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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Gemeiner Fuchs.
Bienen, Fliegen etc. So kommt es, daß seine Tafel fast immer wohl bestellt ist und er nur dann
in einige Noth geräth, wenn sehr tiefer Schnee ihm seine Jagd besonders erschwert.

Es würde selbst den Raum unsers Buches überschreiten, wollte ich alle die Listen und Ver-
stellungskünste hier anführen, deren er sich bedient, um sein Wild zu beschleichen. Dagegen muß ich
wohl erwähnen, daß er, falls er sich ungestört glaubt, mit den gefangenen Thieren, und namentlich mit
den Mäusen, erst lange spielt, bevor er sie tödtet, und daß, wenn er Junge hat, er die Thiere diesen wo
möglich lebendig zuträgt, um die junge Räuberbrut im Fangen zu unterrichten.

Bei allen seinen Jagdzügen, gilt ihm die eigene Sicherheit als erstes Gesetz; ihr ordnet er alle
seine Lüste und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er so vielfachen Nachstellungen. Niemals
greift er eine Herde an: er weicht den Schafen fast ebenso ängstlich aus, wie den Hunden; niemals
raubt er in der Nähe seines Aufenthaltsortes oder gar in der Umgebung seines Baues. Verdächtige
Beute untersucht er vorher genau, und läßt sie weit lieber im Stiche, ehe er sich der Gefahr aussetzt;
deshalb schleppt er nimmermehr todte Körper weg. Aus demselben Grunde geht er so schwer die Köder
an, welche man ihm stellt, um ihn zu berücken. Erst nachdem er Alles sorgfältig geprüft hat, wendet
er sich rascher, doch auch jetzt noch auf Umwegen, seinem Ziele zu.

Ganz anders benimmt er sich, wenn er sich vollkommen sicher weiß. Dann verwandelt sich seine
Furcht in eine wirklich unverschämte Frechheit. Er kommt bei hellem Tage in den Hof, holt sich an-
gesichts der Bewohner ein Huhn, eine Gans, macht sich mit seiner Beute ganz offen davon und trägt
sie ruhig seines Weges, selbst wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. Nur im äußersten Noth-
falle läßt er so schwer Errungenes im Stiche, und regelmäßig kommt er dann zurück, um zu sehen, ob
er es nicht noch wegbringen könne. Dieselbe Frechheit bemerkt man bei ihm auch unter Umständen,
welche ihm die schleunigste Flucht zur Nothwendigkeit machen. So packte ein Fuchs, welcher in einem
Treiben von Hunden gejagt wurde und schon zweimal die Schrote um sich herum hatte pfeifen hören,
in vollster Flucht einen kranken Hasen und trug ihn eine Strecke weit fort. Ein anderer hob sich
bei einem Kesseltreiben aus dem von den Jägern umstellten Felde, packte einen verwundeten Hafen,
erwürgte ihn vor den Augen der Jagdgesellschaft, verscharrte ihn rasch noch im Schnee und entfloh
dann mitten durch die Linie der Treiber und Schützen. Ein dritter, welcher in einer Scheune gefangen
war und dort mit Knitteln und Heugabeln erschlagen werden sollte, entwischte der drohenden Gefahr
glücklich, rannte lustig davon, bemerkte auf der nächsten Wiese Gänse, würgte schnell zwei von ihnen
und nahm eine mit sich hinweg, gleichsam zum Hohne Derer, welche ihm den Hals brechen wollten.
Forstrath Liebig erzählt, daß ein Fuchs in Mähren auf den Hof eines Bauern kam, um Hühner zu
würgen, mit dem Stocke verjagt wurde, wiederkehrte, nochmals vertrieben wurde und zum dritten
Male einrückte, dabei aber sein Leben lassen mußte. Aehnliche Beispiele ließen sich wohl noch mehrere
auffinden. Solche Züge aus dem Leben des Thieres, solche Beweise von Geistesgegenwart können
dem Unbetheiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewisse Hochachtung für den schlauen Burschen
abnöthigen. Die Achtung verliert sich aber bald, wenn man daran denkt, daß der vortrefflichste aller
Raubritter bei seinen Zügen mehr umbringt, als er wirklich auffressen kann, und daß er, wenn er es
vermag, ein entsetzliches Blutbad unter der wehrlosen Herde anrichtet.

