Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Jagd auf ihn. Zähmung. kleine Junge. Gewöhnlich aber fällt die Paarungszeit in das Ende des Februar oder den Anfangdes März. Männchen und Weibchen locken sich dann durch einen starken, anhaltenden Pfiff gegenseitig herbei und spielen gar allerliebst mit einander im Wasser umher. Sie verfolgen einander, necken und foppen sich; das Weibchen entflieht spröde, und das Männchen wird immer ungestümer, bis ihm endlich Sieg und Gewähr zum Lohne wird. Neun Wochen nach der Paarungszeit, bei uns gewöhnlich im Mai, wirft das Weibchen in einem sichern, d. h. unter alten Bäumen oder starken Wurzeln gelegenen Uferbau, zwei bis vier blinde Junge auf ein weiches und warmes Graspolster. Die Mutter liebt diese zärtlich und pflegt sie mit der größten Sorgfalt. Aengstlich sucht sie das Lager zu ver- bergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe desselben irgend eine Spur von ihrem Raube oder ihrer Losung zurückzulassen. Letztere setzt sie blos auf Steine und Stöcke, welche aus dem Wasser hervorragen, ab, niemals im Wasser, welches sie fortführen und dadurch verrathen könnte! Nach etwa neun bis zehn Tagen öffnen die niedlichen Kleinen ihre Augen, und nach Verlauf von acht Wochen werden sie von der Mutter auf den Fischfang ausgeführt. Sie bleiben nun noch etwa ein halbes Jahr lang unter Aufsicht der Alten und werden von ihr in allen Künsten des Gewerbes gehörig unterrichtet. Jm dritten Jahre sind sie erwachsen, oder wenigstens zur Fort- pflanzung fähig. Junge, aus dem Nest genommene und mit Milch und Brod aufgezogene Fischottern können Mein Bruder und ich erhielten in Spanien, wo der Fischotter überall häufig ist, einmal drei Jagd auf ihn. Zähmung. kleine Junge. Gewöhnlich aber fällt die Paarungszeit in das Ende des Februar oder den Anfangdes März. Männchen und Weibchen locken ſich dann durch einen ſtarken, anhaltenden Pfiff gegenſeitig herbei und ſpielen gar allerliebſt mit einander im Waſſer umher. Sie verfolgen einander, necken und foppen ſich; das Weibchen entflieht ſpröde, und das Männchen wird immer ungeſtümer, bis ihm endlich Sieg und Gewähr zum Lohne wird. Neun Wochen nach der Paarungszeit, bei uns gewöhnlich im Mai, wirft das Weibchen in einem ſichern, d. h. unter alten Bäumen oder ſtarken Wurzeln gelegenen Uferbau, zwei bis vier blinde Junge auf ein weiches und warmes Graspolſter. Die Mutter liebt dieſe zärtlich und pflegt ſie mit der größten Sorgfalt. Aengſtlich ſucht ſie das Lager zu ver- bergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe deſſelben irgend eine Spur von ihrem Raube oder ihrer Loſung zurückzulaſſen. Letztere ſetzt ſie blos auf Steine und Stöcke, welche aus dem Waſſer hervorragen, ab, niemals im Waſſer, welches ſie fortführen und dadurch verrathen könnte! Nach etwa neun bis zehn Tagen öffnen die niedlichen Kleinen ihre Augen, und nach Verlauf von acht Wochen werden ſie von der Mutter auf den Fiſchfang ausgeführt. Sie bleiben nun noch etwa ein halbes Jahr lang unter Aufſicht der Alten und werden von ihr in allen Künſten des Gewerbes gehörig unterrichtet. Jm dritten Jahre ſind ſie erwachſen, oder wenigſtens zur Fort- pflanzung fähig. Junge, aus dem Neſt genommene und mit Milch und Brod aufgezogene Fiſchottern können Mein Bruder und ich erhielten in Spanien, wo der Fiſchotter überall häufig iſt, einmal drei <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0643" n="567"/><fw place="top" type="header">Jagd auf ihn. Zähmung.