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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Maulwürfe. -- Gewöhnlicher Maulwurf.
dessen Boden blos zwei Zoll hoch mit Erde bedeckt war, damit er hier, weil er keine unterirdischen
Gänge bauen konnte, sich die meiste Zeit frei zeigen mußte. Schon in der zweiten Stunde seiner Ge-
fangenschaft fraß er Regenwürmer in großer Menge. Er nahm sie, wie er es auch bei anderm Futter
thut, beim Fressen zwischen die Vorderpfoten und strich, während er mit den Zähnen zog, durch die
Bewegung der Pfoten den anliegenden Schmuz zurück. Pflanzennahrung der verschiedensten Art, auch
Brod und Semmel, verschmähte er stets, dagegen fraß er Schnecken, Käfer, Maden, Raupen, Schmetter-
lingspuppen und Fleisch von Vögeln und Säugethieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große
Blindschleiche vor. Augenblicklich war er da, gab ihr einen Biß und verschwand, weil sie sich stark
bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erschien er wieder, biß nochmals zu und zog sich von neuem
in die Tiefe zurück. Das trieb er wohl sechs Minuten lang; endlich wurde er aber kühner, packte fest
zu und nagte, konnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut durchbeißen. Nachdem er jedoch erst
ein Loch gemacht hatte, wurde er äußerst kühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den
Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, zog zuerst Leber und Gedärme hervor und ließ schließlich
Nichts übrig, als den Kopf, die Rückenwirbel, einige Hautstücken und den Schwanz. Dies war am
Morgen geschehn. Mittags fraß er noch eine große Gartenschnecke, deren Gehäus zerschmettert worden
war, und Nachmittags verzehrte er drei Schmetterlingspuppen. Um fünf Uhr hatte er bereits wieder
Hunger und erhielt nun eine etwa 21/2 Fuß lange Ringelnatter. Mit dieser verfuhr er gerade so, wie
mit der Blindschleiche, und da sie aus der Kiste nicht entkommen konnte, erreichte er sie endlich und fraß
so emsig, daß am nächsten Morgen Nichts mehr übrig war, als der Kopf, die Haut, das ganze Gerippe
und der Schwanz. Einer Kreuzotter gegenüber, welche ihn unfehlbar getödtet haben würde, wurde
sein Muth nicht auf die Probe gestellt; denn er kam durch einen Zufall früher ums Leben. Doch
glaubt Lenz, daß er unter der Erde, wo er entschieden muthiger, als in der Gefangenschaft und in
Gegenwart von Menschen ist, auch wohl eine Kreuzotter angreifen dürfte, wenn diese zum Winterschlaf
einen seiner Gänge bezieht und hier von ihm in ihrer Erstarrung angetroffen wird.

Recht deutlich kann man sich an gefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihres Geruches über-
zeugen. Jch brachte einen in eine Kiste, welche etwa einen halben Fuß hoch mit Erde bedeckt war.
Er wühlte sich sofort in die Tiefe. Nun drückte ich die Erde fest und legte fein geschnittenes, rohes
Fleisch in eine Ecke. Schon nach wenig Minuten hob sich hier die Erde, die feine höchst biegsame
Schnauze brach durch und das Fleisch wurde verzehrt. Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel,
daß der Geruch den Maulwurf auf allen seinen Jagden leitet.

Der Geruch befähigt ihn, auch die Nahrung zu entdecken, ohne sie zu sehen oder zu berühren,
und leitet ihn erfolgreich durch seine verwickelten, unterirdischen Gänge. Alle Maulwurfsfänger wissen,
wie scharf dieser Sinn ist, und nehmen deshalb, wenn sie Fallen stellen, gern einen todten Maulwurf zur
Hand, mit welchem sie die Rasenstücke oder Fallen abreiben, die sie vorher in ihrer Hand gehabt haben.
Die feine, höchst bewegliche Nase dient ihm zugleich als Tastwerkzeug. Dies sieht man hauptsächlich
dann, wenn das Thier zufällig auf die Oberfläche der Erde gekommen ist und hier eine Stelle
erspähen will, welche ihm zu raschem Eingraben geeignet scheint. Er rennt eilig hin und her und
untersucht tastend überall den Grund, bevor er seine gewaltigen Grabwerkzeuge in Thätigkeit setzt.
