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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Eisfuchs.
keit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Thiere nur mehr als zu genau während unsers unglück-
seligen Aufenthalts auf diesem Eilande kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die Geschichte der
unzähligen Possen, die sie uns gespielt, kann wohl der Affenhistorie des Albertus Julius auf der
Jnsel Sarenburg die Waage halten. Sie drängten sich in unsere Wohnungen sowohl bei Tage,
als bei Nacht ein, und stahlen Alles, was sie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen gar
Nichts nutzten, als Messer, Stöcke, Säcke, Schuhe, Strümpfe, Mützen u. s. w. Sie wußten so un-
begreiflich künstlich eine Last von etlichen Pud von unseren Vorrathsfässern herabzuwälzen und das
Fleisch daraus zu stehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuschreiben konnten. Wenn wir einem
Thier das Fell abzogen, so geschah es oft, daß wir zwei bis drei Stück Füchse dabei mit Messern
erstachen, weil sie uns das Fleisch aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir Etwas noch so
gut und beschwerten es mit Steinen, so fanden sie es nicht allein, sondern schoben, wie Menschen,
mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denselben liegend, einer dem andern aus allen
Kräften. Verwahrten wir Etwas auf einer Säule in der Luft, so untergruben sie dieselbe, daß sie
umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder Katze hinauf und warf das darauf
Verwahrte mit unglaublicher Geschicklichkeit und List herunter. Sie beobachteten all unser Thun und
begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Thier aus, so ver-
zehrten sie es, ehe noch ein Mensch dazu kam, zu unserm größten Nachtheil; und konnten sie nicht
Alles gleich auffressen, so schleppten sie es stückweise auf die Berge, vergruben es vor uns unter
Steinen und liefen ab und zu, solange noch was zu schleppen war. Dabei standen andere auf
Posten und beobachteten der Menschen Ankunft. Sahen sie von fern Jemand kommen, so vereinigte
sich der ganze Haufe und grub gemeinschaftlich in den Sand, bis sie einen Biber oder Seebären
so schön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn
wir auf dem Felde schliefen, zogen sie uns die Schlafmützen und Handschuh von und unter den Köpfen
und die Biberdecken und Häute unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die frisch geschlagenen
Biber legten, damit sie nicht von ihnen gestohlen würden, so fraßen sie unter dem Menschen ihnen
das Fleisch und Eingeweide aus dem Leibe. Wir schliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen,
damit wir sie, wenn sie uns weckten, damit abtreiben und schlagen köunten."

"Wo wir uns auf dem Wege niedersetzten, da warteten sie auf uns, und trieben in unserm
Angesicht hunderterlei Possen, wurden immer frecher, und wenn wir still saßen, kamen sie so nahe,
daß sie die Riemen von unsern neumodischen, selbstverfertigten Schuhen, ja die Schuhe selbst auf-
fraßen. Legten wir uns, als ob wir schliefen, so berochen sie uns bei der Nase, ob wir todt oder
lebendig seien; hielt man den Athem an sich, so zupften sie wohl gar an der Rase und wollten schon
anbeißen. Bei unserer ersten Ankunft fraßen sie unsere Todten, während daß Gruben für sie ge-
macht wurden, die Nase und Finger an Händen und Füßen ab, machten sich auch wohl gar über die
Schwachen und Kranken her, daß man sie kaum abhalten konnte. Einen Matrosen, der in der Nacht
auf den Knien sitzend zur Thür der Hütte hinausharnen wollte, haschte ein Fuchs an dem entblößten
Theil und wollte seines Schreiens ungeachtet nicht bald loslassen. Niemand konnte, ohne einen
Stock in der Hand, seine Nothdurft verrichten, und den Koth fraßen sie gleich so begierig, wie die
Schweine oder hungrigen Hunde weg. Jeden Morgen sah man diese unverschämten Thiere unter
den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die schlafenden beriechen, ob
nichts Todtes darunter sei: fanden sie solches, so ging es gleich an ein Zerfleischen, und man sah sie
alle mit Schleppen bemüht. Weil auch besonders die Seelöwen des Nachts im Schlaf ihre Jungen
erdrücken, so untersuchten sie, dieses Umstands gleichsam bewußt, alle Morgen ihre Herden Stück
für Stück und schleppten die todten Jungen wie Schinder davon."

