Sehr eigenthümlich ist die Jagdweise der Lappen. Wie ich oben bemerkte, ist der Wolf für sie der Schrecken aller Schrecken, ich möchte sagen, ihr einziger Feind. Und wirklich bringt ihnen kein anderes Geschöpf so vielen Schaden, wie er. Während des Sommers und auch mitten im Winter sind ihre Renthiere den Angriffen des Raubthieres preisgegeben, ohne daß sie viel dagegen thun könnten. Die Meisten besitzen zwar das Feuergewehr und wissen es auch recht gut zu gebrauchen: allein die Jagd mit diesem ist bei weitem nicht so erfolgreich, als eine andere, welche sie ausüben. Sobald nämlich der erste Schnee gefallen ist und noch nicht jene feste Kruste erhalten hat, welche er im Winter regelmäßig bekommt, machen sich die Männer zur Wolfsjagd auf. Jhre einzige Waffe besteht in einem langen Stock, an welchem oben ein scharfschneidiges Messer angefügt wurde, so daß der Stock hierdurch zu einem Sper umgewandelt worden ist. An die Füße schnallen sie sich die langen Schneeschuhe, welche ihnen ein sehr schnelles Fortkommen ermöglichen. Jetzt suchen sie den Wolf auf und verfolgen ihn laufend. Das Thier, welches bis an den Leib im Schnee waten muß, ermüdet sehr bald und kann auch einem Skyläufer nicht entkommen. Der Verfolger nähert sich dem gehetzten Wolf mehr und mehr, und wenn er ihn auf eine waldlose Ebene herausgebracht hat, ist derselbe ver- loren. Das Messer war anfänglich mit einer Hornscheide überdeckt; diese sitzt aber so locker auf, daß ein einziger Schlag auf das Fell des Wolfs genügt, sie abzuwerfen, und nunmehr bekommt das Raub- thier soviel Stiche, als erforderlich sind, ihm seine Lebenslust für immer zu verleiden. Bei weitem die meisten Wolfsfelle, welche aus Norwegen kommen, rühren von den Lappen her und werden auf diese Weise erlaugt.
Der größte Nutzen, welchen wir vom Wolf ziehen können, besteht in Erbeutung seines Winter- fells, welches, wie bekannt, als gutes Pelzwerk vielfach angewendet wird. Die schönsten Felle kommen aus Schweden, Rußland, Polen, Frankreich und werden mit sechs bis acht Thaler bezahlt. Außerdem bezahlen alle Regierungen noch ein besonderes Schußgeld für den getödteten Wolf, gleichviel ob der- selbe erschossen, erschlagen, gefangen oder vergiftet worden ist. Jn Norwegen z. B. beträgt dies hente noch beinahe ebensoviel, als das Fell werth ist. Die Felle werden umsomehr geschätzt, je weißer sie sind, und deshalb sind die nördlichen immer besser, als die aus südlichen Ländern. Außer dem Pelz verwendet man aber auch die Haut hier und da zu Handschuhen, Pauken-und Trommelfellen. Das grobe Fleisch, welches nicht einmal die Hunde fressen wollen, wird blos von den Kalmücken und Tungusen gegessen.
Jn Spanien, wo das Fell, wie erklärlich, keinen großen Werth hat, macht sich der Jäger auf andere Weise bezahlt. Sobald er nämlich einen Wolf erlegt hat, ladet er denselben auf ein Maul- thier und zieht nun mit diesem von Dorf zu Dorf, zunächst zu den größeren Herdenbesitzern, später aber, nachdem der Wolf vielleicht bereits ausgestopft worden ist, auch von Haus zu Haus zum größten Entzücken der lieben Jugend. Die größeren Herdenbesitzer bezahlen ganz bedeutende Summen für einen erlegten Wolf: und somit kann es kommen, daß der Jäger von einem erlegten Wolfe einen Gewinn zieht, welcher 20 bis 25 Thaler unsers Geldes übersteigt.
