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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Bären. -- Gemeiner Bär und seine Abarten.
zeller mit großem Zorn und wollte mit Ernst ihn beißen. Schnell eilte der Führer auf ihn los
und riß ihn, die lange Kette ergreifend, weg, der Bär jedoch fuhr nun auf diesen los und drängte ihn
nun auf die schauende Menge zu Aller Schrecken hinein. Der Herr war ganz weg. Glücklicher-
weise trat soeben der Herr und Meister, der so schnellen Ausgang des Kampfes nicht erwartet und sich
ein Wenig entfernt hatte, wieder ein, ergriff die Kette und bezwang den wilden Gefährten mit
donnernden Worten und kräftigem Reißen." Man sieht, daß dieser gezähmte Bär seinen Meister,
seinen Wächter und seinen Herrn genau von einander unterschied.

Jn manchen Gegenden Rußlands und Sibiriens läßt man die gefangenen Bären, solange sie
noch jung sind, das Rad treten, um Wasser aus tiefen Brunnen zu ziehen, ja, man richtet sie sogar ab,
Säcke und Holz an einen bestimmten Ort zu tragen; doch ist dem Meister Petz immer nur solange zu
trauen, als er noch jung ist; denn mit zunehmendem Alter bricht seine Wildheit durch, und das
Thierische in ihm siegt über alle erhaltene Zucht. Ein englischer Hauptmann konnte seinen zahmen
Bären sogar als Wächter benutzen, erlebte aber im Verlauf der Zeit doch wenig Freude an ihm, weil
das Thier dem ihm übertragenen Amte mit allzugroßer Treue nachkam und dabei Unglück anstiftete.
Der Offizier hatte dieses Thier aus den Händen seines frühern Eigners erlöst, welcher es auf das
schmählichste gemißhandelt hatte, und für einen ziemlich hohen Preis gekauft. Der Bär schien zu be-
greifen, daß sein neuer Herr es gut mit ihm meine, und bewies ihm seine Dankbarkeit so bärenmäßig
derb, das der Offizier ernstlich daran denken mußte, ihn so schleunig, als möglich unterzubringen. Er
beschloß also, seinen Schützling mit sich nach dem Lager zu nehmen, in der Meinung, daß er dort wohl
gut aufgehoben sein würde. Zu diesem Endzweck wurde ein Wagen gemiethet und eine Menge von
Erdbeeren gekauft und, in viele Töpfe gefaßt, mitgenommen. Zugleich wurde dem Kutscher eingeschärft,
so schnell als möglich zu fahren. Jetzt stieg der Offizier in den Wagen, und die Reise begann. Der
Bär machte sich über die Erdbeeren her und verzehrte sie auf die feinste Weise, dabei die grünen Kelche
sorgfältig ausscheidend und wegwerfend; jedoch leerten sich die Fruchttöpfe so schnell, daß der unglück-
liche neue Besitzer wirklich Sorge ausstand, den Erdbeeren nachfolgen zu müssen. Aber der Bär zeigte
sich verständig. Die Sorge erwies sich als unnöthig, und als das Thier endlich plötzlich unter
eine Compagnie von Rothröcken gesetzt wurde, zeigte es so großen Schreck, daß es sich schleunigst
zu seinem jetzigen Herrn flüchtete, um dessen Schutz sich zu erbitten. Zufällig traf es sich, daß das
Mittagsessen gerade beginnen sollte. Der Offizier hatte eben noch Zeit, seinen Anzug vorher zu
ordnen, übergab seinen zottigen Gefährten einem Diener und eilte in das Speisezimmer. Petz
mochte eine günstige Gelegenheit zum Entschlüpfen wahrgenommen haben, denn er erschien plötzlich,
der Fährte seines Herrn folgend, in dem Raume und verursachte durch seinen unerwarteten Eintritt
begreiflicher Weise nicht geringe Aufregung unter den Gästen. Bei seinem frühern Herrn war er
gewöhnt worden, mit an der Tafel zu speisen. Er glaubte daher wahrscheinlich, jetzt auch ohne Ein-
ladung an dem Tische theilnehmen zu können, bestieg ohne Umstände einen noch leerstehenden Stuhl
und begaun tüchtig zuzulangen, mit einer Unbefangenheit, als habe er sein Lebtage unter solchen
Kameraden sich bewegt. Dieser Mittagstisch und sein späteres, liebenswürdiges Benehmen verschafften
ihm bald die allgemeine Neigung des ganzen Regiments, und er betrug sich auch wirklich sehr artig. Un-
glücklicherweise aber kam man auf den Gedanken, ihn zum Wächter eines Gepäckwagens zu machen,
und hier war es eben, wo er sich einige Eigenmächtigkeiten erlaubte, die ihm das Leben kosteten. Eines
schönen Tages nämlich faßte ein gemeiner Soldat den unglücklichen Vorsatz, irgend welchen Gegen-
stand aus dem Wagen zu stehlen, den der Bär bewachte. Dieser aber verstand durchaus keinen Scherz
und zerbiß ihm den Arm in so fürchterlicher Weise, daß derselbe bald darauf abgenommen werden
mußte. Wenige Tage später erlaubte sich ein Kind einen ähnlichen Angriff auf den Wagen und wurde
von dem Bären getödtet. Damit war sein Todesurtheil unterschrieben. Man fürchtete, daß er von
nun an blutdürstig werden möchte, und schoß ihn nieder.

