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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Gesichtsausdruck. Wesen.

Es läßt sich nicht leugnen, daß diese Schilderung fast durchgängig richtig ist. Wir wollen jedoch
auch gegen die Affen gerecht sein und dürfen deshalb wirklich gute Seiten derselben nicht vergessen.
Ueber ihre geistigen Eigenschaften in Einem abzuurtheilen, ist nicht gerade leicht, weil die ganze Sipp-
schaft zu viele sich widersprechende Eigenthümlichkeiten zeigt. Man muß freilich anerkennen, daß die
Affen boshaft, listig, tückisch, zornig oder wüthend, rachsüchtig, sinnlich in jeder Hinsicht, zänkisch,
herrsch- und raufsüchtig, reizbar und grämlich, kurz leidenschaftlich sind, darf aber auch die Klugheit
und Munterkeit, die Sauftheit und Milde, die Freundlichkeit und Zutraulichkeit gegen den Menschen,
ihre Unterhaltungsgaben, ihre erheiternde Ernsthaftigkeit, ihre Geselligkeit, ihren Muth und ihr Ein-
stehen für das Wohl der Gesammtheit, ihr kräftiges Vertheidigen der Gesellschaft, welcher sie an-
gehören, selbst gegen die ihnen überlegenen Feinde, und ihre oft sehr unschuldige Lust an Spielereien
und Neckereien nicht vergessen. Und in einem Punkte sind sie alle groß: in ihrer Liebe gegen ihre
Kinder, in dem Mitleiden gegen Schwache und Unmündige nicht allein ihrer Art und
Familie, sondern selbst anderer Ordnungen, ja sogar anderer Klassen des Thier-
reichs. Der Affe ist in seiner sinnlichen Liebe ein Scheusal; er kann aber in seiner
sittlichen Liebe manchem Menschen ein Vorbild sein! Eine
Tugend hat der Affe also
doch: -- aber leider übertreibt er diese einzige gute Eigenschaft oft in solchem Grade, daß er selbst
sie lächerlich erscheinen läßt.

Wie soll man nun diese in jeder Beziehung so widersprechende, so verschiedene Gesellschaft hin-
sichtlich ihrer geistigen Eigenthümlichkeiten beschreiben? Jch glaube am besten und kürzesten mit den
Worten der Araber: als ein Mittelding zwischen Mensch und Teufel! Freilich sagen die
Araber auch, daß sie Söhne, Enkel, Urenkel und Nachkommen des Ungerechten seien und wiederum
nur Ungerechte zeugen würden, daß ihnen Nichts heilig, Nichts achtbar, Nichts zu gut und Nichts
zu schlecht sei, daß sie keine Freundschaft hielten mit andern Geschöpfen des Herrn und verflucht wären
seit dem Tage, an welchem sie durch das Strafgericht des Gerechten aus Menschen zu Affen verwan-
delt worden seien: -- wir aber gedenken der heiteren Stunden, welche sie uns schon in der Kindheit
bereiteten, und des Vergnügens, welches wir noch heute empfinden, wenn wir im Thiergarten vor
dem Affenhause stehen, wir urtheilen und richten über sie mit möglichster Gerechtigkeit und Milde.

Die geistige Ausbildung, welche die Affen überhaupt erreichen können, erhebt sie keineswegs so
hoch über die übrigen Säugethiere mit Ausschluß des Menschen, als man gewöhnlich angenommen
hat. Namentlich ältere Schriftsteller sind der Bewunderung voll über die geistigen Leistungen der
Affen. Sie haben sich bestechen lassen durch die Fertigkeiten, welche, da nur die Affen außer den
Menschen sich dieselben aneignen können, geistigen Ursprungs zu sein scheinen. Jn Wahrheit aber
leistet der Affe geistig nicht mehr, ja sogar viel weniger, als andere gescheite Säugethiere, z. B. der
Elefant oder der Hund. Die Hand, welche er besitzt, gewährt ihm vor den genannten Thieren so
große Vorzüge, daß seine Leistungen bei weitem größer erscheinen, als sie sind. Der Affe ist gelehrig,
und der Nachahmungstrieb, welchen viele seines Geschlechts besitzen, erleichtert es ihm, irgend eine
Kunst oder Fertigkeit zu erlernen. Deshalb eignet er sich nach kurzer Uebung die verschiedenartigsten
Kunststücke an, welche einem Hunde z. B. nur mit großer Mühe gelingen. Allein man darf nie ver-
kennen, daß die Affen das ihnen Gelehrte immer nur mit einem gewissen Widerstreben ausführen,
niemals aber mit der Freude und dem Bewußtsein, mit welcher die früher genannten Thiere für uns
arbeiten. Es hält nicht schwer, einen Affen daran zu gewöhnen, mit Messer und Gabel zu essen, aus
Gläsern zu trinken, Kleider anzuziehen, ihn zum Drehen des Bratspießes oder zum Wasserholen u. s. w.
abzurichten; allein er wird Solches nie mit derselben Sorgfalt, ich möchte sagen, Gewissenhaftigkeit
thun, wie ein wohlerzogener Hund: er beweist dabei auch nicht halb soviel Verstand, wie dieser.
Dennoch kann man die großen geistigen Gaben, welche die Affen durchschnittlich besitzen, nicht leugnen.
Ein gewisser Grad von Ueberlegung ist ihnen nicht abzusprechen. Sie besitzen ein ganz vortreffliches
Gedächtniß und wissen ihre Erfahrungen sehr verständig zu benutzen. Sie verstehen es, mit wirklicher
Schlauheit und List ihre Vortheile immer wahrzunehmen; sie bekunden ein gewisses Geschick in der Ver-

