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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Maulwürfe. -- Gewöhnlicher Maulwurf.
gemeinschaftlich Sicherheits- und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Nest für ihre
Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zusammenstoßen, damit bei
Gefahr möglichst viele Auswege zur Flucht vorhanden sind. Das Nest ist eine einfache Kammer,
welche dicht mit weichen, meist zerbissenen Pflanzentheilen ausgefüttert ist; hauptsächlich mit Laub, Gras,
Mos, Stroh, Mist und anderen derartigen Stoffen, welche von der Oberfläche der Erde herbeigeholt
und dicht in einander verflochten worden sind. Gewöhnlich liegt es in einer ziemlichen Entfernung
von dem früher geschilderten Kessel, ist aber ihm durch die Laufröhre verbunden. Nach etwa vier-
wöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen drei bis fünf blinde Junge in dieses Nest, welche zu den un-
behilflichsten von allen Säugern gerechnet werden müssen. Sie sind aufangs ganz nackt und blind und
etwa so groß, wie eine derbe Bohne. Aber sie zeigen schon in der frühesten Jugend dieselbe Unersätt-
lichkeit, wie ihre Eltern, und wachsen deshalb sehr schnell heran. Die Mutter giebt die größte Sorgfalt
für die Erhaltung ihrer Kinderschar kund und scheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt.
Wird sie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, so schleppt sie dieselben im
Maule in ein nahes Loch oder in einen Mos-, Mist- oder Laubhaufen etc., und verbirgt sie hier vor-
läufig so eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt sich ihrer an und schleppt ihnen mit
der Mutter Regenwürmer und andere Kerbthiere zu oder theilt bei Ueberfluthungen redlich die Gefahr
und sucht, die Jungen im Maule an einen sichern Ort zu schaffen. Nach etwa fünf Wochen haben die
Kleinen schon ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen aber immer noch im Neste und
warten, bis eines von den Eltern ihnen Aezung zuträgt, welche sie dann mit unglaublicher Gier in
Empfang nehmen und verspeisen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, so wagen sie sich wohl
auch, gepeinigt vom wüthendsten Hunger, in die Laufröhre, wahrscheinlich um nach der Mutter zu
suchen. Nicht selten hat man auch, wenn das Weibchen gefangen worden war, das Männchen todt
bei seiner Gattin liegen gefunden. Der Kummer hatte es umgebracht! Werden die Thiere nicht gestört,
so wagen sich die jungen Maulwürfe endlich aus dem Neste heraus und wohl auch auf die Oberfläche,
wo sie sich necken und mit einander balgen. Jhre ersten Versuche im Wühlen sind noch sehr unvoll-
kommen; sie streichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft so dicht, daß
sie kaum mit Erde bedeckt sind, und versuchen es nur selten, aufzuwerfen. Aber die Wühlerei lernt
sich mit den Jahren, und im nächsten Frühjahre sind sie schon vollkommen geschult in ihrer Kunst.
Ungeachtet man junge Maulwürfe vom April an bis zum August und noch länger findet, darf man
doch nicht annehmen, daß das Weibchen zweimal im Jahre wirft, sondern hat vollkommen Ursache, zu
vermuthen, daß die Paarungs- und demzufolge auch die Wurfzeit in sehr verschiedene Monate fällt.
Es läßt sich Dies schon aus der Schwierigkeit erklären, welche der Maulwurf überwinden muß, ehe
er ein Weibchen findet.