Jm waadtländischen Jura besteht heute noch, wie Tschudi berichtet, eine ganz eigenthümliche Ausbildung der Wolfsjagd. Dieselbe gehört nämlich ausschließlich einer bestimmten Jagdgesellschaft an, welche ihre Beamten, Sitzungen und Gerichtsbarkeiten hat. Von dem Anführer werden die Jäger in zwei Rotten getheilt. Die Einen, mit Flinten bewaffnet, stellen sich auf den Anstand, während die blos mit Knütteln Bewehrten das Wild mit Lärm den Anderen zujagen. Sobald es erlegt ist, verkünden Posaunen den Tod des Raubthieres im Dorfe. Nun folgt auf Kosten seines Pelzes ein sehr großes Fest und dabei wird Derjenige, welcher den Befehlen des Führers zuwider gehandelt hat, mit Wassertrinken bestraft und mit strohernen Ketten gebunden. Da man nur dann Mitglied dieser Gesellschaft werden kann, wenn man schon drei glückliche Wolfsjagden mitgemacht hat, pflegen die Väter schon kleine Kinder auf dem Arm zur Wolfsjagd mitzunehmen.
Blos die Kamtschadalen jagen, wie Steller erzählt, den Wolf nicht, sondern bezeigen ihm eher eine gewisse Verehrung. Sie behaupten sogar, daß der Wolf die Ursache sei, wenn ein Weib
Vertilgungsarten: Gift, Fallen, Jagden.
Sehr eigenthümlich iſt die Jagdweiſe der Lappen. Wie ich oben bemerkte, iſt der Wolf für ſie der Schrecken aller Schrecken, ich möchte ſagen, ihr einziger Feind. Und wirklich bringt ihnen kein anderes Geſchöpf ſo vielen Schaden, wie er. Während des Sommers und auch mitten im Winter ſind ihre Renthiere den Angriffen des Raubthieres preisgegeben, ohne daß ſie viel dagegen thun könnten. Die Meiſten beſitzen zwar das Feuergewehr und wiſſen es auch recht gut zu gebrauchen: allein die Jagd mit dieſem iſt bei weitem nicht ſo erfolgreich, als eine andere, welche ſie ausüben. Sobald nämlich der erſte Schnee gefallen iſt und noch nicht jene feſte Kruſte erhalten hat, welche er im Winter regelmäßig bekommt, machen ſich die Männer zur Wolfsjagd auf. Jhre einzige Waffe beſteht in einem langen Stock, an welchem oben ein ſcharfſchneidiges Meſſer angefügt wurde, ſo daß der Stock hierdurch zu einem Sper umgewandelt worden iſt. An die Füße ſchnallen ſie ſich die langen Schneeſchuhe, welche ihnen ein ſehr ſchnelles Fortkommen ermöglichen. Jetzt ſuchen ſie den Wolf auf und verfolgen ihn laufend. Das Thier, welches bis an den Leib im Schnee waten muß, ermüdet ſehr bald und kann auch einem Skyläufer nicht entkommen. Der Verfolger nähert ſich dem gehetzten Wolf mehr und mehr, und wenn er ihn auf eine waldloſe Ebene herausgebracht hat, iſt derſelbe ver- loren. Das Meſſer war anfänglich mit einer Hornſcheide überdeckt; dieſe ſitzt aber ſo locker auf, daß ein einziger Schlag auf das Fell des Wolfs genügt, ſie abzuwerfen, und nunmehr bekommt das Raub- thier ſoviel Stiche, als erforderlich ſind, ihm ſeine Lebensluſt für immer zu verleiden. Bei weitem die meiſten Wolfsfelle, welche aus Norwegen kommen, rühren von den Lappen her und werden auf dieſe Weiſe erlaugt.
Der größte Nutzen, welchen wir vom Wolf ziehen können, beſteht in Erbeutung ſeines Winter- fells, welches, wie bekannt, als gutes Pelzwerk vielfach angewendet wird. Die ſchönſten Felle kommen aus Schweden, Rußland, Polen, Frankreich und werden mit ſechs bis acht Thaler bezahlt. Außerdem bezahlen alle Regierungen noch ein beſonderes Schußgeld für den getödteten Wolf, gleichviel ob der- ſelbe erſchoſſen, erſchlagen, gefangen oder vergiftet worden iſt. Jn Norwegen z. B. beträgt dies hente noch beinahe ebenſoviel, als das Fell werth iſt. Die Felle werden umſomehr geſchätzt, je weißer ſie ſind, und deshalb ſind die nördlichen immer beſſer, als die aus ſüdlichen Ländern. Außer dem Pelz verwendet man aber auch die Haut hier und da zu Handſchuhen, Pauken-und Trommelfellen. Das grobe Fleiſch, welches nicht einmal die Hunde freſſen wollen, wird blos von den Kalmücken und Tunguſen gegeſſen.