Auch während er eifrig gräbt, ist diese Nase immer der Vorläufer des Thieres nach jeder Richtung
hin. -- Das Gehör ist vortrefflich. Wahrscheinlich wird es besonders benutzt, um Gefahren zu ent-
gehen; denn der Maulwurf vernimmt nicht blos die leiseste Erschütterung der Erde, sondern hört auch
jeden ihm bedenklich erscheinenden Ton mit aller Sicherheit und sucht sich dann so schnell als möglich
auf und davon zu machen. -- Daß der Geschmack hinter diesem Sinne zurücksteht, geht schon aus der
Vielartigkeit der Nahrung und aus der Gier hervor, mit welcher er frißt. Er giebt sich keine Mühe,
erst zu untersuchen, wie eine Sache schmeckt, sondern beginnt gleich herzhaft zu fressen und scheint auch zu
zeigen, daß ihm so ziemlich alles Genießbare gleich sei. Deshalb ist jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch
sein Geschmackssinn rege ist, nur freilich in einem weit untergeordneteren Grade, als die vorher ge-
nannten Sinne. Hinsichtlich des Gesichtes will ich hier nur an die bereits in der Einleitung auge-

Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf.
deſſen Boden blos zwei Zoll hoch mit Erde bedeckt war, damit er hier, weil er keine unterirdiſchen
Gänge bauen konnte, ſich die meiſte Zeit frei zeigen mußte. Schon in der zweiten Stunde ſeiner Ge-
fangenſchaft fraß er Regenwürmer in großer Menge. Er nahm ſie, wie er es auch bei anderm Futter
thut, beim Freſſen zwiſchen die Vorderpfoten und ſtrich, während er mit den Zähnen zog, durch die
Bewegung der Pfoten den anliegenden Schmuz zurück. Pflanzennahrung der verſchiedenſten Art, auch
Brod und Semmel, verſchmähte er ſtets, dagegen fraß er Schnecken, Käfer, Maden, Raupen, Schmetter-
lingspuppen und Fleiſch von Vögeln und Säugethieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große
Blindſchleiche vor. Augenblicklich war er da, gab ihr einen Biß und verſchwand, weil ſie ſich ſtark
bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erſchien er wieder, biß nochmals zu und zog ſich von neuem
in die Tiefe zurück. Das trieb er wohl ſechs Minuten lang; endlich wurde er aber kühner, packte feſt
zu und nagte, konnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut durchbeißen. Nachdem er jedoch erſt
ein Loch gemacht hatte, wurde er äußerſt kühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den
Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, zog zuerſt Leber und Gedärme hervor und ließ ſchließlich
Nichts übrig, als den Kopf, die Rückenwirbel, einige Hautſtücken und den Schwanz. Dies war am
Morgen geſchehn. Mittags fraß er noch eine große Gartenſchnecke, deren Gehäus zerſchmettert worden
war, und Nachmittags verzehrte er drei Schmetterlingspuppen. Um fünf Uhr hatte er bereits wieder
Hunger und erhielt nun eine etwa 2½ Fuß lange Ringelnatter. Mit dieſer verfuhr er gerade ſo, wie
mit der Blindſchleiche, und da ſie aus der Kiſte nicht entkommen konnte, erreichte er ſie endlich und fraß
ſo emſig, daß am nächſten Morgen Nichts mehr übrig war, als der Kopf, die Haut, das ganze Gerippe
und der Schwanz. Einer Kreuzotter gegenüber, welche ihn unfehlbar getödtet haben würde, wurde
ſein Muth nicht auf die Probe geſtellt; denn er kam durch einen Zufall früher ums Leben. Doch
glaubt Lenz, daß er unter der Erde, wo er entſchieden muthiger, als in der Gefangenſchaft und in
Gegenwart von Menſchen iſt, auch wohl eine Kreuzotter angreifen dürfte, wenn dieſe zum Winterſchlaf
einen ſeiner Gänge bezieht und hier von ihm in ihrer Erſtarrung angetroffen wird.

Recht deutlich kann man ſich an gefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihres Geruches über-
zeugen. Jch brachte einen in eine Kiſte, welche etwa einen halben Fuß hoch mit Erde bedeckt war.
