Die Raubthiere. Fischottern. -- Gemeiner Fischotter.
"Eiu Fischotter," sagt Winkell, "welcher unter der Pflege eines in Diensten meiner Familie stehenden Gärtners aufwuchs, befand sich, noch ehe er halbwüchsig wurde, nirgends so wohl, als in menschlicher Gesellschaft. Waren wir im Garten, so kam er zu uns, kletterte auf den Schos, verbarg sich vorzüglich gern an der Brust und guckte mit dem Köpfchen aus dem zugeknöpften Oberrock. Als er mehr heranwuchs, reichte ein einziges Mal Pfeifen nach Art des Otters, verbunden mit dem Rufe des ihm beigelegten Namens hin, um ihn sogar aus dem See, in welchem er sich gern mit Schwimmen vergnügte, heraus und zu uns zu locken. Bei sehr geringer Anweisung hatte er apportiren, auf- warten und nächstdem die Kunst, sich fünf bis sechs Mal über den Kopf zu kollern, gelernt und übte Dies sehr willig und zu unserer Freude aus."
"Beging er, was zuweilen geschah, eine Ungezogenheit, so war es für ihn die härteste Be- strafung, wenn er mit Wasser stark besprengt oder begossen ward, wenigstens fruchtete Dies mehr, als Schläge."
"Sein liebster Spielkamerad war ein ziemlich starker Dachshund, und sobald sich dieser im Garten nur blicken ließ, war auch gewiß gleich der Otter da, setzte sich ihm auf den Rücken und ritt gleichsam auf ihm spazieren. Zu anderen Zeiten zerrten sie sich spielend herum; bald lag der Dachs- hund oben, bald der Otter. War dieser recht bei Laune, so kicherte er dabei in Einem weg. Ging man mit dem Hunde in ziemlicher Entfernung vorüber und schien er nicht willens, seinen Freund zu besuchen, so lud dieser durch wiederholtes Pfeifen ihn ein. Jener folgte, wenn es sein Herr erlaubte, augenblicklich dem Rufe."
Die Abrichtung eines gezähmten Otters zum Fischfang ist ziemlich einfach. Das Thier bekommt in der Jugend niemals Fischfleisch zu essen und wird blos mit Milch und Brod erhalten. Nachdem er nun ziemlich erwachsen ist, wirft man ihm einen roh aus Leder nachgebildeten Fisch vor und sucht ihn dahin zu bringen, mit diesem Gegenstande zu spielen. Später wird der Lehrfisch in das Wasser geworfen und schließlich mit einem wirklichen, todten Fisch vertauscht. Nimmt der Otter einmal diesen auf, so wirft man denselben in das Wasser und läßt ihn von dort aus herausholen. Schließlich bringt man lebende Fische in einen großen Kübel und schickt den Otter dahinein. Von nun an hat man keine Schwierigkeiten mehr, den Ottter auch in größere Teiche, Seen oder Flüsse zu senden, und man kann ihn, wenn man die Geduld nicht verliert, soweit bringen, daß er in Gesellschaft eines Hundes sogar auf andere Jagd mitgeht und, sowie dieser, die über dem Wasser geschossenen Enten her- beiholt. Ja, man kennt Beispiele, daß er, wie der Hund, zur Bewachung der Hausgegenstände ver- wendet werden konnte. Namentlich die Engländer haben es in der Zähmung des Fischotters weit gebracht, wie sie überhaupt die Kunst am besten verstehen, mit Thieren umzugehen.
"Ein wohlbekannter Jäger," erzählt Wood, "besaß einen Otter, welcher vorzüglich abgerichtet war. Wenn er mit seinem Namen "Neptun" gerufen wurde, antwortete er augenblicklich und kam auf den Ruf herbei. Schon in der Jugend zeigte er sich außerordentlich verständig, und mit den Jahren nahm er in auffallender Weise an Gelehrigkeit und Zahmheit zu. Er lief frei herum und konnte fischen nach Belieben. Zuweilen verforgte er die Küche ganz allein mit dem Ergebnisse seiner Jagden, und häufig nahmen diese den größten Theil der Nacht in Anspruch. Am Morgen fand sich Neptun stets an seinem Posten, und jeder Fremde mußte sich dann verwundern, dieses Geschöpf unter den verschiedenen Vorstehe- und Windhunden zu erblicken, mit denen es in größter Freund- schaft lebte. Seine Jagdfertigkeit war so groß, daß sein Ruhm sich von Tag zu Tag vermehrte und mehr als einmal die Nachbarn des Besitzers zu dem Wunsche veranlaßte: man möge ihnen das Thier auf einen oder zwei Tage leihen, damit es ihnen eine Anzahl von guten Fischen verschaffe."
