Die Raubthiere. Schleichkatzen. -- Ginster- und Wieselkatze.
wohner geeigneter Aufenthaltsorte, obgleich man ihr nur höchst selten begegnet. Sie bewohnt die wald- und baumlosen Gebirge ebensowohl, als die bewaldeten, und kommt auch in die Ebenen herab. Feuchte Orte in der Nähe der Quellen und Bäche, buschreiche Gegenden, sehr zerklüftete Bergwände und dergleichen sind die bevorzugten Aufenthaltsörter. Hier stöbert sie der einsame Jäger zuweilen auch bei Tage auf; gewöhnlich aber ist sie wegen der Gleichfärbigkeit ihres Felles mit dem Geklüft oder auch mit der bloßen Erde selbst so rasch verschwunden, daß er nicht zum Schusse kommt. Sie schlängelt sich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit eines Fuchses, zwischen den Steinen, Pflanzen, Gräsern und Büschen hin und ist nach wenig Minuten von diesen vollständig verborgen.
Weit öfters würde man dem Thiere zur Nachtzeit begegnen, wenn man dann seine Lieblingsorte aufsuchen wollte. Erst ziemlich lange nach Sonnenuntergang und jedenfalls nach vollkommen einge- tretener Dämmerung erscheint es und gleitet nun unhörbar von Stein zu Stein, von Busch zu Busch, scharf nach allen Seiten hin witternd und lauschend und immer bereit, auf das geringste Zeichen hin, welches ein lebendes Thierchen giebt, dasselbe mörderisch zu überfallen und abzuwürgen. Kleine Nagethiere, Vögel und deren Eier, sowie Kerbthiere bilden ihre Nahrung, und sie weiß dieselben auch aus dem besten Versteck herauszuholen. Jhre Bewegungen sind ebenso anmuthig und zierlich, als behend und gewandt. Jch kenne kein einziges Säugethier weiter, welches sich so, wie sie, mit der Bieg- samkeit der Schlange, aber auch mit der Schnelligkeit des Marders zu bewegen versteht. Unwillkürlich reißt die Vollendung ihrer Beweglichkeit zur Bewunderung hin. Es scheint, als ob sie tausend Ge- lenke besäße. Bei ihren Ueberfällen gleitet sie unhörbar auf dem Boden hin; plötzlich aber springt sie mit gewaltigem Satze auf ihre Beute los, erfaßt dieselbe mit unfehlbarer Sicherheit, würgt sie unter beifälligem Knurren ab und beginnt dann mit der Mahlzeit. Beim Fressen sträubt sie den Balg, als ob sie beständig befürchten müsse, ihre Beute wieder zu verlieren. -- Auch das Klettern versteht sie ausgezeichnet, und selbst im Wasser weiß sie sich zu behelfen.
Ueber ihre Fortpflanzung im Freien ist Nichts bekannt. An Gefangenen aber hat man beobachtet, daß das Weibchen nur ein Junges wirft; diese Zahl dürfte jedoch schwerlich mit der eines Wurfes von wildlebenden Müttern übereinstimmen.
Die Ginsterkatze läßt sich sehr leicht zähmen; denn sie ist gutmüthig und sehr sanft. Doch ver- schläft sie fast den ganzen Tag und kommt erst in der Nacht zum Vorschein. Mit ihres Gleichen verträgt sie sich gut; sie wickelt sich oft während des Schlafes mit anderen ihrer Art in einen förmlichen Klumpen zusammen. Zank und Streit kommt zwischen zwei Ginsterkatzen nicht vor; man darf sogar verschiedene Arten desselben Geschlechts zusammensperren.
Jn der Berberei benutzt man sie und noch mehr ihre Verwandte, die blasse Ginsterkatze, in der- selben Weise wie unsere Hauskatze, als Vertilger der Ratten und Mäuse. Man versichert, daß sie jenem Geschäfte mit großem Eifer und Geschick vorzustehen und ein ganzes Haus in kurzer Zeit von Ratten und Mäusen zu säubern verstünde. Jhre Reinlichkeit macht sie zu einem angenehmen Ge- sellschafter, ihr Zibetgeruch ist jedoch für europäische Nasen fast zu stark, und sie weiß nach kurzer Zeit dem ganzen Hause diesen Geruch in einer derartigen Stärke mitzutheilen, daß man es dann kaum auszuhalten vermag. Jhr Fell liefert ein gutes, gesuchtes Pelzwerk, welches man zu Muffen ver- wendet. Nach dem Siege Karl Martells über die Sarazenen, im Jahre 732 bei Tours, erbeutete man eine ganze Menge Kleider, welche mit jenem Pelze versehen waren, und man soll dann, wie Pennant erzählt, einen Orden der Ginsterkatze gestiftet haben, von dem die ersten Fürsten Mit- glieder waren.