Geſichtsausdruck. Weſen.

Es läßt ſich nicht leugnen, daß dieſe Schilderung faſt durchgängig richtig iſt. Wir wollen jedoch
auch gegen die Affen gerecht ſein und dürfen deshalb wirklich gute Seiten derſelben nicht vergeſſen.
Ueber ihre geiſtigen Eigenſchaften in Einem abzuurtheilen, iſt nicht gerade leicht, weil die ganze Sipp-
ſchaft zu viele ſich widerſprechende Eigenthümlichkeiten zeigt. Man muß freilich anerkennen, daß die
Affen boshaft, liſtig, tückiſch, zornig oder wüthend, rachſüchtig, ſinnlich in jeder Hinſicht, zänkiſch,
herrſch- und raufſüchtig, reizbar und grämlich, kurz leidenſchaftlich ſind, darf aber auch die Klugheit
und Munterkeit, die Sauftheit und Milde, die Freundlichkeit und Zutraulichkeit gegen den Menſchen,
ihre Unterhaltungsgaben, ihre erheiternde Ernſthaftigkeit, ihre Geſelligkeit, ihren Muth und ihr Ein-
ſtehen für das Wohl der Geſammtheit, ihr kräftiges Vertheidigen der Geſellſchaft, welcher ſie an-
gehören, ſelbſt gegen die ihnen überlegenen Feinde, und ihre oft ſehr unſchuldige Luſt an Spielereien
und Neckereien nicht vergeſſen. Und in einem Punkte ſind ſie alle groß: in ihrer Liebe gegen ihre
Kinder, in dem Mitleiden gegen Schwache und Unmündige nicht allein ihrer Art und
Familie, ſondern ſelbſt anderer Ordnungen, ja ſogar anderer Klaſſen des Thier-
reichs. Der Affe iſt in ſeiner ſinnlichen Liebe ein Scheuſal; er kann aber in ſeiner
ſittlichen Liebe manchem Menſchen ein Vorbild ſein! Eine
Tugend hat der Affe alſo
doch: — aber leider übertreibt er dieſe einzige gute Eigenſchaft oft in ſolchem Grade, daß er ſelbſt
ſie lächerlich erſcheinen läßt.

Wie ſoll man nun dieſe in jeder Beziehung ſo widerſprechende, ſo verſchiedene Geſellſchaft hin-
ſichtlich ihrer geiſtigen Eigenthümlichkeiten beſchreiben? Jch glaube am beſten und kürzeſten mit den
Worten der Araber: als ein Mittelding zwiſchen Menſch und Teufel! Freilich ſagen die
Araber auch, daß ſie Söhne, Enkel, Urenkel und Nachkommen des Ungerechten ſeien und wiederum
nur Ungerechte zeugen würden, daß ihnen Nichts heilig, Nichts achtbar, Nichts zu gut und Nichts
zu ſchlecht ſei, daß ſie keine Freundſchaft hielten mit andern Geſchöpfen des Herrn und verflucht wären
ſeit dem Tage, an welchem ſie durch das Strafgericht des Gerechten aus Menſchen zu Affen verwan-
delt worden ſeien: — wir aber gedenken der heiteren Stunden, welche ſie uns ſchon in der Kindheit
bereiteten, und des Vergnügens, welches wir noch heute empfinden, wenn wir im Thiergarten vor
dem Affenhauſe ſtehen, wir urtheilen und richten über ſie mit möglichſter Gerechtigkeit und Milde.