Richardson berichtet von einem andern Otter, welchen er gezähmt hatte. Er war ganz an ihn gewöhnt und folgte ihm bei seinen Spaziergängen wie ein Hund, in der anmuthigsten Weise neben ihm herspielend. Bei Ankunft an einem Gewässer sprang der Otter augenblicklich in die Wellen und schwamm nach seinem Belieben da herum. Trotz aller Anhänglichkeit und Freundschaft, welche er seinem Herrn bewies, konnte er doch niemals dahin gebracht werden, diesem seine gemachte Beute
Die Raubthiere. Fiſchottern. — Gemeiner Fiſchotter.
„Eiu Fiſchotter,‟ ſagt Winkell, „welcher unter der Pflege eines in Dienſten meiner Familie ſtehenden Gärtners aufwuchs, befand ſich, noch ehe er halbwüchſig wurde, nirgends ſo wohl, als in menſchlicher Geſellſchaft. Waren wir im Garten, ſo kam er zu uns, kletterte auf den Schos, verbarg ſich vorzüglich gern an der Bruſt und guckte mit dem Köpfchen aus dem zugeknöpften Oberrock. Als er mehr heranwuchs, reichte ein einziges Mal Pfeifen nach Art des Otters, verbunden mit dem Rufe des ihm beigelegten Namens hin, um ihn ſogar aus dem See, in welchem er ſich gern mit Schwimmen vergnügte, heraus und zu uns zu locken. Bei ſehr geringer Anweiſung hatte er apportiren, auf- warten und nächſtdem die Kunſt, ſich fünf bis ſechs Mal über den Kopf zu kollern, gelernt und übte Dies ſehr willig und zu unſerer Freude aus.‟
„Beging er, was zuweilen geſchah, eine Ungezogenheit, ſo war es für ihn die härteſte Be- ſtrafung, wenn er mit Waſſer ſtark beſprengt oder begoſſen ward, wenigſtens fruchtete Dies mehr, als Schläge.‟
„Sein liebſter Spielkamerad war ein ziemlich ſtarker Dachshund, und ſobald ſich dieſer im Garten nur blicken ließ, war auch gewiß gleich der Otter da, ſetzte ſich ihm auf den Rücken und ritt gleichſam auf ihm ſpazieren. Zu anderen Zeiten zerrten ſie ſich ſpielend herum; bald lag der Dachs- hund oben, bald der Otter. War dieſer recht bei Laune, ſo kicherte er dabei in Einem weg. Ging man mit dem Hunde in ziemlicher Entfernung vorüber und ſchien er nicht willens, ſeinen Freund zu beſuchen, ſo lud dieſer durch wiederholtes Pfeifen ihn ein. Jener folgte, wenn es ſein Herr erlaubte, augenblicklich dem Rufe.‟
Die Abrichtung eines gezähmten Otters zum Fiſchfang iſt ziemlich einfach. Das Thier bekommt in der Jugend niemals Fiſchfleiſch zu eſſen und wird blos mit Milch und Brod erhalten. Nachdem er nun ziemlich erwachſen iſt, wirft man ihm einen roh aus Leder nachgebildeten Fiſch vor und ſucht ihn dahin zu bringen, mit dieſem Gegenſtande zu ſpielen. Später wird der Lehrfiſch in das Waſſer geworfen und ſchließlich mit einem wirklichen, todten Fiſch vertauſcht. Nimmt der Otter einmal dieſen auf, ſo wirft man denſelben in das Waſſer und läßt ihn von dort aus herausholen. Schließlich bringt man lebende Fiſche in einen großen Kübel und ſchickt den Otter dahinein. Von nun an hat man keine Schwierigkeiten mehr, den Ottter auch in größere Teiche, Seen oder Flüſſe zu ſenden, und man kann ihn, wenn man die Geduld nicht verliert, ſoweit bringen, daß er in Geſellſchaft eines Hundes ſogar auf andere Jagd mitgeht und, ſowie dieſer, die über dem Waſſer geſchoſſenen Enten her- beiholt. Ja, man kennt Beiſpiele, daß er, wie der Hund, zur Bewachung der Hausgegenſtände ver- wendet werden konnte. Namentlich die Engländer haben es in der Zähmung des Fiſchotters weit gebracht, wie ſie überhaupt die Kunſt am beſten verſtehen, mit Thieren umzugehen.
