Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Beschreibung. Aufenthalt. Geistesfähigkeiten. Stellers Schilderung.

Nur bei bevorstehendem Unwetter oder an Orten, an denen er sich nicht recht sicher fühlt, zieht er sich
in Höhlen im Geklüft oder auch in selbstgegrabene Röhren zurück und wagt sich dann blos des Nachts
heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, sich
vor dem Menschen zu verbergen, nimmt er sich nicht die Mühe, selbst Gruben und Höhlen für sich zu
scharren, sondern lauert unter Steinen, Büschen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver-
stecken auf Beute. Er ist kein Kostverächter und nimmt mit aller thierischen Nahrung vorlieb. Unter
den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebsten jagt er auf Mäuse.
Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und setzt ihnen auch über die Flüsse und Meere
nach. Man versichert, daß oft der vierte Theil des Zuges solcher Mäuse ihm zur Beute wird. Aus
der Klasse der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, sobald er
diese erwischen kann, und namentlich den Bruten dieser Thiere wird er sehr verderblich. Außerdem
beansprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, sie mögen einer Klasse angehören, welcher
sie wollen. Jm Nothfall frißt er selbst thierischen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das
Jnnere der Häuser ein und stiehlt hier weg, was sich forttragen läßt, selbst ganz unnütze Dinge. Wenn
er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derselben und sucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf.
Dasselbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menschen gestört zu werden. Diese Vorraths-
kammern werden, nachdem sie gefüllt sind, wieder zugescharrt und mit der Schnauze so glatt geebnet,
daß man sie nicht im geringsten bemerken kann.

Man trifft den Eisfuchs häufig in Gesellschaften; gleichwohl herrscht keine große Eintracht unter
diesen: es finden vielmehr blutige Kämpfe statt, welche für den Zuschauer sehr viel Ergötzliches haben.
Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn
so lange fest, bis er ihn hinreichend gebissen zu haben glaubt. Dabei schreien die Kämpen, wie die
Katzen. Wenn sie ungeduldig werden, heulen sie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen
hat man selten von ihnen gehört.

Die geistigen Fähigkeiten des Thieres sind keineswegs gering; demungeachtet zeigen sich gerade
bei der Beobachtung des Geistigen die sonderbarsten Widersprüche, und man geräth oft in Zweifel,
wie man diese oder jene Handlung zu beurtheilen habe. List, Verschlagenheit, Kunstfertigkeit, kurz,
Verstand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreistigkeit,
wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich selbst überzeugen können. Wir, mein
norwegischer Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieser Füchse auf dem Dover-
field in Norwegen und schossen siebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrschenden Dämmerung
genau auf das Korn nehmen und somit auch erlegen zu können. Anstatt nun die Flucht zu ergreifen,
folgte uns dieser Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund
seinem Herrn,
und erst da, wo das felsige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er
ließ sich durch gutgezielte Steinwürfe ebensowenig vertreiben, als er sich von den hart vorüberpfeifen-
den Kugeln hatte in die Flucht schlagen lassen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr-
mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umstände auf ihn zugekommen und sich neu-
gierig fragend vor ihm hingesetzt habe. Einmal wurde ihm sogar von Eisfüchsen die Renthierdecke
angefressen, unter welche er sich gelegt hatte. Seine einsam im Gebirg stehende Hütte wurde des
Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorsichtsmaßregeln ergreifen, um
diese zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne diese Thatsachen nur flüchtig, und zwar haupt-
sächlich aus dem Grunde, um zu beweisen, daß der Eisfuchs sich überall gleichbleibt.

Die ausführlichste und zugleich anziehendste Schilderung dieser Thiere hat schon im vorigen
Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieselbe auch vielfach im Auszuge
nacherzählt worden ist, halte ich es doch für angemessen, sie hier vollständig folgen zu lassen.

"Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchse, welche
ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, sich unbe-
schreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieser an Frechheit, Verschlagenheit und Schalkhaftig-

28 *
Beſchreibung. Aufenthalt. Geiſtesfähigkeiten. Stellers Schilderung.