Die Alten scheinen unser Thier nicht gekannt zu haben; wenigstens ist es sehr zweifelhaft, ob Oppian unter seinem "kleinen, gescheckten Panther" sie versteht. Jsidor von Sevilla und Albertus Magnus aber erwähnen sie und berichten, daß schon zu damaliger Zeit ihr Pelz sehr geschätzt wurde.
Die blasse Ginsterkatze (Genetta senegalensis), welche ich oben erwähnte, unterscheidet sich von der europäischen Art hauptsächlich durch die Zeichnung ihres Pelzes. Derselbe ist lichter, als der
Die Raubthiere. Schleichkatzen. — Ginſter- und Wieſelkatze.
wohner geeigneter Aufenthaltsorte, obgleich man ihr nur höchſt ſelten begegnet. Sie bewohnt die wald- und baumloſen Gebirge ebenſowohl, als die bewaldeten, und kommt auch in die Ebenen herab. Feuchte Orte in der Nähe der Quellen und Bäche, buſchreiche Gegenden, ſehr zerklüftete Bergwände und dergleichen ſind die bevorzugten Aufenthaltsörter. Hier ſtöbert ſie der einſame Jäger zuweilen auch bei Tage auf; gewöhnlich aber iſt ſie wegen der Gleichfärbigkeit ihres Felles mit dem Geklüft oder auch mit der bloßen Erde ſelbſt ſo raſch verſchwunden, daß er nicht zum Schuſſe kommt. Sie ſchlängelt ſich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit eines Fuchſes, zwiſchen den Steinen, Pflanzen, Gräſern und Büſchen hin und iſt nach wenig Minuten von dieſen vollſtändig verborgen.
Weit öfters würde man dem Thiere zur Nachtzeit begegnen, wenn man dann ſeine Lieblingsorte aufſuchen wollte. Erſt ziemlich lange nach Sonnenuntergang und jedenfalls nach vollkommen einge- tretener Dämmerung erſcheint es und gleitet nun unhörbar von Stein zu Stein, von Buſch zu Buſch, ſcharf nach allen Seiten hin witternd und lauſchend und immer bereit, auf das geringſte Zeichen hin, welches ein lebendes Thierchen giebt, dasſelbe mörderiſch zu überfallen und abzuwürgen. Kleine Nagethiere, Vögel und deren Eier, ſowie Kerbthiere bilden ihre Nahrung, und ſie weiß dieſelben auch aus dem beſten Verſteck herauszuholen. Jhre Bewegungen ſind ebenſo anmuthig und zierlich, als behend und gewandt. Jch kenne kein einziges Säugethier weiter, welches ſich ſo, wie ſie, mit der Bieg- ſamkeit der Schlange, aber auch mit der Schnelligkeit des Marders zu bewegen verſteht. Unwillkürlich reißt die Vollendung ihrer Beweglichkeit zur Bewunderung hin. Es ſcheint, als ob ſie tauſend Ge- lenke beſäße. Bei ihren Ueberfällen gleitet ſie unhörbar auf dem Boden hin; plötzlich aber ſpringt ſie mit gewaltigem Satze auf ihre Beute los, erfaßt dieſelbe mit unfehlbarer Sicherheit, würgt ſie unter beifälligem Knurren ab und beginnt dann mit der Mahlzeit. Beim Freſſen ſträubt ſie den Balg, als ob ſie beſtändig befürchten müſſe, ihre Beute wieder zu verlieren. — Auch das Klettern verſteht ſie ausgezeichnet, und ſelbſt im Waſſer weiß ſie ſich zu behelfen.
