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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Erdgräber oder Wurfmäuse.
gefangene und noch säugende Murmelthiere sind schwer aufzuziehen und gehen auch bei der besten
Pflege gewöhnlich bald zu Grunde, während die halbwüchsigen sich leicht auffüttern und lange
erhalten lassen. Jhre Nahrung besteht in der Gefangenschaft aus allen möglichen Pflanzenstoffen;
auch trinken sie sehr gern Milch. Gibt man sich Mühe mit ihnen, so werden sie bald und in
hohem Grade zahm, zeigen sich folgsam und gelehrig, lernen ihren Pfleger kennen, auf seinen
Ruf achten, allerlei possirliche Stellungen annehmen, auf den Hinterbeinen aufgerichtet umher-
hüpfen, an einem Stocke gehen u. s. w. Das harmlose und zutrauliche Thier ist dann die Freude
von Jung und Alt, und seine Reinlichkeitsliebe und Nettigkeit erwirbt ihm viele Freunde. Auch
mit anderen Thieren verträgt sich das Murmelthier gut, wie das unseres Thiergartens beweist.
Es erlaubt verschiedenen Pakas und Agutis, in den von ihm gegrabenen Höhlen zu wohnen, und
wenn es auch Zudringlichkeit zurückweist, wird es doch nie zum angreifenden Theile. Jm Hause
kann man die Gezähmten freilich nicht umherlaufen lassen, weil sie Alles zernagen, und ihr Käfig
muß auch stark und innen mit Blech beschlagen sein, wenn man das Durchbrechen verhindern will.
Jm Hof oder im Garten läßt sich das Murmelthier nicht gut halten, weil es sich doch einen Ausweg
verschafft, indem es sich unter den Mauern durchgräbt. Mit seines Gleichen verträgt es sich nicht
immer gut; mehrere zusammengesperrte Murmelthiere greifen gar nicht selten einander an, und das
stärkere beißt dann das schwächere todt. Jm warmen Zimmer leben die Thiere den ganzen Winter
wie im Sommer, im kalten raffen sie Alles zusammen, was sie bekommen können, bauen sich ein
Nest und schlafen, aber mit Unterbrechung. Während des Winterschlafes kann man ein wohl in Heu
eingepacktes Murmelthier in gut verschlossenen Kisten weit versenden. Mein Vater erhielt von dem
Schweizer Naturforscher Schinz eins zugesandt, noch ehe die Eisenbahn eine schnelle Beförderung
möglich machte; aber das Thier hatte die Reise aus der Schweiz bis nach Thüringen sehr gut vertragen
und kam noch im festen Schlafe an. Uebrigens erhält man selbst bei guter Pflege das gefangene
Murmelthier selten länger als fünf bis sechs Jahre am Leben.



Die kleine Familie der Erdgräber oder Wurfmäuse (Georychi) enthält häßliche, mißge-
staltete Geschöpfe, welche von vornherein auf ihre unterirdische Lebensweise schließen lassen. Die
Thiere bewohnen meist trockene, sandige Ebenen der alten und neuen Welt, mit Ausnahme Austra-
liens, und durchwühlen nach Art der Maulwürfe den Boden auf weite Strecken hin. Keine Art lebt
gesellig; jede wohnt einzeln in ihrem Baue und zeigt auch das mürrische, einsiedlerische Wesen des
Maulwurfes. Lichtschen und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlassen die Wurfmäuse
nur höchst selten ihre unterirdischen Gänge, ja sie arbeiten meistens auch hier nicht einmal während
des Tages, sondern hauptsächlich zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnelligkeit graben sie,
mehrere sogar senkrecht tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen,
bewegen sie sich in ihren unterirdischen Palästen vor- und rückwärts mit fast gleicher Gewandtheit.
Jhre Nahrung besteht nur in Pflanzen, meistens in Wurzeln, Knollen und Zwiebeln, welche sie aus
der Erde wühlen; ausnahmsweise fressen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüsse. Die in
kalten Gegenden wohnen, sammeln sich zwar Nahrungsvorräthe ein, verfallen aber nicht in einen
Winterschlaf, sondern arbeiten rüstig weiter zum Nachtheile der Felder, Gärten und Wiesen. Glück-
licherweise vermehren sie sich nicht sehr stark; sie werfen blos zwei bis vier Junge, für welche manche
Arten ein Nest herrichten.

