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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Beschreibung. Lebensweise. Zähmung.
engsten Ritzen zu zwängen; kurz er ist eines der begabtesten Raubthiere, welche es geben kann. Seine
Nahrung ist deshalb auch fast dieselbe, wie die des vorhergehenden; gleichwohl wird er weit schädlicher,
als der Edelmarder, weil er eben viel mehr Gelegenheit findet, dem Menschen empfindliche Verluste
beizubringen. Wo er nur irgend kann, schleicht er sich in die Wohnungen des Hausgeflügels ein und
würgt hier mit einer Mordlust und Grausamkeit ohne Gleichen. Nicht selten findet man zehn bis
zwölf, ja selbst zwanzig Stück todtes Geflügel, welches er in einer einzigen Nacht umgebracht hat.
Außerdem fängt er Mäuse, Ratten, Kaninchen, allerhand Vögel und, wenn er im Walde jagt,
auch Eichhörnchen und Lurche. Eier scheinen für ihn ein Leckerbissen zu sein, und auch an Früchten
aller Art, Kirschen, Pflaumen, Birnen und Stachelbeeren, Vogelbeeren, Hauf und dergleichen findet er
Gefallen. Gute Obstsorten muß man vor ihm schützen und erreicht diesen Zweck einfach dadurch, daß
man, sobald man den Unfug wahrnimmt, den Stamm mit Tabaksaft oder Steinöl bestreicht. Hühner-
häuser und Taubenschläge muß man aber durch festes Verschließen vor ihm bewahren und dabei bedacht
sein, jedes nur halbwegs große Rattenloch zu stopfen, weil er, wie bemerkt, die Kunst versteht, sich
durch unglaublich kleine Löcher zu drängen. Außer dem Schaden, welchen er den Geflügelbesitzern
anrichtet, wird er noch besonders deshalb sehr lästig, weil er die bedrohten Thiere so erschreckt, daß sie,
d. h. die glücklich entkommenen, lange Zeit gar nicht wieder in den Stall gehen wollen.

Gewöhnlich beginnt die Rollzeit drei Wochen später, als die des Edelmarders, meist zu Ende
Februars. Dann hört man, noch öfters als sonst, das katzenartige Miauen des Thieres und wohl
auch ein merkwürdiges Murren und Zanken auf den Dächern, wo sich ein paar verliebte Männchen
gehörig herumbalgen. Jm April oder Mai wirft das Weibchen drei bis fünf Junge, welche sehr leicht
gezähmt werden können und sich an die verschiedenartigste Kost gewöhnen lassen. Ein säugendes
Weibchen, welches Lenz besaß, machte gar keine Umstände, sondern versorgte sein Junges vor Aller
Augen ganz ruhig. Das kleine Thierchen kreischte oft laut, wenn es hungrig oder mißvergnügt war,
roch auch, wenn es von der Alten nicht rein gehalten wurde, nach Bisam, während Lenz an dem
alten Weibchen nur wenig Bisamgeruch wahrnehmen konnte. Mit zunehmendem Alter riechen die Männ-
chen so stark nach Bisam, daß man es kaum in der Stube aushalten kann. Zuweilen hat man junge
Steinmarder durch Katzen aufziehen lassen, weil diese sich, wie ich oben mitgetheilt habe, gern einem
so auffallendem Pflegegeschäft hingeben. Solche Junge werden dann sehr zahm und zu förmlichen
Hausthieren. Sie gehen aus und ein, verunglücken aber fast alle früher oder später, weil sie ihre
Räubereien doch nicht lassen können. So hatte ein Schuhmacher einen jungen Steinmarder auf-
gezogen und gezähmt. Ungeachtet das Thier hinlänglich Nahrung erhielt, konnte es doch sein natür-
liches Wesen nicht verläugnen und verübte zahlreiche Verbrechen an Eigenthum und Leben. Seine
Streifereien ermüdeten sehr bald die Geduld der Nachbarn unsers Thierfreundes, und eines schönen
Tages wurde das ihm sehr theure Wesen durch allgemeinen Beschluß feierlich zum Tode verurtheilt
und dieser Richterspruch auch ausgeführt.

