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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Beispiele von Zähmung und Abrichtung.
zu überliefern. Sobald er sah, daß Richardson in der Absicht auf ihn zuging, einen Gefangenen
ihm zu entreißen, sprang er schnell mit diesem ins Wasser, schwamm an das andere Ufer, legte ihn
dort nieder und verzehrte ihn daselbst in Frieden. Zu Hause durchstreifte der Otter nach Belieben Hof
und Garten und fand auch dort seine Rechnung; denn er fraß das verschiedenartigste Ungeziefer, wie
z. B. Schnecken, Würmer, Raupen, Engerlinge und dergleichen. Die Schnecken wußte er mit der
größten Geschicklichkeit aus ihrem Gehäuse zu ziehen. Jn dem Zimmer sprang er schnell auf die
Stühle und Feuster und jagte dort nach Fliegen, welche er sehr geschickt zu fangen wußte, sobald sie
an den Glastafeln herumschwärmten. Mit einer schönen Angorakatze hatte er eine warme Freund-
schaft geschlossen, und als seine Freundin eines Tages von einem Hunde angegriffen wurde, flog er zu
ihrer Hilfe herbei, ergriff den Hund bei den Kinnbacken und war so erbittert auf ihn, daß sein Herr
die Streitenden trennen und den Hund aus dem Zimmer jagen mußte.

Die anmuthigste aller Erzählungen über einen gezähmten Fischotter hat unstreitig der polnische
Edelmann und Marschall Chrysostomus Passek uns hinterlassen. Er erzählt nach Leuz Folgendes:
"Jm Jahre 1686, als ich in Ozowka wohnte, schickte der König den Herrn Strafzewski
mit einem Briefe zu mir; auch hatte der Kronstallmeister mir geschrieben und mich ersucht, dem König
meinen Fischotter als Geschenk zu bringen, indem mir Dies durch allerlei Gnadenbezeugungen würde
vergolten werden. Jch mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen. Wir tranken Brannt-
wein und begaben uns auf die Wiesen, weil der Fischotter nicht zu Hause war, sondern an den Teichen
umherkroch. Jch rief ihn bei seinem Namen "Wurm"; da kam er aus dem Schilfe hervor, zappelte
um mich herum und ging mit mir in die Stube. Strafzewski war erstaunt und rief: "Wie lieb wird
der König das Thierchen haben, da es so zahm ist!" Jch erwiderte: "Du siehst und lobst nur seine
Zahmheit; Du wirft aber noch mehr zu loben haben, wenn Du erst seine anderen Eigenschaften
kennst." Wir gingen zum nächsten Teiche und blieben auf dem Damme stehen. Jch rief: "Wurm, ich
brauche Fische für die Gäste, spring ins Wasser!" Der Fischotter sprang hinein und brachte zuerst
einen Weißfisch heraus. Als ich zum zweiten Male rief, brachte er einen kleinen Hecht, und zum
dritten Male einen mittlern Hecht, welchen er am Halse verletzt hatte. Strafzewski schlug sich vor die
Stirn und rief: "Bei Gott, was sehe ich!" Jch frug: "Willst Du, daß er noch mehr holt? denn er
bringt soviel, bis ich genug habe." Strafzewski war vor Freude außer sich, weil er hoffte, den König
durch die Beschreibung jener Eigenschaften überraschen zu können; ich zeigte ihm deshalb vor seiner
Abreise alle Eigenschaften des Thieres."