Der Lauf des Fuchses ist schnell, ausdauernd, behend und im höchsten Grade gewandt. Er versteht
zu schleichen, unhörbar auf dem Boden dahinzugleiten, aber auch zu laufen, zu rennen und außer-
ordentlich weite Sätze zu machen. Selbst gute Jagdhunde sind selten im Stande, ihn einzuholen.
Bei rascherem Laufe trägt er die Lunte gerade nach rückwärts gestreckt, während er sie beim Gehen
auf der Erde schleppt. Wenn er lauert, liegt er fest auf dem Bauche, wenn er ruht, legt er sich nicht
selten, wie der Hund, zusammengerollt auf die Seite, oder auch selbst auf den Rücken; sehr häufig sitzt
er auch ganz nach Hundeart auf dem Hintern und schlägt dabei die buschige Standarte zierlich um seine
Vorderläufe. Sein Schlaf ist ziemlich fest; wenigstens ist es möglich, sich dem schlafenden Fuchs
einigermaßen zu nähern. Freilich ist er bei Treibjagden immer noch der Erste, welcher an der
Schützenreihe erscheint und spähend umherschaut, wo ein Ausweg zu gewinnen. Seine Stimme ist ein

Die Raubthiere. Hunde. — Gemeiner Fuchs.
Bienen, Fliegen ꝛc. So kommt es, daß ſeine Tafel faſt immer wohl beſtellt iſt und er nur dann
in einige Noth geräth, wenn ſehr tiefer Schnee ihm ſeine Jagd beſonders erſchwert.

Es würde ſelbſt den Raum unſers Buches überſchreiten, wollte ich alle die Liſten und Ver-
ſtellungskünſte hier anführen, deren er ſich bedient, um ſein Wild zu beſchleichen. Dagegen muß ich
wohl erwähnen, daß er, falls er ſich ungeſtört glaubt, mit den gefangenen Thieren, und namentlich mit
den Mäuſen, erſt lange ſpielt, bevor er ſie tödtet, und daß, wenn er Junge hat, er die Thiere dieſen wo
möglich lebendig zuträgt, um die junge Räuberbrut im Fangen zu unterrichten.

Bei allen ſeinen Jagdzügen, gilt ihm die eigene Sicherheit als erſtes Geſetz; ihr ordnet er alle
ſeine Lüſte und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er ſo vielfachen Nachſtellungen. Niemals
greift er eine Herde an: er weicht den Schafen faſt ebenſo ängſtlich aus, wie den Hunden; niemals
raubt er in der Nähe ſeines Aufenthaltsortes oder gar in der Umgebung ſeines Baues. Verdächtige
Beute unterſucht er vorher genau, und läßt ſie weit lieber im Stiche, ehe er ſich der Gefahr ausſetzt;
deshalb ſchleppt er nimmermehr todte Körper weg. Aus demſelben Grunde geht er ſo ſchwer die Köder
an, welche man ihm ſtellt, um ihn zu berücken. Erſt nachdem er Alles ſorgfältig geprüft hat, wendet
er ſich raſcher, doch auch jetzt noch auf Umwegen, ſeinem Ziele zu.