„Ein wohlbekannter Jäger,‟ erzählt Wood, „beſaß einen Otter, welcher vorzüglich abgerichtet war. Wenn er mit ſeinem Namen „Neptun‟ gerufen wurde, antwortete er augenblicklich und kam auf den Ruf herbei. Schon in der Jugend zeigte er ſich außerordentlich verſtändig, und mit den Jahren nahm er in auffallender Weiſe an Gelehrigkeit und Zahmheit zu. Er lief frei herum und konnte fiſchen nach Belieben. Zuweilen verforgte er die Küche ganz allein mit dem Ergebniſſe ſeiner Jagden, und häufig nahmen dieſe den größten Theil der Nacht in Anſpruch. Am Morgen fand ſich Neptun ſtets an ſeinem Poſten, und jeder Fremde mußte ſich dann verwundern, dieſes Geſchöpf unter den verſchiedenen Vorſtehe- und Windhunden zu erblicken, mit denen es in größter Freund- ſchaft lebte. Seine Jagdfertigkeit war ſo groß, daß ſein Ruhm ſich von Tag zu Tag vermehrte und mehr als einmal die Nachbarn des Beſitzers zu dem Wunſche veranlaßte: man möge ihnen das Thier auf einen oder zwei Tage leihen, damit es ihnen eine Anzahl von guten Fiſchen verſchaffe.‟
Richardſon berichtet von einem andern Otter, welchen er gezähmt hatte. Er war ganz an ihn gewöhnt und folgte ihm bei ſeinen Spaziergängen wie ein Hund, in der anmuthigſten Weiſe neben ihm herſpielend. Bei Ankunft an einem Gewäſſer ſprang der Otter augenblicklich in die Wellen und ſchwamm nach ſeinem Belieben da herum. Trotz aller Anhänglichkeit und Freundſchaft, welche er ſeinem Herrn bewies, konnte er doch niemals dahin gebracht werden, dieſem ſeine gemachte Beute
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[568/0644]
Die Raubthiere. Fiſchottern. — Gemeiner Fiſchotter.
„Eiu Fiſchotter,‟ ſagt Winkell, „welcher unter der Pflege eines in Dienſten meiner Familie
ſtehenden Gärtners aufwuchs, befand ſich, noch ehe er halbwüchſig wurde, nirgends ſo wohl, als in
menſchlicher Geſellſchaft. Waren wir im Garten, ſo kam er zu uns, kletterte auf den Schos, verbarg
ſich vorzüglich gern an der Bruſt und guckte mit dem Köpfchen aus dem zugeknöpften Oberrock. Als
er mehr heranwuchs, reichte ein einziges Mal Pfeifen nach Art des Otters, verbunden mit dem Rufe
des ihm beigelegten Namens hin, um ihn ſogar aus dem See, in welchem er ſich gern mit Schwimmen
vergnügte, heraus und zu uns zu locken. Bei ſehr geringer Anweiſung hatte er apportiren, auf-
warten und nächſtdem die Kunſt, ſich fünf bis ſechs Mal über den Kopf zu kollern, gelernt und übte
Dies ſehr willig und zu unſerer Freude aus.‟
„Beging er, was zuweilen geſchah, eine Ungezogenheit, ſo war es für ihn die härteſte Be-
ſtrafung, wenn er mit Waſſer ſtark beſprengt oder begoſſen ward, wenigſtens fruchtete Dies mehr,
als Schläge.‟
„Sein liebſter Spielkamerad war ein ziemlich ſtarker Dachshund, und ſobald ſich dieſer im
Garten nur blicken ließ, war auch gewiß gleich der Otter da, ſetzte ſich ihm auf den Rücken und ritt
gleichſam auf ihm ſpazieren. Zu anderen Zeiten zerrten ſie ſich ſpielend herum; bald lag der Dachs-
hund oben, bald der Otter. War dieſer recht bei Laune, ſo kicherte er dabei in Einem weg. Ging
