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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aeußeres und Lebensweise des Schlitzrüßlers.
kurze Zeit lebend hatte, daß derselbe hauptsächlich Körner fresse, wenn auch thierische Nahrung
nicht verschmähe.

Ueber die Lebensweise der sehr nahe verwandten zweiten Art hat Peters mehrere Mittheilungen
zusammengestellt. Wie die eigentlichen Spitzmäuse, ist auch dieses Thier ein nächtlich lebendes; während
des Tages schläft es an irgend einem Versteck, nachts treibt es sich außen umher. Jn manchen Ge-
birgen soll es ziemlich hänfig sein; verfolgt es der Jäger, so soll es den Kopf verstecken, in der Meinung,
sich dadurch zu verbergen, und so ruhig liegen bleiben, daß man es am Schwanze ergreifen kann. Jn
der Gefangenschaft weigert es sich gar nicht, ans Essen zu gehen; da es aber schwer kaut, muß man
ihm feingeschnittenes Fleisch vorlegen, damit es nicht etwa erstickt. Reinlichkeit ist zu seinem Wohlbe-
finden unumgängliche Bedingung: gern stürzt es sich ins Wasser und scheint sich hier angenehm zu
unterhalten; dabei trinkt es denn auch mit größerer Leichtigkeit, während ihm sonst die lange Rüssel-
spitze hier hinderlich ist.

Seine Stimme ist durchdringend und wechselnd: bald erinnert sie an das Grunzen des Schweines,
bald an das Geschrei eines Vogels. Zuweilen schreit es wie ein Käuzchen; beim Berühren grunzt
es wie die Ferkelratte. Es wird sehr leicht zornig und sträubt dann das Haar in eigenthümlicher
Weise. Ein vorübergehendes Huhn oder anderes kleines Thier erregt es aufs höchste und es ver-
sucht wenigstens, sich desselben zu bemächtigen. Die erfaßte Beute zerreißt es mit den langen, krummen
Krallen wie ein Habicht. -- Dann und wann ergießt sich aus seiner Haut eine röthliche, ölige, übel-
riechende Flüssigkeit.

Die Gefangenen, welche ein Herr Corona hielt, starben theils an den Wunden, welche sie
einander bissig zufügten, theils an einer eigenthümlichen Wurmkrankheit. Einige von diesen zeigten
sich ganz voll von Würmern, welche sich zwischen dem Bindegewebe und den Muskeln, besonders am
Halfe in ungeheurer Menge fanden, wie in einen weichen Sack eingehüllt.

Die einheimischen Namen des Thieres sind sehr verschieden; hier und da nennt man es Tejon
oder Dachs, in anderen Gegenden Andaras, in der Nähe von Trinidad: Tacuache.



Auch die eigentlichen Spitzmäuse sind in der Neuzeit in mehrere Unterabtheilungen gebracht
worden, welche eigentlich auf den Rang von Sippen keinen Anspruch machen können. Man kennt
gegenwärtig etwa 20 bis 24 Arten dieser Gruppe; doch erfordern alle Spitzmäuse noch genauere
Beobachtungen, um mit aller Sicherheit entweder als Art oder blose Abart bezeichnet werden zu können.
Die wahren Spitzmäuse sind die vollkommensten Glieder ihrer Familie; denn sie zeigen die Eigenschaften,
welche ich oben besprach, am entschiedensten. Es sind überaus raubgierige, muthige und gewandte Ge-
schöpfe, welche uns durch ihre Räubereien den größten Nutzen bringen und besondere Schonung
verdienen.
Der Leib ist schlank, der Hals kurz, die Schnauze stark verlängert, rüsselartig; die
Hinterbeine sind nicht viel länger, als die Vorderbeine, die Zehen frei, der Schwanz ist lang oder kurz,
geringelt, geschuppt und dicht mit Haaren besetzt, die Ohren sind kurz und durch einen an ihnen be-
findlichen Lappen verschließbar, die Augen sind sehr klein, die Vorderzähne an der Schneide gezähnelt,
die übrigen mehrfach zugespitzt.