Der Maulwurf hält keinen Winterschlaf, wie mancher andere Kerbthierjäger, sondern ist Sommer
und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt ganz den Thieren, Regenwürmern und Kerbthieren, und
zieht sich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder mit ihnen zur Oberfläche des Bodens empor, gerade
so, wie sie steigen oder fallen. Nicht selten sieht man Maulwürfe im frischen Schnee oder in tief
gefrornem Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem ge-
frornen Boden machen sie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fäuger haben berichtet, daß sich der
Maulwurf in seinen Höhlen sogar Wintervorräthe anlege: eine große Menge Würmer nämlich, welche
theilweise verstümmelt würden, jedoch so, daß sie nicht daran stürben. Sie behaupten, daß in strengen
Wintern diese Vorrathskammern reicher gespickt wären, als in milden u. s. w. Diese Thatsache bedarf
jedoch noch sehr der Bestätigung, wie es überhaupt über den Maulwurf noch viel zu beobachten giebt.

Wohl jeder meiner Lefer sieht ein, daß alle Beobachtungen über unser Thier nicht eben
leicht sind, und ich denke mir, daß sich mancher von ihnen billig über die Bestimmtheit gewisser An-
gaben verwundert und die Frage aufgeworfen haben wird: Wie ist es möglich, ein so versteckt leben-
des Thier überhaupt zu beobachten? Darauf muß ich antworten, daß die Naturforscher hier einen
großen Theil ihres Wiffens den alten, erprobten Maulwurfsfängern verdanken, welche sie auf diese

Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf.
gemeinſchaftlich Sicherheits- und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Neſt für ihre
Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zuſammenſtoßen, damit bei
Gefahr möglichſt viele Auswege zur Flucht vorhanden ſind. Das Neſt iſt eine einfache Kammer,
welche dicht mit weichen, meiſt zerbiſſenen Pflanzentheilen ausgefüttert iſt; hauptſächlich mit Laub, Gras,
Mos, Stroh, Miſt und anderen derartigen Stoffen, welche von der Oberfläche der Erde herbeigeholt
und dicht in einander verflochten worden ſind. Gewöhnlich liegt es in einer ziemlichen Entfernung
von dem früher geſchilderten Keſſel, iſt aber ihm durch die Laufröhre verbunden. Nach etwa vier-
wöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen drei bis fünf blinde Junge in dieſes Neſt, welche zu den un-
behilflichſten von allen Säugern gerechnet werden müſſen. Sie ſind aufangs ganz nackt und blind und
etwa ſo groß, wie eine derbe Bohne. Aber ſie zeigen ſchon in der früheſten Jugend dieſelbe Unerſätt-
lichkeit, wie ihre Eltern, und wachſen deshalb ſehr ſchnell heran. Die Mutter giebt die größte Sorgfalt
für die Erhaltung ihrer Kinderſchar kund und ſcheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt.
Wird ſie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, ſo ſchleppt ſie dieſelben im
Maule in ein nahes Loch oder in einen Mos-, Miſt- oder Laubhaufen ꝛc., und verbirgt ſie hier vor-
läufig ſo eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt ſich ihrer an und ſchleppt ihnen mit
der Mutter Regenwürmer und andere Kerbthiere zu oder theilt bei Ueberfluthungen redlich die Gefahr
und ſucht, die Jungen im Maule an einen ſichern Ort zu ſchaffen. Nach etwa fünf Wochen haben die
Kleinen ſchon ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen aber immer noch im Neſte und
warten, bis eines von den Eltern ihnen Aezung zuträgt, welche ſie dann mit unglaublicher Gier in
Empfang nehmen und verſpeiſen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, ſo wagen ſie ſich wohl
auch, gepeinigt vom wüthendſten Hunger, in die Laufröhre, wahrſcheinlich um nach der Mutter zu
ſuchen. Nicht ſelten hat man auch, wenn das Weibchen gefangen worden war, das Männchen todt
bei ſeiner Gattin liegen gefunden. Der Kummer hatte es umgebracht! Werden die Thiere nicht geſtört,
ſo wagen ſich die jungen Maulwürfe endlich aus dem Neſte heraus und wohl auch auf die Oberfläche,
wo ſie ſich necken und mit einander balgen. Jhre erſten Verſuche im Wühlen ſind noch ſehr unvoll-
kommen; ſie ſtreichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft ſo dicht, daß
ſie kaum mit Erde bedeckt ſind, und verſuchen es nur ſelten, aufzuwerfen. Aber die Wühlerei lernt
ſich mit den Jahren, und im nächſten Frühjahre ſind ſie ſchon vollkommen geſchult in ihrer Kunſt.
