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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen.

Der Affenleib zeigt also äußerlich und innerlich so viele Eigenthümlichkeiten, daß die Unähnlich-
keit zwischen Affe und Mensch größer erscheinen muß, als die Aehnlichkeit. Der hagere, behaarte
Leib ohne Gesäß, die langen Arme, die dünnen Beine ohne Waden, die Gesäßschwielen bei einem
großen Theile der Arten, der vielen zukommende lange Schwanz und vor allem der thierische Kopf
mit dem rückliegenden und kleinen Schädel und den eingezogenen, dünnen Lippen müssen auch den
oberflächlichsten Beobachter das Thier im Gegensatze zum Menschen erkennen lassen. Ein einziger
Blick auf den vollendeten Menschen, auf Denjenigen, welchen der Künstler vor sich sah, als er das
Götterbild seines Apollo schuf: -- ein einziger Blick auf ihn genügt, um die unübersteigliche
Schranke festzustellen, welche Mensch und Thier auf ewig scheidet.

Jn dem Affen zeigt sich das Thier aber in noch abschreckenderer Weise, wenn man seine geistigen
Fähigkeiten einer Prüfung unterzieht. Man braucht nur das Affengesicht zu studiren, um zu wissen,
weß Geistes Kind man vor sich hat. Niemals hat dieses Gesicht einen edlen, gutmüthigen, treu-
herzigen Ausdruck. Es kann wohl sanft erscheinen, dann aber fehlt auch das Kluge, Geweckte: der
sanfte Affe ist ein schläfriger, trauriger Gesell und nur leiblich noch ein Affe. Bei dem wirklichen,
echten Affen schaut das geistige Wesen immer grell aus dem Gesicht heraus. Dies wird am auf-
fallendsten, wenn man vergleicht. Der bei voller Geistesruhe gemüthlich, menschenartig ausfehende
Orang-Utang wird ganz Thier, sobald sich eine Leidenschaft in seiner Seele regt. Auch der für
den Affen Eingenommene vermißt dann augenblicklich die hohe, unbehaarte Menschenstirn und das
zurücktretende Menschenkinn, vermißt selbst die Zornesgluth im Menschenauge: denn die gefaltete,
haarige Stirn, die fletschende Schnauze mit den Raubthierzähnen und der flachen Nase und die
funkelnden Augen des zornigen Affen lassen sofort jeden Gedanken an Menschenähnlichkeit verschwin-
den. Aber der Orangaffe ist noch nicht das vollendete Thier im schlechten Sinne: dieses ist der
Pavian oder Hundskopf. Er ähnelt entfernt unserem edlen, treuen Hausfreunde, dem mensch-
lichsten aller Thiere -- soweit es das geistige Wesen anlangt -- unserem Hunde: aber er ähnelt
ihm, wie bemerkt, nicht mehr, als der Orangaffe dem Menschen ähnelt, und im Zorn ist von dieser
Aehnlichkeit keine Spur mehr zu bemerken. Das gerade bei den Pavianen und noch mehr bei den
Mandrilen in der auffallendsten und widerwärtigsten Weise gefärbte, dickwulstige und tiefgefurchte
Gesicht mit den tückischen, falschen Augen erscheint dann so viehisch, so scheußlich abschreckend, daß
uns das liebe Hundegesicht dagegen wie das eines treuen Herzensfreundes anspricht.

Die Beweglichkeit des Affengesichtes ist unglaublich groß. Jn einem Nu durchlaufen es alle
nur denkbaren Ausdrücke; Freundlichkeit und Wuth, Ehrlichkeit und Tücke, Lüsternheit, Genußsucht,
Geilheit und hundert andere Eigenschaften und Leidenschaften geben sich rasch nach und durch einander
auf diesem treuen Spiegel des Jnnern kund. Und noch will es scheinen, als könne das Gesicht den
Kreuz- und Quersprüngen des Affengeistes kaum folgen.

Unter den verschiedenen Arten der Ordnung zeigt sich hierin eine merkwürdige Steigerung. Je
klüger, listiger, schlauer, tückischer, geiler, unverschämter und wilder der Affe ist, um so beweglicher,
zugleich aber verzerrter, mißgebildeter und häßlicher ist sein Gesicht. Unschuldig, kindlich sehen blos
die geistesärmeren, stilleren Affen aus, und doch ist der Wechsel in ihrem Gesichtsausdruck noch
immer ein erstaunlich rascher und umfassender. Mit zunehmendem Verstand mehren sich nur die
schlechten Eigenschaften, nicht auch die guten.