Die Baronin von W. hatte einen jungen männlichen Bären aufgezogen, welcher sich beständig
in ihrem Zimmer aufhielt. Er war gleich einem Hunde zur Reinlichkeit gewöhnt worden und stand

Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär und ſeine Abarten.
zeller mit großem Zorn und wollte mit Ernſt ihn beißen. Schnell eilte der Führer auf ihn los
und riß ihn, die lange Kette ergreifend, weg, der Bär jedoch fuhr nun auf dieſen los und drängte ihn
nun auf die ſchauende Menge zu Aller Schrecken hinein. Der Herr war ganz weg. Glücklicher-
weiſe trat ſoeben der Herr und Meiſter, der ſo ſchnellen Ausgang des Kampfes nicht erwartet und ſich
ein Wenig entfernt hatte, wieder ein, ergriff die Kette und bezwang den wilden Gefährten mit
donnernden Worten und kräftigem Reißen.‟ Man ſieht, daß dieſer gezähmte Bär ſeinen Meiſter,
ſeinen Wächter und ſeinen Herrn genau von einander unterſchied.

Jn manchen Gegenden Rußlands und Sibiriens läßt man die gefangenen Bären, ſolange ſie
noch jung ſind, das Rad treten, um Waſſer aus tiefen Brunnen zu ziehen, ja, man richtet ſie ſogar ab,
Säcke und Holz an einen beſtimmten Ort zu tragen; doch iſt dem Meiſter Petz immer nur ſolange zu
trauen, als er noch jung iſt; denn mit zunehmendem Alter bricht ſeine Wildheit durch, und das
Thieriſche in ihm ſiegt über alle erhaltene Zucht. Ein engliſcher Hauptmann konnte ſeinen zahmen
Bären ſogar als Wächter benutzen, erlebte aber im Verlauf der Zeit doch wenig Freude an ihm, weil
das Thier dem ihm übertragenen Amte mit allzugroßer Treue nachkam und dabei Unglück anſtiftete.
Der Offizier hatte dieſes Thier aus den Händen ſeines frühern Eigners erlöſt, welcher es auf das
ſchmählichſte gemißhandelt hatte, und für einen ziemlich hohen Preis gekauft. Der Bär ſchien zu be-
greifen, daß ſein neuer Herr es gut mit ihm meine, und bewies ihm ſeine Dankbarkeit ſo bärenmäßig
derb, das der Offizier ernſtlich daran denken mußte, ihn ſo ſchleunig, als möglich unterzubringen. Er
beſchloß alſo, ſeinen Schützling mit ſich nach dem Lager zu nehmen, in der Meinung, daß er dort wohl
gut aufgehoben ſein würde. Zu dieſem Endzweck wurde ein Wagen gemiethet und eine Menge von
Erdbeeren gekauft und, in viele Töpfe gefaßt, mitgenommen. Zugleich wurde dem Kutſcher eingeſchärft,
ſo ſchnell als möglich zu fahren. Jetzt ſtieg der Offizier in den Wagen, und die Reiſe begann. Der
Bär machte ſich über die Erdbeeren her und verzehrte ſie auf die feinſte Weiſe, dabei die grünen Kelche
