Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Die Affen. Waldmenschen. -- Gorilla. kühnen Seefahrer die Sierra-Leona bereits hinter sich, als Dieses geschah. Jener Hanno nunhinterließ uns in seinem Berichte eine Mittheilung, welche auch für uns von großer Wichtigkeit ist. Die betreffende Stelle lautet: "Am dritten Tage, als wir von dort gesegelt waren und die Feuer- ströme durchschifft hatten, kamen wir zu einem Busen, das Südhorn genannt. Jm Hintergrunde war ein Eiland mit einem See und in diesem wieder eine Jnsel, auf welcher sich wilde Menschen befanden. Die Mehrzahl derselben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetscher nannten sie Gorillas. Die Männchen konnten wir nicht erreichen, als wir sie verfolgten; sie entkamen leicht, da sie Abgründe durchkletterten und sich mit Felsstücken vertheidigten. Wir erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir dieselben nicht fortbringen, weil sie bissen und kratzten. Deshalb mußten wir sie tödten; wir zogen sie aber ab und schickten das abgestreifte Fell nach Karthago." -- Die Häute wurden dort später, wie Plinius berichtet, im Tempel der Juno aufbewahrt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno mit den wilden, behaarten Menschen nur Der Gorilla bewohnt diejenigen Länder an der Westküste von Afrika, welche vom Gleicher Hanno hatte so Unrecht nicht, wenn er in diesem merkwürdigen Thiere einen Menschen zu er- Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla. kühnen Seefahrer die Sierra-Leona bereits hinter ſich, als Dieſes geſchah. Jener Hanno nunhinterließ uns in ſeinem Berichte eine Mittheilung, welche auch für uns von großer Wichtigkeit iſt. Die betreffende Stelle lautet: „Am dritten Tage, als wir von dort geſegelt waren und die Feuer- ſtröme durchſchifft hatten, kamen wir zu einem Buſen, das Südhorn genannt. Jm Hintergrunde war ein Eiland mit einem See und in dieſem wieder eine Jnſel, auf welcher ſich wilde Menſchen befanden. Die Mehrzahl derſelben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetſcher nannten ſie Gorillas. Die Männchen konnten wir nicht erreichen, als wir ſie verfolgten; ſie entkamen leicht, da ſie Abgründe durchkletterten und ſich mit Felsſtücken vertheidigten. Wir erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir dieſelben nicht fortbringen, weil ſie biſſen und kratzten. Deshalb mußten wir ſie tödten; wir zogen ſie aber ab und ſchickten das abgeſtreifte Fell nach Karthago.‟ — Die Häute wurden dort ſpäter, wie Plinius berichtet, im Tempel der Juno aufbewahrt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno mit den wilden, behaarten Menſchen nur Der Gorilla bewohnt diejenigen Länder an der Weſtküſte von Afrika, welche vom Gleicher Hanno hatte ſo Unrecht nicht, wenn er in dieſem merkwürdigen Thiere einen Menſchen zu er- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Affen.</hi> Waldmenſchen. — <hi rendition="#g">Gorilla.</hi></fw><lb/> kühnen Seefahrer die <hi rendition="#g">Sierra-Leona</hi> bereits hinter ſich, als Dieſes geſchah. Jener <hi rendition="#g">Hanno</hi> nun<lb/> hinterließ uns in ſeinem Berichte eine Mittheilung, welche auch für uns von großer Wichtigkeit iſt.<lb/> Die betreffende Stelle lautet: „Am dritten Tage, als wir von dort geſegelt waren und die Feuer-<lb/> ſtröme durchſchifft hatten, kamen wir zu einem Buſen, das <hi rendition="#g">Südhorn</hi> genannt. 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Jedermann hielt ſie für<lb/> Fabeln, für Gebilde der Einbildungskraft unkundiger Eingeborener jener Gegenden, welche an den<lb/> Europäern willige Gläubige gefunden hätten, bis endlich die fabelhaften Affen ſelbſt in Fleiſch und<lb/> Bein, wenn auch nur todt, in Europa ankamen. Lange Zeit glaubte man, daß dieſer Affe nur ein<lb/> ſehr alter <hi rendition="#g">Schimpanſe</hi> ſei; die genauere Unterſuchung jedoch hat durchgreifende Unterſchiede zwiſchen<lb/> beiden Arten feſtgeſtellt und berechtigt die Forſcher, ihn als eigene Art anzuerkennen.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Gorilla</hi> bewohnt diejenigen Länder an der Weſtküſte von Afrika, welche vom Gleicher<lb/> etwa bis zum 10° oder 15° ſüdlicher Breite reichen und von den Flüſſen <hi rendition="#g">Gabun</hi> und <hi rendition="#g">Danger</hi><lb/> durchſchnitten ſind. <hi rendition="#g">Savage</hi> erhielt ſeine erſten Nachrichten von den <hi rendition="#g">Mapongwe-</hi>Negern, welche<lb/> beide Uſer des Gabun, von der Mündung an einige funfzig oder ſechzig Meilen landeinwärts, be-<lb/> wohnen. 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Der Schädel<lb/> iſt ſtark und umfänglich, das nackte, dunkelbraune oder ſchwarze Geſicht breit und groß ohne Wangen-<lb/> wülſte, die Naſe platt, die Schnauze vorſtehend, die Unterlippe ſehr beweglich und verlängerbar.<lb/> Ein furchtbares Gebiß und gewaltige, mit rieſengroßen Daumen bewehrte Hände, kennzeichnen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0064]
Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla.
kühnen Seefahrer die Sierra-Leona bereits hinter ſich, als Dieſes geſchah. Jener Hanno nun
hinterließ uns in ſeinem Berichte eine Mittheilung, welche auch für uns von großer Wichtigkeit iſt.