Oken beschreibt den Affen im Vergleich zu dem Menschen in seiner kurzen Weise mit folgenden Worten:

"Die Affen sind dem Menschen ähnlich in allen Unsitten und Unarten. Sie sind boshaft, falsch,
tückisch, diebisch und unanständig; sie lernen eine Menge Possen, sind aber ungehorsam und verderben
oft den Spaß mitten im Spiel, indem sie dazwischen einen Streich machen, wie ein tölpelhafter Hans-
wurst. Es giebt keine einzige Tugend, welche man einem Affen zuschreiben könnte, und noch viel
weniger irgend einen Nutzen, den sie für den Menschen hätten. Wachestehen, Aufwarten, verschiedene
Dinge holen, thun sie blos so lange, bis sie die Narrheit anwandelt. Sie sind nur die schlechte Seite
des Menschen, sowohl in leiblicher wie sittlicher Hinsicht."

Die Affen.

Der Affenleib zeigt alſo äußerlich und innerlich ſo viele Eigenthümlichkeiten, daß die Unähnlich-
keit zwiſchen Affe und Menſch größer erſcheinen muß, als die Aehnlichkeit. Der hagere, behaarte
Leib ohne Geſäß, die langen Arme, die dünnen Beine ohne Waden, die Geſäßſchwielen bei einem
großen Theile der Arten, der vielen zukommende lange Schwanz und vor allem der thieriſche Kopf
mit dem rückliegenden und kleinen Schädel und den eingezogenen, dünnen Lippen müſſen auch den
oberflächlichſten Beobachter das Thier im Gegenſatze zum Menſchen erkennen laſſen. Ein einziger
Blick auf den vollendeten Menſchen, auf Denjenigen, welchen der Künſtler vor ſich ſah, als er das
Götterbild ſeines Apollo ſchuf: — ein einziger Blick auf ihn genügt, um die unüberſteigliche
Schranke feſtzuſtellen, welche Menſch und Thier auf ewig ſcheidet.

Jn dem Affen zeigt ſich das Thier aber in noch abſchreckenderer Weiſe, wenn man ſeine geiſtigen
Fähigkeiten einer Prüfung unterzieht. Man braucht nur das Affengeſicht zu ſtudiren, um zu wiſſen,
weß Geiſtes Kind man vor ſich hat. Niemals hat dieſes Geſicht einen edlen, gutmüthigen, treu-
herzigen Ausdruck. Es kann wohl ſanft erſcheinen, dann aber fehlt auch das Kluge, Geweckte: der
ſanfte Affe iſt ein ſchläfriger, trauriger Geſell und nur leiblich noch ein Affe. Bei dem wirklichen,
echten Affen ſchaut das geiſtige Weſen immer grell aus dem Geſicht heraus. Dies wird am auf-
fallendſten, wenn man vergleicht. Der bei voller Geiſtesruhe gemüthlich, menſchenartig ausfehende
Orang-Utang wird ganz Thier, ſobald ſich eine Leidenſchaft in ſeiner Seele regt. Auch der für
den Affen Eingenommene vermißt dann augenblicklich die hohe, unbehaarte Menſchenſtirn und das
zurücktretende Menſchenkinn, vermißt ſelbſt die Zornesgluth im Menſchenauge: denn die gefaltete,
haarige Stirn, die fletſchende Schnauze mit den Raubthierzähnen und der flachen Naſe und die
funkelnden Augen des zornigen Affen laſſen ſofort jeden Gedanken an Menſchenähnlichkeit verſchwin-
den. Aber der Orangaffe iſt noch nicht das vollendete Thier im ſchlechten Sinne: dieſes iſt der
Pavian oder Hundskopf. Er ähnelt entfernt unſerem edlen, treuen Hausfreunde, dem menſch-
lichſten aller Thiere — ſoweit es das geiſtige Weſen anlangt — unſerem Hunde: aber er ähnelt
ihm, wie bemerkt, nicht mehr, als der Orangaffe dem Menſchen ähnelt, und im Zorn iſt von dieſer
Aehnlichkeit keine Spur mehr zu bemerken. Das gerade bei den Pavianen und noch mehr bei den
Mandrilen in der auffallendſten und widerwärtigſten Weiſe gefärbte, dickwulſtige und tiefgefurchte
Geſicht mit den tückiſchen, falſchen Augen erſcheint dann ſo viehiſch, ſo ſcheußlich abſchreckend, daß
uns das liebe Hundegeſicht dagegen wie das eines treuen Herzensfreundes anſpricht.

