Die Raubthiere. Marder. -- Honigdachs. Jndischer Honigdachs. Gemeiner Vielfraß.
Der Ratel stellt übrigens nicht blos dem Honig nach, sondern liebt auch kräftigere Nahrung. Carmichael sagt, daß er von den Besitzern der Hühnerhöfe als eines der schädlichsten Thiere betrachtet werde. Jn der Algoabai zankten sich einmal die Bauern um das Eigenthum der Eier, welche die Hühner verlegt hatten. Der Ratel machte in einer Nacht diesem Streite ein Ende, indem er einfach allen Hühnern, gegen dreißig Stück, den Kragen abbiß und drei todte in seine Höhle schleppte.
Man versichert, daß der Honigdachs mit zwei oder drei Weibchen lebe und diese niemals aus den Augen lasse. Zur Rollzeit soll er so wild und wüthend sein, daß er selbst Menschen anfällt und sie mit seinen Bissen schwer verwundet. Uebrigens wehrt er sich seiner Haut, wenn er an- gegriffen wird. Es ist nicht rathsam, ihn lebend packen zu wollen; denn er weiß von seinem Gebiß einen ungemein empfindlichen Gebrauch zu machen. Das locker aufliegende Fell erlaubt ihm, alle nur denkbaren Drehungen und Wendungen seines Körpers vorzunehmen, und Dies soll soweit gehen, daß er auch dann noch seinen Kopf zurückzubeugen und sich durch kräftige Bisse zu rächen vermag, wenn man ihn dicht unter dem Hinterhaupte am Nacken faßt. Ehe er zum Beißen kommt, sucht er sich jedoch zu retten, indem er, wo es der Boden erlaubt, sich durch unglaublich rasches Ein- graben in die Erde versenkt oder aber seine Stinkdrüsen gegen den Feind entleert.
Von der Wirksamkeit dieser Drüsen habe ich mich selbst überzeugen können. Jm Mensathale sah mein Freund und Jagdgenosse van Arkel d'Ablaing gegen Abend ein ihm unbekanntes dachs- ähnliches Thier, welches von dem einen Hang herabkam, dicht vor ihm das Thal überschritt und sich im Buschwalde der andern Thalwand weiterbewegte. Er jagte dem "Dachs" beide Schüsse seines Schrotgewehres auf den Pelz und bekam dafür im nächsten Angenblicke einen furchtbaren Gestank zu riechen; das Thier selbst war aber, ungeachtet der Schuß es gut getroffen hatte, davongegangen. Die einbrechende Nacht verhinderte uns, nach ihm zu suchen; dafür durchstöberten wir jedoch am nächsten Morgen das Gebüsch. Hierbei brauchten wir blos der Nase nachzugehen; denn der in der Nacht ge- fallene Regen hatte den Gestank wohl etwas gedämpft, aber keineswegs vernichtet. Es roch noch immer so abscheulich, daß nur unser Eifer die Suche uns erträglich machen konnte.
Man sagt, daß der Honigdachs blos im höchsten Nothfalle sich seines Gebisses bediene. Wenn Dies wahr ist, dann begreife ich unser Thier nicht; denn das Gebiß ist so kräftig, daß es jedem Jäger und jedem Hund Achtung einflößen und beide zur Vorsicht mahnen muß.
Dagegen bin ich von der Lebenszähigkeit des Ratels vollkommen überzeugt. An den beiden Schüffen, welche mein Freund auf kaum zwanzig Schritte jenem Honigdachs zukommen ließ, hätte ein Löwe genug haben können; der Ratel aber war davongegangen, als wäre ihm Nichts geschehen. Es wird erzählt, daß sich die Bauern des Kaplandes eine Art von Vergnügen daraus machen, dem Ratel ihre Messer in verschiedene Theile seines Leibes zu stoßen, weil sie wissen, daß sie hierdurch noch keines- wegs einen raschen Tod des Thieres herbeiführen. Bei getödteten, welche von Hunden gebissen worden waren, konnte man niemals im Felle ein Loch bemerken. Starke Schläge auf die Schnauze sollen ihn jedoch augenblicklich tödten.
