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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Schilderung nach Steller.
oft geschah, eine ganze Herde an, so wählte sich Jeder sein Thier, welches ihm am nächsten schien, und
dann ging die Sache noch besser von statten. Jm Anfange brauchten wir wenig Fleiß, List und
Behendigkeit, weil das ganze Ufer von ihnen voll war und sie in der größten Sicherheit lagen.
Später aber lernten sie unsere Löffel dergestalt kennen, daß man sie blos lauernd und mit der
äußersten Vorsicht aus Land gehen sah. Sie schauten allenthalben um sich her, wandten die Nasen
nach jeder Gegend hin, um Witterung zu bekommen, und wenn sie sich nach langem Umsehen zur
Ruhe gelegt hatten, sah man sie manchmal im Schrecken wieder aufspringen und entweder nochmals
sich umsehen oder wieder nach der See wandern. Wo eine Herde lag, waren aller Orten Wachen von
ihnen ausgestellt. So hinderten uns auch die boshaften Steinfüchse, welche dieselben mit Gewalt vom
Schlaf erweckten oder wachsam erhielten. Deshalb mußten wir immer neue Stellen aufsuchen und
immer weiter auf die Jagd gehen, auch die sinstere Nacht der hellen, und das ungestüme Wetter dem
ruhigen vorziehen, um sie nur zu bekommen, weil unsere Erhaltung darauf beruhte. Aller dieser
Hindernisse ungeachtet sind jedoch vom 6. September 1741 bis zum 17. August 1742 über 700 Stück
von ihnen durch uns erschlagen, von uns verzehrt und ihre Felle von uns zum Wahrzeichen mit nach
Kamtschatka genommen worden. Weil man sie aber öfters ohne Noth, nur der Felle wegen erschlagen,
ja auch öfters, wenn diese nicht schwarz genug waren, mit Fell und Fleisch liegen lassen, kam es durch
unsere heillose Verfolgung der Thiere dahin, daß wir im Frühjahr, nachdem unsere Mundvorräthe
verzehrt waren, die Ottern schon auf funfzig Werste von unseren Wohnungen abgetrieben hatten.
Man hätte sich nun gern mit Seehunden begnügt, diese waren aber allzu listig, als daß sie sich weiter
auf das Land hätten wagen sollen, und es war immer ein großes Glück, wenn man einen Seehund
erschleichen konnte."

"Die Kurilen gehen im Frühjahr mit leeren Booten, worin sechs Ruderer, ein Steuermann und
ein Schütze befindlich sind, auf zehn Werste und weiter in die See. Wenn sie einen Seeotter
erblicken, rudern sie auf denselben mit allen Kräften los. Der Otter spart aber auch keinen Fleiß,
um zu entkommen. Jst das Boot nahe genug, so schießt der Steuermann und die vornsitzenden
Schützen mit dem Pfeil nach dem Thiere. Treffen sie es nicht, so zwingen sie es doch unterzutauchen,
und lassen es nicht wieder aufkommen, ohne es gleich wieder durch einen Pfeil am Athemholen zu
hindern. An den aufsteigenden Blasen bemerken sie, wo sich der Otter hinwendet, und dahin steuert
auch der Steuermann das Fahrzeug. Der Vordermann aber fischt mit einer Stange, an welcher
kleine Querstöcke wie an einer Bürste sitzen, die wieder emporkommenden Pfeile aus der See auf.
Wenn der Otter ein Junges bei sich hat, kommt dieses zuerst außer Athem und ersäuft. Dann wirft
es die Alte, um sich besser retten zu können, weg; man fängt es auf und nimmt es in das Boot, wo es
nicht selten wieder zu sich kommt. Endlich wird auch die Mutter oder das männliche Thier so athemlos
und matt, daß es sich keine Minute lang unter dem Wasser aufhalten kann. Da erlegen es die
Jäger entweder mit einem Pfeil oder in der Nähe mit der Lanze."

"Wenn Seeottern in Stellnetze gerathen, womit man sie auch zu fangen pflegt, verfallen sie in
eine solche Verzweiflung, daß sie sich einander entsetzlich zerbeißen. Zuweilen beißen sie sich selbst die
Füße ab, entweder aus Wuth oder, weil sie selbige verwickelt sehen, aus Verzweiflung."