</fw><lb/> kleine Junge. Gewöhnlich aber fällt die Paarungszeit in das Ende des Februar oder den Anfang<lb/> des März. Männchen und Weibchen locken ſich dann durch einen ſtarken, anhaltenden Pfiff gegenſeitig<lb/> herbei und ſpielen gar allerliebſt mit einander im Waſſer umher. Sie verfolgen einander, necken und<lb/> foppen ſich; das Weibchen entflieht ſpröde, und das Männchen wird immer ungeſtümer, bis ihm<lb/> endlich Sieg und Gewähr zum Lohne wird. Neun Wochen nach der Paarungszeit, bei uns gewöhnlich<lb/> im Mai, wirft das Weibchen in einem ſichern, d. h. unter alten Bäumen oder ſtarken Wurzeln<lb/> gelegenen Uferbau, zwei bis vier blinde Junge auf ein weiches und warmes Graspolſter. Die Mutter<lb/> liebt dieſe zärtlich und pflegt ſie mit der größten Sorgfalt. Aengſtlich ſucht ſie das Lager zu ver-<lb/> bergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe deſſelben irgend eine Spur von<lb/> ihrem Raube oder ihrer Loſung zurückzulaſſen. Letztere ſetzt ſie blos auf Steine und Stöcke, welche<lb/> aus dem Waſſer hervorragen, ab, niemals im Waſſer, welches ſie fortführen und dadurch verrathen<lb/> könnte! Nach etwa neun bis zehn Tagen öffnen die niedlichen Kleinen ihre Augen, und nach Verlauf<lb/> von acht Wochen werden ſie von der Mutter auf den Fiſchfang ausgeführt. Sie bleiben nun noch<lb/> etwa ein halbes Jahr lang unter Aufſicht der Alten und werden von ihr in allen Künſten des<lb/> Gewerbes gehörig unterrichtet. Jm dritten Jahre ſind ſie erwachſen, oder wenigſtens zur Fort-<lb/> pflanzung fähig.</p><lb/> <p>Junge, aus dem Neſt genommene und mit Milch und Brod aufgezogene Fiſchottern können<lb/> ſehr zahm werden. Die ſchlauen Chineſen benutzen eine Art dieſer Thiere ganz regelmäßig zum<lb/> Fiſchfang für ihre Rechnung, und auch bei uns zu Lande hat man mehrmals Fiſchottern zu demſelben<lb/> Zwecke abgerichtet. Ein zahmer Fiſchotter iſt ein ſehr niedliches und gemüthliches Thier. Seinen<lb/> Herrn lernt er bald kennen und folgt ihm zuletzt wie ein treuer Hund auf Schritt und Tritt nach. Er<lb/> gewöhnt ſich faſt lieber an Milch- und Pflanzenkoſt, als an Fleiſchſpeiſe, und kann dahin gebracht<lb/> werden, die Fiſche gar nicht anzurühren. Auch Frauen haben ſich mit der Zähmung der Fiſchottern<lb/> abgegeben, und Dies iſt gewiß ein Beweis von der Liebenswürdigkeit dieſer Geſchöpfe. Erſt vor<lb/> Kurzem erhielt mein Vater eine ausführliche Beſchreibung über das Betragen eines Fiſchotters in der<lb/> Gefangenſchaft von einem Fräulein, welches den Verluſt ihres Lieblings heute noch bedauert. Die<lb/> Dame hatte das junge Thier mit Milch aufgezogen und ſo an ſich gewöhnt, daß es ihr überall<lb/> nachlief und, ſobald es konnte, an ihrem Kleid emporſtieg, um ſich in ihren Schos zu legen. Der<lb/> Otter ſpielte mit ſeiner Herrin oder in drolliger Weiſe mit ſich ſelbſt. Er ſuchte ſich einen zu<lb/> dieſem Zweck hingelegten Pelz auf, wälzte ſich auf demſelben herum, legte ſich auf den Rücken,<lb/> haſchte