Ueber ihre Fortpflanzung im Freien iſt Nichts bekannt. An Gefangenen aber hat man beobachtet, daß das Weibchen nur ein Junges wirft; dieſe Zahl dürfte jedoch ſchwerlich mit der eines Wurfes von wildlebenden Müttern übereinſtimmen.
Die Ginſterkatze läßt ſich ſehr leicht zähmen; denn ſie iſt gutmüthig und ſehr ſanft. Doch ver- ſchläft ſie faſt den ganzen Tag und kommt erſt in der Nacht zum Vorſchein. Mit ihres Gleichen verträgt ſie ſich gut; ſie wickelt ſich oft während des Schlafes mit anderen ihrer Art in einen förmlichen Klumpen zuſammen. Zank und Streit kommt zwiſchen zwei Ginſterkatzen nicht vor; man darf ſogar verſchiedene Arten deſſelben Geſchlechts zuſammenſperren.
Jn der Berberei benutzt man ſie und noch mehr ihre Verwandte, die blaſſe Ginſterkatze, in der- ſelben Weiſe wie unſere Hauskatze, als Vertilger der Ratten und Mäuſe. Man verſichert, daß ſie jenem Geſchäfte mit großem Eifer und Geſchick vorzuſtehen und ein ganzes Haus in kurzer Zeit von Ratten und Mäuſen zu ſäubern verſtünde. Jhre Reinlichkeit macht ſie zu einem angenehmen Ge- ſellſchafter, ihr Zibetgeruch iſt jedoch für europäiſche Naſen faſt zu ſtark, und ſie weiß nach kurzer Zeit dem ganzen Hauſe dieſen Geruch in einer derartigen Stärke mitzutheilen, daß man es dann kaum auszuhalten vermag. Jhr Fell liefert ein gutes, geſuchtes Pelzwerk, welches man zu Muffen ver- wendet. Nach dem Siege Karl Martells über die Sarazenen, im Jahre 732 bei Tours, erbeutete man eine ganze Menge Kleider, welche mit jenem Pelze verſehen waren, und man ſoll dann, wie Pennant erzählt, einen Orden der Ginſterkatze geſtiftet haben, von dem die erſten Fürſten Mit- glieder waren.
Die Alten ſcheinen unſer Thier nicht gekannt zu haben; wenigſtens iſt es ſehr zweifelhaft, ob Oppian unter ſeinem „kleinen, geſcheckten Panther‟ ſie verſteht. Jſidor von Sevilla und Albertus Magnus aber erwähnen ſie und berichten, daß ſchon zu damaliger Zeit ihr Pelz ſehr geſchätzt wurde.
Die blaſſe Ginſterkatze (Genetta senegalensis), welche ich oben erwähnte, unterſcheidet ſich von der europäiſchen Art hauptſächlich durch die Zeichnung ihres Pelzes. Derſelbe iſt lichter, als der
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wald- und baumloſen Gebirge ebenſowohl, als die bewaldeten, und kommt auch in die Ebenen herab.
Feuchte Orte in der Nähe der Quellen und Bäche, buſchreiche Gegenden, ſehr zerklüftete Bergwände
und dergleichen ſind die bevorzugten Aufenthaltsörter. Hier ſtöbert ſie der einſame Jäger zuweilen auch
bei Tage auf; gewöhnlich aber iſt ſie wegen der Gleichfärbigkeit ihres Felles mit dem Geklüft oder auch
mit der bloßen Erde ſelbſt ſo raſch verſchwunden, daß er nicht zum Schuſſe kommt. Sie ſchlängelt
ſich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit eines Fuchſes, zwiſchen den Steinen, Pflanzen, Gräſern
und Büſchen hin und iſt nach wenig Minuten von dieſen vollſtändig verborgen.
