatte
ihm bereits das Fell von der halben Seite des Geſichts abgezogen, da ſprang er plötzlich auf und
verſuchte nach dem Mann der Wiſſenſchaft zu beißen.
Gegenwärtig gelten alle Mittel, um den Dingo auszurotten. Jedermanns Hand iſt über ihm.
Man ſchießt ihn, fängt ihn in Fallen und vergiftet ihn mit Strychnin. Ein kleines Stück Fleiſch,
in welches eine Meſſerſpitze dieſes fürchterlichen Giftes gebracht worden iſt, hängt man an einem
Buſch auf, ſo daß es ein paar Fuß über der Erde ſchwebt; dann findet man regelmäßig in nächſter
Nähe den armen Schelm, welcher ſeine Freßluſt ſo ſchwer büßen mußte. Mit dem Gewehr erlegt man
ihn nur zufällig; er iſt zu ſcheu und liſtig, als daß er öfters vor das Rohr kommen ſollte, und nicht
einmal auf Treibjagden kann man ſeiner ſo habhaft werden.
Gewöhnlich hat man den Dingo für unzähmbar gehalten. Jn der Geſellſchaft der Eingebornen
Auſtraliens findet man ab und zu Dingos, welche aber nur in einem halbwilden Zuſtande leben.
Jhre Anhänglichkeit an den Menſchen iſt kaum nennenswerth. Der Dingo bleibt bei ihm, weil er
ein bequemeres Leben führen kann. Von Treue, Wachſamkeit, Eigenthumsrecht weiß er nicht mehr, als
ſein Herr. Doch iſt es zuweilen vorgekommen, daß man Dingos faſt ebenſo zahm gemacht hat, wie
die Haushunde es ſind. Ein alter Schäfer ſoll einen Dingo beſeſſen haben, welcher auch viel Liebe
und Anhänglichkeit an ihn zeigte. Abrichtungsfähig iſt das Thier nicht, und das iſt ſehr ſchade; denn
ſeine vortreffliche Naſe würde ihn den beſten Spürhund übertreffen laſſen.
Alle Dingos, welche man bisher bei uns in der Gefangenſchaft hielt, blieben wild und bösartig,
und ihre Wolfsnatur brach bei jeder Gelegenheit durch, ſo daß ſich ihre Wärter beſtändig vor ihnen
zu hüten hatten. Auch gegen Thiere, die man zu ihnen brachte, zeigten ſie ſich unfreundlich und un-
duldſam. Nur mit Mühe vermochte man den Zähnen eines nach England gebrachten Dingo einen
friedlichen Eſel zu entreißen, und im Pariſer Thiergarten ſprang einer wüthend gegen die Eiſengitter
der Bären, Jaguare und Panther. Ein in England geborner war ſchon in der frühſten Jugend
mißmuthig und ſcheu, er verkroch ſich in den dunkelſten Winkel des Zimmers und ſchwieg, wenn
Menſchen, gleichviel ob Bekannte oder Fremde, zugegen waren, ſtieß aber, allein gelaſſen, ein ſchwer-
müthiges Geheul aus. Den ihn pflegenden Wärter lernte er kennen, zeigte ſich aber niemals gegen
denſelben hündiſch ſchwanzwedelnd oder freundlich. Gegen Fremde war er mürriſch und ſcheu, und oft
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/392>, abgerufen am 23.11.2024.
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