Eine ausländische Art mag die Reihe der von mir Erwählten eröffnen. Es ist der Mondjuru
oder Sondeli (Sorex murinus), die "Moschusratte" aus Jndien, welche unsere Abbildung in
natürlicher Größe darstellt. Die Färbung des feinen Pelzes ist oben dunkelbraun bis schwarz, unten
hell; die nackten Lippen, Ohren und Pfoten sind hellbräunlich fleischfarben. Zuweilen kommen ganz
weiße Spielarten vor. Die Länge beträgt etwas über 4 Zoll, die des Schwauzes 21/2 Zoll.

Der Sondeli bewohnt verschiedene Theile Jndiens und ist dort sehr gehaßt, wegen des außer-
ordentlich heftigen Gestanks, den er aus seinen Afterdrüsen absondert. Dieser Geruch, welcher am
meisten dem Moschus ähnelt, hat die Eigenthümlichkeit, sich an alle von der Maus berührte Gegen-

Aeußeres und Lebensweiſe des Schlitzrüßlers.
kurze Zeit lebend hatte, daß derſelbe hauptſächlich Körner freſſe, wenn auch thieriſche Nahrung
nicht verſchmähe.

Ueber die Lebensweiſe der ſehr nahe verwandten zweiten Art hat Peters mehrere Mittheilungen
zuſammengeſtellt. Wie die eigentlichen Spitzmäuſe, iſt auch dieſes Thier ein nächtlich lebendes; während
des Tages ſchläft es an irgend einem Verſteck, nachts treibt es ſich außen umher. Jn manchen Ge-
birgen ſoll es ziemlich hänfig ſein; verfolgt es der Jäger, ſo ſoll es den Kopf verſtecken, in der Meinung,
ſich dadurch zu verbergen, und ſo ruhig liegen bleiben, daß man es am Schwanze ergreifen kann. Jn
der Gefangenſchaft weigert es ſich gar nicht, ans Eſſen zu gehen; da es aber ſchwer kaut, muß man
ihm feingeſchnittenes Fleiſch vorlegen, damit es nicht etwa erſtickt. Reinlichkeit iſt zu ſeinem Wohlbe-
finden unumgängliche Bedingung: gern ſtürzt es ſich ins Waſſer und ſcheint ſich hier angenehm zu
unterhalten; dabei trinkt es denn auch mit größerer Leichtigkeit, während ihm ſonſt die lange Rüſſel-
ſpitze hier hinderlich iſt.

Seine Stimme iſt durchdringend und wechſelnd: bald erinnert ſie an das Grunzen des Schweines,
bald an das Geſchrei eines Vogels. Zuweilen ſchreit es wie ein Käuzchen; beim Berühren grunzt
es wie die Ferkelratte. Es wird ſehr leicht zornig und ſträubt dann das Haar in eigenthümlicher
Weiſe. Ein vorübergehendes Huhn oder anderes kleines Thier erregt es aufs höchſte und es ver-
ſucht wenigſtens, ſich deſſelben zu bemächtigen. Die erfaßte Beute zerreißt es mit den langen, krummen
Krallen wie ein Habicht. — Dann und wann ergießt ſich aus ſeiner Haut eine röthliche, ölige, übel-
riechende Flüſſigkeit.

Die Gefangenen, welche ein Herr Corona hielt, ſtarben theils an den Wunden, welche ſie
einander biſſig zufügten, theils an einer eigenthümlichen Wurmkrankheit. Einige von dieſen zeigten
ſich ganz voll von Würmern, welche ſich zwiſchen dem Bindegewebe und den Muskeln, beſonders am
Halfe in ungeheurer Menge fanden, wie in einen weichen Sack eingehüllt.