"Der Fischotter schlief mit mir auf Einem Lager und war dabei so reinlich, daß er weder das
Bett, noch das Zimmer beschmuzte. Er war auch ein guter Wächter. Jn der Nacht durfte sich
Niemand meinem Bette nahen; kaum daß er dem Burschen erlaubte, meine Stiefel auszuziehen, dann
durfte er sich aber nicht mehr zeigen, weil das Thier sonst ein solches Geschrei erhob, daß ich selbst
aus dem tiefsten Schlaf erwachen mußte. Wenn ich betrunken war, trat der Otter solange auf meiner
Brust herum, bis ich erwachte. Am Tage legte er sich in irgend einen Winkel und schlief so fest, daß
man ihn auf den Armen umhertragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Er genoß weder Fische,
noch rohes Fleisch. Wenn mich Jemand am Rock faßte und ich rief: "Er berührt mich!" so sprang
er mit einem durchdringenden Schrei hervor und zerrte Jenen an den Kleidern und Beinen, wie ein
Hund. Auch liebte er einen zottigen Hund, der Korporal hieß. Von diesem hatte er alle jene
Künste erlernt; denn er hielt mit ihm Freundschaft und war sowohl in der Stube, als auf Reisen
stets bei ihm. Dagegen vertrug er sich mit anderen Hunden gar nicht. Einst stieg Stanislaus
Ozarawski
nach einer Reise, die wir zusammen gemacht hatten, bei mir ab. Jch hieß ihn will-
kommen. Der Fischotter, welcher mich drei Tage hindurch nicht gesehen hatte, kam an mich heran
und konnte sich in Liebkosungen gar nicht mäßigen. Der Gast, welcher einen sehr schönen Windhund
bei sich hatte, sagte zu seinem Sohne: "Samuel, halt den Hund, damit er den Fischotter nicht zer-
reiße!" "Bemühe Dich nicht!" rief ich; "dies Thierchen, so klein es auch ist, duldet keine Belei-
digung." "Wie! Du scherzest!" erwiderte er, "dieser Hund packt jeden Wolf und ein Fuchs athmet

Beiſpiele von Zähmung und Abrichtung.
zu überliefern. Sobald er ſah, daß Richardſon in der Abſicht auf ihn zuging, einen Gefangenen
ihm zu entreißen, ſprang er ſchnell mit dieſem ins Waſſer, ſchwamm an das andere Ufer, legte ihn
dort nieder und verzehrte ihn daſelbſt in Frieden. Zu Hauſe durchſtreifte der Otter nach Belieben Hof
und Garten und fand auch dort ſeine Rechnung; denn er fraß das verſchiedenartigſte Ungeziefer, wie
z. B. Schnecken, Würmer, Raupen, Engerlinge und dergleichen. Die Schnecken wußte er mit der
größten Geſchicklichkeit aus ihrem Gehäuſe zu ziehen. Jn dem Zimmer ſprang er ſchnell auf die
Stühle und Feuſter und jagte dort nach Fliegen, welche er ſehr geſchickt zu fangen wußte, ſobald ſie
an den Glastafeln herumſchwärmten. Mit einer ſchönen Angorakatze hatte er eine warme Freund-
ſchaft geſchloſſen, und als ſeine Freundin eines Tages von einem Hunde angegriffen wurde, flog er zu
ihrer Hilfe herbei, ergriff den Hund bei den Kinnbacken und war ſo erbittert auf ihn, daß ſein Herr
die Streitenden trennen und den Hund aus dem Zimmer jagen mußte.

Die anmuthigſte aller Erzählungen über einen gezähmten Fiſchotter hat unſtreitig der polniſche
Edelmann und Marſchall Chryſoſtomus Paſſek uns hinterlaſſen. Er erzählt nach Leuz Folgendes:
„Jm Jahre 1686, als ich in Ozowka wohnte, ſchickte der König den Herrn Strafzewski
mit einem Briefe zu mir; auch hatte der Kronſtallmeiſter mir geſchrieben und mich erſucht, dem König
meinen Fiſchotter als Geſchenk zu bringen, indem mir Dies durch allerlei Gnadenbezeugungen würde
vergolten werden. Jch mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen. Wir tranken Brannt-
wein und begaben uns auf die Wieſen, weil der Fiſchotter nicht zu Hauſe war, ſondern an den Teichen
umherkroch. Jch rief ihn bei ſeinem Namen „Wurm‟; da kam er aus dem Schilfe hervor, zappelte
um mich herum und ging mit mir in die Stube. Strafzewski war erſtaunt und rief: „Wie lieb wird
