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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die eigentlichen Mäuse.

Unzählbar sind die Mittel, welche man schon angewandt hat, um die Ratten zu vertilgen. Fallen
aller Art werden gegen sie aufgestellt mit mehr oder weniger gutem Erfolge, und eine Zeitlang hilft
auch die eine und die andere Art der Rattenjagd wenigstens in Etwas. Merken die Thiere, daß sie
sehr heftig verfolgt werden, so wandern sie nicht selten aus, aber sie kommen wieder, wenn die Ver-
folgung nachläßt. Und wenn sie sich einmal von neuem eingefunden haben, vermehren sie sich in
kurzer Zeit so stark, daß die alte Plage wieder in ganzer Stärke auftritt. Die gewöhnlichsten Mittel
zur Vertilgung der Ratten bleiben Gifte verschiedener Art, welche man an ihren Lieblingsorten auf-
stellt; aber ganz abgesehen davon, daß man die vergifteten Thiere auf eine greuliche Weise zu Tode
martert, bleibt dieses Mittel immer gefährlich; denn die Ratten brechen gern einen Theil des Gefres-
senen wieder aus, vergiften unter Umständen das Getreide oder Kartoffeln und können dadurch
anderen Thieren und auch den Menschen sehr gefährlich werden. Besser ist es, ihnen ein Gemisch von
Malz und ungelöschtem Kalk vorzusetzen, welches, wenn sie es gefressen haben, ihren Durst erregt
und den Tod herbeiführt, sobald sie das zum Löschen des Kalkes erforderliche Wasser einge-
nommen haben.

Jn vielen Gegenden herrscht der Wahn, daß man die Ratten vertreiben könne, wenn man einen
schwarzen oder weißen Kaulhahn auf dem Hofe halte. Lenz, welcher diese Sache untersuchte, fand
Folgendes: Ein neuer Wirth, welcher das Schnepfenthaler Gasthaus gekauft und zu dem bewußten
Zwecke einen schwarzen Kaulhahn nebst Hühnern mitgebracht hatte, reinigte sein Haus augenblicklich
von den seit Menschengedenken hier einheimischen Ratten. Unser Forscher bemerkte aber auch, daß die
Ratten vor einem schwarzen Kaulhahn, den er in einen Käfig gesperrt und in den Keller gesetzt hatte,
ohne die geringste Scheu Aepfel, Speck und Runkeln wegfraßen, und erfuhr von einem Freunde,
welcher auf seinen Wunsch mit einem weißen Kaulhahn Versuche anstellte, daß der Versuchshahn von
den Ratten, bei denen er auf Besuch war, fast todgebissen wurde. Andere Leute seiner Bekanntschaft
hatten viele bunte Kaulhühner, zugleich aber auch immer Ratten, und wieder andere, denen Lenz
Kaulhähne schenkte, wurden von Ratten theils befreit, theils weniger stark heimgesucht. Ein befrie-
digendes Ergebniß dieser Untersuchungen ist also noch nicht gewonnen worden.

Die besten Vertilger der Ratten bleiben unter allen Umständen ihre natürlichen Feinde, vor allen
die Bussarde, Eulen, Raben, Wiesel, Katzen und Pintscher, obgleich es oft vorkommt, daß
die Katzen sich nicht an die Ratten wagen, zumal an Wanderratten. Dehne sah in Hamburg vor
den Flethen Hunde, Katzen und Ratten ganz lustig unter einander herumspazieren, ohne daß eines
der betreffenden Thiere daran gedacht hätte, dem andern den Krieg zu erklären, und mir selbst sind
viele Beispiele bekannt, daß die Katzen sich gar nicht um die Ratten bekümmern. Es gibt, wie unter
allen Hausthieren, auch unter den Katzen gute Familien, deren Glieder mit wahrer Leidenschaft der
Rattenjagd obliegen, obgleich sie anfangs viel Mühe haben, die bissigen Nager zu überwältigen.
Eine unserer Katzen fing bereits Ratten, als sie kaum den dritten Theil ihrer Größe erreicht hatte,
und verfolgte dieselben mit solchem Eifer, daß sie sich einstmals von einer starken Ratte über den gan-
zen Hof weg und an einer Mauer emporschleppen ließ, ohne ihren Feind loszulassen, bis sie endlich
mit einem geschickten Bisse denselben kampfunfähig machte. Von jenem Tage an ist die Katze der uner-
bittlichste Feind der Ratten geblieben und hat den ganzen Hof von ihnen fast gereinigt. Uebrigens ist
es gar nicht so nothwendig, daß eine Katze wirklich eifrig Ratten fängt; sie vertreibt dieselben schon
durch ihr Umherschleichen in Stall und Scheuer, Keller und Kammer. Es ist sicherlich höchst unge-
müthlich für die Ratten, diesen Erzfeind in der Nähe zu haben. Man ist da keinen Augenblick lang
sicher. Unhörbar schleicht er herbei im Dunkel der Nacht, kein Laut, kaum eine Bewegung verräth
sein Nahen, in alle Löcher schauen die unheimlich leuchtenden, grünlichen Augen hinein, neben den
bequemsten Gangstraßen sitzt und lauert er, und ehe man es sich recht versieht, fällt er über einen
her und packt mit den spitzen Klauen und den scharfen Zähnen so fest zu, daß selten Rettung möglich.
Das erträgt selbst eine Ratte nicht. Sie wandert lieber aus an Orte, wo sie unbehelligter wohnen
kann, und somit bleibt die Katze immer der beste Gehilfe des Menschen, wenn es gilt, so lästige