Die Beweglichkeit des Affengeſichtes iſt unglaublich groß. Jn einem Nu durchlaufen es alle
nur denkbaren Ausdrücke; Freundlichkeit und Wuth, Ehrlichkeit und Tücke, Lüſternheit, Genußſucht,
Geilheit und hundert andere Eigenſchaften und Leidenſchaften geben ſich raſch nach und durch einander
auf dieſem treuen Spiegel des Jnnern kund. Und noch will es ſcheinen, als könne das Geſicht den
Kreuz- und Querſprüngen des Affengeiſtes kaum folgen.

Unter den verſchiedenen Arten der Ordnung zeigt ſich hierin eine merkwürdige Steigerung. Je
klüger, liſtiger, ſchlauer, tückiſcher, geiler, unverſchämter und wilder der Affe iſt, um ſo beweglicher,
zugleich aber verzerrter, mißgebildeter und häßlicher iſt ſein Geſicht. Unſchuldig, kindlich ſehen blos
die geiſtesärmeren, ſtilleren Affen aus, und doch iſt der Wechſel in ihrem Geſichtsausdruck noch
immer ein erſtaunlich raſcher und umfaſſender. Mit zunehmendem Verſtand mehren ſich nur die
ſchlechten Eigenſchaften, nicht auch die guten.

Oken beſchreibt den Affen im Vergleich zu dem Menſchen in ſeiner kurzen Weiſe mit folgenden Worten:

„Die Affen ſind dem Menſchen ähnlich in allen Unſitten und Unarten. Sie ſind boshaft, falſch,
tückiſch, diebiſch und unanſtändig; ſie lernen eine Menge Poſſen, ſind aber ungehorſam und verderben
oft den Spaß mitten im Spiel, indem ſie dazwiſchen einen Streich machen, wie ein tölpelhafter Hans-
wurſt. Es giebt keine einzige Tugend, welche man einem Affen zuſchreiben könnte, und noch viel
weniger irgend einen Nutzen, den ſie für den Menſchen hätten. Wacheſtehen, Aufwarten, verſchiedene
Dinge holen, thun ſie blos ſo lange, bis ſie die Narrheit anwandelt. Sie ſind nur die ſchlechte Seite
des Menſchen, ſowohl in leiblicher wie ſittlicher Hinſicht.‟

