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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Geruch. Die übrigen Sinne. Unverträglichkeit. Paarung.
führten hochdichterischen Worte unsers Rückert erinnern; denn jene Verse enthalten die vollste Wahr-
heit. Uebrigens gebraucht der Maulwurf sein Auge wirklich. Man weiß genau, daß er sich nach
diesem Sinne richtet, wenn er schwimmend Ströme über setzt, welche ihm zum Unterwühlen zu breit
sind. Will man seine Sehfähigkeit prüfen, so braucht man einen gefangenen Maulwurf blos ins
Wasser zu werfen. Sobald er sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, zu schwimmen, legt er augen-
blicklich die das Auge umgebenden Haare aus einander und zeigt die kleinen, dunkelglänzenden
Kügelchen, welche er jetzt weit hervorgedrückt hat, um sie besser benutzen zu können.

Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältniß zu
seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier ist. Dem entsprechen auch seine geistigen Eigen-
schaften. Er ist wild, außerordeutlich wüthend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig, und lebt eigentlich
mit keinem einzigen Geschöpf im Frieden, außer mit seinem Weibchen, und mit diesem auch blos
während der Paarungszeit und so lange die Jungen desselben klein sind. Während des ganzen
übrigen Jahres duldet er kein anderes lebendes Wesen in seiner Nähe und am allerwenigsten einen
Mitbewohner in seinem Bau, ganz gleichgiltig, welcher Art dieser sein möge. Falls überlegne Feinde,
wie das Wiesel oder die Kreuzotter, seine Gänge befahren, und zwar in der Absicht, auf ihn Jagd
zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf diese ungebetenen Gäste trifft: mit den ihm gleich
kräftigen oder schwächeren Thieren aber beginnt er einen Kampf auf Leben und Tod, welcher regel-
mäßig das Unterliegen des Eindringlings oder sein eignes Verderben nach sich zieht. Nicht einmal
mit Anderen seiner Art, seien sie nun von demselben Geschlecht, wie er, oder nicht, lebt er in Freund-
schaft. Zwei Maulwürfe, die sich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zwei-
kampf mit einander, welcher in den meisten Fällen den Tod des einen, in sehr vielen anderen Fällen
aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eifersüchtigsten und wüthendsten kämpfen natürlich zwei
Maulwürfe desselben Geschlechts mit einander, und der Ausgang solcher Gefechte ist dann auch
sehr zweifelhaft. Der eine unterliegt, verendet und wird von dem andern sofort aufgefressen. So ist
es sehr begreiflich, daß jeder Maulwurf für sich allein einen Bau bewohnt und sich hier auf eigue
Faust beschäftigt und vergnügt, entweder mit Graben und Fressen oder mit Schlafen und Ausruhen.
Fast alle Landleute, welche ihre Betrachtungen über das Thier angestellt haben, sind darin einig,
daß der Maulwurf drei Stunden "wie ein Pferd" arbeite und dann drei Stunden schlafe, hierauf
wieder dieselbe Zeit zur Jagd verwende und die nächstfolgenden drei Stunden wieder dem Schlafe
widme u. s. f.