Selbst alt eingefangene Thiere erreichen einen gewissen Grad von Zähmung. Jn Schottland fing
man einmal einen Steinmarder auf sehr sonderbare Weise. Lange Zeit hatte der ungebetene Gast in
einem Gebirgsdorfe gehaust und dort an dem Hühnergeschlecht namenlose Schandthaten verübt. Es
gab keinen einzigen Hühnerstall im Dorfe, in welchem nicht Wehklage über ihn erhoben worden
wäre: da entdeckte man seinen Aufenthaltsort. Mit Hilfe von guten Hunden trieb man ihn endlich
aus der einsamen Scheuer, seiner Räuberhöhle, fort und ins Freie. Vergebens versuchte er alle List
und Gewandtheit, den Hunden zu entgehen. Sie kamen ihm näher und näher und hatten ihn, als er
zum Rande eines Abgrunds gekommen war, beinahe gefaßt. Da entschloß er sich kurz und sprang mit
einem einzigen kühnen Satze in die wohl hundert Fuß tiefe Schlucht hinab. Der Sturz war doch
zu heftig; er lag unten wie todt und rührte und regte sich nicht. Seine Verfolger waren der festen
Ueberzeugung, daß er sich zerschellt habe. Des Felles wegen stieg einer der Leute hinab und hob den
Verunglückten auf. Plötzlich begann Dieser, von neuem sich zu regen, und gab seinem Fänger auch
sofort mit einem gehörigen Bisse das deutlichste Zeichen seines wiedererlangten Bewußtseins. Gleich-

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Beſchreibung. Lebensweiſe. Zähmung.
engſten Ritzen zu zwängen; kurz er iſt eines der begabteſten Raubthiere, welche es geben kann. Seine
Nahrung iſt deshalb auch faſt dieſelbe, wie die des vorhergehenden; gleichwohl wird er weit ſchädlicher,
als der Edelmarder, weil er eben viel mehr Gelegenheit findet, dem Menſchen empfindliche Verluſte
beizubringen. Wo er nur irgend kann, ſchleicht er ſich in die Wohnungen des Hausgeflügels ein und
würgt hier mit einer Mordluſt und Grauſamkeit ohne Gleichen. Nicht ſelten findet man zehn bis
zwölf, ja ſelbſt zwanzig Stück todtes Geflügel, welches er in einer einzigen Nacht umgebracht hat.
Außerdem fängt er Mäuſe, Ratten, Kaninchen, allerhand Vögel und, wenn er im Walde jagt,
auch Eichhörnchen und Lurche. Eier ſcheinen für ihn ein Leckerbiſſen zu ſein, und auch an Früchten
aller Art, Kirſchen, Pflaumen, Birnen und Stachelbeeren, Vogelbeeren, Hauf und dergleichen findet er
Gefallen. Gute Obſtſorten muß man vor ihm ſchützen und erreicht dieſen Zweck einfach dadurch, daß
man, ſobald man den Unfug wahrnimmt, den Stamm mit Tabakſaft oder Steinöl beſtreicht. Hühner-
häuſer und Taubenſchläge muß man aber durch feſtes Verſchließen vor ihm bewahren und dabei bedacht
ſein, jedes nur halbwegs große Rattenloch zu ſtopfen, weil er, wie bemerkt, die Kunſt verſteht, ſich
durch unglaublich kleine Löcher zu drängen. Außer dem Schaden, welchen er den Geflügelbeſitzern
anrichtet, wird er noch beſonders deshalb ſehr läſtig, weil er die bedrohten Thiere ſo erſchreckt, daß ſie,
d. h. die glücklich entkommenen, lange Zeit gar nicht wieder in den Stall gehen wollen.