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[4/0054] Die Affen. Der Affenleib zeigt alſo äußerlich und innerlich ſo viele Eigenthümlichkeiten, daß die Unähnlich- keit zwiſchen Affe und Menſch größer erſcheinen muß, als die Aehnlichkeit. Der hagere, behaarte Leib ohne Geſäß, die langen Arme, die dünnen Beine ohne Waden, die Geſäßſchwielen bei einem großen Theile der Arten, der vielen zukommende lange Schwanz und vor allem der thieriſche Kopf mit dem rückliegenden und kleinen Schädel und den eingezogenen, dünnen Lippen müſſen auch den oberflächlichſten Beobachter das Thier im Gegenſatze zum Menſchen erkennen laſſen. Ein einziger Blick auf den vollendeten Menſchen, auf Denjenigen, welchen der Künſtler vor ſich ſah, als er das Götterbild ſeines Apollo ſchuf: — ein einziger Blick auf ihn genügt, um die unüberſteigliche Schranke feſtzuſtellen, welche Menſch und Thier auf ewig ſcheidet. Jn dem Affen zeigt ſich das Thier aber in noch abſchreckenderer Weiſe, wenn man ſeine geiſtigen Fähigkeiten einer Prüfung unterzieht. Man braucht nur das Affengeſicht zu ſtudiren, um zu wiſſen, weß Geiſtes Kind man vor ſich hat. Niemals hat dieſes Geſicht einen edlen, gutmüthigen, treu- herzigen Ausdruck. Es kann wohl ſanft erſcheinen, dann aber fehlt auch das Kluge, Geweckte: der ſanfte Affe iſt ein ſchläfriger, trauriger Geſell und nur leiblich noch ein Affe. Bei dem wirklichen, echten Affen ſchaut das geiſtige Weſen immer grell aus dem Geſicht heraus. Dies wird am auf- fallendſten, wenn man vergleicht. Der bei voller Geiſtesruhe gemüthlich, menſchenartig ausfehende Orang-Utang wird ganz Thier, ſobald ſich eine Leidenſchaft in ſeiner Seele regt. Auch der für den Affen Eingenommene vermißt dann augenblicklich die hohe, unbehaarte Menſchenſtirn und das zurücktretende Menſchenkinn, vermißt ſelbſt die Zornesgluth im Menſchenauge: denn die gefaltete, haarige Stirn, die fletſchende Schnauze mit den Raubthierzähnen und der flachen Naſe und die funkelnden Augen des zornigen Affen laſſen ſofort jeden Gedanken an Menſchenähnlichkeit verſchwin- den. Aber der Orangaffe iſt noch nicht das vollendete Thier im ſchlechten Sinne: dieſes iſt der Pavian oder Hundskopf. Er ähnelt entfernt unſerem edlen, treuen Hausfreunde, dem menſch- lichſten aller Thiere — ſoweit es das geiſtige Weſen anlangt — unſerem Hunde: aber er ähnelt ihm, wie bemerkt, nicht mehr, als der Orangaffe dem Menſchen ähnelt, und im Zorn iſt von dieſer Aehnlichkeit keine Spur mehr zu bemerken. Das gerade bei den Pavianen und noch mehr bei den Mandrilen in der auffallendſten und widerwärtigſten Weiſe gefärbte, dickwulſtige und tiefgefurchte Geſicht mit den tückiſchen, falſchen Augen erſcheint dann ſo viehiſch, ſo ſcheußlich abſchreckend, daß uns das liebe Hundegeſicht dagegen wie das eines treuen Herzensfreundes anſpricht. Die Beweglichkeit des Affengeſichtes iſt unglaublich groß. Jn einem Nu durchlaufen es alle nur denkbaren Ausdrücke; Freundlichkeit und Wuth, Ehrlichkeit und Tücke, Lüſternheit, Genußſucht, Geilheit und hundert andere Eigenſchaften und Leidenſchaften geben ſich raſch nach und durch einander auf dieſem treuen Spiegel des Jnnern kund. Und noch will es ſcheinen, als könne das Geſicht den Kreuz- und Querſprüngen des Affengeiſtes kaum folgen. Unter den verſchiedenen Arten der Ordnung zeigt ſich hierin eine merkwürdige Steigerung. Je klüger, liſtiger, ſchlauer, tückiſcher, geiler, unverſchämter und wilder der Affe iſt, um ſo beweglicher, zugleich aber verzerrter, mißgebildeter und häßlicher iſt ſein Geſicht. Unſchuldig, kindlich ſehen blos die geiſtesärmeren, ſtilleren Affen aus, und doch iſt der Wechſel in ihrem Geſichtsausdruck noch immer ein erſtaunlich raſcher und umfaſſender. Mit zunehmendem Verſtand mehren ſich nur die ſchlechten Eigenſchaften, nicht auch die guten. Oken beſchreibt den Affen im Vergleich zu dem Menſchen in ſeiner kurzen Weiſe mit folgenden Worten: „Die Affen ſind dem Menſchen ähnlich in allen Unſitten und Unarten. Sie ſind boshaft, falſch, tückiſch, diebiſch und unanſtändig; ſie lernen eine Menge Poſſen, ſind aber ungehorſam und verderben oft den Spaß mitten im Spiel, indem ſie dazwiſchen einen Streich machen, wie ein tölpelhafter Hans- wurſt. Es giebt keine einzige Tugend, welche man einem Affen zuſchreiben könnte, und noch viel weniger irgend einen Nutzen, den ſie für den Menſchen hätten. Wacheſtehen, Aufwarten, verſchiedene Dinge holen, thun ſie blos ſo lange, bis ſie die Narrheit anwandelt. Sie ſind nur die ſchlechte Seite des Menſchen, ſowohl in leiblicher wie ſittlicher Hinſicht.‟

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/54>, abgerufen am 21.11.2024.