Die Erdgräber haben alle unangenehmen Eigenschaften der Maulwürfe, ohne aber den Nutzen
derselben zu bringen. Es sind schädliche, häßliche Wühler, welche auch äußerlich den Maulwürfen
ähneln. Der Leib ist walzenförmig, die Ohren sind äußerlich nicht sichtbar, die Augen versteckt, die
Grabpfoten ganz maulwurfsartig, der Pelz ist kurz und weich, die Nase knorpelig. Nur das Gebiß, in

Die Erdgräber oder Wurfmäuſe.
gefangene und noch ſäugende Murmelthiere ſind ſchwer aufzuziehen und gehen auch bei der beſten
Pflege gewöhnlich bald zu Grunde, während die halbwüchſigen ſich leicht auffüttern und lange
erhalten laſſen. Jhre Nahrung beſteht in der Gefangenſchaft aus allen möglichen Pflanzenſtoffen;
auch trinken ſie ſehr gern Milch. Gibt man ſich Mühe mit ihnen, ſo werden ſie bald und in
hohem Grade zahm, zeigen ſich folgſam und gelehrig, lernen ihren Pfleger kennen, auf ſeinen
Ruf achten, allerlei poſſirliche Stellungen annehmen, auf den Hinterbeinen aufgerichtet umher-
hüpfen, an einem Stocke gehen u. ſ. w. Das harmloſe und zutrauliche Thier iſt dann die Freude
von Jung und Alt, und ſeine Reinlichkeitsliebe und Nettigkeit erwirbt ihm viele Freunde. Auch
mit anderen Thieren verträgt ſich das Murmelthier gut, wie das unſeres Thiergartens beweiſt.
Es erlaubt verſchiedenen Pakas und Agutis, in den von ihm gegrabenen Höhlen zu wohnen, und
wenn es auch Zudringlichkeit zurückweiſt, wird es doch nie zum angreifenden Theile. Jm Hauſe
kann man die Gezähmten freilich nicht umherlaufen laſſen, weil ſie Alles zernagen, und ihr Käfig
muß auch ſtark und innen mit Blech beſchlagen ſein, wenn man das Durchbrechen verhindern will.
Jm Hof oder im Garten läßt ſich das Murmelthier nicht gut halten, weil es ſich doch einen Ausweg
verſchafft, indem es ſich unter den Mauern durchgräbt. Mit ſeines Gleichen verträgt es ſich nicht
immer gut; mehrere zuſammengeſperrte Murmelthiere greifen gar nicht ſelten einander an, und das
ſtärkere beißt dann das ſchwächere todt. Jm warmen Zimmer leben die Thiere den ganzen Winter
wie im Sommer, im kalten raffen ſie Alles zuſammen, was ſie bekommen können, bauen ſich ein
Neſt und ſchlafen, aber mit Unterbrechung. Während des Winterſchlafes kann man ein wohl in Heu
eingepacktes Murmelthier in gut verſchloſſenen Kiſten weit verſenden. Mein Vater erhielt von dem
Schweizer Naturforſcher Schinz eins zugeſandt, noch ehe die Eiſenbahn eine ſchnelle Beförderung
möglich machte; aber das Thier hatte die Reiſe aus der Schweiz bis nach Thüringen ſehr gut vertragen
und kam noch im feſten Schlafe an. Uebrigens erhält man ſelbſt bei guter Pflege das gefangene
Murmelthier ſelten länger als fünf bis ſechs Jahre am Leben.



Die kleine Familie der Erdgräber oder Wurfmäuſe (Georychi) enthält häßliche, mißge-
ſtaltete Geſchöpfe, welche von vornherein auf ihre unterirdiſche Lebensweiſe ſchließen laſſen. Die
Thiere bewohnen meiſt trockene, ſandige Ebenen der alten und neuen Welt, mit Ausnahme Auſtra-
liens, und durchwühlen nach Art der Maulwürfe den Boden auf weite Strecken hin. Keine Art lebt
geſellig; jede wohnt einzeln in ihrem Baue und zeigt auch das mürriſche, einſiedleriſche Weſen des
Maulwurfes. Lichtſchen und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlaſſen die Wurfmäuſe
nur höchſt ſelten ihre unterirdiſchen Gänge, ja ſie arbeiten meiſtens auch hier nicht einmal während
des Tages, ſondern hauptſächlich zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnelligkeit graben ſie,
mehrere ſogar ſenkrecht tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen,
bewegen ſie ſich in ihren unterirdiſchen Paläſten vor- und rückwärts mit faſt gleicher Gewandtheit.
Jhre Nahrung beſteht nur in Pflanzen, meiſtens in Wurzeln, Knollen und Zwiebeln, welche ſie aus
der Erde wühlen; ausnahmsweiſe freſſen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüſſe. Die in
kalten Gegenden wohnen, ſammeln ſich zwar Nahrungsvorräthe ein, verfallen aber nicht in einen
Winterſchlaf, ſondern arbeiten rüſtig weiter zum Nachtheile der Felder, Gärten und Wieſen. Glück-
licherweiſe vermehren ſie ſich nicht ſehr ſtark; ſie werfen blos zwei bis vier Junge, für welche manche
Arten ein Neſt herrichten.