Die betreffende Stelle lautet: „Am dritten Tage, als wir von dort geſegelt waren und die Feuer-
ſtröme durchſchifft hatten, kamen wir zu einem Buſen, das Südhorn genannt. Jm Hintergrunde
war ein Eiland mit einem See und in dieſem wieder eine Jnſel, auf welcher ſich wilde Menſchen
befanden. Die Mehrzahl derſelben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetſcher
nannten ſie Gorillas. Die Männchen konnten wir nicht erreichen, als wir ſie verfolgten;
ſie entkamen leicht, da ſie Abgründe durchkletterten und ſich mit Felsſtücken vertheidigten. Wir
erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir dieſelben nicht fortbringen, weil ſie biſſen und
kratzten. Deshalb mußten wir ſie tödten; wir zogen ſie aber ab und ſchickten das abgeſtreifte
Fell nach Karthago.‟ — Die Häute wurden dort ſpäter, wie Plinius berichtet, im Tempel der
Juno aufbewahrt.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno mit den wilden, behaarten Menſchen nur
Affen meinen kann. Zwar iſt es ſchwer zu urtheilen, ob der Waldmenſch, welchen die Karthager
ſahen, gerade dieſer Affe, oder ob er unſer Schimpanſe war, aber für uns iſt Dies vollkommen
gleichgiltig. Der Heidenprediger Savage, welcher im Jahr 1847 den gewaltigen Affen am
Gabun fluſſe entdeckte, iſt jedenfalls in ſeinem unbeſtreitbarem Rechte, wenn er dem noch unbekannten
Waldmenſchen einen geſchichtlichen Namen verlieh. Mit der von Savage gemachten Entdeckung
beſtätigen ſich die Gerüchte, welche im Laufe von zweitauſend Jahren wiederholt auftauchten und von
Wäldern berichteten, in denen Satirn oder wilde Menſchen wohnen ſollten. Jedermann hielt ſie für
Fabeln, für Gebilde der Einbildungskraft unkundiger Eingeborener jener Gegenden, welche an den
Europäern willige Gläubige gefunden hätten, bis endlich die fabelhaften Affen ſelbſt in Fleiſch und
Bein, wenn auch nur todt, in Europa ankamen. Lange Zeit glaubte man, daß dieſer Affe nur ein
ſehr alter Schimpanſe ſei; die genauere Unterſuchung jedoch hat durchgreifende Unterſchiede zwiſchen
beiden Arten feſtgeſtellt und berechtigt die Forſcher, ihn als eigene Art anzuerkennen.
Der Gorilla bewohnt diejenigen Länder an der Weſtküſte von Afrika, welche vom Gleicher
etwa bis zum 10° oder 15° ſüdlicher Breite reichen und von den Flüſſen Gabun und Danger
durchſchnitten ſind. Savage erhielt ſeine erſten Nachrichten von den Mapongwe-Negern, welche
beide Uſer des Gabun, von der Mündung an einige funfzig oder ſechzig Meilen landeinwärts, be-
wohnen. Wahrſcheinlich blieb anderen Europäern, welche den Fluß beſucht hatten, der große Affe
blos aus dem Grunde unbekannt, weil er nicht nahe an die Küſte kommt, vielmehr erſt im Jnnern
des Landes angetroffen wird. Doch ſpricht ſchon Bodwich, ein wohlbekannter Afrikareiſen-
der, von einem furchtbaren Affen der Weſtküſte Afrikas, welcher den Landesnamen „Jngina‟
(Jngheena) trage.
Hanno hatte ſo Unrecht nicht, wenn er in dieſem merkwürdigen Thiere einen Menſchen zu er-
blicken glaubte; denn wirklich ſteht der Gorilla dem Menſchen unter allen Thieren am nächſten,
trotzdem daß er, wie der Schimpanfe, 13 Rippenpaare beſitzt, während der Orang-Utang ebenſo,
wie der Menſch, nur 12 Paare hat. Auf den erſten Anblick hin will es freilich ſcheinen, als ob er
weit mehr Vieh ſei, als der mildere Schimpanſe; die genauere Vergleichung jedoch läßt keinen Zwei-
fel über ſeine hohe Stellung zu. Der Gorilla iſt nicht nur der größte und ſtärkſte aller Affen,
ſondern auch derjenige, welcher die höchſte leibliche Ausbildung erreicht hat. Seine Länge vom
Scheitel bis zur Sohle beträgt 5½ Fuß, die Breite ſeiner Schultern 3 Fuß, die Länge ſeiner
Vorderglieder 3 Fuß 4 Zoll, die der Hinterglieder 2 Fuß 4 Zoll, die Länge des Rumpfes und
Kopfes zuſammen 3 Fuß 6 Zoll, ½ Fuß mehr als beim Menſchen. Der Körper iſt außerordent-
lich ſtark und kräftig, und die Vorderarme erreichen die Stärke eines Mannsſchenkels. Der Schädel
iſt ſtark und umfänglich, das nackte, dunkelbraune oder ſchwarze Geſicht breit und groß ohne Wangen-
wülſte, die Naſe platt, die Schnauze vorſtehend, die Unterlippe ſehr beweglich und verlängerbar.
Ein furchtbares Gebiß und gewaltige, mit rieſengroßen Daumen bewehrte Hände, kennzeichnen
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