"Nichts ist fürchterlicher anzusehen, als wenn der Eisgang ankommt, wobei man die Seeottern auf
dem aus der See antreibenden Eise jagt und mit Keulen erschlägt. Gewöhnlich ist dabei ein solcher Sturm
und ein solches Schneegestöber, daß man sich kaum auf den Füßen erhalten kann, und doch scheuen
die Jäger es nicht, selbst in der Nachtzeit auf den Fang zu gehen. Sie laufen auch ohne Bedenken
auf dem Eise fort, wenn es gleich im Treiben ist und von den Wellen so gehoben wird, daß sie
zuweilen bald auf einem Berge erscheinen und dann wieder gleichsam in den Abgrund fahren. Jeder
hat ein Messer und eine Stange in den Händen und lange Schneeschuhe an die Füße gebunden,
woran sich Haken von Knochen befinden, um nicht auf dem Eise zu glitschen oder, wo es sich thürmt,
herunter zu fallen. Die Häute müssen gleich auf dem Eise abgenommen werden, und darin sind die
Kurilen und Kamtschadalen so fertig, daß sie in zwei Stunden oft dreißig bis vierzig abziehen. Manch-

Schilderung nach Steller.
oft geſchah, eine ganze Herde an, ſo wählte ſich Jeder ſein Thier, welches ihm am nächſten ſchien, und
dann ging die Sache noch beſſer von ſtatten. Jm Anfange brauchten wir wenig Fleiß, Liſt und
Behendigkeit, weil das ganze Ufer von ihnen voll war und ſie in der größten Sicherheit lagen.
Später aber lernten ſie unſere Löffel dergeſtalt kennen, daß man ſie blos lauernd und mit der
äußerſten Vorſicht aus Land gehen ſah. Sie ſchauten allenthalben um ſich her, wandten die Naſen
nach jeder Gegend hin, um Witterung zu bekommen, und wenn ſie ſich nach langem Umſehen zur
Ruhe gelegt hatten, ſah man ſie manchmal im Schrecken wieder aufſpringen und entweder nochmals
ſich umſehen oder wieder nach der See wandern. Wo eine Herde lag, waren aller Orten Wachen von
ihnen ausgeſtellt. So hinderten uns auch die boshaften Steinfüchſe, welche dieſelben mit Gewalt vom
Schlaf erweckten oder wachſam erhielten. Deshalb mußten wir immer neue Stellen aufſuchen und
immer weiter auf die Jagd gehen, auch die ſinſtere Nacht der hellen, und das ungeſtüme Wetter dem
ruhigen vorziehen, um ſie nur zu bekommen, weil unſere Erhaltung darauf beruhte. Aller dieſer
Hinderniſſe ungeachtet ſind jedoch vom 6. September 1741 bis zum 17. Auguſt 1742 über 700 Stück
von ihnen durch uns erſchlagen, von uns verzehrt und ihre Felle von uns zum Wahrzeichen mit nach
Kamtſchatka genommen worden. Weil man ſie aber öfters ohne Noth, nur der Felle wegen erſchlagen,
ja auch öfters, wenn dieſe nicht ſchwarz genug waren, mit Fell und Fleiſch liegen laſſen, kam es durch
unſere heilloſe Verfolgung der Thiere dahin, daß wir im Frühjahr, nachdem unſere Mundvorräthe
verzehrt waren, die Ottern ſchon auf funfzig Werſte von unſeren Wohnungen abgetrieben hatten.
Man hätte ſich nun gern mit Seehunden begnügt, dieſe waren aber allzu liſtig, als daß ſie ſich weiter
auf das Land hätten wagen ſollen, und es war immer ein großes Glück, wenn man einen Seehund
erſchleichen konnte.‟