der König das Thierchen haben, da es ſo zahm iſt!‟ Jch erwiderte: „Du ſiehſt und lobſt nur ſeine
Zahmheit; Du wirft aber noch mehr zu loben haben, wenn Du erſt ſeine anderen Eigenſchaften
kennſt.‟ Wir gingen zum nächſten Teiche und blieben auf dem Damme ſtehen. Jch rief: „Wurm, ich
brauche Fiſche für die Gäſte, ſpring ins Waſſer!‟ Der Fiſchotter ſprang hinein und brachte zuerſt
einen Weißfiſch heraus. Als ich zum zweiten Male rief, brachte er einen kleinen Hecht, und zum
dritten Male einen mittlern Hecht, welchen er am Halſe verletzt hatte. Strafzewski ſchlug ſich vor die
Stirn und rief: „Bei Gott, was ſehe ich!‟ Jch frug: „Willſt Du, daß er noch mehr holt? denn er
bringt ſoviel, bis ich genug habe.‟ Strafzewski war vor Freude außer ſich, weil er hoffte, den König
durch die Beſchreibung jener Eigenſchaften überraſchen zu können; ich zeigte ihm deshalb vor ſeiner
Abreiſe alle Eigenſchaften des Thieres.‟

„Der Fiſchotter ſchlief mit mir auf Einem Lager und war dabei ſo reinlich, daß er weder das
Bett, noch das Zimmer beſchmuzte. Er war auch ein guter Wächter. Jn der Nacht durfte ſich
Niemand meinem Bette nahen; kaum daß er dem Burſchen erlaubte, meine Stiefel auszuziehen, dann
durfte er ſich aber nicht mehr zeigen, weil das Thier ſonſt ein ſolches Geſchrei erhob, daß ich ſelbſt
aus dem tiefſten Schlaf erwachen mußte. Wenn ich betrunken war, trat der Otter ſolange auf meiner
Bruſt herum, bis ich erwachte. Am Tage legte er ſich in irgend einen Winkel und ſchlief ſo feſt, daß
man ihn auf den Armen umhertragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Er genoß weder Fiſche,
noch rohes Fleiſch. Wenn mich Jemand am Rock faßte und ich rief: „Er berührt mich!‟ ſo ſprang
er mit einem durchdringenden Schrei hervor und zerrte Jenen an den Kleidern und Beinen, wie ein
Hund. Auch liebte er einen zottigen Hund, der Korporal hieß. Von dieſem hatte er alle jene
Künſte erlernt; denn er hielt mit ihm Freundſchaft und war ſowohl in der Stube, als auf Reiſen
ſtets bei ihm. Dagegen vertrug er ſich mit anderen Hunden gar nicht. Einſt ſtieg Stanislaus
Ozarawski
nach einer Reiſe, die wir zuſammen gemacht hatten, bei mir ab. Jch hieß ihn will-
kommen. Der Fiſchotter, welcher mich drei Tage hindurch nicht geſehen hatte, kam an mich heran
und konnte ſich in Liebkoſungen gar nicht mäßigen. Der Gaſt, welcher einen ſehr ſchönen Windhund
bei ſich hatte, ſagte zu ſeinem Sohne: „Samuel, halt den Hund, damit er den Fiſchotter nicht zer-
reiße!‟ „Bemühe Dich nicht!‟ rief ich; „dies Thierchen, ſo klein es auch iſt, duldet keine Belei-
digung.‟ „Wie! Du ſcherzeſt!‟ erwiderte er, „dieſer Hund packt jeden Wolf und ein Fuchs athmet

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[569/0645] Beiſpiele von Zähmung und Abrichtung. zu überliefern. Sobald er ſah, daß Richardſon in der Abſicht auf ihn zuging, einen Gefangenen ihm zu entreißen, ſprang er ſchnell mit dieſem ins Waſſer, ſchwamm an das andere Ufer, legte ihn dort nieder und verzehrte ihn daſelbſt in Frieden. Zu Hauſe durchſtreifte der Otter nach Belieben Hof und Garten und fand auch dort ſeine Rechnung; denn er fraß das verſchiedenartigſte Ungeziefer, wie z. B. Schnecken, Würmer, Raupen, Engerlinge und dergleichen. Die Schnecken wußte er mit der größten Geſchicklichkeit aus ihrem Gehäuſe zu ziehen. Jn dem Zimmer ſprang er ſchnell auf die Stühle und Feuſter und jagte dort nach Fliegen, welche er ſehr geſchickt zu fangen wußte, ſobald ſie an den Glastafeln herumſchwärmten. Mit einer ſchönen Angorakatze hatte er eine warme Freund- ſchaft geſchloſſen, und als ſeine Freundin eines Tages von einem Hunde angegriffen wurde, flog er zu ihrer Hilfe herbei, ergriff den Hund bei den Kinnbacken und war ſo