auch hundähnliche vorkommen. Manche Naturforscher haben deshalb geglaubt, den gemeinen Wolf als die Stammart unsers Hundes ansehen zu müssen. Sie haben aber dabei vergessen, sich von ihrer unseligen Einpaarlertheorie frei zu machen, zu deren Gunsten überhaupt schon der großartigste Unsinn in die Welt geschwatzt worden ist. Die Verbastardirung von Wolf und Hund ist niemals eine frei- willige gewesen; denn die natürliche Abneigung, welche zwischen beiden Thieren besteht, ist so groß, daß sie nur unter seltenen Umständen überwunden werden kann. Gewöhnlich suchen sich Beide stets sorg- fältig zu meiden, und zur Begattung im Freien kommt es wohl niemals, während Dies z. B. zwischen wilden und zahmen Kaninchen, zwischen wilder und zahmer Ente, Gans, Truthahn und Perl- huhn, kurz zwischen solchen wilden und zahmen Thieren, welche jetzt noch im Freien und in der Ge- fangenschaft leben, gar keine Schwierigkeit hat.
Jung aufgezogene und verständig behandelte Wölfe werden sehr zahm und zeigen große Anhäng- lichkeit zu ihrem Herrn. Cuvier berichtet von einem solchen, welcher ganz wie ein junger Hund auf- gezogen worden war und nach erlangtem Wachsthum von seinem Herrn dem Pflanzengarten geschenkt wurde. "Hier zeigte er sich einige Wochen lang ganz trostlos, fraß äußerst wenig und benahm sich ganz gleichgiltig gegen seinen Wärter. Endlich aber faßte er eine Zuneigung zu Denen, die um ihn waren und sich mit ihm beschäftigten, ja es schien, als hätte er seinen alten Herrn vergessen. Letzterer kehrte nach einer Abwesenheit von achtzehn Monaten nach Paris zurück. Der Wolf vernahm seine Stimme trotz dem geräuschvollen Gedränge mitten in den Gärten der Menagerie, und überließ sich, da man ihn in Freiheit gesetzt, den Ausbrüchen der ungestümsten Freude. Er wurde hierauf von seinem Freunde getrennt, und von neuem war er, wie das erste Mal, ganz trostlos. Nach drei- jähriger Abwesenheit kam der Herr abermals nach Paris. Es war gegen Abend, und der Käfig des Wolfes war völlig geschlossen, so daß das Thier nicht sehen konnte, was außerhalb seines Kerkers vorging; allein sowie es die Stimme des nahenden Herrn vernahm, brach es in ängstliches Geheul aus, und sobald man die Thüre des Käfigs geöffnet hatte, stürzte es auf seinen Freund los, sprang ihm auf die Schultern, leckte ihm das Gesicht und machte Miene seine Wärter zu beißen, wenn diese versuchten, ihn wieder in sein Gefängniß zurückzuführen. Als ihn endlich sein Erzieher wieder ver- lassen, erkraukte er und verschmähte alle Nahrung. Seine Genesung verzögerte sich sehr lange; es war dann aber immer gefährlich für einen Fremden, sich ihm zu nähern."
Aehnliches wird in der schwedischen "Zeitschrift für Jäger und Naturforscher" von einer Jagd- freundin, Katharine Bedoire, erzählt: "Bei Gysinge kaufte mein Mann im Jahr 1837 drei junge Wölfe, welche eben das Vermögen, zu sehen, erhalten hatten. Jch wünschte, diese kleinen Ge- schöpfe einige Zeit behalten zu dürfen. Sie blieben ungefähr einen Monat bei einander und hatten während dieser Zeit ihre Wohnung in einer Gartenlaube. Sobald sie mich im Hofe rufen hörten: "Jhr Hündchen!" kamen sie mit Geberden von Freude und Zuthulichkeit, die zum Verwundern waren. Nachdem ich sie gestreichelt und ihnen Futter gegeben hatte, kehrten sie wieder in den Garten zurück. Nach Verlauf eines Monats wurde das eine Männchen an den Gutsbesitzer v. Uhr und das Weibchen an den Gutsbesitzer Thore Petree verschenkt. Da dasjenige, welches wir selbst behielten, nun ein- sam und verlassen war, nahm es seine Zuflucht zu den Leuten des Gehöftes; meistens jedoch folgte es mir und meinem Manne. Sonderbar war es, wie dieser Wolf zutraulich wurde, daß er sich, sobald wir zusammen ausgingen, neben uns legte, wo wir ruheten, aber nicht duldete, daß irgend Jemand sich uns auf mehr als zwanzig Schritte nahete. Kam Jemand näher, so knurrte er und wies die Zähne. Sowie ich nun auf ihn schalt, leckte er mir die Hände, behielt aber die Augen auf die Person gerichtet, welche sich uns nähern wollte. Er ging in den Zimmern und in der Küche umher, wie ein Hund, war den Kindern sehr zugethan, wollte sie lecken und mit ihnen spielen. Dies dauerte fort, bis er fünf Monate alt und bereits groß und stark war, und mein Mann beschloß, ihn anzubinden, aus Furcht, daß er bei seinem Spielen mit den Kindern dieselben mit seinen scharfen Klauen ritzen oder sie einmal blutend finden und dann Lust bekommen könnte, schlimm mit ihnen zu verfahren. Jndeß ging er auch nachher noch oftmals mit mir, wenn ich einen Spaziergang machte. Er hatte seine Hütte
Die Raubthiere. Hunde. — Wolf.