Er wühlte ſich ſofort in die Tiefe. Nun drückte ich die Erde feſt und legte fein geſchnittenes, rohes
Fleiſch in eine Ecke. Schon nach wenig Minuten hob ſich hier die Erde, die feine höchſt biegſame
Schnauze brach durch und das Fleiſch wurde verzehrt. Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel,
daß der Geruch den Maulwurf auf allen ſeinen Jagden leitet.

Der Geruch befähigt ihn, auch die Nahrung zu entdecken, ohne ſie zu ſehen oder zu berühren,
und leitet ihn erfolgreich durch ſeine verwickelten, unterirdiſchen Gänge. Alle Maulwurfsfänger wiſſen,
wie ſcharf dieſer Sinn iſt, und nehmen deshalb, wenn ſie Fallen ſtellen, gern einen todten Maulwurf zur
Hand, mit welchem ſie die Raſenſtücke oder Fallen abreiben, die ſie vorher in ihrer Hand gehabt haben.
Die feine, höchſt bewegliche Naſe dient ihm zugleich als Taſtwerkzeug. Dies ſieht man hauptſächlich
dann, wenn das Thier zufällig auf die Oberfläche der Erde gekommen iſt und hier eine Stelle
erſpähen will, welche ihm zu raſchem Eingraben geeignet ſcheint. Er rennt eilig hin und her und
unterſucht taſtend überall den Grund, bevor er ſeine gewaltigen Grabwerkzeuge in Thätigkeit ſetzt.
Auch während er eifrig gräbt, iſt dieſe Naſe immer der Vorläufer des Thieres nach jeder Richtung
hin. — Das Gehör iſt vortrefflich. Wahrſcheinlich wird es beſonders benutzt, um Gefahren zu ent-
gehen; denn der Maulwurf vernimmt nicht blos die leiſeſte Erſchütterung der Erde, ſondern hört auch
jeden ihm bedenklich erſcheinenden Ton mit aller Sicherheit und ſucht ſich dann ſo ſchnell als möglich
auf und davon zu machen. — Daß der Geſchmack hinter dieſem Sinne zurückſteht, geht ſchon aus der
Vielartigkeit der Nahrung und aus der Gier hervor, mit welcher er frißt. Er giebt ſich keine Mühe,
erſt zu unterſuchen, wie eine Sache ſchmeckt, ſondern beginnt gleich herzhaft zu freſſen und ſcheint auch zu
zeigen, daß ihm ſo ziemlich alles Genießbare gleich ſei. Deshalb iſt jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch
ſein Geſchmacksſinn rege iſt, nur freilich in einem weit untergeordneteren Grade, als die vorher ge-
nannten Sinne. Hinſichtlich des Geſichtes will ich hier nur an die bereits in der Einleitung auge-

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[688/0766] Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf. deſſen Boden blos zwei Zoll hoch mit Erde bedeckt war, damit er hier, weil er keine unterirdiſchen Gänge bauen konnte, ſich die meiſte Zeit frei zeigen mußte. Schon in der zweiten Stunde ſeiner Ge- fangenſchaft fraß er Regenwürmer in großer Menge. Er nahm ſie, wie er es auch bei anderm Futter thut, beim Freſſen zwiſchen die Vorderpfoten und ſtrich, während er mit den Zähnen zog, durch die Bewegung der Pfoten den anliegenden Schmuz zurück. Pflanzennahrung der verſchiedenſten Art, auch Brod und Semmel, verſchmähte er ſtets, dagegen fraß er Schnecken, Käfer, Maden, Raupen, Schmetter- lingspuppen und Fleiſch von Vögeln und Säugethieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große Blindſchleiche vor. Augenblicklich war er da, gab ihr einen Biß und verſchwand, weil ſie ſich ſtark bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erſchien er wieder, biß nochmals zu und zog ſich von neuem in die Tiefe zurück. Das trieb er wohl ſechs Minuten lang; endlich wurde er aber kühner, packte feſt zu und nagte, konnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut durchbeißen. Nachdem er jedoch erſt ein Loch gemacht hatte, wurde er äußerſt kühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, zog zuerſt Leber und Gedärme