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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Bilche oder Schlafmäuse.
diese Schlafmaus, den besondern Liebling der Römer, zu dessen Hegung und Pflegung eigene An-
stalten getroffen wurden. Eichen- und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die
Siebenschläfer nicht emporklettern konnten; innerhalb der Umgebung legte man verschiedene Höhlen
an zum Nisten und Schlafen; man fütterte die Siebenschläfer mit Eicheln und Kastanien und nahm
sie zuletzt aus dem Gehege, um sie in irdene Gefäße oder Fässer zu bringen und sie hier noch beson-
ders zu mästen. Die größeren wie die kleineren dieser Mastanstalten hießen "Glirarien". Letztere
sind uns durch die Ausgrabung in Herculanum bekannt geworden. Es waren kleine, halbkugelige
Schalen, an den innern Wänden terrassenförmig abgestuft und oben mit einem engen Gitter ge-
schlossen. Hier sperrte man stets mehrere Siebenschläfer zusammen und versah sie mit Nahrung im
Ueberflusse, wodurch sie auch bald sehr fett wurden. Dann kamen die Braten als eines der leckersten
Gerichte auf die Tafeln der reichen Schlemmer. Martial verschmäht nicht, diese kleinen Thiere zu
besingen; er läßt sie sagen:

"Winter, dich schlafen wir durch, und wir strotzen von blühendem Fette
Just in den Monden, wo uns Nichts, als der Schlummer ernährt." --

Den Siebenschläfer oder Bilch kennzeichnet hauptsächlich die Gestalt seiner Backzähne. Er trägt
in jedem Kiefer deren vier, zwei größere in der Mitte und kleinere vorn und hinten. Die Kaufläche
ist rundlich, aber sehr gefaltet und durch eigene Querwülste ausgezeichnet. Die Ohren sind mittel-
groß, der lange Schwanz ist buschig und zweizeilig. Die Länge des Thieres beträgt elf Zoll; hier-
von kommen fünf auf den Schwanz. Der weiche, ziemlich dichte Pelz ist auf der Oberseite einfarbig
aschgrau, bald heller, bald dunkler, schwärzlichbraun überflogen, an den Seiten des Leibes etwas
lichter und da, wo sich die Rückenfarbe von der der Unterseite abgrenzt, bräunlichgrau; die Unter-
seite und die Jnnenseite der Beine ist milchweiß, silberglänzend; Ober- und Unterseite sind ziemlich
scharf getrennt. Der Nasenrücken und ein Theil der Oberlippe zwischen den Schnurren sind graulich-
braun, der untere Theil der Schnauze, die Backen und die Kehle bis hinter die Ohren hin weiß, die
Schnurren schwarz. Um die Augen zieht sich ein dunkelbrauner Ring. Die Ohren sind außen
dunkelgraubraun, gegen den Rand zu lichter, der Schwanz ist bräunlichgrau, unten mit einem weiß-
lichen Längsstreifen. Verschiedene Abweichungen kommen übrigens vor.