"Weil sie uns nun weder Tag noch Nacht ruhen ließen, so wurden wir in der That dergestalt
auf sie erbittert, daß wir Jung und Alt todtschlugen, ihnen alles Herzeleid anthaten und, wo wir
nur konnten, sie auf die grausamste Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlaf erwachten,
lagen immer zwei oder drei Erschlagene vor unseren Füßen, und ich kann wohl während meines

Die Raubthiere. Hunde. — Eisfuchs.
keit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Thiere nur mehr als zu genau während unſers unglück-
ſeligen Aufenthalts auf dieſem Eilande kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die Geſchichte der
unzähligen Poſſen, die ſie uns geſpielt, kann wohl der Affenhiſtorie des Albertus Julius auf der
Jnſel Sarenburg die Waage halten. Sie drängten ſich in unſere Wohnungen ſowohl bei Tage,
als bei Nacht ein, und ſtahlen Alles, was ſie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen gar
Nichts nutzten, als Meſſer, Stöcke, Säcke, Schuhe, Strümpfe, Mützen u. ſ. w. Sie wußten ſo un-
begreiflich künſtlich eine Laſt von etlichen Pud von unſeren Vorrathsfäſſern herabzuwälzen und das
Fleiſch daraus zu ſtehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuſchreiben konnten. Wenn wir einem
Thier das Fell abzogen, ſo geſchah es oft, daß wir zwei bis drei Stück Füchſe dabei mit Meſſern
erſtachen, weil ſie uns das Fleiſch aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir Etwas noch ſo
gut und beſchwerten es mit Steinen, ſo fanden ſie es nicht allein, ſondern ſchoben, wie Menſchen,
mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denſelben liegend, einer dem andern aus allen
Kräften. Verwahrten wir Etwas auf einer Säule in der Luft, ſo untergruben ſie dieſelbe, daß ſie
umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder Katze hinauf und warf das darauf
Verwahrte mit unglaublicher Geſchicklichkeit und Liſt herunter. Sie beobachteten all unſer Thun und
begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Thier aus, ſo ver-
zehrten ſie es, ehe noch ein Menſch dazu kam, zu unſerm größten Nachtheil; und konnten ſie nicht
Alles gleich auffreſſen, ſo ſchleppten ſie es ſtückweiſe auf die Berge, vergruben es vor uns unter
Steinen und liefen ab und zu, ſolange noch was zu ſchleppen war. Dabei ſtanden andere auf
Poſten und beobachteten der Menſchen Ankunft. Sahen ſie von fern Jemand kommen, ſo vereinigte
ſich der ganze Haufe und grub gemeinſchaftlich in den Sand, bis ſie einen Biber oder Seebären
ſo ſchön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn
wir auf dem Felde ſchliefen, zogen ſie uns die Schlafmützen und Handſchuh von und unter den Köpfen
und die Biberdecken und Häute unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die friſch geſchlagenen
Biber legten, damit ſie nicht von ihnen geſtohlen würden, ſo fraßen ſie unter dem Menſchen ihnen
das Fleiſch und Eingeweide aus dem Leibe. Wir ſchliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen,
damit wir ſie, wenn ſie uns weckten, damit abtreiben und ſchlagen köunten.‟

„Wo wir uns auf dem Wege niederſetzten, da warteten ſie auf uns, und trieben in unſerm
Angeſicht hunderterlei Poſſen, wurden immer frecher, und wenn wir ſtill ſaßen, kamen ſie ſo nahe,
daß ſie die Riemen von unſern neumodiſchen, ſelbſtverfertigten Schuhen, ja die Schuhe ſelbſt auf-
fraßen. Legten wir uns, als ob wir ſchliefen, ſo berochen ſie uns bei der Naſe, ob wir todt oder
lebendig ſeien; hielt man den Athem an ſich, ſo zupften ſie wohl gar an der Raſe und wollten ſchon
anbeißen. Bei unſerer erſten Ankunft fraßen ſie unſere Todten, während daß Gruben für ſie ge-
macht wurden, die Naſe und Finger an Händen und Füßen ab, machten ſich auch wohl gar über die
Schwachen und Kranken her, daß man ſie kaum abhalten konnte. Einen Matroſen, der in der Nacht
auf den Knien ſitzend zur Thür der Hütte hinausharnen wollte, haſchte ein Fuchs an dem entblößten
Theil und wollte ſeines Schreiens ungeachtet nicht bald loslaſſen. Niemand konnte, ohne einen
Stock in der Hand, ſeine Nothdurft verrichten, und den Koth fraßen ſie gleich ſo begierig, wie die
Schweine oder hungrigen Hunde weg. Jeden Morgen ſah man dieſe unverſchämten Thiere unter
den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die ſchlafenden beriechen, ob
nichts Todtes darunter ſei: fanden ſie ſolches, ſo ging es gleich an ein Zerfleiſchen, und man ſah ſie
alle mit Schleppen bemüht. Weil auch beſonders die Seelöwen des Nachts im Schlaf ihre Jungen
erdrücken, ſo unterſuchten ſie, dieſes Umſtands gleichſam bewußt, alle Morgen ihre Herden Stück
für Stück und ſchleppten die todten Jungen wie Schinder davon.‟