Jn Spanien, wo das Fell, wie erklärlich, keinen großen Werth hat, macht ſich der Jäger auf andere Weiſe bezahlt. Sobald er nämlich einen Wolf erlegt hat, ladet er denſelben auf ein Maul- thier und zieht nun mit dieſem von Dorf zu Dorf, zunächſt zu den größeren Herdenbeſitzern, ſpäter aber, nachdem der Wolf vielleicht bereits ausgeſtopft worden iſt, auch von Haus zu Haus zum größten Entzücken der lieben Jugend. Die größeren Herdenbeſitzer bezahlen ganz bedeutende Summen für einen erlegten Wolf: und ſomit kann es kommen, daß der Jäger von einem erlegten Wolfe einen Gewinn zieht, welcher 20 bis 25 Thaler unſers Geldes überſteigt.
Jm waadtländiſchen Jura beſteht heute noch, wie Tſchudi berichtet, eine ganz eigenthümliche Ausbildung der Wolfsjagd. Dieſelbe gehört nämlich ausſchließlich einer beſtimmten Jagdgeſellſchaft an, welche ihre Beamten, Sitzungen und Gerichtsbarkeiten hat. Von dem Anführer werden die Jäger in zwei Rotten getheilt. Die Einen, mit Flinten bewaffnet, ſtellen ſich auf den Anſtand, während die blos mit Knütteln Bewehrten das Wild mit Lärm den Anderen zujagen. Sobald es erlegt iſt, verkünden Poſaunen den Tod des Raubthieres im Dorfe. Nun folgt auf Koſten ſeines Pelzes ein ſehr großes Feſt und dabei wird Derjenige, welcher den Befehlen des Führers zuwider gehandelt hat, mit Waſſertrinken beſtraft und mit ſtrohernen Ketten gebunden. Da man nur dann Mitglied dieſer Geſellſchaft werden kann, wenn man ſchon drei glückliche Wolfsjagden mitgemacht hat, pflegen die Väter ſchon kleine Kinder auf dem Arm zur Wolfsjagd mitzunehmen.
Blos die Kamtſchadalen jagen, wie Steller erzählt, den Wolf nicht, ſondern bezeigen ihm eher eine gewiſſe Verehrung. Sie behaupten ſogar, daß der Wolf die Urſache ſei, wenn ein Weib
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Vertilgungsarten: Gift, Fallen, Jagden.
Sehr eigenthümlich iſt die Jagdweiſe der Lappen. Wie ich oben bemerkte, iſt der Wolf für ſie
der Schrecken aller Schrecken, ich möchte ſagen, ihr einziger Feind. Und wirklich bringt ihnen kein
anderes Geſchöpf ſo vielen Schaden, wie er. Während des Sommers und auch mitten im Winter
ſind ihre Renthiere den Angriffen des Raubthieres preisgegeben, ohne daß ſie viel dagegen thun
könnten. Die Meiſten beſitzen zwar das Feuergewehr und wiſſen es auch recht gut zu gebrauchen:
allein die Jagd mit dieſem iſt bei weitem nicht ſo erfolgreich, als eine andere, welche ſie ausüben.
Sobald nämlich der erſte Schnee gefallen iſt und noch nicht jene feſte Kruſte erhalten hat, welche er
im Winter regelmäßig bekommt, machen ſich die Männer zur Wolfsjagd auf. Jhre einzige Waffe
beſteht in einem langen Stock, an welchem oben ein ſcharfſchneidiges Meſſer angefügt wurde, ſo daß
der Stock hierdurch zu einem Sper umgewandelt worden iſt. An die Füße ſchnallen ſie ſich die langen
Schneeſchuhe, welche ihnen ein ſehr ſchnelles Fortkommen ermöglichen. Jetzt ſuchen ſie den Wolf
auf und verfolgen ihn laufend. Das Thier, welches bis an den Leib im Schnee waten muß, ermüdet
ſehr bald und kann auch einem Skyläufer nicht entkommen. Der Verfolger nähert ſich dem gehetzten
Wolf mehr und mehr, und wenn er ihn auf eine waldloſe Ebene herausgebracht hat, iſt derſelbe ver-
loren. Das Meſſer war anfänglich mit einer Hornſcheide überdeckt; dieſe ſitzt aber ſo locker auf, daß ein
einziger Schlag auf das Fell des Wolfs genügt, ſie abzuwerfen, und nunmehr bekommt das Raub-
thier ſoviel Stiche, als erforderlich ſind, ihm ſeine Lebensluſt für immer zu verleiden. Bei weitem
die meiſten Wolfsfelle, welche aus Norwegen kommen, rühren von den Lappen her und werden auf
dieſe Weiſe erlaugt.
