Nur bei bevorstehendem Unwetter oder an Orten, an denen er sich nicht recht sicher fühlt, zieht er sich in Höhlen im Geklüft oder auch in selbstgegrabene Röhren zurück und wagt sich dann blos des Nachts heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, sich vor dem Menschen zu verbergen, nimmt er sich nicht die Mühe, selbst Gruben und Höhlen für sich zu scharren, sondern lauert unter Steinen, Büschen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver- stecken auf Beute. Er ist kein Kostverächter und nimmt mit aller thierischen Nahrung vorlieb. Unter den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebsten jagt er auf Mäuse. Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und setzt ihnen auch über die Flüsse und Meere nach. Man versichert, daß oft der vierte Theil des Zuges solcher Mäuse ihm zur Beute wird. Aus der Klasse der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, sobald er diese erwischen kann, und namentlich den Bruten dieser Thiere wird er sehr verderblich. Außerdem beansprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, sie mögen einer Klasse angehören, welcher sie wollen. Jm Nothfall frißt er selbst thierischen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das Jnnere der Häuser ein und stiehlt hier weg, was sich forttragen läßt, selbst ganz unnütze Dinge. Wenn er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derselben und sucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf. Dasselbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menschen gestört zu werden. Diese Vorraths- kammern werden, nachdem sie gefüllt sind, wieder zugescharrt und mit der Schnauze so glatt geebnet, daß man sie nicht im geringsten bemerken kann.
Man trifft den Eisfuchs häufig in Gesellschaften; gleichwohl herrscht keine große Eintracht unter diesen: es finden vielmehr blutige Kämpfe statt, welche für den Zuschauer sehr viel Ergötzliches haben. Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn so lange fest, bis er ihn hinreichend gebissen zu haben glaubt. Dabei schreien die Kämpen, wie die Katzen. Wenn sie ungeduldig werden, heulen sie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen hat man selten von ihnen gehört.
Die geistigen Fähigkeiten des Thieres sind keineswegs gering; demungeachtet zeigen sich gerade bei der Beobachtung des Geistigen die sonderbarsten Widersprüche, und man geräth oft in Zweifel, wie man diese oder jene Handlung zu beurtheilen habe. List, Verschlagenheit, Kunstfertigkeit, kurz, Verstand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreistigkeit, wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich selbst überzeugen können. Wir, mein norwegischer Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieser Füchse auf dem Dover- field in Norwegen und schossen siebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrschenden Dämmerung genau auf das Korn nehmen und somit auch erlegen zu können. Anstatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieser Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund seinem Herrn, und erst da, wo das felsige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er ließ sich durch gutgezielte Steinwürfe ebensowenig vertreiben, als er sich von den hart vorüberpfeifen- den Kugeln hatte in die Flucht schlagen lassen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr- mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umstände auf ihn zugekommen und sich neu- gierig fragend vor ihm hingesetzt habe. Einmal wurde ihm sogar von Eisfüchsen die Renthierdecke angefressen, unter welche er sich gelegt hatte. Seine einsam im Gebirg stehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorsichtsmaßregeln ergreifen, um diese zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne diese Thatsachen nur flüchtig, und zwar haupt- sächlich aus dem Grunde, um zu beweisen, daß der Eisfuchs sich überall gleichbleibt.
Die ausführlichste und zugleich anziehendste Schilderung dieser Thiere hat schon im vorigen Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieselbe auch vielfach im Auszuge nacherzählt worden ist, halte ich es doch für angemessen, sie hier vollständig folgen zu lassen.
"Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchse, welche ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, sich unbe- schreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieser an Frechheit, Verschlagenheit und Schalkhaftig-
Nur bei bevorſtehendem Unwetter oder an Orten, an denen er ſich nicht recht ſicher fühlt, zieht er ſich in Höhlen im Geklüft oder auch in ſelbſtgegrabene Röhren zurück und wagt ſich dann blos des Nachts heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, ſich vor dem Menſchen zu verbergen, nimmt er ſich nicht die Mühe, ſelbſt Gruben und Höhlen für ſich zu ſcharren, ſondern lauert unter Steinen, Büſchen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver- ſtecken auf Beute. Er iſt kein Koſtverächter und nimmt mit aller thieriſchen Nahrung vorlieb. Unter den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebſten jagt er auf Mäuſe. Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und ſetzt ihnen auch über die Flüſſe und Meere nach. Man verſichert, daß oft der vierte Theil des Zuges ſolcher Mäuſe ihm zur Beute wird. Aus der Klaſſe der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, ſobald er dieſe erwiſchen kann, und namentlich den Bruten dieſer Thiere wird er ſehr verderblich. Außerdem beanſprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, ſie mögen einer Klaſſe angehören, welcher ſie wollen. Jm Nothfall frißt er ſelbſt thieriſchen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das Jnnere der Häuſer ein und ſtiehlt hier weg, was ſich forttragen läßt, ſelbſt ganz unnütze Dinge. Wenn er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derſelben und ſucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf. Daſſelbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menſchen geſtört zu werden. Dieſe Vorraths- kammern werden, nachdem ſie gefüllt ſind, wieder zugeſcharrt und mit der Schnauze ſo glatt geebnet, daß man ſie nicht im geringſten bemerken kann.
Man trifft den Eisfuchs häufig in Geſellſchaften; gleichwohl herrſcht keine große Eintracht unter dieſen: es finden vielmehr blutige Kämpfe ſtatt, welche für den Zuſchauer ſehr viel Ergötzliches haben. Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn ſo lange feſt, bis er ihn hinreichend gebiſſen zu haben glaubt. Dabei ſchreien die Kämpen, wie die Katzen. Wenn ſie ungeduldig werden, heulen ſie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen hat man ſelten von ihnen gehört.
Die geiſtigen Fähigkeiten des Thieres ſind keineswegs gering; demungeachtet zeigen ſich gerade bei der Beobachtung des Geiſtigen die ſonderbarſten Widerſprüche, und man geräth oft in Zweifel, wie man dieſe oder jene Handlung zu beurtheilen habe. Liſt, Verſchlagenheit, Kunſtfertigkeit, kurz, Verſtand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreiſtigkeit, wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Wir, mein norwegiſcher Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieſer Füchſe auf dem Dover- field in Norwegen und ſchoſſen ſiebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrſchenden Dämmerung genau auf das Korn nehmen und ſomit auch erlegen zu können. Anſtatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieſer Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund ſeinem Herrn, und erſt da, wo das felſige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er ließ ſich durch gutgezielte Steinwürfe ebenſowenig vertreiben, als er ſich von den hart vorüberpfeifen- den Kugeln hatte in die Flucht ſchlagen laſſen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr- mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umſtände auf ihn zugekommen und ſich neu- gierig fragend vor ihm hingeſetzt habe. Einmal wurde ihm ſogar von Eisfüchſen die Renthierdecke angefreſſen, unter welche er ſich gelegt hatte. Seine einſam im Gebirg ſtehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorſichtsmaßregeln ergreifen, um dieſe zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne dieſe Thatſachen nur flüchtig, und zwar haupt- ſächlich aus dem Grunde, um zu beweiſen, daß der Eisfuchs ſich überall gleichbleibt.
Die ausführlichſte und zugleich anziehendſte Schilderung dieſer Thiere hat ſchon im vorigen Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieſelbe auch vielfach im Auszuge nacherzählt worden iſt, halte ich es doch für angemeſſen, ſie hier vollſtändig folgen zu laſſen.
„Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchſe, welche ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, ſich unbe- ſchreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieſer an Frechheit, Verſchlagenheit und Schalkhaftig-
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[435/0503]
Beſchreibung. Aufenthalt. Geiſtesfähigkeiten. Stellers Schilderung.