Ein anderes Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlassen die liebebedürftigen Männchen
und Weibchen zur Nachtzeit häufig genug ihren Bau und streifen über der Erde umher, um andere
Maulwurfspaläste aufzusuchen und hier Besuche abzustatten. Es ist erwiesen, daß es weit mehr
Männchen, als Weibchen giebt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen
eher zusammen, als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. So oft Dies geschieht, entspinnt
sich ein wüthender Kampf und zwar ebensowohl über, als unter der Erde, oder hier und dort nach
einander, bis endlich der eine sich für besiegt ansieht und zu entfliehen versucht. Endlich, vielleicht nach
mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf. Er versucht nun,
dieses, nachdem er sich hinlänglich von dessen Geschlecht überzeugt hat, mit Gewalt oder Güte an sich
zu fesseln. Er bezieht also mit seiner Schönen entweder seinen oder ihren Bau und legt hier
Röhren an, welche den gewöhnlichen Jagdröhren ziemlich ähneln aber zu einem ganz andern Zwecke
bestimmt sind, nämlich um das Weibchen darin einzusperren, wenn sich ein anderer Bewerber für
dasselbe findet. Sobald er seine liebe Hälfte derart in Sicherheit gebracht hat, kehrt er sofort zu dem
etwaigen Geguer zurück. Beide erweitern die Röhren, in welchen sie sich getroffen, zu einem Kampf-
platze, und nun wird auf Tod und Leben gefochten. Das eingesperrte Weibchen hat sich inzwischen zu
befreien gesucht und, neue Röhren grabend, sich weiter und weiter entfernt; der Sieger, sei es jetzt der
erste oder der zweite Bewerber, eilt ihm jedoch nach und bringt es wieder zurück, und nach mancherlei
Kämpfen gewöhnen sich die beiden mürrischen Einsiedler auch wirklich an einander. Jetzt graben sie

Brehm, Thierleben. 44

Geruch. Die übrigen Sinne. Unverträglichkeit. Paarung.
führten hochdichteriſchen Worte unſers Rückert erinnern; denn jene Verſe enthalten die vollſte Wahr-
heit. Uebrigens gebraucht der Maulwurf ſein Auge wirklich. Man weiß genau, daß er ſich nach
dieſem Sinne richtet, wenn er ſchwimmend Ströme über ſetzt, welche ihm zum Unterwühlen zu breit
ſind. Will man ſeine Sehfähigkeit prüfen, ſo braucht man einen gefangenen Maulwurf blos ins
Waſſer zu werfen. Sobald er ſich in die Nothwendigkeit verſetzt ſieht, zu ſchwimmen, legt er augen-
blicklich die das Auge umgebenden Haare aus einander und zeigt die kleinen, dunkelglänzenden
Kügelchen, welche er jetzt weit hervorgedrückt hat, um ſie beſſer benutzen zu können.

Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten iſt hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältniß zu
ſeiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier iſt. Dem entſprechen auch ſeine geiſtigen Eigen-
ſchaften. Er iſt wild, außerordeutlich wüthend, blutdürſtig, grauſam und rachſüchtig, und lebt eigentlich
mit keinem einzigen Geſchöpf im Frieden, außer mit ſeinem Weibchen, und mit dieſem auch blos
während der Paarungszeit und ſo lange die Jungen deſſelben klein ſind. Während des ganzen
übrigen Jahres duldet er kein anderes lebendes Weſen in ſeiner Nähe und am allerwenigſten einen
Mitbewohner in ſeinem Bau, ganz gleichgiltig, welcher Art dieſer ſein möge. Falls überlegne Feinde,
wie das Wieſel oder die Kreuzotter, ſeine Gänge befahren, und zwar in der Abſicht, auf ihn Jagd
zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf dieſe ungebetenen Gäſte trifft: mit den ihm gleich
kräftigen oder ſchwächeren Thieren aber beginnt er einen Kampf auf Leben und Tod, welcher regel-
mäßig das Unterliegen des Eindringlings oder ſein eignes Verderben nach ſich zieht. Nicht einmal
mit Anderen ſeiner Art, ſeien ſie nun von demſelben Geſchlecht, wie er, oder nicht, lebt er in Freund-
ſchaft. Zwei Maulwürfe, die ſich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zwei-
kampf mit einander, welcher in den meiſten Fällen den Tod des einen, in ſehr vielen anderen Fällen
aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eiferſüchtigſten und wüthendſten kämpfen natürlich zwei
Maulwürfe deſſelben Geſchlechts mit einander, und der Ausgang ſolcher Gefechte iſt dann auch
ſehr zweifelhaft. Der eine unterliegt, verendet und wird von dem andern ſofort aufgefreſſen. So iſt
es ſehr begreiflich, daß jeder Maulwurf für ſich allein einen Bau bewohnt und ſich hier auf eigue
Fauſt beſchäftigt und vergnügt, entweder mit Graben und Freſſen oder mit Schlafen und Ausruhen.
Faſt alle Landleute, welche ihre Betrachtungen über das Thier angeſtellt haben, ſind darin einig,
daß der Maulwurf drei Stunden „wie ein Pferd‟ arbeite und dann drei Stunden ſchlafe, hierauf
wieder dieſelbe Zeit zur Jagd verwende und die nächſtfolgenden drei Stunden wieder dem Schlafe
widme u. ſ. f.