ſorgfältig ausſcheidend und wegwerfend; jedoch leerten ſich die Fruchttöpfe ſo ſchnell, daß der unglück-
liche neue Beſitzer wirklich Sorge ausſtand, den Erdbeeren nachfolgen zu müſſen. Aber der Bär zeigte
ſich verſtändig. Die Sorge erwies ſich als unnöthig, und als das Thier endlich plötzlich unter
eine Compagnie von Rothröcken geſetzt wurde, zeigte es ſo großen Schreck, daß es ſich ſchleunigſt
zu ſeinem jetzigen Herrn flüchtete, um deſſen Schutz ſich zu erbitten. Zufällig traf es ſich, daß das
Mittagseſſen gerade beginnen ſollte. Der Offizier hatte eben noch Zeit, ſeinen Anzug vorher zu
ordnen, übergab ſeinen zottigen Gefährten einem Diener und eilte in das Speiſezimmer. Petz
mochte eine günſtige Gelegenheit zum Entſchlüpfen wahrgenommen haben, denn er erſchien plötzlich,
der Fährte ſeines Herrn folgend, in dem Raume und verurſachte durch ſeinen unerwarteten Eintritt
begreiflicher Weiſe nicht geringe Aufregung unter den Gäſten. Bei ſeinem frühern Herrn war er
gewöhnt worden, mit an der Tafel zu ſpeiſen. Er glaubte daher wahrſcheinlich, jetzt auch ohne Ein-
ladung an dem Tiſche theilnehmen zu können, beſtieg ohne Umſtände einen noch leerſtehenden Stuhl
und begaun tüchtig zuzulangen, mit einer Unbefangenheit, als habe er ſein Lebtage unter ſolchen
Kameraden ſich bewegt. Dieſer Mittagstiſch und ſein ſpäteres, liebenswürdiges Benehmen verſchafften
ihm bald die allgemeine Neigung des ganzen Regiments, und er betrug ſich auch wirklich ſehr artig. Un-
glücklicherweiſe aber kam man auf den Gedanken, ihn zum Wächter eines Gepäckwagens zu machen,
und hier war es eben, wo er ſich einige Eigenmächtigkeiten erlaubte, die ihm das Leben koſteten. Eines
ſchönen Tages nämlich faßte ein gemeiner Soldat den unglücklichen Vorſatz, irgend welchen Gegen-
ſtand aus dem Wagen zu ſtehlen, den der Bär bewachte. Dieſer aber verſtand durchaus keinen Scherz
und zerbiß ihm den Arm in ſo fürchterlicher Weiſe, daß derſelbe bald darauf abgenommen werden
mußte. Wenige Tage ſpäter erlaubte ſich ein Kind einen ähnlichen Angriff auf den Wagen und wurde
von dem Bären getödtet. Damit war ſein Todesurtheil unterſchrieben. Man fürchtete, daß er von
nun an blutdürſtig werden möchte, und ſchoß ihn nieder.

Die Baronin von W. hatte einen jungen männlichen Bären aufgezogen, welcher ſich beſtändig
in ihrem Zimmer aufhielt. Er war gleich einem Hunde zur Reinlichkeit gewöhnt worden und ſtand