man mit dem Hunde in ziemlicher Entfernung vorüber und ſchien er nicht willens, ſeinen Freund
zu beſuchen, ſo lud dieſer durch wiederholtes Pfeifen ihn ein. Jener folgte, wenn es ſein Herr
erlaubte, augenblicklich dem Rufe.‟
Die Abrichtung eines gezähmten Otters zum Fiſchfang iſt ziemlich einfach. Das Thier bekommt
in der Jugend niemals Fiſchfleiſch zu eſſen und wird blos mit Milch und Brod erhalten. Nachdem
er nun ziemlich erwachſen iſt, wirft man ihm einen roh aus Leder nachgebildeten Fiſch vor und ſucht
ihn dahin zu bringen, mit dieſem Gegenſtande zu ſpielen. Später wird der Lehrfiſch in das Waſſer
geworfen und ſchließlich mit einem wirklichen, todten Fiſch vertauſcht. Nimmt der Otter einmal dieſen
auf, ſo wirft man denſelben in das Waſſer und läßt ihn von dort aus herausholen. Schließlich
bringt man lebende Fiſche in einen großen Kübel und ſchickt den Otter dahinein. Von nun an hat
man keine Schwierigkeiten mehr, den Ottter auch in größere Teiche, Seen oder Flüſſe zu ſenden, und
man kann ihn, wenn man die Geduld nicht verliert, ſoweit bringen, daß er in Geſellſchaft eines
Hundes ſogar auf andere Jagd mitgeht und, ſowie dieſer, die über dem Waſſer geſchoſſenen Enten her-
beiholt. Ja, man kennt Beiſpiele, daß er, wie der Hund, zur Bewachung der Hausgegenſtände ver-
wendet werden konnte. Namentlich die Engländer haben es in der Zähmung des Fiſchotters weit
gebracht, wie ſie überhaupt die Kunſt am beſten verſtehen, mit Thieren umzugehen.
„Ein wohlbekannter Jäger,‟ erzählt Wood, „beſaß einen Otter, welcher vorzüglich abgerichtet
war. Wenn er mit ſeinem Namen „Neptun‟ gerufen wurde, antwortete er augenblicklich und kam
auf den Ruf herbei. Schon in der Jugend zeigte er ſich außerordentlich verſtändig, und mit den
Jahren nahm er in auffallender Weiſe an Gelehrigkeit und Zahmheit zu. Er lief frei herum und
konnte fiſchen nach Belieben. Zuweilen verforgte er die Küche ganz allein mit dem Ergebniſſe ſeiner
Jagden, und häufig nahmen dieſe den größten Theil der Nacht in Anſpruch. Am Morgen fand
ſich Neptun ſtets an ſeinem Poſten, und jeder Fremde mußte ſich dann verwundern, dieſes Geſchöpf
unter den verſchiedenen Vorſtehe- und Windhunden zu erblicken, mit denen es in größter Freund-
ſchaft lebte. Seine Jagdfertigkeit war ſo groß, daß ſein Ruhm ſich von Tag zu Tag vermehrte
und mehr als einmal die Nachbarn des Beſitzers zu dem Wunſche veranlaßte: man möge ihnen das
Thier auf einen oder zwei Tage leihen, damit es ihnen eine Anzahl von guten Fiſchen verſchaffe.‟
Richardſon berichtet von einem andern Otter, welchen er gezähmt hatte. Er war ganz an ihn
gewöhnt und folgte ihm bei ſeinen Spaziergängen wie ein Hund, in der anmuthigſten Weiſe neben
ihm herſpielend. Bei Ankunft an einem Gewäſſer ſprang der Otter augenblicklich in die Wellen und
ſchwamm nach ſeinem Belieben da herum. Trotz aller Anhänglichkeit und Freundſchaft, welche er
ſeinem Herrn bewies, konnte er doch niemals dahin gebracht werden, dieſem ſeine gemachte Beute
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/644>, abgerufen am 24.11.2024.
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