Jung eingefangene Ratels werden zahm und ergötzen durch die Plumpheit ihrer Bewegungen. Weinland nennt die Ratels im Regents-Park in London "außerordentlich muntere Thiere, welche, wie manche besonders schlaue oder thörichte Menschen, plötzlich ein ganz anderes Gebahren annehmen, wenn sie sich bemerkt glauben, außerdem aber die Zuschauer durch Purzelbäume zu unterhalten und zu fesseln wissen;" ich beobachte an denselben Gefangenen, daß sie mit bewunderungswürdiger Regelmäßig- keit ihre höchst komischen Purzelbäume immer genau auf derselben Stelle ihres Käsigs machen, hundert- mal nach einander, falls sie die Laune anwandelt, ihren Käfig so oft zu durchmessen. Die beiden be- kannten Arten sind zusammengesperrt. Sie vertragen sich vortrefflich und ergötzen sich gegenseitig durch ihren unverwüstlichen Humor.
Jm Ganzen läßt unsere Kenntniß des Honigdachses noch viel zu wünschen übrig; Dies aber wird einleuchtend, wenn man an unsern deutschen Dachs denken will: -- ihn kennen wir ja auch noch nicht.
Die Raubthiere. Marder. — Honigdachs. Jndiſcher Honigdachs. Gemeiner Vielfraß.
Der Ratel ſtellt übrigens nicht blos dem Honig nach, ſondern liebt auch kräftigere Nahrung. Carmichael ſagt, daß er von den Beſitzern der Hühnerhöfe als eines der ſchädlichſten Thiere betrachtet werde. Jn der Algoabai zankten ſich einmal die Bauern um das Eigenthum der Eier, welche die Hühner verlegt hatten. Der Ratel machte in einer Nacht dieſem Streite ein Ende, indem er einfach allen Hühnern, gegen dreißig Stück, den Kragen abbiß und drei todte in ſeine Höhle ſchleppte.
Man verſichert, daß der Honigdachs mit zwei oder drei Weibchen lebe und dieſe niemals aus den Augen laſſe. Zur Rollzeit ſoll er ſo wild und wüthend ſein, daß er ſelbſt Menſchen anfällt und ſie mit ſeinen Biſſen ſchwer verwundet. Uebrigens wehrt er ſich ſeiner Haut, wenn er an- gegriffen wird. Es iſt nicht rathſam, ihn lebend packen zu wollen; denn er weiß von ſeinem Gebiß einen ungemein empfindlichen Gebrauch zu machen. Das locker aufliegende Fell erlaubt ihm, alle nur denkbaren Drehungen und Wendungen ſeines Körpers vorzunehmen, und Dies ſoll ſoweit gehen, daß er auch dann noch ſeinen Kopf zurückzubeugen und ſich durch kräftige Biſſe zu rächen vermag, wenn man ihn dicht unter dem Hinterhaupte am Nacken faßt. Ehe er zum Beißen kommt, ſucht er ſich jedoch zu retten, indem er, wo es der Boden erlaubt, ſich durch unglaublich raſches Ein- graben in die Erde verſenkt oder aber ſeine Stinkdrüſen gegen den Feind entleert.
Von der Wirkſamkeit dieſer Drüſen habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Jm Menſathale ſah mein Freund und Jagdgenoſſe van Arkel d’Ablaing gegen Abend ein ihm unbekanntes dachs- ähnliches Thier, welches von dem einen Hang herabkam, dicht vor ihm das Thal überſchritt und ſich im Buſchwalde der andern Thalwand weiterbewegte. Er jagte dem „Dachs‟ beide Schüſſe ſeines Schrotgewehres auf den Pelz und bekam dafür im nächſten Angenblicke einen furchtbaren Geſtank zu riechen; das Thier ſelbſt war aber, ungeachtet der Schuß es gut getroffen hatte, davongegangen. Die einbrechende Nacht verhinderte uns, nach ihm zu ſuchen; dafür durchſtöberten wir jedoch am nächſten Morgen das Gebüſch. Hierbei brauchten wir blos der Naſe nachzugehen; denn der in der Nacht ge- fallene Regen hatte den Geſtank wohl etwas gedämpft, aber keineswegs vernichtet. Es roch noch immer ſo abſcheulich, daß nur unſer Eifer die Suche uns erträglich machen konnte.
