vorragenden, schwach gebogenen, weißen Nagezähne, deren oberes Paar durch eine tiefe Rinne förm- lich getheilt ist. Die allgemeine Färbung des Pelzes ist weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Jn der ganzen Gestalt hat der Strandmoll große Aehnlichkeit mit dem europäischen Maulwurfe, und mit diesem kommt er auch in seiner Lebensweise und den Sitten am meisten überein.
Das Thier ist über einen verhältnißmäßig kleinen Theil Südafrikas verbreitet; am häufigsten findet er sich am Vorgebirge der guten Hoffnung. Sandige Küstengegenden bilden seinen Aufenthalt, und sorgfältig vermeidet er jeden festeren und pflanzenreicheren Boden. Jn den Dünen oder Sand- hügeln längs der Küste wird er häufig getroffen. Sein Leben ist unterirdisch. Er gräbt sich tief im Sande lange, verzweigte, röhrenartige Gänge, welche von mehreren Mittelpunkten ausstrahlen und unter einander vielfach verbunden sind. Reihenweise aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf. Die Gänge sind weit größer, als die des Maulwurfs, da das fast hamstergroße Thier selbstverständ- lich Röhren von größerem Durchmesser graben muß, als der kleinere Mull. Wie es scheint, ist der Strandmoll emsig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, wie er denn über- haupt ein im höchsten Grade lichtscheues Geschöpf ist. Kommt er durch irgend einen Zufall auf die Erde, so kann er kaum entfliehen. Er versucht dann, sich auf höchst unbeholfene Art fortzuschieben
[Abbildung]
Der Strandmoll (Bathyergus maritimus).
und zeigt sich ängstlich bemüht, wieder in die Tiefe zu gelangen. Greift man ihn an, so schleudert er heftig den Vorderleib umher und beißt wüthend um sich. Die Bauern hassen ihn außerordentlich, weil er den Boden so unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß selbst Menschen sich schädigen. Gewöhnlich wirft der Strandmoll morgens um sechs Uhr oder nachts um zwölf Uhr seine Haufen auf. Dies benutzen die Bauern, um ihn zu vertilgen. Sie räumen einen Haufen weg, öffnen eins seiner Löcher, legen in dasselbe eine gelbe Rübe oder andere Wurzel und befestigen diese an einer Schnur, welche den Drücker einer Flinte abzieht, deren Lauf nach dem Loche gerichtet ist. Sobald der Strandmoll an der Rübe zerrt, entladet er die Flinte und tödtet sich selbst durch den Schuß. Auch leitet man Wasser in seine Baue, um ihn zu ersäufen. Weiteres scheint noch nicht über ihn und seine Lebensweise bekannt zu sein. Von der Paarung und Fortpflanzung weiß man Nichts.
Die europäische Art dieser Familie ist der Blindmoll (Spalax Typhlus), vielleicht die häß- lichste aller Wurfmäuse. Der Kopf ist stumpfschnäuzig, ohne sichtbare Ohren und Augen, und stärker, als der Rumpf. Der kurze Hals ist so dick, als der Leib, und scheint ganz unbeweglich zu sein. Der Schwanz fehlt gänzlich; die kurzen Beine haben breite Pfoten mit starken Zehen und Krallen.
Die Erdgräber oder Wurfmäuſe.
vorragenden, ſchwach gebogenen, weißen Nagezähne, deren oberes Paar durch eine tiefe Rinne förm- lich getheilt iſt. Die allgemeine Färbung des Pelzes iſt weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Jn der ganzen Geſtalt hat der Strandmoll große Aehnlichkeit mit dem europäiſchen Maulwurfe, und mit dieſem kommt er auch in ſeiner Lebensweiſe und den Sitten am meiſten überein.
Das Thier iſt über einen verhältnißmäßig kleinen Theil Südafrikas verbreitet; am häufigſten findet er ſich am Vorgebirge der guten Hoffnung. Sandige Küſtengegenden bilden ſeinen Aufenthalt, und ſorgfältig vermeidet er jeden feſteren und pflanzenreicheren Boden. Jn den Dünen oder Sand- hügeln längs der Küſte wird er häufig getroffen. Sein Leben iſt unterirdiſch. Er gräbt ſich tief im Sande lange, verzweigte, röhrenartige Gänge, welche von mehreren Mittelpunkten ausſtrahlen und unter einander vielfach verbunden ſind. Reihenweiſe aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf. Die Gänge ſind weit größer, als die des Maulwurfs, da das faſt hamſtergroße Thier ſelbſtverſtänd- lich Röhren von größerem Durchmeſſer graben muß, als der kleinere Mull. Wie es ſcheint, iſt der Strandmoll emſig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, wie er denn über- haupt ein im höchſten Grade lichtſcheues Geſchöpf iſt. Kommt er durch irgend einen Zufall auf die Erde, ſo kann er kaum entfliehen. Er verſucht dann, ſich auf höchſt unbeholfene Art fortzuſchieben
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Der Strandmoll (Bathyergus maritimus).