Der größte Nutzen, welchen wir vom Wolf ziehen können, beſteht in Erbeutung ſeines Winter-
fells, welches, wie bekannt, als gutes Pelzwerk vielfach angewendet wird. Die ſchönſten Felle kommen
aus Schweden, Rußland, Polen, Frankreich und werden mit ſechs bis acht Thaler bezahlt. Außerdem
bezahlen alle Regierungen noch ein beſonderes Schußgeld für den getödteten Wolf, gleichviel ob der-
ſelbe erſchoſſen, erſchlagen, gefangen oder vergiftet worden iſt. Jn Norwegen z. B. beträgt dies
hente noch beinahe ebenſoviel, als das Fell werth iſt. Die Felle werden umſomehr geſchätzt, je weißer
ſie ſind, und deshalb ſind die nördlichen immer beſſer, als die aus ſüdlichen Ländern. Außer dem
Pelz verwendet man aber auch die Haut hier und da zu Handſchuhen, Pauken-und Trommelfellen.
Das grobe Fleiſch, welches nicht einmal die Hunde freſſen wollen, wird blos von den Kalmücken
und Tunguſen gegeſſen.
Jn Spanien, wo das Fell, wie erklärlich, keinen großen Werth hat, macht ſich der Jäger auf
andere Weiſe bezahlt. Sobald er nämlich einen Wolf erlegt hat, ladet er denſelben auf ein Maul-
thier und zieht nun mit dieſem von Dorf zu Dorf, zunächſt zu den größeren Herdenbeſitzern, ſpäter
aber, nachdem der Wolf vielleicht bereits ausgeſtopft worden iſt, auch von Haus zu Haus zum größten
Entzücken der lieben Jugend. Die größeren Herdenbeſitzer bezahlen ganz bedeutende Summen für
einen erlegten Wolf: und ſomit kann es kommen, daß der Jäger von einem erlegten Wolfe einen
Gewinn zieht, welcher 20 bis 25 Thaler unſers Geldes überſteigt.
Jm waadtländiſchen Jura beſteht heute noch, wie Tſchudi berichtet, eine ganz eigenthümliche
Ausbildung der Wolfsjagd. Dieſelbe gehört nämlich ausſchließlich einer beſtimmten Jagdgeſellſchaft
an, welche ihre Beamten, Sitzungen und Gerichtsbarkeiten hat. Von dem Anführer werden die
Jäger in zwei Rotten getheilt. Die Einen, mit Flinten bewaffnet, ſtellen ſich auf den Anſtand,
während die blos mit Knütteln Bewehrten das Wild mit Lärm den Anderen zujagen. Sobald es
erlegt iſt, verkünden Poſaunen den Tod des Raubthieres im Dorfe. Nun folgt auf Koſten ſeines
Pelzes ein ſehr großes Feſt und dabei wird Derjenige, welcher den Befehlen des Führers zuwider
gehandelt hat, mit Waſſertrinken beſtraft und mit ſtrohernen Ketten gebunden. Da man nur dann
Mitglied dieſer Geſellſchaft werden kann, wenn man ſchon drei glückliche Wolfsjagden mitgemacht hat,
pflegen die Väter ſchon kleine Kinder auf dem Arm zur Wolfsjagd mitzunehmen.
Blos die Kamtſchadalen jagen, wie Steller erzählt, den Wolf nicht, ſondern bezeigen ihm
eher eine gewiſſe Verehrung. Sie behaupten ſogar, daß der Wolf die Urſache ſei, wenn ein Weib
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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