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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Bären. -- Gemeiner Bär.
der Bär durch die Keule, den Hals oder weidewund geschossen, so erzählt er es dem Jäger selbst, indem
er bemüht ist, ihm durch eine zärtliche Umarmung für die erwiesene Freundschaft zu danken."

"Hat man nun die gehörige Zeit gewartet und vielleicht einige Jagdgefährten nebst Dachshunden
herbeigeholt, so kann die Nachsuche beginnen. Finden die Hunde den Bären verendet, so verbellen sie
ihn; geben sie aber auf eine ungewisse und ängstliche Weise Laut, dann ist Dies ein Zeichen, daß
der Bär noch lebt. Jn diesem Falle suchen ihn die Jäger zu umkreisen, indem sie sich möglichst nahe
bei einander halten. So wird nun der Bär entweder im Lager todtgeschossen oder wenn er, auf den
Hinterbranten stehend, den Kreis zu durchbrechen sucht."

"Bei einer solchen Jagd hat man die beste Gelegenheit, den Muth unserer kleinen Dachshunde
zu bewundern. Mit der größten Wuth fahren sie auf den Bären los, und dieser muß unter bestän-
digem Brummen die kleinen Feinde mit seinen Pranken abwehren. Den verderblichen Schlägen der-
selben wissen sie mit der größten Geschicklichkeit auszuweichen. Sie sind stets zur Verfolgung bereit,
als ob sie wüßten, daß der starke Feind ihre Ohnmacht berücksichtige. Jch möchte daher wohl be-
haupten, daß der Dachshund alle seine Vettern, sie mögen heißen, wie sie wollen, an Muth übertrifft."

"Ehe ich fortfahre, über die Bärenjagd zu reden, will ich einige Worte über eine dem Bären
zugeschriebene Eigenschaft sagen: daß er nämlich die erhaltene Schußwunde mit Mos oder Gras ver-
stopfe, um das Schweißen zu verhindern. Jch habe zwar schon früher nicht recht daran glauben
wollen, aber die Sache war so unmöglich nicht, und so hielt ich es denn der Mühe werth, mich durch
Nachforschungen zu überzeugen. Jch habe mehrere angeschoffene Bären mit aufsuchen helfen, darunter
einige am Abend verwundete, so daß die Nachsuche erst am Morgen beginnen konnte; aber ich habe
weder an einem verendeten, noch an einem lebend angetroffenen und dann erlegten die Schußwunde
verstopft gefunden, wohl aber war sie jederzeit beleckt. Es ist nun wohl nicht gut anzunehmen, daß
die Bären in anderen Ländern klüger oder geschickter sein sollten, als in hiesiger Gegend, und sie
müßten in der That sehr geschickt sein, wenn sie mit ihren großen, plumpen Pranken oder gar mit dem
Rachen einen so kleinen Pfropfen machen sollten, wie er erforderlich ist, um eine kleine Schußwunde
zu verstopfen. Abgesehen, daß sie sich dadurch unsägliche Schmerzen verursachen würden, so ist auch
jedes Thier auf Nichts sorgfältiger bedacht, als jeden fremdartigen Gegenstand durch häufiges Lecken
aus einer erhaltenen Wunde zu entfernen. Wozu sollte die Natur auch dem Bären diese Geschicklichkeit
gelehrt haben? Etwa, damit er noch auf kurze Zeit sein Leben fristen kann? Dieser Zweck würde nicht
erreicht werden; denn nach meiner Erfahrung wird gerade durch die Hemmung des Blutausflusses
das Ende eines Thieres beschleunigt, indem es dann eher erstickt, als wenn die Wunde offen ist.
Deshalb wendet man bei der Jagd auf große, reißende Thiere stets ein kleines Blei an, damit sich
die Wunde schneller verstopft und das Wild früher verendet."