Nur bei bevorſtehendem Unwetter oder an Orten, an denen er ſich nicht recht ſicher fühlt, zieht er ſich
in Höhlen im Geklüft oder auch in ſelbſtgegrabene Röhren zurück und wagt ſich dann blos des Nachts
heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, ſich
vor dem Menſchen zu verbergen, nimmt er ſich nicht die Mühe, ſelbſt Gruben und Höhlen für ſich zu
ſcharren, ſondern lauert unter Steinen, Büſchen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver-
ſtecken auf Beute. Er iſt kein Koſtverächter und nimmt mit aller thieriſchen Nahrung vorlieb. Unter
den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebſten jagt er auf Mäuſe.
Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und ſetzt ihnen auch über die Flüſſe und Meere
nach. Man verſichert, daß oft der vierte Theil des Zuges ſolcher Mäuſe ihm zur Beute wird. Aus
der Klaſſe der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, ſobald er
dieſe erwiſchen kann, und namentlich den Bruten dieſer Thiere wird er ſehr verderblich. Außerdem
beanſprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, ſie mögen einer Klaſſe angehören, welcher
ſie wollen. Jm Nothfall frißt er ſelbſt thieriſchen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das
Jnnere der Häuſer ein und ſtiehlt hier weg, was ſich forttragen läßt, ſelbſt ganz unnütze Dinge. Wenn
er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derſelben und ſucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf.
Daſſelbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menſchen geſtört zu werden. Dieſe Vorraths-
kammern werden, nachdem ſie gefüllt ſind, wieder zugeſcharrt und mit der Schnauze ſo glatt geebnet,
daß man ſie nicht im geringſten bemerken kann.
Man trifft den Eisfuchs häufig in Geſellſchaften; gleichwohl herrſcht keine große Eintracht unter
dieſen: es finden vielmehr blutige Kämpfe ſtatt, welche für den Zuſchauer ſehr viel Ergötzliches haben.
Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn
ſo lange feſt, bis er ihn hinreichend gebiſſen zu haben glaubt. Dabei ſchreien die Kämpen, wie die
Katzen. Wenn ſie ungeduldig werden, heulen ſie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen
hat man ſelten von ihnen gehört.
Die geiſtigen Fähigkeiten des Thieres ſind keineswegs gering; demungeachtet zeigen ſich gerade
bei der Beobachtung des Geiſtigen die ſonderbarſten Widerſprüche, und man geräth oft in Zweifel,
wie man dieſe oder jene Handlung zu beurtheilen habe. Liſt, Verſchlagenheit, Kunſtfertigkeit, kurz,
Verſtand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreiſtigkeit,
wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Wir, mein
norwegiſcher Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieſer Füchſe auf dem Dover-
field in Norwegen und ſchoſſen ſiebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrſchenden Dämmerung
genau auf das Korn nehmen und ſomit auch erlegen zu können. Anſtatt nun die Flucht zu ergreifen,
folgte uns dieſer Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund
ſeinem Herrn, und erſt da, wo das felſige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er
ließ ſich durch gutgezielte Steinwürfe ebenſowenig vertreiben, als er ſich von den hart vorüberpfeifen-
den Kugeln hatte in die Flucht ſchlagen laſſen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr-
mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umſtände auf ihn zugekommen und ſich neu-
gierig fragend vor ihm hingeſetzt habe. Einmal wurde ihm ſogar von Eisfüchſen die Renthierdecke
angefreſſen, unter welche er ſich gelegt hatte. Seine einſam im Gebirg ſtehende Hütte wurde des
Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorſichtsmaßregeln ergreifen, um
dieſe zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne dieſe Thatſachen nur flüchtig, und zwar haupt-
ſächlich aus dem Grunde, um zu beweiſen, daß der Eisfuchs ſich überall gleichbleibt.
Die ausführlichſte und zugleich anziehendſte Schilderung dieſer Thiere hat ſchon im vorigen
Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieſelbe auch vielfach im Auszuge
nacherzählt worden iſt, halte ich es doch für angemeſſen, ſie hier vollſtändig folgen zu laſſen.
„Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchſe, welche
ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, ſich unbe-
ſchreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieſer an Frechheit, Verſchlagenheit und Schalkhaftig-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/503>, abgerufen am 22.11.2024.
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