Die eigentlichen Mäuſe.

Unzählbar ſind die Mittel, welche man ſchon angewandt hat, um die Ratten zu vertilgen. Fallen
aller Art werden gegen ſie aufgeſtellt mit mehr oder weniger gutem Erfolge, und eine Zeitlang hilft
auch die eine und die andere Art der Rattenjagd wenigſtens in Etwas. Merken die Thiere, daß ſie
ſehr heftig verfolgt werden, ſo wandern ſie nicht ſelten aus, aber ſie kommen wieder, wenn die Ver-
folgung nachläßt. Und wenn ſie ſich einmal von neuem eingefunden haben, vermehren ſie ſich in
kurzer Zeit ſo ſtark, daß die alte Plage wieder in ganzer Stärke auftritt. Die gewöhnlichſten Mittel
zur Vertilgung der Ratten bleiben Gifte verſchiedener Art, welche man an ihren Lieblingsorten auf-
ſtellt; aber ganz abgeſehen davon, daß man die vergifteten Thiere auf eine greuliche Weiſe zu Tode
martert, bleibt dieſes Mittel immer gefährlich; denn die Ratten brechen gern einen Theil des Gefreſ-
ſenen wieder aus, vergiften unter Umſtänden das Getreide oder Kartoffeln und können dadurch
anderen Thieren und auch den Menſchen ſehr gefährlich werden. Beſſer iſt es, ihnen ein Gemiſch von
Malz und ungelöſchtem Kalk vorzuſetzen, welches, wenn ſie es gefreſſen haben, ihren Durſt erregt
und den Tod herbeiführt, ſobald ſie das zum Löſchen des Kalkes erforderliche Waſſer einge-
nommen haben.

Jn vielen Gegenden herrſcht der Wahn, daß man die Ratten vertreiben könne, wenn man einen
ſchwarzen oder weißen Kaulhahn auf dem Hofe halte. Lenz, welcher dieſe Sache unterſuchte, fand
Folgendes: Ein neuer Wirth, welcher das Schnepfenthaler Gaſthaus gekauft und zu dem bewußten
Zwecke einen ſchwarzen Kaulhahn nebſt Hühnern mitgebracht hatte, reinigte ſein Haus augenblicklich
von den ſeit Menſchengedenken hier einheimiſchen Ratten. Unſer Forſcher bemerkte aber auch, daß die
Ratten vor einem ſchwarzen Kaulhahn, den er in einen Käfig geſperrt und in den Keller geſetzt hatte,
ohne die geringſte Scheu Aepfel, Speck und Runkeln wegfraßen, und erfuhr von einem Freunde,
welcher auf ſeinen Wunſch mit einem weißen Kaulhahn Verſuche anſtellte, daß der Verſuchshahn von
den Ratten, bei denen er auf Beſuch war, faſt todgebiſſen wurde. Andere Leute ſeiner Bekanntſchaft
hatten viele bunte Kaulhühner, zugleich aber auch immer Ratten, und wieder andere, denen Lenz
Kaulhähne ſchenkte, wurden von Ratten theils befreit, theils weniger ſtark heimgeſucht. Ein befrie-
digendes Ergebniß dieſer Unterſuchungen iſt alſo noch nicht gewonnen worden.