Ganz anders benimmt er ſich, wenn er ſich vollkommen ſicher weiß. Dann verwandelt ſich ſeine
Furcht in eine wirklich unverſchämte Frechheit. Er kommt bei hellem Tage in den Hof, holt ſich an-
geſichts der Bewohner ein Huhn, eine Gans, macht ſich mit ſeiner Beute ganz offen davon und trägt
ſie ruhig ſeines Weges, ſelbſt wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. Nur im äußerſten Noth-
falle läßt er ſo ſchwer Errungenes im Stiche, und regelmäßig kommt er dann zurück, um zu ſehen, ob
er es nicht noch wegbringen könne. Dieſelbe Frechheit bemerkt man bei ihm auch unter Umſtänden,
welche ihm die ſchleunigſte Flucht zur Nothwendigkeit machen. So packte ein Fuchs, welcher in einem
Treiben von Hunden gejagt wurde und ſchon zweimal die Schrote um ſich herum hatte pfeifen hören,
in vollſter Flucht einen kranken Haſen und trug ihn eine Strecke weit fort. Ein anderer hob ſich
bei einem Keſſeltreiben aus dem von den Jägern umſtellten Felde, packte einen verwundeten Hafen,
erwürgte ihn vor den Augen der Jagdgeſellſchaft, verſcharrte ihn raſch noch im Schnee und entfloh
dann mitten durch die Linie der Treiber und Schützen. Ein dritter, welcher in einer Scheune gefangen
war und dort mit Knitteln und Heugabeln erſchlagen werden ſollte, entwiſchte der drohenden Gefahr
glücklich, rannte luſtig davon, bemerkte auf der nächſten Wieſe Gänſe, würgte ſchnell zwei von ihnen
und nahm eine mit ſich hinweg, gleichſam zum Hohne Derer, welche ihm den Hals brechen wollten.
Forſtrath Liebig erzählt, daß ein Fuchs in Mähren auf den Hof eines Bauern kam, um Hühner zu
würgen, mit dem Stocke verjagt wurde, wiederkehrte, nochmals vertrieben wurde und zum dritten
Male einrückte, dabei aber ſein Leben laſſen mußte. Aehnliche Beiſpiele ließen ſich wohl noch mehrere
auffinden. Solche Züge aus dem Leben des Thieres, ſolche Beweiſe von Geiſtesgegenwart können
dem Unbetheiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewiſſe Hochachtung für den ſchlauen Burſchen
abnöthigen. Die Achtung verliert ſich aber bald, wenn man daran denkt, daß der vortrefflichſte aller
Raubritter bei ſeinen Zügen mehr umbringt, als er wirklich auffreſſen kann, und daß er, wenn er es
vermag, ein entſetzliches Blutbad unter der wehrloſen Herde anrichtet.