Gewöhnlich beginnt die Rollzeit drei Wochen ſpäter, als die des Edelmarders, meiſt zu Ende
Februars. Dann hört man, noch öfters als ſonſt, das katzenartige Miauen des Thieres und wohl
auch ein merkwürdiges Murren und Zanken auf den Dächern, wo ſich ein paar verliebte Männchen
gehörig herumbalgen. Jm April oder Mai wirft das Weibchen drei bis fünf Junge, welche ſehr leicht
gezähmt werden können und ſich an die verſchiedenartigſte Koſt gewöhnen laſſen. Ein ſäugendes
Weibchen, welches Lenz beſaß, machte gar keine Umſtände, ſondern verſorgte ſein Junges vor Aller
Augen ganz ruhig. Das kleine Thierchen kreiſchte oft laut, wenn es hungrig oder mißvergnügt war,
roch auch, wenn es von der Alten nicht rein gehalten wurde, nach Biſam, während Lenz an dem
alten Weibchen nur wenig Biſamgeruch wahrnehmen konnte. Mit zunehmendem Alter riechen die Männ-
chen ſo ſtark nach Biſam, daß man es kaum in der Stube aushalten kann. Zuweilen hat man junge
Steinmarder durch Katzen aufziehen laſſen, weil dieſe ſich, wie ich oben mitgetheilt habe, gern einem
ſo auffallendem Pflegegeſchäft hingeben. Solche Junge werden dann ſehr zahm und zu förmlichen
Hausthieren. Sie gehen aus und ein, verunglücken aber faſt alle früher oder ſpäter, weil ſie ihre
Räubereien doch nicht laſſen können. So hatte ein Schuhmacher einen jungen Steinmarder auf-
gezogen und gezähmt. Ungeachtet das Thier hinlänglich Nahrung erhielt, konnte es doch ſein natür-
liches Weſen nicht verläugnen und verübte zahlreiche Verbrechen an Eigenthum und Leben. Seine
Streifereien ermüdeten ſehr bald die Geduld der Nachbarn unſers Thierfreundes, und eines ſchönen
Tages wurde das ihm ſehr theure Weſen durch allgemeinen Beſchluß feierlich zum Tode verurtheilt
und dieſer Richterſpruch auch ausgeführt.

Selbſt alt eingefangene Thiere erreichen einen gewiſſen Grad von Zähmung. Jn Schottland fing
man einmal einen Steinmarder auf ſehr ſonderbare Weiſe. Lange Zeit hatte der ungebetene Gaſt in
einem Gebirgsdorfe gehauſt und dort an dem Hühnergeſchlecht namenloſe Schandthaten verübt. Es
gab keinen einzigen Hühnerſtall im Dorfe, in welchem nicht Wehklage über ihn erhoben worden
wäre: da entdeckte man ſeinen Aufenthaltsort. Mit Hilfe von guten Hunden trieb man ihn endlich
aus der einſamen Scheuer, ſeiner Räuberhöhle, fort und ins Freie. Vergebens verſuchte er alle Liſt
und Gewandtheit, den Hunden zu entgehen. Sie kamen ihm näher und näher und hatten ihn, als er
zum Rande eines Abgrunds gekommen war, beinahe gefaßt. Da entſchloß er ſich kurz und ſprang mit
einem einzigen kühnen Satze in die wohl hundert Fuß tiefe Schlucht hinab. Der Sturz war doch
zu heftig; er lag unten wie todt und rührte und regte ſich nicht. Seine Verfolger waren der feſten
Ueberzeugung, daß er ſich zerſchellt habe. Des Felles wegen ſtieg einer der Leute hinab und hob den
Verunglückten auf. Plötzlich begann Dieſer, von neuem ſich zu regen, und gab ſeinem Fänger auch
ſofort mit einem gehörigen Biſſe das deutlichſte Zeichen ſeines wiedererlangten Bewußtſeins. Gleich-

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[531/0605] Beſchreibung. Lebensweiſe. Zähmung. engſten Ritzen zu zwängen; kurz er iſt eines der begabteſten Raubthiere, welche es geben kann. Seine Nahrung iſt deshalb auch faſt dieſelbe, wie die des vorhergehenden; gleichwohl wird er weit ſchädlicher, als der Edelmarder, weil er eben viel mehr Gelegenheit findet, dem Menſchen empfindliche Verluſte beizubringen. Wo er nur irgend kann, ſchleicht er ſich in die Wohnungen des Hausgeflügels ein und würgt hier mit einer Mordluſt und Grauſamkeit ohne Gleichen. Nicht ſelten findet man zehn bis zwölf, ja ſelbſt zwanzig Stück todtes Geflügel, welches er in einer einzigen Nacht umgebracht hat. Außerdem fängt er Mäuſe, Ratten, Kaninchen, allerhand Vögel und, wenn er im Walde jagt, auch Eichhörnchen und Lurche. Eier ſcheinen für ihn ein Leckerbiſſen zu ſein, und auch an