Man ſagt, daß der Honigdachs blos im höchſten Nothfalle ſich ſeines Gebiſſes bediene. Wenn Dies wahr iſt, dann begreife ich unſer Thier nicht; denn das Gebiß iſt ſo kräftig, daß es jedem Jäger und jedem Hund Achtung einflößen und beide zur Vorſicht mahnen muß.
Dagegen bin ich von der Lebenszähigkeit des Ratels vollkommen überzeugt. An den beiden Schüffen, welche mein Freund auf kaum zwanzig Schritte jenem Honigdachs zukommen ließ, hätte ein Löwe genug haben können; der Ratel aber war davongegangen, als wäre ihm Nichts geſchehen. Es wird erzählt, daß ſich die Bauern des Kaplandes eine Art von Vergnügen daraus machen, dem Ratel ihre Meſſer in verſchiedene Theile ſeines Leibes zu ſtoßen, weil ſie wiſſen, daß ſie hierdurch noch keines- wegs einen raſchen Tod des Thieres herbeiführen. Bei getödteten, welche von Hunden gebiſſen worden waren, konnte man niemals im Felle ein Loch bemerken. Starke Schläge auf die Schnauze ſollen ihn jedoch augenblicklich tödten.
Jung eingefangene Ratels werden zahm und ergötzen durch die Plumpheit ihrer Bewegungen. Weinland nennt die Ratels im Regents-Park in London „außerordentlich muntere Thiere, welche, wie manche beſonders ſchlaue oder thörichte Menſchen, plötzlich ein ganz anderes Gebahren annehmen, wenn ſie ſich bemerkt glauben, außerdem aber die Zuſchauer durch Purzelbäume zu unterhalten und zu feſſeln wiſſen;‟ ich beobachte an denſelben Gefangenen, daß ſie mit bewunderungswürdiger Regelmäßig- keit ihre höchſt komiſchen Purzelbäume immer genau auf derſelben Stelle ihres Käſigs machen, hundert- mal nach einander, falls ſie die Laune anwandelt, ihren Käfig ſo oft zu durchmeſſen. Die beiden be- kannten Arten ſind zuſammengeſperrt. Sie vertragen ſich vortrefflich und ergötzen ſich gegenſeitig durch ihren unverwüſtlichen Humor.
Jm Ganzen läßt unſere Kenntniß des Honigdachſes noch viel zu wünſchen übrig; Dies aber wird einleuchtend, wenn man an unſern deutſchen Dachs denken will: — ihn kennen wir ja auch noch nicht.
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[514/0588]
Die Raubthiere. Marder. — Honigdachs. Jndiſcher Honigdachs. Gemeiner Vielfraß.
Der Ratel ſtellt übrigens nicht blos dem Honig nach, ſondern liebt auch kräftigere Nahrung.
Carmichael ſagt, daß er von den Beſitzern der Hühnerhöfe als eines der ſchädlichſten Thiere betrachtet
werde. Jn der Algoabai zankten ſich einmal die Bauern um das Eigenthum der Eier, welche die
Hühner verlegt hatten. Der Ratel machte in einer Nacht dieſem Streite ein Ende, indem er einfach
allen Hühnern, gegen dreißig Stück, den Kragen abbiß und drei todte in ſeine Höhle ſchleppte.
Man verſichert, daß der Honigdachs mit zwei oder drei Weibchen lebe und dieſe niemals aus
den Augen laſſe. Zur Rollzeit ſoll er ſo wild und wüthend ſein, daß er ſelbſt Menſchen anfällt
und ſie mit ſeinen Biſſen ſchwer verwundet. Uebrigens wehrt er ſich ſeiner Haut, wenn er an-
gegriffen wird. Es iſt nicht rathſam, ihn lebend packen zu wollen; denn er weiß von ſeinem Gebiß
einen ungemein empfindlichen Gebrauch zu machen. Das locker aufliegende Fell erlaubt ihm,
alle nur denkbaren Drehungen und Wendungen ſeines Körpers vorzunehmen, und Dies ſoll ſoweit
gehen, daß er auch dann noch ſeinen Kopf zurückzubeugen und ſich durch kräftige Biſſe zu rächen
vermag, wenn man ihn dicht unter dem Hinterhaupte am Nacken faßt. Ehe er zum Beißen kommt,
ſucht er ſich jedoch zu retten, indem er, wo es der Boden erlaubt, ſich durch unglaublich raſches Ein-
graben in die Erde verſenkt oder aber ſeine Stinkdrüſen gegen den Feind entleert.