auch hundähnliche vorkommen. Manche Naturforſcher haben deshalb geglaubt, den gemeinen Wolf als die Stammart unſers Hundes anſehen zu müſſen. Sie haben aber dabei vergeſſen, ſich von ihrer unſeligen Einpaarlertheorie frei zu machen, zu deren Gunſten überhaupt ſchon der großartigſte Unſinn in die Welt geſchwatzt worden iſt. Die Verbaſtardirung von Wolf und Hund iſt niemals eine frei- willige geweſen; denn die natürliche Abneigung, welche zwiſchen beiden Thieren beſteht, iſt ſo groß, daß ſie nur unter ſeltenen Umſtänden überwunden werden kann. Gewöhnlich ſuchen ſich Beide ſtets ſorg- fältig zu meiden, und zur Begattung im Freien kommt es wohl niemals, während Dies z. B. zwiſchen wilden und zahmen Kaninchen, zwiſchen wilder und zahmer Ente, Gans, Truthahn und Perl- huhn, kurz zwiſchen ſolchen wilden und zahmen Thieren, welche jetzt noch im Freien und in der Ge- fangenſchaft leben, gar keine Schwierigkeit hat.
Jung aufgezogene und verſtändig behandelte Wölfe werden ſehr zahm und zeigen große Anhäng- lichkeit zu ihrem Herrn. Cuvier berichtet von einem ſolchen, welcher ganz wie ein junger Hund auf- gezogen worden war und nach erlangtem Wachsthum von ſeinem Herrn dem Pflanzengarten geſchenkt wurde. „Hier zeigte er ſich einige Wochen lang ganz troſtlos, fraß äußerſt wenig und benahm ſich ganz gleichgiltig gegen ſeinen Wärter. Endlich aber faßte er eine Zuneigung zu Denen, die um ihn waren und ſich mit ihm beſchäftigten, ja es ſchien, als hätte er ſeinen alten Herrn vergeſſen. Letzterer kehrte nach einer Abweſenheit von achtzehn Monaten nach Paris zurück. Der Wolf vernahm ſeine Stimme trotz dem geräuſchvollen Gedränge mitten in den Gärten der Menagerie, und überließ ſich, da man ihn in Freiheit geſetzt, den Ausbrüchen der ungeſtümſten Freude. Er wurde hierauf von ſeinem Freunde getrennt, und von neuem war er, wie das erſte Mal, ganz troſtlos. Nach drei- jähriger Abweſenheit kam der Herr abermals nach Paris. Es war gegen Abend, und der Käfig des Wolfes war völlig geſchloſſen, ſo daß das Thier nicht ſehen konnte, was außerhalb ſeines Kerkers vorging; allein ſowie es die Stimme des nahenden Herrn vernahm, brach es in ängſtliches Geheul aus, und ſobald man die Thüre des Käfigs geöffnet hatte, ſtürzte es auf ſeinen Freund los, ſprang ihm auf die Schultern, leckte ihm das Geſicht und machte Miene ſeine Wärter zu beißen, wenn dieſe verſuchten, ihn wieder in ſein Gefängniß zurückzuführen. Als ihn endlich ſein Erzieher wieder ver- laſſen, erkraukte er und verſchmähte alle Nahrung. Seine Geneſung verzögerte ſich ſehr lange; es war dann aber immer gefährlich für einen Fremden, ſich ihm zu nähern.‟