Früchten aller Art, Kirſchen, Pflaumen, Birnen und Stachelbeeren, Vogelbeeren, Hauf und dergleichen findet er Gefallen. Gute Obſtſorten muß man vor ihm ſchützen und erreicht dieſen Zweck einfach dadurch, daß man, ſobald man den Unfug wahrnimmt, den Stamm mit Tabakſaft oder Steinöl beſtreicht. Hühner- häuſer und Taubenſchläge muß man aber durch feſtes Verſchließen vor ihm bewahren und dabei bedacht ſein, jedes nur halbwegs große Rattenloch zu ſtopfen, weil er, wie bemerkt, die Kunſt verſteht, ſich durch unglaublich kleine Löcher zu drängen. Außer dem Schaden, welchen er den Geflügelbeſitzern anrichtet, wird er noch beſonders deshalb ſehr läſtig, weil er die bedrohten Thiere ſo erſchreckt, daß ſie, d. h. die glücklich entkommenen, lange Zeit gar nicht wieder in den Stall gehen wollen. Gewöhnlich beginnt die Rollzeit drei Wochen ſpäter, als die des Edelmarders, meiſt zu Ende Februars. Dann hört man, noch öfters als ſonſt, das katzenartige Miauen des Thieres und wohl auch ein merkwürdiges Murren und Zanken auf den Dächern, wo ſich ein paar verliebte Männchen gehörig herumbalgen. Jm April oder Mai wirft das Weibchen drei bis fünf Junge, welche ſehr leicht gezähmt werden können und ſich an die verſchiedenartigſte Koſt gewöhnen laſſen. Ein ſäugendes Weibchen, welches Lenz beſaß, machte gar keine Umſtände, ſondern verſorgte ſein Junges vor Aller Augen ganz ruhig. Das kleine Thierchen kreiſchte oft laut, wenn es hungrig oder mißvergnügt war, roch auch, wenn es von der Alten nicht rein gehalten wurde, nach Biſam, während Lenz an dem alten Weibchen nur wenig Biſamgeruch wahrnehmen konnte. Mit zunehmendem Alter riechen die Männ- chen ſo ſtark nach Biſam, daß man es kaum in der Stube aushalten kann. Zuweilen hat man junge Steinmarder durch Katzen aufziehen laſſen, weil dieſe ſich, wie ich oben mitgetheilt habe, gern einem ſo auffallendem Pflegegeſchäft hingeben. Solche Junge werden dann ſehr zahm und zu förmlichen Hausthieren. Sie gehen aus und ein, verunglücken aber faſt alle früher oder ſpäter, weil ſie ihre Räubereien doch nicht laſſen können. So hatte ein Schuhmacher einen jungen Steinmarder auf- gezogen und gezähmt. Ungeachtet das Thier hinlänglich Nahrung erhielt, konnte es doch ſein natür- liches Weſen nicht verläugnen und verübte zahlreiche Verbrechen an Eigenthum und Leben. Seine Streifereien ermüdeten ſehr bald die Geduld der Nachbarn unſers Thierfreundes, und eines ſchönen Tages wurde das ihm ſehr theure Weſen durch allgemeinen Beſchluß feierlich zum Tode verurtheilt und dieſer Richterſpruch auch ausgeführt. Selbſt alt eingefangene Thiere erreichen einen gewiſſen Grad von Zähmung. Jn Schottland fing man einmal einen Steinmarder auf ſehr ſonderbare Weiſe. Lange Zeit hatte der ungebetene Gaſt in einem Gebirgsdorfe gehauſt und dort an dem Hühnergeſchlecht namenloſe Schandthaten verübt. Es gab keinen einzigen Hühnerſtall im Dorfe, in welchem nicht Wehklage über ihn erhoben worden wäre: da entdeckte man ſeinen Aufenthaltsort. Mit Hilfe von guten Hunden trieb man ihn endlich aus der einſamen Scheuer, ſeiner Räuberhöhle, fort und ins Freie. Vergebens verſuchte er alle Liſt und Gewandtheit, den Hunden zu entgehen. Sie kamen ihm näher und näher und hatten ihn, als er zum Rande eines Abgrunds gekommen war, beinahe gefaßt. Da entſchloß er ſich kurz und ſprang mit einem einzigen kühnen Satze in die wohl hundert Fuß tiefe Schlucht hinab. Der Sturz war doch zu heftig; er lag unten wie todt und rührte und regte ſich nicht. Seine Verfolger waren der feſten Ueberzeugung, daß er ſich zerſchellt habe. Des Felles wegen ſtieg einer der Leute hinab und hob den Verunglückten auf. Plötzlich begann Dieſer, von neuem ſich zu regen, und gab ſeinem Fänger auch ſofort mit einem gehörigen Biſſe das deutlichſte Zeichen ſeines wiedererlangten Bewußtſeins. Gleich- 34*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/605>, abgerufen am 24.11.2024.