nach dem Schwanze, biß ſich in die Vorderpfoten und ſpielte ſolange, bis er ſich ſelbſt in<lb/> Schlummer wiegte. Die Dame konnte mit ihm machen, was ſie wollte. „So ſehr ich das liebe<lb/> Thierchen‟, ſchreibt ſie, „mit meinen Liebkoſungen plagte, ſo ruhig duldete es dieſelben. Jch legte es<lb/> minutenlang um meinen Hals, dann auf den Rücken, ergriff es mit beiden Händen und vergrub mein<lb/> Geſicht in ſeinem Fellchen; dann hielt ich es unter den Vorderfüßen umfaßt, und drehte es wie einen<lb/> Quirl herum; alles Dieſes ließ es ſich geduldig gefallen. — Nur wenn ich es von mir that, bekam es<lb/> wieder eigenen Willen, den es dadurch kund gab, daß es an mir in die Höhe zu klettern ſuchte. Da-<lb/> durch hatte es ſich einige Male unangenehm gemacht, indem es dann in mein Kleid biß, wodurch<lb/> ſofort Löcher entſtanden, welche, weil ich ſie nicht ſogleich bemerkte, oft zu einer bedeutenden Größe<lb/> herauwuchſen. Mit dieſem Beißen und ſeinen ſchmuzigen Pfötchen konnte es mich recht plagen;<lb/> denn nie blieb ein Unterkleid einen Tag lang ſauber. Jch konnte aber doch nicht umhin, das Thierchen<lb/> ſchlafen zu laſſen, wo es wünſchte. So wurde unſere Liebe gegenſeitig und immer inniger, je größer<lb/> und verſtändiger der Otter wurde.‟</p><lb/> <p>Mein Bruder und ich erhielten in Spanien, wo der Fiſchotter überall häufig iſt, einmal drei<lb/> Junge und hatten ſie zu unſerer größten Freude ſchon nach wenigen Tagen ſo gezähmt, daß wir<lb/> alles Mögliche mit ihnen anfangen konnten. Unſer unſtetes Jägerleben geſtattete uns leider nicht,<lb/> die angenehmen Geſchöpfe ſo zu pflegen, wie wir wünſchten. Sie verſchieden nach und nach auf<lb/> der Reiſe.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [567/0643]
Jagd auf ihn. Zähmung.
kleine Junge. Gewöhnlich aber fällt die Paarungszeit in das Ende des Februar oder den Anfang
des März. Männchen und Weibchen locken ſich dann durch einen ſtarken, anhaltenden Pfiff gegenſeitig
herbei und ſpielen gar allerliebſt mit einander im Waſſer umher. Sie verfolgen einander, necken und
foppen ſich; das Weibchen entflieht ſpröde, und das Männchen wird immer ungeſtümer, bis ihm
endlich Sieg und Gewähr zum Lohne wird. Neun Wochen nach der Paarungszeit, bei uns gewöhnlich
im Mai, wirft das Weibchen in einem ſichern, d. h. unter alten Bäumen oder ſtarken Wurzeln
gelegenen Uferbau, zwei bis vier blinde Junge auf ein weiches und warmes Graspolſter. Die Mutter
liebt dieſe zärtlich und pflegt ſie mit der größten Sorgfalt. Aengſtlich ſucht ſie das Lager zu ver-
bergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe deſſelben irgend eine Spur von
ihrem Raube oder ihrer Loſung zurückzulaſſen. Letztere ſetzt ſie blos auf Steine und Stöcke, welche
aus dem Waſſer hervorragen, ab, niemals im Waſſer, welches ſie fortführen und dadurch verrathen
könnte! Nach etwa neun bis zehn Tagen öffnen die niedlichen Kleinen ihre Augen, und nach Verlauf
von acht Wochen werden ſie von der Mutter auf den Fiſchfang ausgeführt. Sie bleiben nun noch
etwa ein halbes Jahr lang unter Aufſicht der Alten und werden von ihr in allen Künſten des
Gewerbes gehörig unterrichtet. Jm dritten Jahre ſind ſie erwachſen, oder wenigſtens zur Fort-
pflanzung fähig.