hervor und ließ ſchließlich Nichts übrig, als den Kopf, die Rückenwirbel, einige Hautſtücken und den Schwanz. Dies war am Morgen geſchehn. Mittags fraß er noch eine große Gartenſchnecke, deren Gehäus zerſchmettert worden war, und Nachmittags verzehrte er drei Schmetterlingspuppen. Um fünf Uhr hatte er bereits wieder Hunger und erhielt nun eine etwa 2½ Fuß lange Ringelnatter. Mit dieſer verfuhr er gerade ſo, wie mit der Blindſchleiche, und da ſie aus der Kiſte nicht entkommen konnte, erreichte er ſie endlich und fraß ſo emſig, daß am nächſten Morgen Nichts mehr übrig war, als der Kopf, die Haut, das ganze Gerippe und der Schwanz. Einer Kreuzotter gegenüber, welche ihn unfehlbar getödtet haben würde, wurde ſein Muth nicht auf die Probe geſtellt; denn er kam durch einen Zufall früher ums Leben. Doch glaubt Lenz, daß er unter der Erde, wo er entſchieden muthiger, als in der Gefangenſchaft und in Gegenwart von Menſchen iſt, auch wohl eine Kreuzotter angreifen dürfte, wenn dieſe zum Winterſchlaf einen ſeiner Gänge bezieht und hier von ihm in ihrer Erſtarrung angetroffen wird. Recht deutlich kann man ſich an gefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihres Geruches über- zeugen. Jch brachte einen in eine Kiſte, welche etwa einen halben Fuß hoch mit Erde bedeckt war. Er wühlte ſich ſofort in die Tiefe. Nun drückte ich die Erde feſt und legte fein geſchnittenes, rohes Fleiſch in eine Ecke. Schon nach wenig Minuten hob ſich hier die Erde, die feine höchſt biegſame Schnauze brach durch und das Fleiſch wurde verzehrt. Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel, daß der Geruch den Maulwurf auf allen ſeinen Jagden leitet. Der Geruch befähigt ihn, auch die Nahrung zu entdecken, ohne ſie zu ſehen oder zu berühren, und leitet ihn erfolgreich durch ſeine verwickelten, unterirdiſchen Gänge. Alle Maulwurfsfänger wiſſen, wie ſcharf dieſer Sinn iſt, und nehmen deshalb, wenn ſie Fallen ſtellen, gern einen todten Maulwurf zur Hand, mit welchem ſie die Raſenſtücke oder Fallen abreiben, die ſie vorher in ihrer Hand gehabt haben. Die feine, höchſt bewegliche Naſe dient ihm zugleich als Taſtwerkzeug. Dies ſieht man hauptſächlich dann, wenn das Thier zufällig auf die Oberfläche der Erde gekommen iſt und hier eine Stelle erſpähen will, welche ihm zu raſchem Eingraben geeignet ſcheint. Er rennt eilig hin und her und unterſucht taſtend überall den Grund, bevor er ſeine gewaltigen Grabwerkzeuge in Thätigkeit ſetzt. Auch während er eifrig gräbt, iſt dieſe Naſe immer der Vorläufer des Thieres nach jeder Richtung hin. — Das Gehör iſt vortrefflich. Wahrſcheinlich wird es beſonders benutzt, um Gefahren zu ent- gehen; denn der Maulwurf vernimmt nicht blos die leiſeſte Erſchütterung der Erde, ſondern hört auch jeden ihm bedenklich erſcheinenden Ton mit aller Sicherheit und ſucht ſich dann ſo ſchnell als möglich auf und davon zu machen. — Daß der Geſchmack hinter dieſem Sinne zurückſteht, geht ſchon aus der Vielartigkeit der Nahrung und aus der Gier hervor, mit welcher er frißt. Er giebt ſich keine Mühe, erſt zu unterſuchen, wie eine Sache ſchmeckt, ſondern beginnt gleich herzhaft zu freſſen und ſcheint auch zu zeigen, daß ihm ſo ziemlich alles Genießbare gleich ſei. Deshalb iſt jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch ſein Geſchmacksſinn rege iſt, nur freilich in einem weit untergeordneteren Grade, als die vorher ge- nannten Sinne. Hinſichtlich des Geſichtes will ich hier nur an die bereits in der Einleitung auge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/766>, abgerufen am 21.11.2024.