und zeigt ſich ängſtlich bemüht, wieder in die Tiefe zu gelangen. Greift man ihn an, ſo ſchleudert er heftig den Vorderleib umher und beißt wüthend um ſich. Die Bauern haſſen ihn außerordentlich, weil er den Boden ſo unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß ſelbſt Menſchen ſich ſchädigen. Gewöhnlich wirft der Strandmoll morgens um ſechs Uhr oder nachts um zwölf Uhr ſeine Haufen auf. Dies benutzen die Bauern, um ihn zu vertilgen. Sie räumen einen Haufen weg, öffnen eins ſeiner Löcher, legen in daſſelbe eine gelbe Rübe oder andere Wurzel und befeſtigen dieſe an einer Schnur, welche den Drücker einer Flinte abzieht, deren Lauf nach dem Loche gerichtet iſt. Sobald der Strandmoll an der Rübe zerrt, entladet er die Flinte und tödtet ſich ſelbſt durch den Schuß. Auch leitet man Waſſer in ſeine Baue, um ihn zu erſäufen. Weiteres ſcheint noch nicht über ihn und ſeine Lebensweiſe bekannt zu ſein. Von der Paarung und Fortpflanzung weiß man Nichts.
Die europäiſche Art dieſer Familie iſt der Blindmoll (Spalax Typhlus), vielleicht die häß- lichſte aller Wurfmäuſe. Der Kopf iſt ſtumpfſchnäuzig, ohne ſichtbare Ohren und Augen, und ſtärker, als der Rumpf. Der kurze Hals iſt ſo dick, als der Leib, und ſcheint ganz unbeweglich zu ſein. Der Schwanz fehlt gänzlich; die kurzen Beine haben breite Pfoten mit ſtarken Zehen und Krallen.
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Die Erdgräber oder Wurfmäuſe.
vorragenden, ſchwach gebogenen, weißen Nagezähne, deren oberes Paar durch eine tiefe Rinne förm-
lich getheilt iſt. Die allgemeine Färbung des Pelzes iſt weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen.
Jn der ganzen Geſtalt hat der Strandmoll große Aehnlichkeit mit dem europäiſchen Maulwurfe, und
mit dieſem kommt er auch in ſeiner Lebensweiſe und den Sitten am meiſten überein.
Das Thier iſt über einen verhältnißmäßig kleinen Theil Südafrikas verbreitet; am häufigſten
findet er ſich am Vorgebirge der guten Hoffnung. Sandige Küſtengegenden bilden ſeinen Aufenthalt,
und ſorgfältig vermeidet er jeden feſteren und pflanzenreicheren Boden. Jn den Dünen oder Sand-
hügeln längs der Küſte wird er häufig getroffen. Sein Leben iſt unterirdiſch. Er gräbt ſich tief im
Sande lange, verzweigte, röhrenartige Gänge, welche von mehreren Mittelpunkten ausſtrahlen und
unter einander vielfach verbunden ſind. Reihenweiſe aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf.
Die Gänge ſind weit größer, als die des Maulwurfs, da das faſt hamſtergroße Thier ſelbſtverſtänd-
lich Röhren von größerem Durchmeſſer graben muß, als der kleinere Mull. Wie es ſcheint, iſt der
Strandmoll emſig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, wie er denn über-
haupt ein im höchſten Grade lichtſcheues Geſchöpf iſt. Kommt er durch irgend einen Zufall auf die
Erde, ſo kann er kaum entfliehen. Er verſucht dann, ſich auf höchſt unbeholfene Art fortzuſchieben
[Abbildung Der Strandmoll (Bathyergus maritimus).]
und zeigt ſich ängſtlich bemüht, wieder in die Tiefe zu gelangen. Greift man ihn an, ſo ſchleudert
er heftig den Vorderleib umher und beißt wüthend um ſich. Die Bauern haſſen ihn außerordentlich,
weil er den Boden ſo unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen,
die Beine zu brechen, ja, daß ſelbſt Menſchen ſich ſchädigen. Gewöhnlich wirft der Strandmoll
morgens um ſechs Uhr oder nachts um zwölf Uhr ſeine Haufen auf. Dies benutzen die Bauern, um
ihn zu vertilgen. Sie räumen einen Haufen weg, öffnen eins ſeiner Löcher, legen in daſſelbe eine
gelbe Rübe oder andere Wurzel und befeſtigen dieſe an einer Schnur, welche den Drücker einer Flinte
abzieht, deren Lauf nach dem Loche gerichtet iſt. Sobald der Strandmoll an der Rübe zerrt, entladet
er die Flinte und tödtet ſich ſelbſt durch den Schuß. Auch leitet man Waſſer in ſeine Baue, um ihn
zu erſäufen. Weiteres ſcheint noch nicht über ihn und ſeine Lebensweiſe bekannt zu ſein. Von der
Paarung und Fortpflanzung weiß man Nichts.
Die europäiſche Art dieſer Familie iſt der Blindmoll (Spalax Typhlus), vielleicht die häß-
lichſte aller Wurfmäuſe. Der Kopf iſt ſtumpfſchnäuzig, ohne ſichtbare Ohren und Augen, und ſtärker,
als der Rumpf. Der kurze Hals iſt ſo dick, als der Leib, und ſcheint ganz unbeweglich zu ſein.
Der Schwanz fehlt gänzlich; die kurzen Beine haben breite Pfoten mit ſtarken Zehen und Krallen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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