erbittert auf ihn, daß ſein Herr die Streitenden trennen und den Hund aus dem Zimmer jagen mußte. Die anmuthigſte aller Erzählungen über einen gezähmten Fiſchotter hat unſtreitig der polniſche Edelmann und Marſchall Chryſoſtomus Paſſek uns hinterlaſſen. Er erzählt nach Leuz Folgendes: „Jm Jahre 1686, als ich in Ozowka wohnte, ſchickte der König den Herrn Strafzewski mit einem Briefe zu mir; auch hatte der Kronſtallmeiſter mir geſchrieben und mich erſucht, dem König meinen Fiſchotter als Geſchenk zu bringen, indem mir Dies durch allerlei Gnadenbezeugungen würde vergolten werden. Jch mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen. Wir tranken Brannt- wein und begaben uns auf die Wieſen, weil der Fiſchotter nicht zu Hauſe war, ſondern an den Teichen umherkroch. Jch rief ihn bei ſeinem Namen „Wurm‟; da kam er aus dem Schilfe hervor, zappelte um mich herum und ging mit mir in die Stube. Strafzewski war erſtaunt und rief: „Wie lieb wird der König das Thierchen haben, da es ſo zahm iſt!‟ Jch erwiderte: „Du ſiehſt und lobſt nur ſeine Zahmheit; Du wirft aber noch mehr zu loben haben, wenn Du erſt ſeine anderen Eigenſchaften kennſt.‟ Wir gingen zum nächſten Teiche und blieben auf dem Damme ſtehen. Jch rief: „Wurm, ich brauche Fiſche für die Gäſte, ſpring ins Waſſer!‟ Der Fiſchotter ſprang hinein und brachte zuerſt einen Weißfiſch heraus. Als ich zum zweiten Male rief, brachte er einen kleinen Hecht, und zum dritten Male einen mittlern Hecht, welchen er am Halſe verletzt hatte. Strafzewski ſchlug ſich vor die Stirn und rief: „Bei Gott, was ſehe ich!‟ Jch frug: „Willſt Du, daß er noch mehr holt? denn er bringt ſoviel, bis ich genug habe.‟ Strafzewski war vor Freude außer ſich, weil er hoffte, den König durch die Beſchreibung jener Eigenſchaften überraſchen zu können; ich zeigte ihm deshalb vor ſeiner Abreiſe alle Eigenſchaften des Thieres.‟ „Der Fiſchotter ſchlief mit mir auf Einem Lager und war dabei ſo reinlich, daß er weder das Bett, noch das Zimmer beſchmuzte. Er war auch ein guter Wächter. Jn der Nacht durfte ſich Niemand meinem Bette nahen; kaum daß er dem Burſchen erlaubte, meine Stiefel auszuziehen, dann durfte er ſich aber nicht mehr zeigen, weil das Thier ſonſt ein ſolches Geſchrei erhob, daß ich ſelbſt aus dem tiefſten Schlaf erwachen mußte. Wenn ich betrunken war, trat der Otter ſolange auf meiner Bruſt herum, bis ich erwachte. Am Tage legte er ſich in irgend einen Winkel und ſchlief ſo feſt, daß man ihn auf den Armen umhertragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Er genoß weder Fiſche, noch rohes Fleiſch. Wenn mich Jemand am Rock faßte und ich rief: „Er berührt mich!‟ ſo ſprang er mit einem durchdringenden Schrei hervor und zerrte Jenen an den Kleidern und Beinen, wie ein Hund. Auch liebte er einen zottigen Hund, der Korporal hieß. Von dieſem hatte er alle jene Künſte erlernt; denn er hielt mit ihm Freundſchaft und war ſowohl in der Stube, als auf Reiſen ſtets bei ihm. Dagegen vertrug er ſich mit anderen Hunden gar nicht. Einſt ſtieg Stanislaus Ozarawski nach einer Reiſe, die wir zuſammen gemacht hatten, bei mir ab. Jch hieß ihn will- kommen. Der Fiſchotter, welcher mich drei Tage hindurch nicht geſehen hatte, kam an mich heran und konnte ſich in Liebkoſungen gar nicht mäßigen. Der Gaſt, welcher einen ſehr ſchönen Windhund bei ſich hatte, ſagte zu ſeinem Sohne: „Samuel, halt den Hund, damit er den Fiſchotter nicht zer- reiße!‟ „Bemühe Dich nicht!‟ rief ich; „dies Thierchen, ſo klein es auch iſt, duldet keine Belei- digung.‟ „Wie! Du ſcherzeſt!‟ erwiderte er, „dieſer Hund packt jeden Wolf und ein Fuchs athmet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/645>, abgerufen am 27.11.2024.