Die Erdgräber haben alle unangenehmen Eigenſchaften der Maulwürfe, ohne aber den Nutzen
derſelben zu bringen. Es ſind ſchädliche, häßliche Wühler, welche auch äußerlich den Maulwürfen
ähneln. Der Leib iſt walzenförmig, die Ohren ſind äußerlich nicht ſichtbar, die Augen verſteckt, die
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[96/0110] Die Erdgräber oder Wurfmäuſe. gefangene und noch ſäugende Murmelthiere ſind ſchwer aufzuziehen und gehen auch bei der beſten Pflege gewöhnlich bald zu Grunde, während die halbwüchſigen ſich leicht auffüttern und lange erhalten laſſen. Jhre Nahrung beſteht in der Gefangenſchaft aus allen möglichen Pflanzenſtoffen; auch trinken ſie ſehr gern Milch. Gibt man ſich Mühe mit ihnen, ſo werden ſie bald und in hohem Grade zahm, zeigen ſich folgſam und gelehrig, lernen ihren Pfleger kennen, auf ſeinen Ruf achten, allerlei poſſirliche Stellungen annehmen, auf den Hinterbeinen aufgerichtet umher- hüpfen, an einem Stocke gehen u. ſ. w. Das harmloſe und zutrauliche Thier iſt dann die Freude von Jung und Alt, und ſeine Reinlichkeitsliebe und Nettigkeit erwirbt ihm viele Freunde. Auch mit anderen Thieren verträgt ſich das Murmelthier gut, wie das unſeres Thiergartens beweiſt. Es erlaubt verſchiedenen Pakas und Agutis, in den von ihm gegrabenen Höhlen zu wohnen, und wenn es auch Zudringlichkeit zurückweiſt, wird es doch nie zum angreifenden Theile. Jm Hauſe kann man die Gezähmten freilich nicht umherlaufen laſſen, weil ſie Alles zernagen, und ihr Käfig muß auch ſtark und innen mit Blech beſchlagen ſein, wenn man das Durchbrechen verhindern will. Jm Hof oder im Garten läßt ſich das Murmelthier nicht gut halten, weil es ſich doch einen Ausweg verſchafft, indem es ſich unter den Mauern durchgräbt. Mit ſeines Gleichen verträgt es ſich nicht immer gut; mehrere zuſammengeſperrte Murmelthiere greifen gar nicht ſelten einander an, und das ſtärkere beißt dann das ſchwächere todt. Jm warmen Zimmer leben die Thiere den ganzen Winter wie im Sommer, im kalten raffen ſie Alles zuſammen, was ſie bekommen können, bauen ſich ein Neſt und ſchlafen, aber mit Unterbrechung. Während des Winterſchlafes kann man ein wohl in Heu eingepacktes Murmelthier in gut verſchloſſenen Kiſten weit verſenden. Mein Vater erhielt von dem Schweizer Naturforſcher Schinz eins zugeſandt, noch ehe die Eiſenbahn eine ſchnelle Beförderung möglich machte; aber das Thier hatte die Reiſe aus der Schweiz bis nach Thüringen ſehr gut vertragen und kam noch im feſten Schlafe an. Uebrigens erhält man ſelbſt bei guter Pflege das gefangene Murmelthier ſelten länger als fünf bis ſechs Jahre am Leben. Die kleine Familie der Erdgräber oder Wurfmäuſe (Georychi) enthält häßliche, mißge- ſtaltete Geſchöpfe, welche von vornherein auf ihre unterirdiſche Lebensweiſe ſchließen laſſen. Die Thiere bewohnen meiſt trockene, ſandige Ebenen der alten und neuen Welt, mit Ausnahme Auſtra- liens, und durchwühlen nach Art der Maulwürfe den Boden auf weite Strecken hin. Keine Art lebt geſellig; jede wohnt einzeln in ihrem Baue und zeigt auch das mürriſche, einſiedleriſche Weſen des Maulwurfes. Lichtſchen und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlaſſen die Wurfmäuſe nur höchſt ſelten ihre unterirdiſchen Gänge, ja ſie arbeiten meiſtens auch hier nicht einmal während des Tages, ſondern hauptſächlich zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnelligkeit graben ſie, mehrere ſogar ſenkrecht tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen, bewegen ſie ſich in ihren unterirdiſchen Paläſten vor- und rückwärts mit faſt gleicher Gewandtheit. Jhre Nahrung beſteht nur in Pflanzen, meiſtens in Wurzeln, Knollen und Zwiebeln, welche ſie aus der Erde wühlen; ausnahmsweiſe freſſen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüſſe. Die in kalten Gegenden wohnen, ſammeln ſich zwar Nahrungsvorräthe ein, verfallen aber nicht in einen Winterſchlaf, ſondern arbeiten rüſtig weiter zum Nachtheile der Felder, Gärten und Wieſen. Glück- licherweiſe vermehren ſie ſich nicht ſehr ſtark; ſie werfen blos zwei bis vier Junge, für welche manche Arten ein Neſt herrichten. Die Erdgräber haben alle unangenehmen Eigenſchaften der Maulwürfe, ohne aber den Nutzen derſelben zu bringen. Es ſind ſchädliche, häßliche Wühler, welche auch äußerlich den Maulwürfen ähneln. Der Leib iſt walzenförmig, die Ohren ſind äußerlich nicht ſichtbar, die Augen verſteckt, die Grabpfoten ganz maulwurfsartig, der Pelz iſt kurz und weich, die Naſe knorpelig. Nur das Gebiß, in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/110>, abgerufen am 24.11.2024.