„Die Kurilen gehen im Frühjahr mit leeren Booten, worin ſechs Ruderer, ein Steuermann und
ein Schütze befindlich ſind, auf zehn Werſte und weiter in die See. Wenn ſie einen Seeotter
erblicken, rudern ſie auf denſelben mit allen Kräften los. Der Otter ſpart aber auch keinen Fleiß,
um zu entkommen. Jſt das Boot nahe genug, ſo ſchießt der Steuermann und die vornſitzenden
Schützen mit dem Pfeil nach dem Thiere. Treffen ſie es nicht, ſo zwingen ſie es doch unterzutauchen,
und laſſen es nicht wieder aufkommen, ohne es gleich wieder durch einen Pfeil am Athemholen zu
hindern. An den aufſteigenden Blaſen bemerken ſie, wo ſich der Otter hinwendet, und dahin ſteuert
auch der Steuermann das Fahrzeug. Der Vordermann aber fiſcht mit einer Stange, an welcher
kleine Querſtöcke wie an einer Bürſte ſitzen, die wieder emporkommenden Pfeile aus der See auf.
Wenn der Otter ein Junges bei ſich hat, kommt dieſes zuerſt außer Athem und erſäuft. Dann wirft
es die Alte, um ſich beſſer retten zu können, weg; man fängt es auf und nimmt es in das Boot, wo es
nicht ſelten wieder zu ſich kommt. Endlich wird auch die Mutter oder das männliche Thier ſo athemlos
und matt, daß es ſich keine Minute lang unter dem Waſſer aufhalten kann. Da erlegen es die
Jäger entweder mit einem Pfeil oder in der Nähe mit der Lanze.‟

„Wenn Seeottern in Stellnetze gerathen, womit man ſie auch zu fangen pflegt, verfallen ſie in
eine ſolche Verzweiflung, daß ſie ſich einander entſetzlich zerbeißen. Zuweilen beißen ſie ſich ſelbſt die
Füße ab, entweder aus Wuth oder, weil ſie ſelbige verwickelt ſehen, aus Verzweiflung.‟

„Nichts iſt fürchterlicher anzuſehen, als wenn der Eisgang ankommt, wobei man die Seeottern auf
dem aus der See antreibenden Eiſe jagt und mit Keulen erſchlägt. Gewöhnlich iſt dabei ein ſolcher Sturm
und ein ſolches Schneegeſtöber, daß man ſich kaum auf den Füßen erhalten kann, und doch ſcheuen
die Jäger es nicht, ſelbſt in der Nachtzeit auf den Fang zu gehen. Sie laufen auch ohne Bedenken
auf dem Eiſe fort, wenn es gleich im Treiben iſt und von den Wellen ſo gehoben wird, daß ſie
zuweilen bald auf einem Berge erſcheinen und dann wieder gleichſam in den Abgrund fahren. Jeder
hat ein Meſſer und eine Stange in den Händen und lange Schneeſchuhe an die Füße gebunden,
woran ſich Haken von Knochen befinden, um nicht auf dem Eiſe zu glitſchen oder, wo es ſich thürmt,
herunter zu fallen. Die Häute müſſen gleich auf dem Eiſe abgenommen werden, und darin ſind die
Kurilen und Kamtſchadalen ſo fertig, daß ſie in zwei Stunden oft dreißig bis vierzig abziehen. Manch-