Nur bei bevorſtehendem Unwetter oder an Orten, an denen er ſich nicht recht ſicher fühlt, zieht er ſich
in Höhlen im Geklüft oder auch in ſelbſtgegrabene Röhren zurück und wagt ſich dann blos des Nachts
heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, ſich
vor dem Menſchen zu verbergen, nimmt er ſich nicht die Mühe, ſelbſt Gruben und Höhlen für ſich zu
ſcharren, ſondern lauert unter Steinen, Büſchen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver-
ſtecken auf Beute. Er iſt kein Koſtverächter und nimmt mit aller thieriſchen Nahrung vorlieb. Unter
den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebſten jagt er auf Mäuſe.
Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und ſetzt ihnen auch über die Flüſſe und Meere
nach. Man verſichert, daß oft der vierte Theil des Zuges ſolcher Mäuſe ihm zur Beute wird. Aus
der Klaſſe der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, ſobald er
dieſe erwiſchen kann, und namentlich den Bruten dieſer Thiere wird er ſehr verderblich. Außerdem
beanſprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, ſie mögen einer Klaſſe angehören, welcher
ſie wollen. Jm Nothfall frißt er ſelbſt thieriſchen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das
Jnnere der Häuſer ein und ſtiehlt hier weg, was ſich forttragen läßt, ſelbſt ganz unnütze Dinge. Wenn
er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derſelben und ſucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf.
Daſſelbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menſchen geſtört zu werden. Dieſe Vorraths-
kammern werden, nachdem ſie gefüllt ſind, wieder zugeſcharrt und mit der Schnauze ſo glatt geebnet,
daß man ſie nicht im geringſten bemerken kann.

Man trifft den Eisfuchs häufig in Geſellſchaften; gleichwohl herrſcht keine große Eintracht unter
dieſen: es finden vielmehr blutige Kämpfe ſtatt, welche für den Zuſchauer ſehr viel Ergötzliches haben.
Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn
ſo lange feſt, bis er ihn hinreichend gebiſſen zu haben glaubt. Dabei ſchreien die Kämpen, wie die
Katzen. Wenn ſie ungeduldig werden, heulen ſie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen
hat man ſelten von ihnen gehört.

Die geiſtigen Fähigkeiten des Thieres ſind keineswegs gering; demungeachtet zeigen ſich gerade
bei der Beobachtung des Geiſtigen die ſonderbarſten Widerſprüche, und man geräth oft in Zweifel,
wie man dieſe oder jene Handlung zu beurtheilen habe. Liſt, Verſchlagenheit, Kunſtfertigkeit, kurz,
Verſtand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreiſtigkeit,
wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Wir, mein
norwegiſcher Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieſer Füchſe auf dem Dover-
field in Norwegen und ſchoſſen ſiebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrſchenden Dämmerung
genau auf das Korn nehmen und ſomit auch erlegen zu können. Anſtatt nun die Flucht zu ergreifen,
folgte uns dieſer Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund
ſeinem Herrn,
und erſt da, wo das felſige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er
ließ ſich durch gutgezielte Steinwürfe ebenſowenig vertreiben, als er ſich von den hart vorüberpfeifen-
den Kugeln hatte in die Flucht ſchlagen laſſen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr-
mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umſtände auf ihn zugekommen und ſich neu-
gierig fragend vor ihm hingeſetzt habe. Einmal wurde ihm ſogar von Eisfüchſen die Renthierdecke
angefreſſen, unter welche er ſich gelegt hatte. Seine einſam im Gebirg ſtehende Hütte wurde des
Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorſichtsmaßregeln ergreifen, um
dieſe zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne dieſe Thatſachen nur flüchtig, und zwar haupt-
ſächlich aus dem Grunde, um zu beweiſen, daß der Eisfuchs ſich überall gleichbleibt.

Die ausführlichſte und zugleich anziehendſte Schilderung dieſer Thiere hat ſchon im vorigen
Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieſelbe auch vielfach im Auszuge
nacherzählt worden iſt, halte ich es doch für angemeſſen, ſie hier vollſtändig folgen zu laſſen.

„Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchſe, welche
ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, ſich unbe-
ſchreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieſer an Frechheit, Verſchlagenheit und Schalkhaftig-

28 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0503" n="435"/>
          <fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung. Aufenthalt. Gei&#x017F;tesfähigkeiten. <hi rendition="#g">Stellers</hi> Schilderung.</fw><lb/>
          <p>Nur bei bevor&#x017F;tehendem Unwetter oder an Orten, an denen er &#x017F;ich nicht recht &#x017F;icher fühlt, zieht er &#x017F;ich<lb/>
in Höhlen im Geklüft oder auch in &#x017F;elb&#x017F;tgegrabene Röhren zurück und wagt &#x017F;ich dann blos des Nachts<lb/>
heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, &#x017F;ich<lb/>
vor dem Men&#x017F;chen zu verbergen, nimmt er &#x017F;ich nicht die Mühe, &#x017F;elb&#x017F;t Gruben und Höhlen für &#x017F;ich zu<lb/>
&#x017F;charren, &#x017F;ondern lauert unter Steinen, Bü&#x017F;chen, abgeworfenen <hi rendition="#g">Argali</hi> hörnern und ähnlichen Ver-<lb/>
&#x017F;tecken auf Beute. Er i&#x017F;t kein Ko&#x017F;tverächter und nimmt mit aller thieri&#x017F;chen Nahrung vorlieb. Unter<lb/>
den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am lieb&#x017F;ten jagt er auf <hi rendition="#g">Mäu&#x017F;e.</hi><lb/>
Die Züge der <hi rendition="#g">Lemminge</hi> verfolgt er oft Meilen weit und &#x017F;etzt ihnen auch über die Flü&#x017F;&#x017F;e und Meere<lb/>
nach. Man ver&#x017F;ichert, daß oft der vierte Theil des Zuges &#x017F;olcher Mäu&#x017F;e ihm zur Beute wird. Aus<lb/>
der Kla&#x017F;&#x017F;e der Vögel raubt er <hi rendition="#g">Schneehühner, Regenpfeifer,</hi> Strand- und Seevögel, &#x017F;obald er<lb/>
die&#x017F;e erwi&#x017F;chen kann, und namentlich den Bruten die&#x017F;er Thiere wird er &#x017F;ehr verderblich. Außerdem<lb/>
bean&#x017F;prucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, &#x017F;ie mögen einer Kla&#x017F;&#x017F;e angehören, welcher<lb/>
&#x017F;ie wollen. Jm Nothfall frißt er &#x017F;elb&#x017F;t thieri&#x017F;chen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das<lb/>
Jnnere der Häu&#x017F;er ein und &#x017F;tiehlt hier weg, was &#x017F;ich forttragen läßt, &#x017F;elb&#x017F;t ganz unnütze Dinge. Wenn<lb/>
er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil der&#x017F;elben und &#x017F;ucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf.<lb/>
Da&#x017F;&#x017F;elbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Men&#x017F;chen ge&#x017F;tört zu werden. Die&#x017F;e Vorraths-<lb/>
kammern werden, nachdem &#x017F;ie gefüllt &#x017F;ind, wieder zuge&#x017F;charrt und mit der Schnauze &#x017F;o glatt geebnet,<lb/>
daß man &#x017F;ie nicht im gering&#x017F;ten bemerken kann.</p><lb/>
          <p>Man trifft den Eisfuchs häufig in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften; gleichwohl herr&#x017F;cht keine große Eintracht unter<lb/>
die&#x017F;en: es finden vielmehr blutige Kämpfe &#x017F;tatt, welche für den Zu&#x017F;chauer &#x017F;ehr viel Ergötzliches haben.<lb/>
Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn<lb/>
&#x017F;o lange fe&#x017F;t, bis er ihn hinreichend gebi&#x017F;&#x017F;en zu haben glaubt. Dabei &#x017F;chreien die Kämpen, wie die<lb/>
Katzen. Wenn &#x017F;ie ungeduldig werden, heulen &#x017F;ie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen<lb/>
hat man &#x017F;elten von ihnen gehört.</p><lb/>
          <p>Die gei&#x017F;tigen Fähigkeiten des Thieres &#x017F;ind keineswegs gering; demungeachtet zeigen &#x017F;ich gerade<lb/>
bei der Beobachtung des Gei&#x017F;tigen die &#x017F;onderbar&#x017F;ten Wider&#x017F;prüche, und man geräth oft in Zweifel,<lb/>