Der Lauf des Fuchſes iſt ſchnell, ausdauernd, behend und im höchſten Grade gewandt. Er verſteht
zu ſchleichen, unhörbar auf dem Boden dahinzugleiten, aber auch zu laufen, zu rennen und außer-
ordentlich weite Sätze zu machen. Selbſt gute Jagdhunde ſind ſelten im Stande, ihn einzuholen.
Bei raſcherem Laufe trägt er die Lunte gerade nach rückwärts geſtreckt, während er ſie beim Gehen
auf der Erde ſchleppt. Wenn er lauert, liegt er feſt auf dem Bauche, wenn er ruht, legt er ſich nicht
ſelten, wie der Hund, zuſammengerollt auf die Seite, oder auch ſelbſt auf den Rücken; ſehr häufig ſitzt
er auch ganz nach Hundeart auf dem Hintern und ſchlägt dabei die buſchige Standarte zierlich um ſeine
Vorderläufe. Sein Schlaf iſt ziemlich feſt; wenigſtens iſt es möglich, ſich dem ſchlafenden Fuchs
einigermaßen zu nähern. Freilich iſt er bei Treibjagden immer noch der Erſte, welcher an der
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[424/0492] Die Raubthiere. Hunde. — Gemeiner Fuchs. Bienen, Fliegen ꝛc. So kommt es, daß ſeine Tafel faſt immer wohl beſtellt iſt und er nur dann in einige Noth geräth, wenn ſehr tiefer Schnee ihm ſeine Jagd beſonders erſchwert. Es würde ſelbſt den Raum unſers Buches überſchreiten, wollte ich alle die Liſten und Ver- ſtellungskünſte hier anführen, deren er ſich bedient, um ſein Wild zu beſchleichen. Dagegen muß ich wohl erwähnen, daß er, falls er ſich ungeſtört glaubt, mit den gefangenen Thieren, und namentlich mit den Mäuſen, erſt lange ſpielt, bevor er ſie tödtet, und daß, wenn er Junge hat, er die Thiere dieſen wo möglich lebendig zuträgt, um die junge Räuberbrut im Fangen zu unterrichten. Bei allen ſeinen Jagdzügen, gilt ihm die eigene Sicherheit als erſtes Geſetz; ihr ordnet er alle ſeine Lüſte und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er ſo vielfachen Nachſtellungen. Niemals greift er eine Herde an: er weicht den Schafen faſt ebenſo ängſtlich aus, wie den Hunden; niemals raubt er in der Nähe ſeines Aufenthaltsortes oder gar in der Umgebung ſeines Baues. Verdächtige Beute unterſucht er vorher genau, und läßt ſie weit lieber im Stiche, ehe er ſich der Gefahr ausſetzt; deshalb ſchleppt er nimmermehr todte Körper weg. Aus demſelben Grunde geht er ſo ſchwer die Köder an, welche man ihm ſtellt, um ihn zu berücken. Erſt nachdem er Alles ſorgfältig geprüft hat, wendet er ſich raſcher, doch auch jetzt noch auf Umwegen, ſeinem Ziele zu. Ganz anders benimmt er ſich, wenn er ſich vollkommen ſicher weiß. Dann verwandelt ſich ſeine Furcht in eine wirklich unverſchämte Frechheit. Er kommt bei hellem Tage in den Hof, holt ſich an- geſichts der Bewohner ein Huhn, eine Gans, macht ſich mit ſeiner Beute ganz offen davon und trägt ſie ruhig ſeines Weges, ſelbſt wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. Nur im äußerſten Noth- falle läßt er ſo ſchwer Errungenes im Stiche, und regelmäßig kommt er dann zurück, um zu ſehen, ob er es nicht noch wegbringen könne. Dieſelbe Frechheit bemerkt man bei ihm auch unter Umſtänden, welche ihm die ſchleunigſte Flucht zur Nothwendigkeit machen. So packte ein Fuchs, welcher in einem Treiben von Hunden gejagt wurde und ſchon zweimal die Schrote um ſich herum hatte pfeifen hören, in vollſter Flucht einen kranken Haſen und trug ihn eine Strecke weit fort. Ein anderer hob ſich bei einem Keſſeltreiben aus dem von den Jägern umſtellten Felde, packte einen verwundeten Hafen, erwürgte ihn vor den Augen der Jagdgeſellſchaft, verſcharrte ihn raſch noch im Schnee und entfloh dann mitten durch die Linie der Treiber und Schützen. Ein dritter, welcher in einer Scheune gefangen war und dort mit Knitteln und Heugabeln erſchlagen werden ſollte, entwiſchte der drohenden Gefahr glücklich, rannte luſtig davon, bemerkte auf der nächſten Wieſe Gänſe, würgte ſchnell zwei von ihnen und nahm eine mit ſich hinweg, gleichſam zum Hohne Derer, welche ihm den Hals brechen wollten. Forſtrath Liebig erzählt, daß ein Fuchs in Mähren auf den Hof eines Bauern kam, um Hühner zu würgen, mit dem Stocke verjagt wurde, wiederkehrte, nochmals vertrieben wurde und zum dritten Male einrückte, dabei aber ſein Leben laſſen mußte. Aehnliche Beiſpiele ließen ſich wohl noch mehrere auffinden. Solche Züge aus dem Leben des Thieres, ſolche Beweiſe von Geiſtesgegenwart können dem Unbetheiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewiſſe Hochachtung für den ſchlauen Burſchen abnöthigen. Die Achtung verliert ſich aber bald, wenn man daran denkt, daß der vortrefflichſte aller Raubritter bei ſeinen Zügen mehr umbringt, als er wirklich auffreſſen kann, und daß er, wenn er es vermag, ein entſetzliches Blutbad unter der wehrloſen Herde anrichtet. Der Lauf des Fuchſes iſt ſchnell, ausdauernd, behend und im höchſten Grade gewandt. Er verſteht zu ſchleichen, unhörbar auf dem Boden dahinzugleiten, aber auch zu laufen, zu rennen und außer- ordentlich weite Sätze zu machen. Selbſt gute Jagdhunde ſind ſelten im Stande, ihn einzuholen. Bei raſcherem Laufe trägt er die Lunte gerade nach rückwärts geſtreckt, während er ſie beim Gehen auf der Erde ſchleppt. Wenn er lauert, liegt er feſt auf dem Bauche, wenn er ruht, legt er ſich nicht ſelten, wie der Hund, zuſammengerollt auf die Seite, oder auch ſelbſt auf den Rücken; ſehr häufig ſitzt er auch ganz nach Hundeart auf dem Hintern und ſchlägt dabei die buſchige Standarte zierlich um ſeine Vorderläufe. Sein Schlaf iſt ziemlich feſt; wenigſtens iſt es möglich, ſich dem ſchlafenden Fuchs einigermaßen zu nähern. Freilich iſt er bei Treibjagden immer noch der Erſte, welcher an der Schützenreihe erſcheint und ſpähend umherſchaut, wo ein Ausweg zu gewinnen. Seine Stimme iſt ein

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/492>, abgerufen am 22.11.2024.