Die geiſtige Ausbildung, welche die Affen überhaupt erreichen können, erhebt ſie keineswegs ſo
hoch über die übrigen Säugethiere mit Ausſchluß des Menſchen, als man gewöhnlich angenommen
hat. Namentlich ältere Schriftſteller ſind der Bewunderung voll über die geiſtigen Leiſtungen der
Affen. Sie haben ſich beſtechen laſſen durch die Fertigkeiten, welche, da nur die Affen außer den
Menſchen ſich dieſelben aneignen können, geiſtigen Urſprungs zu ſein ſcheinen. Jn Wahrheit aber
leiſtet der Affe geiſtig nicht mehr, ja ſogar viel weniger, als andere geſcheite Säugethiere, z. B. der
Elefant oder der Hund. Die Hand, welche er beſitzt, gewährt ihm vor den genannten Thieren ſo
große Vorzüge, daß ſeine Leiſtungen bei weitem größer erſcheinen, als ſie ſind. Der Affe iſt gelehrig,
und der Nachahmungstrieb, welchen viele ſeines Geſchlechts beſitzen, erleichtert es ihm, irgend eine
Kunſt oder Fertigkeit zu erlernen. Deshalb eignet er ſich nach kurzer Uebung die verſchiedenartigſten
Kunſtſtücke an, welche einem Hunde z. B. nur mit großer Mühe gelingen. Allein man darf nie ver-
kennen, daß die Affen das ihnen Gelehrte immer nur mit einem gewiſſen Widerſtreben ausführen,
niemals aber mit der Freude und dem Bewußtſein, mit welcher die früher genannten Thiere für uns
arbeiten. Es hält nicht ſchwer, einen Affen daran zu gewöhnen, mit Meſſer und Gabel zu eſſen, aus
Gläſern zu trinken, Kleider anzuziehen, ihn zum Drehen des Bratſpießes oder zum Waſſerholen u. ſ. w.
abzurichten; allein er wird Solches nie mit derſelben Sorgfalt, ich möchte ſagen, Gewiſſenhaftigkeit
thun, wie ein wohlerzogener Hund: er beweiſt dabei auch nicht halb ſoviel Verſtand, wie dieſer.
Dennoch kann man die großen geiſtigen Gaben, welche die Affen durchſchnittlich beſitzen, nicht leugnen.
Ein gewiſſer Grad von Ueberlegung iſt ihnen nicht abzuſprechen. Sie beſitzen ein ganz vortreffliches
Gedächtniß und wiſſen ihre Erfahrungen ſehr verſtändig zu benutzen. Sie verſtehen es, mit wirklicher
Schlauheit und Liſt ihre Vortheile immer wahrzunehmen; ſie bekunden ein gewiſſes Geſchick in der Ver-