Weit öfters würde man dem Thiere zur Nachtzeit begegnen, wenn man dann ſeine Lieblingsorte
aufſuchen wollte. Erſt ziemlich lange nach Sonnenuntergang und jedenfalls nach vollkommen einge-
tretener Dämmerung erſcheint es und gleitet nun unhörbar von Stein zu Stein, von Buſch zu Buſch,
ſcharf nach allen Seiten hin witternd und lauſchend und immer bereit, auf das geringſte Zeichen
hin, welches ein lebendes Thierchen giebt, dasſelbe mörderiſch zu überfallen und abzuwürgen. Kleine
Nagethiere, Vögel und deren Eier, ſowie Kerbthiere bilden ihre Nahrung, und ſie weiß dieſelben auch
aus dem beſten Verſteck herauszuholen. Jhre Bewegungen ſind ebenſo anmuthig und zierlich, als
behend und gewandt. Jch kenne kein einziges Säugethier weiter, welches ſich ſo, wie ſie, mit der Bieg-
ſamkeit der Schlange, aber auch mit der Schnelligkeit des Marders zu bewegen verſteht. Unwillkürlich
reißt die Vollendung ihrer Beweglichkeit zur Bewunderung hin. Es ſcheint, als ob ſie tauſend Ge-
lenke beſäße. Bei ihren Ueberfällen gleitet ſie unhörbar auf dem Boden hin; plötzlich aber ſpringt ſie
mit gewaltigem Satze auf ihre Beute los, erfaßt dieſelbe mit unfehlbarer Sicherheit, würgt ſie unter
beifälligem Knurren ab und beginnt dann mit der Mahlzeit. Beim Freſſen ſträubt ſie den Balg, als
ob ſie beſtändig befürchten müſſe, ihre Beute wieder zu verlieren. — Auch das Klettern verſteht ſie
ausgezeichnet, und ſelbſt im Waſſer weiß ſie ſich zu behelfen.
Ueber ihre Fortpflanzung im Freien iſt Nichts bekannt. An Gefangenen aber hat man beobachtet,
daß das Weibchen nur ein Junges wirft; dieſe Zahl dürfte jedoch ſchwerlich mit der eines Wurfes
von wildlebenden Müttern übereinſtimmen.
Die Ginſterkatze läßt ſich ſehr leicht zähmen; denn ſie iſt gutmüthig und ſehr ſanft. Doch ver-
ſchläft ſie faſt den ganzen Tag und kommt erſt in der Nacht zum Vorſchein. Mit ihres Gleichen verträgt
ſie ſich gut; ſie wickelt ſich oft während des Schlafes mit anderen ihrer Art in einen förmlichen
Klumpen zuſammen. Zank und Streit kommt zwiſchen zwei Ginſterkatzen nicht vor; man darf ſogar
verſchiedene Arten deſſelben Geſchlechts zuſammenſperren.
Jn der Berberei benutzt man ſie und noch mehr ihre Verwandte, die blaſſe Ginſterkatze, in der-
ſelben Weiſe wie unſere Hauskatze, als Vertilger der Ratten und Mäuſe. Man verſichert, daß ſie
jenem Geſchäfte mit großem Eifer und Geſchick vorzuſtehen und ein ganzes Haus in kurzer Zeit von
Ratten und Mäuſen zu ſäubern verſtünde. Jhre Reinlichkeit macht ſie zu einem angenehmen Ge-
ſellſchafter, ihr Zibetgeruch iſt jedoch für europäiſche Naſen faſt zu ſtark, und ſie weiß nach kurzer
Zeit dem ganzen Hauſe dieſen Geruch in einer derartigen Stärke mitzutheilen, daß man es dann kaum
auszuhalten vermag. Jhr Fell liefert ein gutes, geſuchtes Pelzwerk, welches man zu Muffen ver-
wendet. Nach dem Siege Karl Martells über die Sarazenen, im Jahre 732 bei Tours, erbeutete
man eine ganze Menge Kleider, welche mit jenem Pelze verſehen waren, und man ſoll dann, wie
Pennant erzählt, einen Orden der Ginſterkatze geſtiftet haben, von dem die erſten Fürſten Mit-
glieder waren.
Die Alten ſcheinen unſer Thier nicht gekannt zu haben; wenigſtens iſt es ſehr zweifelhaft, ob
Oppian unter ſeinem „kleinen, geſcheckten Panther‟ ſie verſteht. Jſidor von Sevilla und Albertus
Magnus aber erwähnen ſie und berichten, daß ſchon zu damaliger Zeit ihr Pelz ſehr geſchätzt wurde.
Die blaſſe Ginſterkatze (Genetta senegalensis), welche ich oben erwähnte, unterſcheidet ſich
von der europäiſchen Art hauptſächlich durch die Zeichnung ihres Pelzes. Derſelbe iſt lichter, als der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/542>, abgerufen am 18.06.2024.
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