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[596/0672] Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär und ſeine Abarten. zeller mit großem Zorn und wollte mit Ernſt ihn beißen. Schnell eilte der Führer auf ihn los und riß ihn, die lange Kette ergreifend, weg, der Bär jedoch fuhr nun auf dieſen los und drängte ihn nun auf die ſchauende Menge zu Aller Schrecken hinein. Der Herr war ganz weg. Glücklicher- weiſe trat ſoeben der Herr und Meiſter, der ſo ſchnellen Ausgang des Kampfes nicht erwartet und ſich ein Wenig entfernt hatte, wieder ein, ergriff die Kette und bezwang den wilden Gefährten mit donnernden Worten und kräftigem Reißen.‟ Man ſieht, daß dieſer gezähmte Bär ſeinen Meiſter, ſeinen Wächter und ſeinen Herrn genau von einander unterſchied. Jn manchen Gegenden Rußlands und Sibiriens läßt man die gefangenen Bären, ſolange ſie noch jung ſind, das Rad treten, um Waſſer aus tiefen Brunnen zu ziehen, ja, man richtet ſie ſogar ab, Säcke und Holz an einen beſtimmten Ort zu tragen; doch iſt dem Meiſter Petz immer nur ſolange zu trauen, als er noch jung iſt; denn mit zunehmendem Alter bricht ſeine Wildheit durch, und das Thieriſche in ihm ſiegt über alle erhaltene Zucht. Ein engliſcher Hauptmann konnte ſeinen zahmen Bären ſogar als Wächter benutzen, erlebte aber im Verlauf der Zeit doch wenig Freude an ihm, weil das Thier dem ihm übertragenen Amte mit allzugroßer Treue nachkam und dabei Unglück anſtiftete. Der Offizier hatte dieſes Thier aus den Händen ſeines frühern Eigners erlöſt, welcher es auf das ſchmählichſte gemißhandelt hatte, und für einen ziemlich hohen Preis gekauft. Der Bär ſchien zu be- greifen, daß ſein neuer Herr es gut mit ihm meine, und bewies ihm ſeine Dankbarkeit ſo bärenmäßig derb, das der Offizier ernſtlich daran denken mußte, ihn ſo ſchleunig, als möglich unterzubringen. Er beſchloß alſo, ſeinen Schützling mit ſich nach dem Lager zu nehmen, in der Meinung, daß er dort wohl gut aufgehoben ſein würde. Zu dieſem Endzweck wurde ein Wagen gemiethet und eine Menge von Erdbeeren gekauft und, in viele Töpfe gefaßt, mitgenommen. Zugleich wurde dem Kutſcher eingeſchärft, ſo ſchnell als möglich zu fahren. Jetzt ſtieg der Offizier in den Wagen, und die Reiſe begann. Der Bär machte ſich über die Erdbeeren her und verzehrte ſie auf die feinſte Weiſe, dabei die grünen Kelche ſorgfältig ausſcheidend und wegwerfend; jedoch leerten ſich die Fruchttöpfe ſo ſchnell, daß der unglück- liche neue Beſitzer wirklich Sorge ausſtand, den Erdbeeren nachfolgen zu müſſen. Aber der Bär zeigte ſich verſtändig. Die Sorge erwies ſich als unnöthig, und als das Thier endlich plötzlich unter eine Compagnie von Rothröcken geſetzt wurde, zeigte es ſo großen Schreck, daß es ſich ſchleunigſt zu ſeinem jetzigen Herrn flüchtete, um deſſen Schutz ſich zu erbitten. Zufällig traf es ſich, daß das Mittagseſſen gerade beginnen ſollte. Der Offizier hatte eben noch Zeit, ſeinen Anzug vorher zu ordnen, übergab ſeinen zottigen Gefährten einem Diener und eilte in das Speiſezimmer. Petz mochte eine günſtige Gelegenheit zum Entſchlüpfen wahrgenommen haben, denn er erſchien plötzlich, der Fährte ſeines Herrn folgend, in dem Raume und verurſachte durch ſeinen unerwarteten Eintritt begreiflicher Weiſe nicht geringe Aufregung unter den Gäſten. Bei ſeinem frühern Herrn war er gewöhnt worden, mit an der Tafel zu ſpeiſen. Er glaubte daher wahrſcheinlich, jetzt auch ohne Ein- ladung an dem Tiſche theilnehmen zu können, beſtieg ohne Umſtände einen noch leerſtehenden Stuhl und begaun tüchtig zuzulangen, mit einer Unbefangenheit, als habe er ſein Lebtage unter ſolchen Kameraden ſich bewegt. Dieſer Mittagstiſch und ſein ſpäteres, liebenswürdiges Benehmen verſchafften ihm bald die allgemeine Neigung des ganzen Regiments, und er betrug ſich auch wirklich ſehr artig. Un- glücklicherweiſe aber kam man auf den Gedanken, ihn zum Wächter eines Gepäckwagens zu machen, und hier war es eben, wo er ſich einige Eigenmächtigkeiten erlaubte, die ihm das Leben koſteten. Eines ſchönen Tages nämlich faßte ein gemeiner Soldat den unglücklichen Vorſatz, irgend welchen Gegen- ſtand aus dem Wagen zu ſtehlen, den der Bär bewachte. Dieſer aber verſtand durchaus keinen Scherz und zerbiß ihm den Arm in ſo fürchterlicher Weiſe, daß derſelbe bald darauf abgenommen werden mußte. Wenige Tage ſpäter erlaubte ſich ein Kind einen ähnlichen Angriff auf den Wagen und wurde von dem Bären getödtet. Damit war ſein Todesurtheil unterſchrieben. Man fürchtete, daß er von nun an blutdürſtig werden möchte, und ſchoß ihn nieder. Die Baronin von W. hatte einen jungen männlichen Bären aufgezogen, welcher ſich beſtändig in ihrem Zimmer aufhielt. Er war gleich einem Hunde zur Reinlichkeit gewöhnt worden und ſtand

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/672>, abgerufen am 22.11.2024.