Süd- und Osteuropa ist das eigentliche Vaterland des Siebenschläfers; er findet sich von Spa-
nien, Griechenland und Jtalien an bis nach Süddeutschland. Hier trifft man ihn in Oestreich,
Steiermark, Kärnthen, Mähren, Schlesien und Böhmen, Bayern u. s. w. Häufiger aber ist er in
Kroatien, Ungarn, dem südlichen Rußland. Jn Asien soll er am Kankasus vorkommen. Jm
Norden Europas, schon in England, Dänemark, im nördlichen Deutschland fehlt er. Er bewohnt
hauptsächlich das Mittelgebirge, und zwar die Laubwälder lieber, als die Radelwälder, am liebsten
trockene Eichen- und Buchenwaldungen. Den Tag über hält er sich verborgen, bald in hohlen
Bäumen, Baumlöchern und Felsklüften, bald in Erdlöchern unter Baumwurzeln, in verlassenen
Hamsterhöhlen, Elstern- und Krähennestern u. s. w. Gegen Abend kommt er aus seinem Versteck
hervor, streift in der Nacht umher, sucht sich seine Nahrung, kehrt ab und zu in seinen Schlupfwinkel
zurück, um zu verdauen und auszuruhen, frißt wieder und sucht endlich gegen Morgen, gewöhnlich
mit seinem Weibchen oder einem anderen Gefährten vereinigt, den alten Schlupfwinkel zum Schlafen
auf. Nur in der Nacht lernt man ihn wirklich kennen, nur dann erfährt man, daß er ein rascher
und lebhafter, behender Gesell ist, welcher mit Eichhorngewandtheit auf den Bäumen oder an Felsen-
wänden umherklettert, sicher von Zweig zu Zweig oder auch aus der Höhe zur Tiefe springt und
mit kurzen Sätzen, aber rasch umherläuft, wenn er auf die Erde gelangt. Freilich gewahrt man
sein Treiben blos an Orten, welche man von vornherein als seine Wohnplätze kennt; denn sonst
verbirgt ihn sein eigentlicher Beschützer und liebster Freund, die Nacht, vor den Blicken des Menschen
noch viel besser, als sie ihn vor den Augen seiner Feinde deckt.

Die Bilche oder Schlafmäuſe.
dieſe Schlafmaus, den beſondern Liebling der Römer, zu deſſen Hegung und Pflegung eigene An-
ſtalten getroffen wurden. Eichen- und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die
Siebenſchläfer nicht emporklettern konnten; innerhalb der Umgebung legte man verſchiedene Höhlen
an zum Niſten und Schlafen; man fütterte die Siebenſchläfer mit Eicheln und Kaſtanien und nahm
ſie zuletzt aus dem Gehege, um ſie in irdene Gefäße oder Fäſſer zu bringen und ſie hier noch beſon-
ders zu mäſten. Die größeren wie die kleineren dieſer Maſtanſtalten hießen „Glirarien‟. Letztere
ſind uns durch die Ausgrabung in Herculanum bekannt geworden. Es waren kleine, halbkugelige
Schalen, an den innern Wänden terraſſenförmig abgeſtuft und oben mit einem engen Gitter ge-
ſchloſſen. Hier ſperrte man ſtets mehrere Siebenſchläfer zuſammen und verſah ſie mit Nahrung im
Ueberfluſſe, wodurch ſie auch bald ſehr fett wurden. Dann kamen die Braten als eines der leckerſten
Gerichte auf die Tafeln der reichen Schlemmer. Martial verſchmäht nicht, dieſe kleinen Thiere zu
beſingen; er läßt ſie ſagen:

„Winter, dich ſchlafen wir durch, und wir ſtrotzen von blühendem Fette
Juſt in den Monden, wo uns Nichts, als der Schlummer ernährt.‟ —

Den Siebenſchläfer oder Bilch kennzeichnet hauptſächlich die Geſtalt ſeiner Backzähne. Er trägt
in jedem Kiefer deren vier, zwei größere in der Mitte und kleinere vorn und hinten. Die Kaufläche
iſt rundlich, aber ſehr gefaltet und durch eigene Querwülſte ausgezeichnet. Die Ohren ſind mittel-
groß, der lange Schwanz iſt buſchig und zweizeilig. Die Länge des Thieres beträgt elf Zoll; hier-
von kommen fünf auf den Schwanz. Der weiche, ziemlich dichte Pelz iſt auf der Oberſeite einfarbig
aſchgrau, bald heller, bald dunkler, ſchwärzlichbraun überflogen, an den Seiten des Leibes etwas
lichter und da, wo ſich die Rückenfarbe von der der Unterſeite abgrenzt, bräunlichgrau; die Unter-
ſeite und die Jnnenſeite der Beine iſt milchweiß, ſilberglänzend; Ober- und Unterſeite ſind ziemlich
ſcharf getrennt. Der Naſenrücken und ein Theil der Oberlippe zwiſchen den Schnurren ſind graulich-
braun, der untere Theil der Schnauze, die Backen und die Kehle bis hinter die Ohren hin weiß, die
Schnurren ſchwarz. Um die Augen zieht ſich ein dunkelbrauner Ring. Die Ohren ſind außen
dunkelgraubraun, gegen den Rand zu lichter, der Schwanz iſt bräunlichgrau, unten mit einem weiß-
lichen Längsſtreifen. Verſchiedene Abweichungen kommen übrigens vor.