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[575/0651] Schilderung nach Steller. oft geſchah, eine ganze Herde an, ſo wählte ſich Jeder ſein Thier, welches ihm am nächſten ſchien, und dann ging die Sache noch beſſer von ſtatten. Jm Anfange brauchten wir wenig Fleiß, Liſt und Behendigkeit, weil das ganze Ufer von ihnen voll war und ſie in der größten Sicherheit lagen. Später aber lernten ſie unſere Löffel dergeſtalt kennen, daß man ſie blos lauernd und mit der äußerſten Vorſicht aus Land gehen ſah. Sie ſchauten allenthalben um ſich her, wandten die Naſen nach jeder Gegend hin, um Witterung zu bekommen, und wenn ſie ſich nach langem Umſehen zur Ruhe gelegt hatten, ſah man ſie manchmal im Schrecken wieder aufſpringen und entweder nochmals ſich umſehen oder wieder nach der See wandern. Wo eine Herde lag, waren aller Orten Wachen von ihnen ausgeſtellt. So hinderten uns auch die boshaften Steinfüchſe, welche dieſelben mit Gewalt vom Schlaf erweckten oder wachſam erhielten. Deshalb mußten wir immer neue Stellen aufſuchen und immer weiter auf die Jagd gehen, auch die ſinſtere Nacht der hellen, und das ungeſtüme Wetter dem ruhigen vorziehen, um ſie nur zu bekommen, weil unſere Erhaltung darauf beruhte. Aller dieſer Hinderniſſe ungeachtet ſind jedoch vom 6. September 1741 bis zum 17. Auguſt 1742 über 700 Stück von ihnen durch uns erſchlagen, von uns verzehrt und ihre Felle von uns zum Wahrzeichen mit nach Kamtſchatka genommen worden. Weil man ſie aber öfters ohne Noth, nur der Felle wegen erſchlagen, ja auch öfters, wenn dieſe nicht ſchwarz genug waren, mit Fell und Fleiſch liegen laſſen, kam es durch unſere heilloſe Verfolgung der Thiere dahin, daß wir im Frühjahr, nachdem unſere Mundvorräthe verzehrt waren, die Ottern ſchon auf funfzig Werſte von unſeren Wohnungen abgetrieben hatten. Man hätte ſich nun gern mit Seehunden begnügt, dieſe waren aber allzu liſtig, als daß ſie ſich weiter auf das Land hätten wagen ſollen, und es war immer ein großes Glück, wenn man einen Seehund erſchleichen konnte.‟ „Die Kurilen gehen im Frühjahr mit leeren Booten, worin ſechs Ruderer, ein Steuermann und ein Schütze befindlich ſind, auf zehn Werſte und weiter in die See. Wenn ſie einen Seeotter erblicken, rudern ſie auf denſelben mit allen Kräften los. Der Otter ſpart aber auch keinen Fleiß, um zu entkommen. Jſt das Boot nahe genug, ſo ſchießt der Steuermann und die vornſitzenden Schützen mit dem Pfeil nach dem Thiere. Treffen ſie es nicht, ſo zwingen ſie es doch unterzutauchen, und laſſen es nicht wieder aufkommen, ohne es gleich wieder durch einen Pfeil am Athemholen zu hindern. An den aufſteigenden Blaſen bemerken ſie, wo ſich der Otter hinwendet, und dahin ſteuert auch der Steuermann das Fahrzeug. Der Vordermann aber fiſcht mit einer Stange, an welcher kleine Querſtöcke wie an einer Bürſte ſitzen, die wieder emporkommenden Pfeile aus der See auf. Wenn der Otter ein Junges bei ſich hat, kommt dieſes zuerſt außer Athem und erſäuft. Dann wirft es die Alte, um ſich beſſer retten zu können, weg; man fängt es auf und nimmt es in das Boot, wo es nicht ſelten wieder zu ſich kommt. Endlich wird auch die Mutter oder das männliche Thier ſo athemlos und matt, daß es ſich keine Minute lang unter dem Waſſer aufhalten kann. Da erlegen es die Jäger entweder mit einem Pfeil oder in der Nähe mit der Lanze.‟ „Wenn Seeottern in Stellnetze gerathen, womit man ſie auch zu fangen pflegt, verfallen ſie in eine ſolche Verzweiflung, daß ſie ſich einander entſetzlich zerbeißen. Zuweilen beißen ſie ſich ſelbſt die Füße ab, entweder aus Wuth oder, weil ſie ſelbige verwickelt ſehen, aus Verzweiflung.‟ „Nichts iſt fürchterlicher anzuſehen, als wenn der Eisgang ankommt, wobei man die Seeottern auf dem aus der See antreibenden Eiſe jagt und mit Keulen erſchlägt. Gewöhnlich iſt dabei ein ſolcher Sturm und ein ſolches Schneegeſtöber, daß man ſich kaum auf den Füßen erhalten kann, und doch ſcheuen die Jäger es nicht, ſelbſt in der Nachtzeit auf den Fang zu gehen. Sie laufen auch ohne Bedenken auf dem Eiſe fort, wenn es gleich im Treiben iſt und von den Wellen ſo gehoben wird, daß ſie zuweilen bald auf einem Berge erſcheinen und dann wieder gleichſam in den Abgrund fahren. Jeder hat ein Meſſer und eine Stange in den Händen und lange Schneeſchuhe an die Füße gebunden, woran ſich Haken von Knochen befinden, um nicht auf dem Eiſe zu glitſchen oder, wo es ſich thürmt, herunter zu fallen. Die Häute müſſen gleich auf dem Eiſe abgenommen werden, und darin ſind die Kurilen und Kamtſchadalen ſo fertig, daß ſie in zwei Stunden oft dreißig bis vierzig abziehen. Manch-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/651>, abgerufen am 16.07.2024.