Die beſten Vertilger der Ratten bleiben unter allen Umſtänden ihre natürlichen Feinde, vor allen
die Buſſarde, Eulen, Raben, Wieſel, Katzen und Pintſcher, obgleich es oft vorkommt, daß
die Katzen ſich nicht an die Ratten wagen, zumal an Wanderratten. Dehne ſah in Hamburg vor
den Flethen Hunde, Katzen und Ratten ganz luſtig unter einander herumſpazieren, ohne daß eines
der betreffenden Thiere daran gedacht hätte, dem andern den Krieg zu erklären, und mir ſelbſt ſind
viele Beiſpiele bekannt, daß die Katzen ſich gar nicht um die Ratten bekümmern. Es gibt, wie unter
allen Hausthieren, auch unter den Katzen gute Familien, deren Glieder mit wahrer Leidenſchaft der
Rattenjagd obliegen, obgleich ſie anfangs viel Mühe haben, die biſſigen Nager zu überwältigen.
Eine unſerer Katzen fing bereits Ratten, als ſie kaum den dritten Theil ihrer Größe erreicht hatte,
und verfolgte dieſelben mit ſolchem Eifer, daß ſie ſich einſtmals von einer ſtarken Ratte über den gan-
zen Hof weg und an einer Mauer emporſchleppen ließ, ohne ihren Feind loszulaſſen, bis ſie endlich
mit einem geſchickten Biſſe denſelben kampfunfähig machte. Von jenem Tage an iſt die Katze der uner-
bittlichſte Feind der Ratten geblieben und hat den ganzen Hof von ihnen faſt gereinigt. Uebrigens iſt
es gar nicht ſo nothwendig, daß eine Katze wirklich eifrig Ratten fängt; ſie vertreibt dieſelben ſchon
durch ihr Umherſchleichen in Stall und Scheuer, Keller und Kammer. Es iſt ſicherlich höchſt unge-
müthlich für die Ratten, dieſen Erzfeind in der Nähe zu haben. Man iſt da keinen Augenblick lang
ſicher. Unhörbar ſchleicht er herbei im Dunkel der Nacht, kein Laut, kaum eine Bewegung verräth
ſein Nahen, in alle Löcher ſchauen die unheimlich leuchtenden, grünlichen Augen hinein, neben den
bequemſten Gangſtraßen ſitzt und lauert er, und ehe man es ſich recht verſieht, fällt er über einen
her und packt mit den ſpitzen Klauen und den ſcharfen Zähnen ſo feſt zu, daß ſelten Rettung möglich.
Das erträgt ſelbſt eine Ratte nicht. Sie wandert lieber aus an Orte, wo ſie unbehelligter wohnen
kann, und ſomit bleibt die Katze immer der beſte Gehilfe des Menſchen, wenn es gilt, ſo läſtige