Süd- und Oſteuropa iſt das eigentliche Vaterland des Siebenſchläfers; er findet ſich von Spa-
nien, Griechenland und Jtalien an bis nach Süddeutſchland. Hier trifft man ihn in Oeſtreich,
Steiermark, Kärnthen, Mähren, Schleſien und Böhmen, Bayern u. ſ. w. Häufiger aber iſt er in
Kroatien, Ungarn, dem ſüdlichen Rußland. Jn Aſien ſoll er am Kankaſus vorkommen. Jm
Norden Europas, ſchon in England, Dänemark, im nördlichen Deutſchland fehlt er. Er bewohnt
hauptſächlich das Mittelgebirge, und zwar die Laubwälder lieber, als die Radelwälder, am liebſten
trockene Eichen- und Buchenwaldungen. Den Tag über hält er ſich verborgen, bald in hohlen
Bäumen, Baumlöchern und Felsklüften, bald in Erdlöchern unter Baumwurzeln, in verlaſſenen
Hamſterhöhlen, Elſtern- und Krähenneſtern u. ſ. w. Gegen Abend kommt er aus ſeinem Verſteck
hervor, ſtreift in der Nacht umher, ſucht ſich ſeine Nahrung, kehrt ab und zu in ſeinen Schlupfwinkel
zurück, um zu verdauen und auszuruhen, frißt wieder und ſucht endlich gegen Morgen, gewöhnlich
mit ſeinem Weibchen oder einem anderen Gefährten vereinigt, den alten Schlupfwinkel zum Schlafen
auf. Nur in der Nacht lernt man ihn wirklich kennen, nur dann erfährt man, daß er ein raſcher
und lebhafter, behender Geſell iſt, welcher mit Eichhorngewandtheit auf den Bäumen oder an Felſen-
wänden umherklettert, ſicher von Zweig zu Zweig oder auch aus der Höhe zur Tiefe ſpringt und
mit kurzen Sätzen, aber raſch umherläuft, wenn er auf die Erde gelangt. Freilich gewahrt man
ſein Treiben blos an Orten, welche man von vornherein als ſeine Wohnplätze kennt; denn ſonſt
verbirgt ihn ſein eigentlicher Beſchützer und liebſter Freund, die Nacht, vor den Blicken des Menſchen
noch viel beſſer, als ſie ihn vor den Augen ſeiner Feinde deckt.