Die einheimiſchen Namen des Thieres ſind ſehr verſchieden; hier und da nennt man es Tejon
oder Dachs, in anderen Gegenden Andarás, in der Nähe von Trinidad: Tacuache.



Auch die eigentlichen Spitzmäuſe ſind in der Neuzeit in mehrere Unterabtheilungen gebracht
worden, welche eigentlich auf den Rang von Sippen keinen Anſpruch machen können. Man kennt
gegenwärtig etwa 20 bis 24 Arten dieſer Gruppe; doch erfordern alle Spitzmäuſe noch genauere
Beobachtungen, um mit aller Sicherheit entweder als Art oder bloſe Abart bezeichnet werden zu können.
Die wahren Spitzmäuſe ſind die vollkommenſten Glieder ihrer Familie; denn ſie zeigen die Eigenſchaften,
welche ich oben beſprach, am entſchiedenſten. Es ſind überaus raubgierige, muthige und gewandte Ge-
ſchöpfe, welche uns durch ihre Räubereien den größten Nutzen bringen und beſondere Schonung
verdienen.
Der Leib iſt ſchlank, der Hals kurz, die Schnauze ſtark verlängert, rüſſelartig; die
Hinterbeine ſind nicht viel länger, als die Vorderbeine, die Zehen frei, der Schwanz iſt lang oder kurz,
geringelt, geſchuppt und dicht mit Haaren beſetzt, die Ohren ſind kurz und durch einen an ihnen be-
findlichen Lappen verſchließbar, die Augen ſind ſehr klein, die Vorderzähne an der Schneide gezähnelt,
die übrigen mehrfach zugeſpitzt.

Eine ausländiſche Art mag die Reihe der von mir Erwählten eröffnen. Es iſt der Mondjuru
oder Sondeli (Sorex murinus), die „Moſchusratte‟ aus Jndien, welche unſere Abbildung in
natürlicher Größe darſtellt. Die Färbung des feinen Pelzes iſt oben dunkelbraun bis ſchwarz, unten
hell; die nackten Lippen, Ohren und Pfoten ſind hellbräunlich fleiſchfarben. Zuweilen kommen ganz
weiße Spielarten vor. Die Länge beträgt etwas über 4 Zoll, die des Schwauzes 2½ Zoll.