Ungeachtet man junge Maulwürfe vom April an bis zum Auguſt und noch länger findet, darf man
doch nicht annehmen, daß das Weibchen zweimal im Jahre wirft, ſondern hat vollkommen Urſache, zu
vermuthen, daß die Paarungs- und demzufolge auch die Wurfzeit in ſehr verſchiedene Monate fällt.
Es läßt ſich Dies ſchon aus der Schwierigkeit erklären, welche der Maulwurf überwinden muß, ehe
er ein Weibchen findet.

Der Maulwurf hält keinen Winterſchlaf, wie mancher andere Kerbthierjäger, ſondern iſt Sommer
und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt ganz den Thieren, Regenwürmern und Kerbthieren, und
zieht ſich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder mit ihnen zur Oberfläche des Bodens empor, gerade
ſo, wie ſie ſteigen oder fallen. Nicht ſelten ſieht man Maulwürfe im friſchen Schnee oder in tief
gefrornem Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem ge-
frornen Boden machen ſie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fäuger haben berichtet, daß ſich der
Maulwurf in ſeinen Höhlen ſogar Wintervorräthe anlege: eine große Menge Würmer nämlich, welche
theilweiſe verſtümmelt würden, jedoch ſo, daß ſie nicht daran ſtürben. Sie behaupten, daß in ſtrengen
Wintern dieſe Vorrathskammern reicher geſpickt wären, als in milden u. ſ. w. Dieſe Thatſache bedarf
jedoch noch ſehr der Beſtätigung, wie es überhaupt über den Maulwurf noch viel zu beobachten giebt.

Wohl jeder meiner Lefer ſieht ein, daß alle Beobachtungen über unſer Thier nicht eben
leicht ſind, und ich denke mir, daß ſich mancher von ihnen billig über die Beſtimmtheit gewiſſer An-
gaben verwundert und die Frage aufgeworfen haben wird: Wie iſt es möglich, ein ſo verſteckt leben-
des Thier überhaupt zu beobachten? Darauf muß ich antworten, daß die Naturforſcher hier einen
großen Theil ihres Wiffens den alten, erprobten Maulwurfsfängern verdanken, welche ſie auf dieſe

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[690/0768] Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf. gemeinſchaftlich Sicherheits- und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Neſt für ihre Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zuſammenſtoßen, damit bei Gefahr möglichſt viele Auswege zur Flucht vorhanden ſind. Das Neſt iſt eine einfache Kammer, welche dicht mit weichen, meiſt zerbiſſenen Pflanzentheilen ausgefüttert iſt; hauptſächlich mit Laub, Gras, Mos, Stroh, Miſt und anderen derartigen Stoffen, welche von der Oberfläche der Erde herbeigeholt und dicht in einander verflochten worden ſind. Gewöhnlich liegt es in einer ziemlichen Entfernung von dem früher geſchilderten Keſſel, iſt aber ihm durch die Laufröhre verbunden. Nach etwa vier- wöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen drei bis fünf blinde Junge in dieſes Neſt, welche zu den un- behilflichſten von allen Säugern gerechnet werden müſſen. Sie ſind aufangs ganz nackt und blind und etwa ſo groß, wie eine derbe Bohne. Aber ſie zeigen ſchon in der früheſten Jugend dieſelbe Unerſätt- lichkeit, wie ihre Eltern, und wachſen deshalb ſehr ſchnell heran. Die Mutter giebt die größte Sorgfalt für die Erhaltung ihrer Kinderſchar kund und ſcheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt. Wird ſie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, ſo ſchleppt ſie dieſelben im Maule in ein nahes Loch oder in einen Mos-, Miſt- oder Laubhaufen