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[104/0118] Die Bilche oder Schlafmäuſe. dieſe Schlafmaus, den beſondern Liebling der Römer, zu deſſen Hegung und Pflegung eigene An- ſtalten getroffen wurden. Eichen- und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die Siebenſchläfer nicht emporklettern konnten; innerhalb der Umgebung legte man verſchiedene Höhlen an zum Niſten und Schlafen; man fütterte die Siebenſchläfer mit Eicheln und Kaſtanien und nahm ſie zuletzt aus dem Gehege, um ſie in irdene Gefäße oder Fäſſer zu bringen und ſie hier noch beſon- ders zu mäſten. Die größeren wie die kleineren dieſer Maſtanſtalten hießen „Glirarien‟. Letztere ſind uns durch die Ausgrabung in Herculanum bekannt geworden. Es waren kleine, halbkugelige Schalen, an den innern Wänden terraſſenförmig abgeſtuft und oben mit einem engen Gitter ge- ſchloſſen. Hier ſperrte man ſtets mehrere Siebenſchläfer zuſammen und verſah ſie mit Nahrung im Ueberfluſſe, wodurch ſie auch bald ſehr fett wurden. Dann kamen die Braten als eines der leckerſten Gerichte auf die Tafeln der reichen Schlemmer. Martial verſchmäht nicht, dieſe kleinen Thiere zu beſingen; er läßt ſie ſagen: „Winter, dich ſchlafen wir durch, und wir ſtrotzen von blühendem Fette Juſt in den Monden, wo uns Nichts, als der Schlummer ernährt.‟ — Den Siebenſchläfer oder Bilch kennzeichnet hauptſächlich die Geſtalt ſeiner Backzähne. Er trägt in jedem Kiefer deren vier, zwei größere in der Mitte und kleinere vorn und hinten. Die Kaufläche iſt rundlich, aber ſehr gefaltet und durch eigene Querwülſte ausgezeichnet. Die Ohren ſind mittel- groß, der lange Schwanz iſt buſchig und zweizeilig. Die Länge des Thieres beträgt elf Zoll; hier- von kommen fünf auf den Schwanz. Der weiche, ziemlich dichte Pelz iſt auf der Oberſeite einfarbig aſchgrau, bald heller, bald dunkler, ſchwärzlichbraun überflogen, an den Seiten des Leibes etwas lichter und da, wo ſich die Rückenfarbe von der der Unterſeite abgrenzt, bräunlichgrau; die Unter- ſeite und die Jnnenſeite der Beine iſt milchweiß, ſilberglänzend; Ober- und Unterſeite ſind ziemlich ſcharf getrennt. Der Naſenrücken und ein Theil der Oberlippe zwiſchen den Schnurren ſind graulich- braun, der untere Theil der Schnauze, die Backen und die Kehle bis hinter die Ohren hin weiß, die Schnurren ſchwarz. Um die Augen zieht ſich ein dunkelbrauner Ring. Die Ohren ſind außen dunkelgraubraun, gegen den Rand zu lichter, der Schwanz iſt bräunlichgrau, unten mit einem weiß- lichen Längsſtreifen. Verſchiedene Abweichungen kommen übrigens vor. Süd- und Oſteuropa iſt das eigentliche Vaterland des Siebenſchläfers; er findet ſich von Spa- nien, Griechenland und Jtalien an bis nach Süddeutſchland. Hier trifft man ihn in Oeſtreich, Steiermark, Kärnthen, Mähren, Schleſien und Böhmen, Bayern u. ſ. w. Häufiger aber iſt er in Kroatien, Ungarn, dem ſüdlichen Rußland. Jn Aſien ſoll er am Kankaſus vorkommen. Jm Norden Europas, ſchon in England, Dänemark, im nördlichen Deutſchland fehlt er. Er bewohnt hauptſächlich das Mittelgebirge, und zwar die Laubwälder lieber, als die Radelwälder, am liebſten trockene Eichen- und Buchenwaldungen. Den Tag über hält er ſich verborgen, bald in hohlen Bäumen, Baumlöchern und Felsklüften, bald in Erdlöchern unter Baumwurzeln, in verlaſſenen Hamſterhöhlen, Elſtern- und Krähenneſtern u. ſ. w. Gegen Abend kommt er aus ſeinem Verſteck hervor, ſtreift in der Nacht umher, ſucht ſich ſeine Nahrung, kehrt ab und zu in ſeinen Schlupfwinkel zurück, um zu verdauen und auszuruhen, frißt wieder und ſucht endlich gegen Morgen, gewöhnlich mit ſeinem Weibchen oder einem anderen Gefährten vereinigt, den alten Schlupfwinkel zum Schlafen auf. Nur in der Nacht lernt man ihn wirklich kennen, nur dann erfährt man, daß er ein raſcher und lebhafter, behender Geſell iſt, welcher mit Eichhorngewandtheit auf den Bäumen oder an Felſen- wänden umherklettert, ſicher von Zweig zu Zweig oder auch aus der Höhe zur Tiefe ſpringt und mit kurzen Sätzen, aber raſch umherläuft, wenn er auf die Erde gelangt. Freilich gewahrt man ſein Treiben blos an Orten, welche man von vornherein als ſeine Wohnplätze kennt; denn ſonſt verbirgt ihn ſein eigentlicher Beſchützer und liebſter Freund, die Nacht, vor den Blicken des Menſchen noch viel beſſer, als ſie ihn vor den Augen ſeiner Feinde deckt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/118>, abgerufen am 25.11.2024.