"Die üblichste und am wenigsten gefährliche Jagd auf Bären zur Feistzeit ist die mit Dachs-
hunden, welche den Bären aufsuchen und den vorstehenden Jägern zutreiben. Diese, auf die oben-
erwähnte Weise bewaffnet und ausgerüstet, begeben sich in die Gegend, wo sie einen Bären ver-
muthen oder bereits abgespürt haben. Sie umstellen die buschigen Felswände, Verhaue, zusammen-
gebrochene Bäume oder Brüche, welche im Sommer der gewöhnliche Aufenthalt der Bären sind.
Zwei Schützen, die sich nicht zuweit von einander halten, gehen mit den Hunden in das Treiben.
Befindet sich in demselben ein alter Bär oder eine ganze Familie, so ergreifen dieselben vor den durch-
gehenden Jägern und Hunden bei Zeiten die Flucht. Die Hunde geben sogleich Laut und folgen der
Fährte. Einer der vorstehenden Jäger kommt dann sicher zum Schuß und hat häufig, wenn er den
vordersten Bären erlegt hat, noch Gelegenheit, einen zweiten zu schießen. Da es oft vorkommt, daß
sich nach dem ersten Schusse die ganze Bärenfamilie nach allen Richtungen hin zerstreut, so ist es nicht
selten, daß mehrere der Jäger Gelegenheit erhalten, einen Bären zu schießen."

"Hat man gefehlt oder den Bären schlecht getroffen und kehrt dieser um und stellt sich zum An-
griff, so muß man durch ein lautes: Hupp, hupp! die Jagdgefährten zur Hilfe rufen und einstweilen
mit gezogenem Hirschfänger den Angriff erwarten. Durchaus unrathsam ist es, in einem solchen Falle

Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär.
der Bär durch die Keule, den Hals oder weidewund geſchoſſen, ſo erzählt er es dem Jäger ſelbſt, indem
er bemüht iſt, ihm durch eine zärtliche Umarmung für die erwieſene Freundſchaft zu danken.‟

„Hat man nun die gehörige Zeit gewartet und vielleicht einige Jagdgefährten nebſt Dachshunden
herbeigeholt, ſo kann die Nachſuche beginnen. Finden die Hunde den Bären verendet, ſo verbellen ſie
ihn; geben ſie aber auf eine ungewiſſe und ängſtliche Weiſe Laut, dann iſt Dies ein Zeichen, daß
der Bär noch lebt. Jn dieſem Falle ſuchen ihn die Jäger zu umkreiſen, indem ſie ſich möglichſt nahe
bei einander halten. So wird nun der Bär entweder im Lager todtgeſchoſſen oder wenn er, auf den
Hinterbranten ſtehend, den Kreis zu durchbrechen ſucht.‟

„Bei einer ſolchen Jagd hat man die beſte Gelegenheit, den Muth unſerer kleinen Dachshunde
zu bewundern. Mit der größten Wuth fahren ſie auf den Bären los, und dieſer muß unter beſtän-
digem Brummen die kleinen Feinde mit ſeinen Pranken abwehren. Den verderblichen Schlägen der-
ſelben wiſſen ſie mit der größten Geſchicklichkeit auszuweichen. Sie ſind ſtets zur Verfolgung bereit,
als ob ſie wüßten, daß der ſtarke Feind ihre Ohnmacht berückſichtige. Jch möchte daher wohl be-
haupten, daß der Dachshund alle ſeine Vettern, ſie mögen heißen, wie ſie wollen, an Muth übertrifft.‟

„Ehe ich fortfahre, über die Bärenjagd zu reden, will ich einige Worte über eine dem Bären
zugeſchriebene Eigenſchaft ſagen: daß er nämlich die erhaltene Schußwunde mit Mos oder Gras ver-
ſtopfe, um das Schweißen zu verhindern. Jch habe zwar ſchon früher nicht recht daran glauben
wollen, aber die Sache war ſo unmöglich nicht, und ſo hielt ich es denn der Mühe werth, mich durch
Nachforſchungen zu überzeugen. Jch habe mehrere angeſchoffene Bären mit aufſuchen helfen, darunter
einige am Abend verwundete, ſo daß die Nachſuche erſt am Morgen beginnen konnte; aber ich habe
weder an einem verendeten, noch an einem lebend angetroffenen und dann erlegten die Schußwunde
verſtopft gefunden, wohl aber war ſie jederzeit beleckt. Es iſt nun wohl nicht gut anzunehmen, daß
die Bären in anderen Ländern klüger oder geſchickter ſein ſollten, als in hieſiger Gegend, und ſie
müßten in der That ſehr geſchickt ſein, wenn ſie mit ihren großen, plumpen Pranken oder gar mit dem
Rachen einen ſo kleinen Pfropfen machen ſollten, wie er erforderlich iſt, um eine kleine Schußwunde
zu verſtopfen. Abgeſehen, daß ſie ſich dadurch unſägliche Schmerzen verurſachen würden, ſo iſt auch
jedes Thier auf Nichts ſorgfältiger bedacht, als jeden fremdartigen Gegenſtand durch häufiges Lecken
aus einer erhaltenen Wunde zu entfernen. Wozu ſollte die Natur auch dem Bären dieſe Geſchicklichkeit
gelehrt haben? Etwa, damit er noch auf kurze Zeit ſein Leben friſten kann? Dieſer Zweck würde nicht
erreicht werden; denn nach meiner Erfahrung wird gerade durch die Hemmung des Blutausfluſſes
das Ende eines Thieres beſchleunigt, indem es dann eher erſtickt, als wenn die Wunde offen iſt.
Deshalb wendet man bei der Jagd auf große, reißende Thiere ſtets ein kleines Blei an, damit ſich
die Wunde ſchneller verſtopft und das Wild früher verendet.‟