Aehnliches wird in der ſchwediſchen „Zeitſchrift für Jäger und Naturforſcher‟ von einer Jagd- freundin, Katharine Bedoire, erzählt: „Bei Gyſinge kaufte mein Mann im Jahr 1837 drei junge Wölfe, welche eben das Vermögen, zu ſehen, erhalten hatten. Jch wünſchte, dieſe kleinen Ge- ſchöpfe einige Zeit behalten zu dürfen. Sie blieben ungefähr einen Monat bei einander und hatten während dieſer Zeit ihre Wohnung in einer Gartenlaube. Sobald ſie mich im Hofe rufen hörten: „Jhr Hündchen!‟ kamen ſie mit Geberden von Freude und Zuthulichkeit, die zum Verwundern waren. Nachdem ich ſie geſtreichelt und ihnen Futter gegeben hatte, kehrten ſie wieder in den Garten zurück. Nach Verlauf eines Monats wurde das eine Männchen an den Gutsbeſitzer v. Uhr und das Weibchen an den Gutsbeſitzer Thore Petree verſchenkt. Da dasjenige, welches wir ſelbſt behielten, nun ein- ſam und verlaſſen war, nahm es ſeine Zuflucht zu den Leuten des Gehöftes; meiſtens jedoch folgte es mir und meinem Manne. Sonderbar war es, wie dieſer Wolf zutraulich wurde, daß er ſich, ſobald wir zuſammen ausgingen, neben uns legte, wo wir ruheten, aber nicht duldete, daß irgend Jemand ſich uns auf mehr als zwanzig Schritte nahete. Kam Jemand näher, ſo knurrte er und wies die Zähne. Sowie ich nun auf ihn ſchalt, leckte er mir die Hände, behielt aber die Augen auf die Perſon gerichtet, welche ſich uns nähern wollte. Er ging in den Zimmern und in der Küche umher, wie ein Hund, war den Kindern ſehr zugethan, wollte ſie lecken und mit ihnen ſpielen. Dies dauerte fort, bis er fünf Monate alt und bereits groß und ſtark war, und mein Mann beſchloß, ihn anzubinden, aus Furcht, daß er bei ſeinem Spielen mit den Kindern dieſelben mit ſeinen ſcharfen Klauen ritzen oder ſie einmal blutend finden und dann Luſt bekommen könnte, ſchlimm mit ihnen zu verfahren. Jndeß ging er auch nachher noch oftmals mit mir, wenn ich einen Spaziergang machte. Er hatte ſeine Hütte
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[406/0474]
Die Raubthiere. Hunde. — Wolf.
auch hundähnliche vorkommen. Manche Naturforſcher haben deshalb geglaubt, den gemeinen Wolf
als die Stammart unſers Hundes anſehen zu müſſen. Sie haben aber dabei vergeſſen, ſich von ihrer
unſeligen Einpaarlertheorie frei zu machen, zu deren Gunſten überhaupt ſchon der großartigſte Unſinn
in die Welt geſchwatzt worden iſt. Die Verbaſtardirung von Wolf und Hund iſt niemals eine frei-
willige geweſen; denn die natürliche Abneigung, welche zwiſchen beiden Thieren beſteht, iſt ſo groß, daß
ſie nur unter ſeltenen Umſtänden überwunden werden kann. Gewöhnlich ſuchen ſich Beide ſtets ſorg-
fältig zu meiden, und zur Begattung im Freien kommt es wohl niemals, während Dies z. B. zwiſchen
wilden und zahmen Kaninchen, zwiſchen wilder und zahmer Ente, Gans, Truthahn und Perl-
huhn, kurz zwiſchen ſolchen wilden und zahmen Thieren, welche jetzt noch im Freien und in der Ge-
fangenſchaft leben, gar keine Schwierigkeit hat.