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[128/0142] Die eigentlichen Mäuſe. Unzählbar ſind die Mittel, welche man ſchon angewandt hat, um die Ratten zu vertilgen. Fallen aller Art werden gegen ſie aufgeſtellt mit mehr oder weniger gutem Erfolge, und eine Zeitlang hilft auch die eine und die andere Art der Rattenjagd wenigſtens in Etwas. Merken die Thiere, daß ſie ſehr heftig verfolgt werden, ſo wandern ſie nicht ſelten aus, aber ſie kommen wieder, wenn die Ver- folgung nachläßt. Und wenn ſie ſich einmal von neuem eingefunden haben, vermehren ſie ſich in kurzer Zeit ſo ſtark, daß die alte Plage wieder in ganzer Stärke auftritt. Die gewöhnlichſten Mittel zur Vertilgung der Ratten bleiben Gifte verſchiedener Art, welche man an ihren Lieblingsorten auf- ſtellt; aber ganz abgeſehen davon, daß man die vergifteten Thiere auf eine greuliche Weiſe zu Tode martert, bleibt dieſes Mittel immer gefährlich; denn die Ratten brechen gern einen Theil des Gefreſ- ſenen wieder aus, vergiften unter Umſtänden das Getreide oder Kartoffeln und können dadurch anderen Thieren und auch den Menſchen ſehr gefährlich werden. Beſſer iſt es, ihnen ein Gemiſch von Malz und ungelöſchtem Kalk vorzuſetzen, welches, wenn ſie es gefreſſen haben, ihren Durſt erregt und den Tod herbeiführt, ſobald ſie das zum Löſchen des Kalkes erforderliche Waſſer einge- nommen haben. Jn vielen Gegenden herrſcht der Wahn, daß man die Ratten vertreiben könne, wenn man einen ſchwarzen oder weißen Kaulhahn auf dem Hofe halte. Lenz, welcher dieſe Sache unterſuchte, fand Folgendes: Ein neuer Wirth, welcher das Schnepfenthaler Gaſthaus gekauft und zu dem bewußten Zwecke einen ſchwarzen Kaulhahn nebſt Hühnern mitgebracht hatte, reinigte ſein Haus augenblicklich von den ſeit Menſchengedenken hier einheimiſchen Ratten. Unſer Forſcher bemerkte aber auch, daß die Ratten vor einem ſchwarzen Kaulhahn, den er in einen Käfig geſperrt und in den Keller geſetzt hatte, ohne die geringſte Scheu Aepfel, Speck und Runkeln wegfraßen, und erfuhr von einem Freunde, welcher auf ſeinen Wunſch mit einem weißen Kaulhahn Verſuche anſtellte, daß der Verſuchshahn von den Ratten, bei denen er auf Beſuch war, faſt todgebiſſen wurde. Andere Leute ſeiner Bekanntſchaft hatten viele bunte Kaulhühner, zugleich aber auch immer Ratten, und wieder andere, denen Lenz Kaulhähne ſchenkte, wurden von Ratten theils befreit, theils weniger ſtark heimgeſucht. Ein befrie- digendes Ergebniß dieſer Unterſuchungen iſt alſo noch nicht gewonnen worden. Die beſten Vertilger der Ratten bleiben unter allen Umſtänden ihre natürlichen Feinde, vor allen die Buſſarde, Eulen, Raben, Wieſel, Katzen und Pintſcher, obgleich es oft vorkommt, daß die Katzen ſich nicht an die Ratten wagen, zumal an Wanderratten. Dehne ſah in Hamburg vor den Flethen Hunde, Katzen und Ratten ganz luſtig unter einander herumſpazieren, ohne daß eines der betreffenden Thiere daran gedacht hätte, dem andern den Krieg zu erklären, und mir ſelbſt ſind viele Beiſpiele bekannt, daß die Katzen ſich gar nicht um die Ratten bekümmern. Es gibt, wie unter allen Hausthieren, auch unter den Katzen gute Familien, deren Glieder mit wahrer Leidenſchaft der Rattenjagd obliegen, obgleich ſie anfangs viel Mühe haben, die biſſigen Nager zu überwältigen. Eine unſerer Katzen fing bereits Ratten, als ſie kaum den dritten Theil ihrer Größe erreicht hatte, und verfolgte dieſelben mit ſolchem Eifer, daß ſie ſich einſtmals von einer ſtarken Ratte über den gan- zen Hof weg und an einer Mauer emporſchleppen ließ, ohne ihren Feind loszulaſſen, bis ſie endlich mit einem geſchickten Biſſe denſelben kampfunfähig machte. Von jenem Tage an iſt die Katze der uner- bittlichſte Feind der Ratten geblieben und hat den ganzen Hof von ihnen faſt gereinigt. Uebrigens iſt es gar nicht ſo nothwendig, daß eine Katze wirklich eifrig Ratten fängt; ſie vertreibt dieſelben ſchon durch ihr Umherſchleichen in Stall und Scheuer, Keller und Kammer. Es iſt ſicherlich höchſt unge- müthlich für die Ratten, dieſen Erzfeind in der Nähe zu haben. Man iſt da keinen Augenblick lang ſicher. Unhörbar ſchleicht er herbei im Dunkel der Nacht, kein Laut, kaum eine Bewegung verräth ſein Nahen, in alle Löcher ſchauen die unheimlich leuchtenden, grünlichen Augen hinein, neben den bequemſten Gangſtraßen ſitzt und lauert er, und ehe man es ſich recht verſieht, fällt er über einen her und packt mit den ſpitzen Klauen und den ſcharfen Zähnen ſo feſt zu, daß ſelten Rettung möglich. Das erträgt ſelbſt eine Ratte nicht. Sie wandert lieber aus an Orte, wo ſie unbehelligter wohnen kann, und ſomit bleibt die Katze immer der beſte Gehilfe des Menſchen, wenn es gilt, ſo läſtige

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/142>, abgerufen am 27.11.2024.