„Weil ſie uns nun weder Tag noch Nacht ruhen ließen, ſo wurden wir in der That dergeſtalt
auf ſie erbittert, daß wir Jung und Alt todtſchlugen, ihnen alles Herzeleid anthaten und, wo wir
nur konnten, ſie auf die grauſamſte Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlaf erwachten,
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[436/0504] Die Raubthiere. Hunde. — Eisfuchs. keit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Thiere nur mehr als zu genau während unſers unglück- ſeligen Aufenthalts auf dieſem Eilande kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die Geſchichte der unzähligen Poſſen, die ſie uns geſpielt, kann wohl der Affenhiſtorie des Albertus Julius auf der Jnſel Sarenburg die Waage halten. Sie drängten ſich in unſere Wohnungen ſowohl bei Tage, als bei Nacht ein, und ſtahlen Alles, was ſie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen gar Nichts nutzten, als Meſſer, Stöcke, Säcke, Schuhe, Strümpfe, Mützen u. ſ. w. Sie wußten ſo un- begreiflich künſtlich eine Laſt von etlichen Pud von unſeren Vorrathsfäſſern herabzuwälzen und das Fleiſch daraus zu ſtehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuſchreiben konnten. Wenn wir einem Thier das Fell abzogen, ſo geſchah es oft, daß wir zwei bis drei Stück Füchſe dabei mit Meſſern erſtachen, weil ſie uns das Fleiſch aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir Etwas noch ſo gut und beſchwerten es mit Steinen, ſo fanden ſie es nicht allein, ſondern ſchoben, wie Menſchen, mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denſelben liegend, einer dem andern aus allen Kräften. Verwahrten wir Etwas auf einer Säule in der Luft, ſo untergruben ſie dieſelbe, daß ſie umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder Katze hinauf und warf das darauf Verwahrte mit unglaublicher Geſchicklichkeit und Liſt herunter. Sie beobachteten all unſer Thun und begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Thier aus, ſo ver- zehrten ſie es, ehe noch ein Menſch dazu kam, zu unſerm größten Nachtheil; und konnten ſie nicht Alles gleich auffreſſen, ſo ſchleppten ſie es ſtückweiſe auf die Berge, vergruben es vor uns unter Steinen und liefen ab und zu, ſolange noch was zu ſchleppen war. Dabei ſtanden andere auf Poſten und beobachteten der Menſchen Ankunft. Sahen ſie von fern Jemand kommen, ſo vereinigte ſich der ganze Haufe und grub gemeinſchaftlich in den Sand, bis ſie einen Biber oder Seebären ſo ſchön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn wir auf dem Felde ſchliefen, zogen ſie uns die Schlafmützen und Handſchuh von und unter den Köpfen und die Biberdecken und Häute unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die friſch geſchlagenen Biber legten, damit ſie nicht von ihnen geſtohlen würden, ſo fraßen ſie unter dem Menſchen ihnen das Fleiſch und Eingeweide aus dem Leibe. Wir ſchliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen, damit wir ſie, wenn ſie uns weckten, damit abtreiben und ſchlagen köunten.‟ „Wo wir uns auf dem Wege niederſetzten, da warteten ſie auf uns, und trieben in unſerm Angeſicht hunderterlei Poſſen, wurden immer frecher, und wenn wir ſtill ſaßen, kamen ſie ſo nahe, daß ſie die Riemen von unſern neumodiſchen, ſelbſtverfertigten Schuhen, ja die Schuhe ſelbſt auf- fraßen. Legten wir uns, als ob wir ſchliefen, ſo berochen ſie uns bei der Naſe, ob wir todt oder lebendig ſeien; hielt man den Athem an ſich, ſo zupften ſie wohl gar an der Raſe und wollten ſchon anbeißen. Bei unſerer erſten Ankunft fraßen ſie unſere Todten, während daß Gruben für ſie ge- macht wurden, die Naſe und Finger an Händen und Füßen ab, machten ſich auch wohl gar über die Schwachen und Kranken her, daß man ſie kaum abhalten konnte. Einen Matroſen, der in der Nacht auf den Knien ſitzend zur Thür der Hütte hinausharnen wollte, haſchte ein Fuchs an dem entblößten Theil und wollte ſeines Schreiens ungeachtet nicht bald loslaſſen. Niemand konnte, ohne einen Stock in der Hand, ſeine Nothdurft verrichten, und den Koth fraßen ſie gleich ſo begierig, wie die Schweine oder hungrigen Hunde weg. Jeden Morgen ſah man dieſe unverſchämten Thiere unter den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die ſchlafenden beriechen, ob nichts Todtes darunter ſei: fanden ſie ſolches, ſo ging es gleich an ein Zerfleiſchen, und man ſah ſie alle mit Schleppen bemüht. Weil auch beſonders die Seelöwen des Nachts im Schlaf ihre Jungen erdrücken, ſo unterſuchten ſie, dieſes Umſtands gleichſam bewußt, alle Morgen ihre Herden Stück für Stück und ſchleppten die todten Jungen wie Schinder davon.‟ „Weil ſie uns nun weder Tag noch Nacht ruhen ließen, ſo wurden wir in der That dergeſtalt auf ſie erbittert, daß wir Jung und Alt todtſchlugen, ihnen alles Herzeleid anthaten und, wo wir nur konnten, ſie auf die grauſamſte Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlaf erwachten, lagen immer zwei oder drei Erſchlagene vor unſeren Füßen, und ich kann wohl während meines

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/504>, abgerufen am 23.11.2024.