wie man die&#x017F;e oder jene Handlung zu beurtheilen habe. Li&#x017F;t, Ver&#x017F;chlagenheit, Kun&#x017F;tfertigkeit, kurz,<lb/>
Ver&#x017F;tand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdrei&#x017F;tigkeit,<lb/>
wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich &#x017F;elb&#x017F;t überzeugen können. Wir, mein<lb/>
norwegi&#x017F;cher Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem die&#x017F;er Füch&#x017F;e auf dem Dover-<lb/>
field in Norwegen und <hi rendition="#g">&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en &#x017F;iebenmal nach ihm,</hi> ohne ihn bei der herr&#x017F;chenden Dämmerung<lb/>
genau auf das Korn nehmen und &#x017F;omit auch erlegen zu können. An&#x017F;tatt nun die Flucht zu ergreifen,<lb/><hi rendition="#g">folgte uns die&#x017F;er Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund<lb/>
&#x017F;einem Herrn,</hi> und er&#x017F;t da, wo das fel&#x017F;ige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er<lb/>
ließ &#x017F;ich durch gutgezielte Steinwürfe eben&#x017F;owenig vertreiben, als er &#x017F;ich von den hart vorüberpfeifen-<lb/>
den Kugeln hatte in die Flucht &#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr-<lb/>
mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Um&#x017F;tände auf ihn zugekommen und &#x017F;ich neu-<lb/>
gierig fragend vor ihm hinge&#x017F;etzt habe. Einmal wurde ihm &#x017F;ogar von Eisfüch&#x017F;en die Renthierdecke<lb/>
angefre&#x017F;&#x017F;en, unter welche er &#x017F;ich gelegt hatte. Seine ein&#x017F;am im Gebirg &#x017F;tehende Hütte wurde des<lb/>
Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vor&#x017F;ichtsmaßregeln ergreifen, um<lb/>
die&#x017F;e zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne die&#x017F;e That&#x017F;achen nur flüchtig, und zwar haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich aus dem Grunde, um zu bewei&#x017F;en, daß der Eisfuchs &#x017F;ich überall gleichbleibt.</p><lb/>
          <p>Die ausführlich&#x017F;te und zugleich anziehend&#x017F;te Schilderung die&#x017F;er Thiere hat &#x017F;chon im vorigen<lb/>
Jahrhundert der berühmte Seefahrer <hi rendition="#g">Steller</hi> gegeben; und wenn die&#x017F;elbe auch vielfach im Auszuge<lb/>
nacherzählt worden i&#x017F;t, halte ich es doch für angeme&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie hier voll&#x017F;tändig folgen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüch&#x017F;e, welche<lb/>
ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, &#x017F;ich unbe-<lb/>
&#x017F;chreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur die&#x017F;er an Frechheit, Ver&#x017F;chlagenheit und Schalkhaftig-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">28 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0503] Beſchreibung. Aufenthalt. Geiſtesfähigkeiten. Stellers Schilderung. Nur bei bevorſtehendem Unwetter oder an Orten, an denen er ſich nicht recht ſicher fühlt, zieht er ſich in Höhlen im Geklüft oder auch in ſelbſtgegrabene Röhren zurück und wagt ſich dann blos des Nachts heraus, um auf Raub auszugehen. An allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nöthig hat, ſich vor dem Menſchen zu verbergen, nimmt er ſich nicht die Mühe, ſelbſt Gruben und Höhlen für ſich zu ſcharren, ſondern lauert unter Steinen, Büſchen, abgeworfenen Argali hörnern und ähnlichen Ver- ſtecken auf Beute. Er iſt kein Koſtverächter und nimmt mit aller thieriſchen Nahrung vorlieb. Unter den Säugethieren fällt ihm Alles zur Beute, was er bewältigen kann; am liebſten jagt er auf Mäuſe. Die Züge der Lemminge verfolgt er oft Meilen weit und ſetzt ihnen auch über die Flüſſe und Meere nach. Man verſichert, daß oft der vierte Theil des Zuges ſolcher Mäuſe ihm zur Beute wird. Aus der Klaſſe der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, ſobald