„Die üblichſte und am wenigſten gefährliche Jagd auf Bären zur Feiſtzeit iſt die mit Dachs-
hunden, welche den Bären aufſuchen und den vorſtehenden Jägern zutreiben. Dieſe, auf die oben-
erwähnte Weiſe bewaffnet und ausgerüſtet, begeben ſich in die Gegend, wo ſie einen Bären ver-
muthen oder bereits abgeſpürt haben. Sie umſtellen die buſchigen Felswände, Verhaue, zuſammen-
gebrochene Bäume oder Brüche, welche im Sommer der gewöhnliche Aufenthalt der Bären ſind.
Zwei Schützen, die ſich nicht zuweit von einander halten, gehen mit den Hunden in das Treiben.
Befindet ſich in demſelben ein alter Bär oder eine ganze Familie, ſo ergreifen dieſelben vor den durch-
gehenden Jägern und Hunden bei Zeiten die Flucht. Die Hunde geben ſogleich Laut und folgen der
Fährte. Einer der vorſtehenden Jäger kommt dann ſicher zum Schuß und hat häufig, wenn er den
vorderſten Bären erlegt hat, noch Gelegenheit, einen zweiten zu ſchießen. Da es oft vorkommt, daß
ſich nach dem erſten Schuſſe die ganze Bärenfamilie nach allen Richtungen hin zerſtreut, ſo iſt es nicht
ſelten, daß mehrere der Jäger Gelegenheit erhalten, einen Bären zu ſchießen.‟

„Hat man gefehlt oder den Bären ſchlecht getroffen und kehrt dieſer um und ſtellt ſich zum An-
griff, ſo muß man durch ein lautes: Hupp, hupp! die Jagdgefährten zur Hilfe rufen und einſtweilen
mit gezogenem Hirſchfänger den Angriff erwarten. Durchaus unrathſam iſt es, in einem ſolchen Falle