Jung aufgezogene und verſtändig behandelte Wölfe werden ſehr zahm und zeigen große Anhäng-
lichkeit zu ihrem Herrn. Cuvier berichtet von einem ſolchen, welcher ganz wie ein junger Hund auf-
gezogen worden war und nach erlangtem Wachsthum von ſeinem Herrn dem Pflanzengarten geſchenkt
wurde. „Hier zeigte er ſich einige Wochen lang ganz troſtlos, fraß äußerſt wenig und benahm ſich
ganz gleichgiltig gegen ſeinen Wärter. Endlich aber faßte er eine Zuneigung zu Denen, die um ihn
waren und ſich mit ihm beſchäftigten, ja es ſchien, als hätte er ſeinen alten Herrn vergeſſen. Letzterer
kehrte nach einer Abweſenheit von achtzehn Monaten nach Paris zurück. Der Wolf vernahm ſeine
Stimme trotz dem geräuſchvollen Gedränge mitten in den Gärten der Menagerie, und überließ ſich,
da man ihn in Freiheit geſetzt, den Ausbrüchen der ungeſtümſten Freude. Er wurde hierauf von
ſeinem Freunde getrennt, und von neuem war er, wie das erſte Mal, ganz troſtlos. Nach drei-
jähriger Abweſenheit kam der Herr abermals nach Paris. Es war gegen Abend, und der Käfig des
Wolfes war völlig geſchloſſen, ſo daß das Thier nicht ſehen konnte, was außerhalb ſeines Kerkers
vorging; allein ſowie es die Stimme des nahenden Herrn vernahm, brach es in ängſtliches Geheul
aus, und ſobald man die Thüre des Käfigs geöffnet hatte, ſtürzte es auf ſeinen Freund los, ſprang
ihm auf die Schultern, leckte ihm das Geſicht und machte Miene ſeine Wärter zu beißen, wenn dieſe
verſuchten, ihn wieder in ſein Gefängniß zurückzuführen. Als ihn endlich ſein Erzieher wieder ver-
laſſen, erkraukte er und verſchmähte alle Nahrung. Seine Geneſung verzögerte ſich ſehr lange; es
war dann aber immer gefährlich für einen Fremden, ſich ihm zu nähern.‟
Aehnliches wird in der ſchwediſchen „Zeitſchrift für Jäger und Naturforſcher‟ von einer Jagd-
freundin, Katharine Bedoire, erzählt: „Bei Gyſinge kaufte mein Mann im Jahr 1837 drei
junge Wölfe, welche eben das Vermögen, zu ſehen, erhalten hatten. Jch wünſchte, dieſe kleinen Ge-
ſchöpfe einige Zeit behalten zu dürfen. Sie blieben ungefähr einen Monat bei einander und hatten
während dieſer Zeit ihre Wohnung in einer Gartenlaube. Sobald ſie mich im Hofe rufen hörten:
„Jhr Hündchen!‟ kamen ſie mit Geberden von Freude und Zuthulichkeit, die zum Verwundern waren.
Nachdem ich ſie geſtreichelt und ihnen Futter gegeben hatte, kehrten ſie wieder in den Garten zurück.
Nach Verlauf eines Monats wurde das eine Männchen an den Gutsbeſitzer v. Uhr und das Weibchen
an den Gutsbeſitzer Thore Petree verſchenkt. Da dasjenige, welches wir ſelbſt behielten, nun ein-
ſam und verlaſſen war, nahm es ſeine Zuflucht zu den Leuten des Gehöftes; meiſtens jedoch folgte
es mir und meinem Manne. Sonderbar war es, wie dieſer Wolf zutraulich wurde, daß er ſich, ſobald
wir zuſammen ausgingen, neben uns legte, wo wir ruheten, aber nicht duldete, daß irgend Jemand
ſich uns auf mehr als zwanzig Schritte nahete. Kam Jemand näher, ſo knurrte er und wies die
Zähne. Sowie ich nun auf ihn ſchalt, leckte er mir die Hände, behielt aber die Augen auf die Perſon
gerichtet, welche ſich uns nähern wollte. Er ging in den Zimmern und in der Küche umher, wie ein
Hund, war den Kindern ſehr zugethan, wollte ſie lecken und mit ihnen ſpielen. Dies dauerte fort, bis
er fünf Monate alt und bereits groß und ſtark war, und mein Mann beſchloß, ihn anzubinden, aus
Furcht, daß er bei ſeinem Spielen mit den Kindern dieſelben mit ſeinen ſcharfen Klauen ritzen oder
ſie einmal blutend finden und dann Luſt bekommen könnte, ſchlimm mit ihnen zu verfahren. Jndeß
ging er auch nachher noch oftmals mit mir, wenn ich einen Spaziergang machte. Er hatte ſeine Hütte
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/474>, abgerufen am 22.11.2024.
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