Der Sondeli bewohnt verſchiedene Theile Jndiens und iſt dort ſehr gehaßt, wegen des außer-
ordentlich heftigen Geſtanks, den er aus ſeinen Afterdrüſen abſondert. Dieſer Geruch, welcher am
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[669/0747] Aeußeres und Lebensweiſe des Schlitzrüßlers. kurze Zeit lebend hatte, daß derſelbe hauptſächlich Körner freſſe, wenn auch thieriſche Nahrung nicht verſchmähe. Ueber die Lebensweiſe der ſehr nahe verwandten zweiten Art hat Peters mehrere Mittheilungen zuſammengeſtellt. Wie die eigentlichen Spitzmäuſe, iſt auch dieſes Thier ein nächtlich lebendes; während des Tages ſchläft es an irgend einem Verſteck, nachts treibt es ſich außen umher. Jn manchen Ge- birgen ſoll es ziemlich hänfig ſein; verfolgt es der Jäger, ſo ſoll es den Kopf verſtecken, in der Meinung, ſich dadurch zu verbergen, und ſo ruhig liegen bleiben, daß man es am Schwanze ergreifen kann. Jn der Gefangenſchaft weigert es ſich gar nicht, ans Eſſen zu gehen; da es aber ſchwer kaut, muß man ihm feingeſchnittenes Fleiſch vorlegen, damit es nicht etwa erſtickt. Reinlichkeit iſt zu ſeinem Wohlbe- finden unumgängliche Bedingung: gern ſtürzt es ſich ins Waſſer und ſcheint ſich hier angenehm zu unterhalten; dabei trinkt es denn auch mit größerer Leichtigkeit, während ihm ſonſt die lange Rüſſel- ſpitze hier hinderlich iſt. Seine Stimme iſt durchdringend und wechſelnd: bald erinnert ſie an das Grunzen des Schweines, bald an das Geſchrei eines Vogels. Zuweilen ſchreit es wie ein Käuzchen; beim Berühren grunzt es wie die Ferkelratte. Es wird ſehr leicht zornig und ſträubt dann das Haar in eigenthümlicher Weiſe. Ein vorübergehendes Huhn oder anderes kleines Thier erregt es aufs höchſte und es ver- ſucht wenigſtens, ſich deſſelben zu bemächtigen. Die erfaßte Beute zerreißt es mit den langen, krummen Krallen wie ein Habicht. — Dann und wann ergießt ſich aus ſeiner Haut eine röthliche, ölige, übel- riechende Flüſſigkeit. Die Gefangenen, welche ein Herr Corona hielt, ſtarben theils an den Wunden, welche ſie einander biſſig zufügten, theils an einer eigenthümlichen Wurmkrankheit. Einige von dieſen zeigten ſich ganz voll von Würmern, welche ſich zwiſchen dem Bindegewebe und den Muskeln, beſonders am Halfe in ungeheurer Menge fanden, wie in einen weichen Sack eingehüllt. Die einheimiſchen Namen des Thieres ſind ſehr verſchieden; hier und da nennt man es Tejon oder Dachs, in anderen Gegenden Andarás, in der Nähe von Trinidad: Tacuache. Auch die eigentlichen Spitzmäuſe ſind in der Neuzeit in mehrere Unterabtheilungen gebracht worden, welche eigentlich auf den Rang von Sippen keinen Anſpruch machen können. Man kennt gegenwärtig etwa 20 bis 24 Arten dieſer Gruppe; doch erfordern alle Spitzmäuſe noch genauere Beobachtungen, um mit aller Sicherheit entweder als Art oder bloſe Abart bezeichnet werden zu können. Die wahren Spitzmäuſe ſind die vollkommenſten Glieder ihrer Familie; denn ſie zeigen die Eigenſchaften, welche ich oben beſprach, am entſchiedenſten. Es ſind überaus raubgierige, muthige und gewandte Ge- ſchöpfe, welche uns durch ihre Räubereien den größten Nutzen bringen und beſondere Schonung verdienen. Der Leib iſt ſchlank, der Hals kurz, die Schnauze ſtark verlängert, rüſſelartig; die Hinterbeine ſind nicht viel länger, als die Vorderbeine, die Zehen frei, der Schwanz iſt lang oder kurz, geringelt, geſchuppt und dicht mit Haaren beſetzt, die Ohren ſind kurz und durch einen an ihnen be- findlichen Lappen verſchließbar, die Augen ſind ſehr klein, die Vorderzähne an der Schneide gezähnelt, die übrigen mehrfach zugeſpitzt. Eine ausländiſche Art mag die Reihe der von mir Erwählten eröffnen. Es iſt der Mondjuru oder Sondeli (Sorex murinus), die „Moſchusratte‟ aus Jndien, welche unſere Abbildung in natürlicher Größe darſtellt. Die Färbung des feinen Pelzes iſt oben dunkelbraun bis ſchwarz, unten hell; die nackten Lippen, Ohren und Pfoten ſind hellbräunlich fleiſchfarben. Zuweilen kommen ganz weiße Spielarten vor. Die Länge beträgt etwas über 4 Zoll, die des Schwauzes 2½ Zoll. Der Sondeli bewohnt verſchiedene Theile Jndiens und iſt dort ſehr gehaßt, wegen des außer- ordentlich heftigen Geſtanks, den er aus ſeinen Afterdrüſen abſondert. Dieſer Geruch, welcher am meiſten dem Moſchus ähnelt, hat die Eigenthümlichkeit, ſich an alle von der Maus berührte Gegen-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/747>, abgerufen am 24.11.2024.