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[590/0666] Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär. der Bär durch die Keule, den Hals oder weidewund geſchoſſen, ſo erzählt er es dem Jäger ſelbſt, indem er bemüht iſt, ihm durch eine zärtliche Umarmung für die erwieſene Freundſchaft zu danken.‟ „Hat man nun die gehörige Zeit gewartet und vielleicht einige Jagdgefährten nebſt Dachshunden herbeigeholt, ſo kann die Nachſuche beginnen. Finden die Hunde den Bären verendet, ſo verbellen ſie ihn; geben ſie aber auf eine ungewiſſe und ängſtliche Weiſe Laut, dann iſt Dies ein Zeichen, daß der Bär noch lebt. Jn dieſem Falle ſuchen ihn die Jäger zu umkreiſen, indem ſie ſich möglichſt nahe bei einander halten. So wird nun der Bär entweder im Lager todtgeſchoſſen oder wenn er, auf den Hinterbranten ſtehend, den Kreis zu durchbrechen ſucht.‟ „Bei einer ſolchen Jagd hat man die beſte Gelegenheit, den Muth unſerer kleinen Dachshunde zu bewundern. Mit der größten Wuth fahren ſie auf den Bären los, und dieſer muß unter beſtän- digem Brummen die kleinen Feinde mit ſeinen Pranken abwehren. Den verderblichen Schlägen der- ſelben wiſſen ſie mit der größten Geſchicklichkeit auszuweichen. Sie ſind ſtets zur Verfolgung bereit, als ob ſie wüßten, daß der ſtarke Feind ihre Ohnmacht berückſichtige. Jch möchte daher wohl be- haupten, daß der Dachshund alle ſeine Vettern, ſie mögen heißen, wie ſie wollen, an Muth übertrifft.‟ „Ehe ich fortfahre, über die Bärenjagd zu reden, will ich einige Worte über eine dem Bären zugeſchriebene Eigenſchaft ſagen: daß er nämlich die erhaltene Schußwunde mit Mos oder Gras ver- ſtopfe, um das Schweißen zu verhindern. Jch habe zwar ſchon früher nicht recht daran glauben wollen, aber die Sache war ſo unmöglich nicht, und ſo hielt ich es denn der Mühe werth, mich durch Nachforſchungen zu überzeugen. Jch habe mehrere angeſchoffene Bären mit aufſuchen helfen, darunter einige am Abend verwundete, ſo daß die Nachſuche erſt am Morgen beginnen konnte; aber ich habe weder an einem verendeten, noch an einem lebend angetroffenen und dann erlegten die Schußwunde verſtopft gefunden, wohl aber war ſie jederzeit beleckt. Es iſt nun wohl nicht gut anzunehmen, daß die Bären in anderen Ländern klüger oder geſchickter ſein ſollten, als in hieſiger Gegend, und ſie müßten in der That ſehr geſchickt ſein, wenn ſie mit ihren großen, plumpen Pranken oder gar mit dem Rachen einen ſo kleinen Pfropfen machen ſollten, wie er erforderlich iſt, um eine kleine Schußwunde zu verſtopfen. Abgeſehen, daß ſie ſich dadurch unſägliche Schmerzen verurſachen würden, ſo iſt auch jedes Thier auf Nichts ſorgfältiger bedacht, als jeden fremdartigen Gegenſtand durch häufiges Lecken aus einer erhaltenen Wunde zu entfernen. Wozu ſollte die Natur auch dem Bären dieſe Geſchicklichkeit gelehrt haben? Etwa, damit er noch auf kurze Zeit ſein Leben friſten kann? Dieſer Zweck würde nicht erreicht werden; denn nach meiner Erfahrung wird gerade durch die Hemmung des Blutausfluſſes das Ende eines Thieres beſchleunigt, indem es dann eher erſtickt, als wenn die Wunde offen iſt. Deshalb wendet man bei der Jagd auf große, reißende Thiere ſtets ein kleines Blei an, damit ſich die Wunde ſchneller verſtopft und das Wild früher verendet.‟ „Die üblichſte und am wenigſten gefährliche Jagd auf Bären zur Feiſtzeit iſt die mit Dachs- hunden, welche den Bären aufſuchen und den vorſtehenden Jägern zutreiben. Dieſe, auf die oben- erwähnte Weiſe bewaffnet und ausgerüſtet, begeben ſich in die Gegend, wo ſie einen Bären ver- muthen oder bereits abgeſpürt haben. Sie umſtellen die buſchigen Felswände, Verhaue, zuſammen- gebrochene Bäume oder Brüche, welche im Sommer der gewöhnliche Aufenthalt der Bären ſind. Zwei Schützen, die ſich nicht zuweit von einander halten, gehen mit den Hunden in das Treiben. Befindet ſich in demſelben ein alter Bär oder eine ganze Familie, ſo ergreifen dieſelben vor den durch- gehenden Jägern und Hunden bei Zeiten die Flucht. Die Hunde geben ſogleich Laut und folgen der Fährte. Einer der vorſtehenden Jäger kommt dann ſicher zum Schuß und hat häufig, wenn er den vorderſten Bären erlegt hat, noch Gelegenheit, einen zweiten zu ſchießen. Da es oft vorkommt, daß ſich nach dem erſten Schuſſe die ganze Bärenfamilie nach allen Richtungen hin zerſtreut, ſo iſt es nicht ſelten, daß mehrere der Jäger Gelegenheit erhalten, einen Bären zu ſchießen.‟ „Hat man gefehlt oder den Bären ſchlecht getroffen und kehrt dieſer um und ſtellt ſich zum An- griff, ſo muß man durch ein lautes: Hupp, hupp! die Jagdgefährten zur Hilfe rufen und einſtweilen mit gezogenem Hirſchfänger den Angriff erwarten. Durchaus unrathſam iſt es, in einem ſolchen Falle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/666>, abgerufen am 22.11.2024.