Junge, aus dem Neſt genommene und mit Milch und Brod aufgezogene Fiſchottern können
ſehr zahm werden. Die ſchlauen Chineſen benutzen eine Art dieſer Thiere ganz regelmäßig zum
Fiſchfang für ihre Rechnung, und auch bei uns zu Lande hat man mehrmals Fiſchottern zu demſelben
Zwecke abgerichtet. Ein zahmer Fiſchotter iſt ein ſehr niedliches und gemüthliches Thier. Seinen
Herrn lernt er bald kennen und folgt ihm zuletzt wie ein treuer Hund auf Schritt und Tritt nach. Er
gewöhnt ſich faſt lieber an Milch- und Pflanzenkoſt, als an Fleiſchſpeiſe, und kann dahin gebracht
werden, die Fiſche gar nicht anzurühren. Auch Frauen haben ſich mit der Zähmung der Fiſchottern
abgegeben, und Dies iſt gewiß ein Beweis von der Liebenswürdigkeit dieſer Geſchöpfe. Erſt vor
Kurzem erhielt mein Vater eine ausführliche Beſchreibung über das Betragen eines Fiſchotters in der
Gefangenſchaft von einem Fräulein, welches den Verluſt ihres Lieblings heute noch bedauert. Die
Dame hatte das junge Thier mit Milch aufgezogen und ſo an ſich gewöhnt, daß es ihr überall
nachlief und, ſobald es konnte, an ihrem Kleid emporſtieg, um ſich in ihren Schos zu legen. Der
Otter ſpielte mit ſeiner Herrin oder in drolliger Weiſe mit ſich ſelbſt. Er ſuchte ſich einen zu
dieſem Zweck hingelegten Pelz auf, wälzte ſich auf demſelben herum, legte ſich auf den Rücken,
haſchte nach dem Schwanze, biß ſich in die Vorderpfoten und ſpielte ſolange, bis er ſich ſelbſt in
Schlummer wiegte. Die Dame konnte mit ihm machen, was ſie wollte. „So ſehr ich das liebe
Thierchen‟, ſchreibt ſie, „mit meinen Liebkoſungen plagte, ſo ruhig duldete es dieſelben. Jch legte es
minutenlang um meinen Hals, dann auf den Rücken, ergriff es mit beiden Händen und vergrub mein
Geſicht in ſeinem Fellchen; dann hielt ich es unter den Vorderfüßen umfaßt, und drehte es wie einen
Quirl herum; alles Dieſes ließ es ſich geduldig gefallen. — Nur wenn ich es von mir that, bekam es
wieder eigenen Willen, den es dadurch kund gab, daß es an mir in die Höhe zu klettern ſuchte. Da-
durch hatte es ſich einige Male unangenehm gemacht, indem es dann in mein Kleid biß, wodurch
ſofort Löcher entſtanden, welche, weil ich ſie nicht ſogleich bemerkte, oft zu einer bedeutenden Größe
herauwuchſen. Mit dieſem Beißen und ſeinen ſchmuzigen Pfötchen konnte es mich recht plagen;
denn nie blieb ein Unterkleid einen Tag lang ſauber. Jch konnte aber doch nicht umhin, das Thierchen
ſchlafen zu laſſen, wo es wünſchte. So wurde unſere Liebe gegenſeitig und immer inniger, je größer
und verſtändiger der Otter wurde.‟
Mein Bruder und ich erhielten in Spanien, wo der Fiſchotter überall häufig iſt, einmal drei
Junge und hatten ſie zu unſerer größten Freude ſchon nach wenigen Tagen ſo gezähmt, daß wir
alles Mögliche mit ihnen anfangen konnten. Unſer unſtetes Jägerleben geſtattete uns leider nicht,
die angenehmen Geſchöpfe ſo zu pflegen, wie wir wünſchten. Sie verſchieden nach und nach auf
der Reiſe.
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