ꝛc., und verbirgt ſie hier vor- läufig ſo eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt ſich ihrer an und ſchleppt ihnen mit der Mutter Regenwürmer und andere Kerbthiere zu oder theilt bei Ueberfluthungen redlich die Gefahr und ſucht, die Jungen im Maule an einen ſichern Ort zu ſchaffen. Nach etwa fünf Wochen haben die Kleinen ſchon ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen aber immer noch im Neſte und warten, bis eines von den Eltern ihnen Aezung zuträgt, welche ſie dann mit unglaublicher Gier in Empfang nehmen und verſpeiſen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, ſo wagen ſie ſich wohl auch, gepeinigt vom wüthendſten Hunger, in die Laufröhre, wahrſcheinlich um nach der Mutter zu ſuchen. Nicht ſelten hat man auch, wenn das Weibchen gefangen worden war, das Männchen todt bei ſeiner Gattin liegen gefunden. Der Kummer hatte es umgebracht! Werden die Thiere nicht geſtört, ſo wagen ſich die jungen Maulwürfe endlich aus dem Neſte heraus und wohl auch auf die Oberfläche, wo ſie ſich necken und mit einander balgen. Jhre erſten Verſuche im Wühlen ſind noch ſehr unvoll- kommen; ſie ſtreichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft ſo dicht, daß ſie kaum mit Erde bedeckt ſind, und verſuchen es nur ſelten, aufzuwerfen. Aber die Wühlerei lernt ſich mit den Jahren, und im nächſten Frühjahre ſind ſie ſchon vollkommen geſchult in ihrer Kunſt. Ungeachtet man junge Maulwürfe vom April an bis zum Auguſt und noch länger findet, darf man doch nicht annehmen, daß das Weibchen zweimal im Jahre wirft, ſondern hat vollkommen Urſache, zu vermuthen, daß die Paarungs- und demzufolge auch die Wurfzeit in ſehr verſchiedene Monate fällt. Es läßt ſich Dies ſchon aus der Schwierigkeit erklären, welche der Maulwurf überwinden muß, ehe er ein Weibchen findet. Der Maulwurf hält keinen Winterſchlaf, wie mancher andere Kerbthierjäger, ſondern iſt Sommer und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt ganz den Thieren, Regenwürmern und Kerbthieren, und zieht ſich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder mit ihnen zur Oberfläche des Bodens empor, gerade ſo, wie ſie ſteigen oder fallen. Nicht ſelten ſieht man Maulwürfe im friſchen Schnee oder in tief gefrornem Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem ge- frornen Boden machen ſie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fäuger haben berichtet, daß ſich der Maulwurf in ſeinen Höhlen ſogar Wintervorräthe anlege: eine große Menge Würmer nämlich, welche theilweiſe verſtümmelt würden, jedoch ſo, daß ſie nicht daran ſtürben. Sie behaupten, daß in ſtrengen Wintern dieſe Vorrathskammern reicher geſpickt wären, als in milden u. ſ. w. Dieſe Thatſache bedarf jedoch noch ſehr der Beſtätigung, wie es überhaupt über den Maulwurf noch viel zu beobachten giebt. Wohl jeder meiner Lefer ſieht ein, daß alle Beobachtungen über unſer Thier nicht eben leicht ſind, und ich denke mir, daß ſich mancher von ihnen billig über die Beſtimmtheit gewiſſer An- gaben verwundert und die Frage aufgeworfen haben wird: Wie iſt es möglich, ein ſo verſteckt leben- des Thier überhaupt zu beobachten? Darauf muß ich antworten, daß die Naturforſcher hier einen großen Theil ihres Wiffens den alten, erprobten Maulwurfsfängern verdanken, welche ſie auf dieſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/768>, abgerufen am 21.11.2024.