Ein anderes Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlaſſen die liebebedürftigen Männchen
und Weibchen zur Nachtzeit häufig genug ihren Bau und ſtreifen über der Erde umher, um andere
Maulwurfspaläſte aufzuſuchen und hier Beſuche abzuſtatten. Es iſt erwieſen, daß es weit mehr
Männchen, als Weibchen giebt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen
eher zuſammen, als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. So oft Dies geſchieht, entſpinnt
ſich ein wüthender Kampf und zwar ebenſowohl über, als unter der Erde, oder hier und dort nach
einander, bis endlich der eine ſich für beſiegt anſieht und zu entfliehen verſucht. Endlich, vielleicht nach
mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf. Er verſucht nun,
dieſes, nachdem er ſich hinlänglich von deſſen Geſchlecht überzeugt hat, mit Gewalt oder Güte an ſich
zu feſſeln. Er bezieht alſo mit ſeiner Schönen entweder ſeinen oder ihren Bau und legt hier
Röhren an, welche den gewöhnlichen Jagdröhren ziemlich ähneln aber zu einem ganz andern Zwecke
beſtimmt ſind, nämlich um das Weibchen darin einzuſperren, wenn ſich ein anderer Bewerber für
daſſelbe findet. Sobald er ſeine liebe Hälfte derart in Sicherheit gebracht hat, kehrt er ſofort zu dem
etwaigen Geguer zurück. Beide erweitern die Röhren, in welchen ſie ſich getroffen, zu einem Kampf-
platze, und nun wird auf Tod und Leben gefochten. Das eingeſperrte Weibchen hat ſich inzwiſchen zu
befreien geſucht und, neue Röhren grabend, ſich weiter und weiter entfernt; der Sieger, ſei es jetzt der
erſte oder der zweite Bewerber, eilt ihm jedoch nach und bringt es wieder zurück, und nach mancherlei
Kämpfen gewöhnen ſich die beiden mürriſchen Einſiedler auch wirklich an einander. Jetzt graben ſie