Von der Wirkſamkeit dieſer Drüſen habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Jm Menſathale ſah
mein Freund und Jagdgenoſſe van Arkel d’Ablaing gegen Abend ein ihm unbekanntes dachs-
ähnliches Thier, welches von dem einen Hang herabkam, dicht vor ihm das Thal überſchritt und ſich
im Buſchwalde der andern Thalwand weiterbewegte. Er jagte dem „Dachs‟ beide Schüſſe ſeines
Schrotgewehres auf den Pelz und bekam dafür im nächſten Angenblicke einen furchtbaren Geſtank zu
riechen; das Thier ſelbſt war aber, ungeachtet der Schuß es gut getroffen hatte, davongegangen. Die
einbrechende Nacht verhinderte uns, nach ihm zu ſuchen; dafür durchſtöberten wir jedoch am nächſten
Morgen das Gebüſch. Hierbei brauchten wir blos der Naſe nachzugehen; denn der in der Nacht ge-
fallene Regen hatte den Geſtank wohl etwas gedämpft, aber keineswegs vernichtet. Es roch noch
immer ſo abſcheulich, daß nur unſer Eifer die Suche uns erträglich machen konnte.
Man ſagt, daß der Honigdachs blos im höchſten Nothfalle ſich ſeines Gebiſſes bediene. Wenn
Dies wahr iſt, dann begreife ich unſer Thier nicht; denn das Gebiß iſt ſo kräftig, daß es jedem Jäger
und jedem Hund Achtung einflößen und beide zur Vorſicht mahnen muß.
Dagegen bin ich von der Lebenszähigkeit des Ratels vollkommen überzeugt. An den beiden
Schüffen, welche mein Freund auf kaum zwanzig Schritte jenem Honigdachs zukommen ließ, hätte ein
Löwe genug haben können; der Ratel aber war davongegangen, als wäre ihm Nichts geſchehen. Es
wird erzählt, daß ſich die Bauern des Kaplandes eine Art von Vergnügen daraus machen, dem Ratel
ihre Meſſer in verſchiedene Theile ſeines Leibes zu ſtoßen, weil ſie wiſſen, daß ſie hierdurch noch keines-
wegs einen raſchen Tod des Thieres herbeiführen. Bei getödteten, welche von Hunden gebiſſen worden
waren, konnte man niemals im Felle ein Loch bemerken. Starke Schläge auf die Schnauze ſollen
ihn jedoch augenblicklich tödten.
Jung eingefangene Ratels werden zahm und ergötzen durch die Plumpheit ihrer Bewegungen.
Weinland nennt die Ratels im Regents-Park in London „außerordentlich muntere Thiere, welche,
wie manche beſonders ſchlaue oder thörichte Menſchen, plötzlich ein ganz anderes Gebahren annehmen,
wenn ſie ſich bemerkt glauben, außerdem aber die Zuſchauer durch Purzelbäume zu unterhalten und zu
feſſeln wiſſen;‟ ich beobachte an denſelben Gefangenen, daß ſie mit bewunderungswürdiger Regelmäßig-
keit ihre höchſt komiſchen Purzelbäume immer genau auf derſelben Stelle ihres Käſigs machen, hundert-
mal nach einander, falls ſie die Laune anwandelt, ihren Käfig ſo oft zu durchmeſſen. Die beiden be-
kannten Arten ſind zuſammengeſperrt. Sie vertragen ſich vortrefflich und ergötzen ſich gegenſeitig durch
ihren unverwüſtlichen Humor.
Jm Ganzen läßt unſere Kenntniß des Honigdachſes noch viel zu wünſchen übrig; Dies aber wird
einleuchtend, wenn man an unſern deutſchen Dachs denken will: — ihn kennen wir ja auch noch nicht.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/588>, abgerufen am 25.11.2024.
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