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[5/0055] Geſichtsausdruck. Weſen. Es läßt ſich nicht leugnen, daß dieſe Schilderung faſt durchgängig richtig iſt. Wir wollen jedoch auch gegen die Affen gerecht ſein und dürfen deshalb wirklich gute Seiten derſelben nicht vergeſſen. Ueber ihre geiſtigen Eigenſchaften in Einem abzuurtheilen, iſt nicht gerade leicht, weil die ganze Sipp- ſchaft zu viele ſich widerſprechende Eigenthümlichkeiten zeigt. Man muß freilich anerkennen, daß die Affen boshaft, liſtig, tückiſch, zornig oder wüthend, rachſüchtig, ſinnlich in jeder Hinſicht, zänkiſch, herrſch- und raufſüchtig, reizbar und grämlich, kurz leidenſchaftlich ſind, darf aber auch die Klugheit und Munterkeit, die Sauftheit und Milde, die Freundlichkeit und Zutraulichkeit gegen den Menſchen, ihre Unterhaltungsgaben, ihre erheiternde Ernſthaftigkeit, ihre Geſelligkeit, ihren Muth und ihr Ein- ſtehen für das Wohl der Geſammtheit, ihr kräftiges Vertheidigen der Geſellſchaft, welcher ſie an- gehören, ſelbſt gegen die ihnen überlegenen Feinde, und ihre oft ſehr unſchuldige Luſt an Spielereien und Neckereien nicht vergeſſen. Und in einem Punkte ſind ſie alle groß: in ihrer Liebe gegen ihre Kinder, in dem Mitleiden gegen Schwache und Unmündige nicht allein ihrer Art und Familie, ſondern ſelbſt anderer Ordnungen, ja ſogar anderer Klaſſen des Thier- reichs. Der Affe iſt in ſeiner ſinnlichen Liebe ein Scheuſal; er kann aber in ſeiner ſittlichen Liebe manchem Menſchen ein Vorbild ſein! Eine Tugend hat der Affe alſo doch: — aber leider übertreibt er dieſe einzige gute Eigenſchaft oft in ſolchem Grade, daß er ſelbſt ſie lächerlich erſcheinen läßt. Wie ſoll man nun dieſe in jeder Beziehung ſo widerſprechende, ſo verſchiedene Geſellſchaft hin- ſichtlich ihrer geiſtigen Eigenthümlichkeiten beſchreiben? Jch glaube am beſten und kürzeſten mit den Worten der Araber: als ein Mittelding zwiſchen Menſch und Teufel! Freilich ſagen die Araber auch, daß ſie Söhne, Enkel, Urenkel und Nachkommen des Ungerechten ſeien und wiederum nur Ungerechte zeugen würden, daß ihnen Nichts heilig, Nichts achtbar, Nichts zu gut und Nichts zu ſchlecht ſei, daß ſie keine Freundſchaft hielten mit andern Geſchöpfen des Herrn und verflucht wären ſeit dem Tage, an welchem ſie durch das Strafgericht des Gerechten aus Menſchen zu Affen verwan- delt worden ſeien: — wir aber gedenken der heiteren Stunden, welche ſie uns ſchon in der Kindheit bereiteten, und des Vergnügens, welches wir noch heute empfinden, wenn wir im Thiergarten vor dem Affenhauſe ſtehen, wir urtheilen und richten über ſie mit möglichſter Gerechtigkeit und Milde. Die geiſtige Ausbildung, welche die Affen überhaupt erreichen können, erhebt ſie keineswegs ſo hoch über die übrigen Säugethiere mit Ausſchluß des Menſchen, als man gewöhnlich angenommen hat. Namentlich ältere Schriftſteller ſind der Bewunderung voll über die geiſtigen Leiſtungen der Affen. Sie haben ſich beſtechen laſſen durch die Fertigkeiten, welche, da nur die Affen außer den Menſchen ſich dieſelben aneignen können, geiſtigen Urſprungs zu ſein ſcheinen. Jn Wahrheit aber leiſtet der Affe geiſtig nicht mehr, ja ſogar viel weniger, als andere geſcheite Säugethiere, z. B. der Elefant oder der Hund. Die Hand, welche er beſitzt, gewährt ihm vor den genannten Thieren ſo große Vorzüge, daß ſeine Leiſtungen bei weitem größer erſcheinen, als ſie ſind. Der Affe iſt gelehrig, und der Nachahmungstrieb, welchen viele ſeines Geſchlechts beſitzen, erleichtert es ihm, irgend eine Kunſt oder Fertigkeit zu erlernen. Deshalb eignet er ſich nach kurzer Uebung die verſchiedenartigſten Kunſtſtücke an, welche einem Hunde z. B. nur mit großer Mühe gelingen. Allein man darf nie ver- kennen, daß die Affen das ihnen Gelehrte immer nur mit einem gewiſſen Widerſtreben ausführen, niemals aber mit der Freude und dem Bewußtſein, mit welcher die früher genannten Thiere für uns arbeiten. Es hält nicht ſchwer, einen Affen daran zu gewöhnen, mit Meſſer und Gabel zu eſſen, aus Gläſern zu trinken, Kleider anzuziehen, ihn zum Drehen des Bratſpießes oder zum Waſſerholen u. ſ. w. abzurichten; allein er wird Solches nie mit derſelben Sorgfalt, ich möchte ſagen, Gewiſſenhaftigkeit thun, wie ein wohlerzogener Hund: er beweiſt dabei auch nicht halb ſoviel Verſtand, wie dieſer. Dennoch kann man die großen geiſtigen Gaben, welche die Affen durchſchnittlich beſitzen, nicht leugnen. Ein gewiſſer Grad von Ueberlegung iſt ihnen nicht abzuſprechen. Sie beſitzen ein ganz vortreffliches Gedächtniß und wiſſen ihre Erfahrungen ſehr verſtändig zu benutzen. Sie verſtehen es, mit wirklicher Schlauheit und Liſt ihre Vortheile immer wahrzunehmen; ſie bekunden ein gewiſſes Geſchick in der Ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/55>, abgerufen am 24.11.2024.