Brehm, Thierleben. 44
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[689/0767] Geruch. Die übrigen Sinne. Unverträglichkeit. Paarung. führten hochdichteriſchen Worte unſers Rückert erinnern; denn jene Verſe enthalten die vollſte Wahr- heit. Uebrigens gebraucht der Maulwurf ſein Auge wirklich. Man weiß genau, daß er ſich nach dieſem Sinne richtet, wenn er ſchwimmend Ströme über ſetzt, welche ihm zum Unterwühlen zu breit ſind. Will man ſeine Sehfähigkeit prüfen, ſo braucht man einen gefangenen Maulwurf blos ins Waſſer zu werfen. Sobald er ſich in die Nothwendigkeit verſetzt ſieht, zu ſchwimmen, legt er augen- blicklich die das Auge umgebenden Haare aus einander und zeigt die kleinen, dunkelglänzenden Kügelchen, welche er jetzt weit hervorgedrückt hat, um ſie beſſer benutzen zu können. Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten iſt hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältniß zu ſeiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier iſt. Dem entſprechen auch ſeine geiſtigen Eigen- ſchaften. Er iſt wild, außerordeutlich wüthend, blutdürſtig, grauſam und rachſüchtig, und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geſchöpf im Frieden, außer mit ſeinem Weibchen, und mit dieſem auch blos während der Paarungszeit und ſo lange die Jungen deſſelben klein ſind. Während des ganzen übrigen Jahres duldet er kein anderes lebendes Weſen in ſeiner Nähe und am allerwenigſten einen Mitbewohner in ſeinem Bau, ganz gleichgiltig, welcher Art dieſer ſein möge. Falls überlegne Feinde, wie das Wieſel oder die Kreuzotter, ſeine Gänge befahren, und zwar in der Abſicht, auf ihn Jagd zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf dieſe ungebetenen Gäſte trifft: mit den ihm gleich kräftigen oder ſchwächeren Thieren aber beginnt er einen Kampf auf Leben und Tod, welcher regel- mäßig das Unterliegen des Eindringlings oder ſein eignes Verderben nach ſich zieht. Nicht einmal mit Anderen ſeiner Art, ſeien ſie nun von demſelben Geſchlecht, wie er, oder nicht, lebt er in Freund- ſchaft. Zwei Maulwürfe, die ſich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zwei- kampf mit einander, welcher in den meiſten Fällen den Tod des einen, in ſehr vielen anderen Fällen aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eiferſüchtigſten und wüthendſten kämpfen natürlich zwei Maulwürfe deſſelben Geſchlechts mit einander, und der Ausgang ſolcher Gefechte iſt dann auch ſehr zweifelhaft. Der eine unterliegt, verendet und wird von dem andern ſofort aufgefreſſen. So iſt es ſehr begreiflich, daß jeder Maulwurf für ſich allein einen Bau bewohnt und ſich hier auf eigue Fauſt beſchäftigt und vergnügt, entweder mit Graben und Freſſen oder mit Schlafen und Ausruhen. Faſt alle Landleute, welche ihre Betrachtungen über das Thier angeſtellt haben, ſind darin einig, daß der Maulwurf drei Stunden „wie ein Pferd‟ arbeite und dann drei Stunden ſchlafe, hierauf wieder dieſelbe Zeit zur Jagd verwende und die nächſtfolgenden drei Stunden wieder dem Schlafe widme u. ſ. f. Ein anderes Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlaſſen die liebebedürftigen Männchen und Weibchen zur Nachtzeit häufig genug ihren Bau und ſtreifen über der Erde umher, um andere Maulwurfspaläſte aufzuſuchen und hier Beſuche abzuſtatten. Es iſt erwieſen, daß es weit mehr Männchen, als Weibchen giebt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen eher zuſammen, als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. So oft Dies geſchieht, entſpinnt ſich ein wüthender Kampf und zwar ebenſowohl über, als unter der Erde, oder hier und dort nach einander, bis endlich der eine ſich für beſiegt anſieht und zu entfliehen verſucht. Endlich, vielleicht nach mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf. Er verſucht nun, dieſes, nachdem er ſich hinlänglich von deſſen Geſchlecht überzeugt hat, mit Gewalt oder Güte an ſich zu feſſeln. Er bezieht alſo mit ſeiner Schönen entweder ſeinen oder ihren Bau und legt hier Röhren an, welche den gewöhnlichen Jagdröhren ziemlich ähneln aber zu einem ganz andern Zwecke beſtimmt ſind, nämlich um das Weibchen darin einzuſperren, wenn ſich ein anderer Bewerber für daſſelbe findet. Sobald er ſeine liebe Hälfte derart in Sicherheit gebracht hat, kehrt er ſofort zu dem etwaigen Geguer zurück. Beide erweitern die Röhren, in welchen ſie ſich getroffen, zu einem Kampf- platze, und nun wird auf Tod und Leben gefochten. Das eingeſperrte Weibchen hat ſich inzwiſchen zu befreien geſucht und, neue Röhren grabend, ſich weiter und weiter entfernt; der Sieger, ſei es jetzt der erſte oder der zweite Bewerber, eilt ihm jedoch nach und bringt es wieder zurück, und nach mancherlei Kämpfen gewöhnen ſich die beiden mürriſchen Einſiedler auch wirklich an einander. Jetzt graben ſie Brehm, Thierleben. 44

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/767>, abgerufen am 24.11.2024.