er dieſe erwiſchen kann, und namentlich den Bruten dieſer Thiere wird er ſehr verderblich. Außerdem beanſprucht er Alles, was das Meer von Thieren auswirft, ſie mögen einer Klaſſe angehören, welcher ſie wollen. Jm Nothfall frißt er ſelbſt thieriſchen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das Jnnere der Häuſer ein und ſtiehlt hier weg, was ſich forttragen läßt, ſelbſt ganz unnütze Dinge. Wenn er viel Nahrung hat, vergräbt er einen Theil derſelben und ſucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf. Daſſelbe thut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menſchen geſtört zu werden. Dieſe Vorraths- kammern werden, nachdem ſie gefüllt ſind, wieder zugeſcharrt und mit der Schnauze ſo glatt geebnet, daß man ſie nicht im geringſten bemerken kann. Man trifft den Eisfuchs häufig in Geſellſchaften; gleichwohl herrſcht keine große Eintracht unter dieſen: es finden vielmehr blutige Kämpfe ſtatt, welche für den Zuſchauer ſehr viel Ergötzliches haben. Einer faßt dabei den Andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn ſo lange feſt, bis er ihn hinreichend gebiſſen zu haben glaubt. Dabei ſchreien die Kämpen, wie die Katzen. Wenn ſie ungeduldig werden, heulen ſie mit heller Stimme; ein freiwilliges Bellen dagegen hat man ſelten von ihnen gehört. Die geiſtigen Fähigkeiten des Thieres ſind keineswegs gering; demungeachtet zeigen ſich gerade bei der Beobachtung des Geiſtigen die ſonderbarſten Widerſprüche, und man geräth oft in Zweifel, wie man dieſe oder jene Handlung zu beurtheilen habe. Liſt, Verſchlagenheit, Kunſtfertigkeit, kurz, Verſtand zeigten Alle, welche beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreiſtigkeit, wie bei kaum einem andern Thiere. Hiervon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Wir, mein norwegiſcher Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieſer Füchſe auf dem Dover- field in Norwegen und ſchoſſen ſiebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrſchenden Dämmerung genau auf das Korn nehmen und ſomit auch erlegen zu können. Anſtatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieſer Fuchs noch wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogner Hund ſeinem Herrn, und erſt da, wo das felſige Gebiet endete, hielt er es für gerathen, umzukehren. Er ließ ſich durch gutgezielte Steinwürfe ebenſowenig vertreiben, als er ſich von den hart vorüberpfeifen- den Kugeln hatte in die Flucht ſchlagen laſſen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Thier mehr- mals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umſtände auf ihn zugekommen und ſich neu- gierig fragend vor ihm hingeſetzt habe. Einmal wurde ihm ſogar von Eisfüchſen die Renthierdecke angefreſſen, unter welche er ſich gelegt hatte. Seine einſam im Gebirg ſtehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorſichtsmaßregeln ergreifen, um dieſe zudringlichen Thiere los zu werden. Jch erwähne dieſe Thatſachen nur flüchtig, und zwar haupt- ſächlich aus dem Grunde, um zu beweiſen, daß der Eisfuchs ſich überall gleichbleibt. Die ausführlichſte und zugleich anziehendſte Schilderung dieſer Thiere hat ſchon im vorigen Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieſelbe auch vielfach im Auszuge nacherzählt worden iſt, halte ich es doch für angemeſſen, ſie hier vollſtändig folgen zu laſſen. „Von vierfüßigen Landthieren giebt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchſe, welche ohne Zweifel mit dem Treibeis dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, ſich unbe- ſchreiblich vermehrt haben. Jch habe die Natur dieſer an Frechheit, Verſchlagenheit und Schalkhaftig- 28 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/503
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/503>, abgerufen am 22.11.2024.