so sind die Jungen regelmäßig ausgeschlüpft, ehe das Blätterwerk um das Nest verwelken und hier- durch eine auffällige Farbe annehmen konnte.
Man glaubt, daß jede Zwergmaus jährlich zwei bis drei Mal Junge wirft, jedes Mal ihrer fünf bis neun. Aeltere Mütter bauen immer künstlichere und vollkommenere Nester, als die jün- geren, aber auch in diesen zeigt sich schon der Trieb, die Kunst der alten ausznüben; denn bereits im ersten Jahre bauen sich die kleinen Dinger ziemlich vollkommene Nester, um darin zu ruhen. Gewöhnlich verweilen die Jungen solange in ihrer prächtigen Wiege, bis sie sehen können. Die Alte hat sie jedesmal warm zugedeckt oder vielmehr die Thür zum Neste verschlossen, wenn sie das Nest- chen verlassen muß, um sich Nahrung zu holen. Sie ist inzwischen wieder mit dem Männchen ihrer Art zusammengekommen und gewöhnlich bereits von neuem trächtig, während sie ihre Kinder noch säugen muß. Kaum sind dann diese soweit, daß sie zur Noth sich ernähren können, so überläßt sie die Alte sich selbst, nachdem sie höchstens ein paar Tage lang ihnen Führer und Rathgeber ge- wesen ist.
Falls das Glück Einem wohl will und man gerade dazukommt, wenn die Alte ihre Brut zum ersten Male ausführt, hat man Gelegenheit, sich an einem der anziehendsten Familienbilder aus dem Säugethierleben zu erfreuen. So geschickt die junge Schar auch ist: etwas Unterricht muß ihr doch werden, und sie hängt auch noch viel zu sehr an der Mutter, als daß sie gleich selbständig sein und in die weite, gefährliche Welt hinausstürmen möchte. Da hängt nun ein Junges an diesem, das andere an jenem Halme; das zirpt zu der Mutter auf, jenes verlangt noch die Mutterbrust; dieses wäscht und putzt sich, jenes hat ein Körnchen gefunden, welches es hübsch mit den Vorderfüßen hält und aufknackt, das Nesthäkchen macht sich noch im Jnnern des Baues zu schaffen, das beherzteste und muthigste Männchen hat sich schon am weitesten entfernt und schwimmt vielleicht bereits unten in dem Wasser herum, aus dem das Riedgras sich erhebt: kurz, die ganze Familie ist in der lebhaftesten Bewegung und die Alte gar gemüthlich da mittendrin, hier helfend, dort rufend, führend, leitend, die ganze Gesellschaft beschützend.
Man kann dieses anmuthige Treiben so recht gemächlich betrachten, wenn man das ganze Nest mit nach Hause nimmt und in einen enggeflochtenen Drahtbauer bringt. Mit Hanf, Hafer, Birnen, füßen Aepfeln, Fleisch und Stubenfliegen sind die Zwergmäuse leicht zu erhalten, und sie vergelten jede Mühe, welche man sich mit ihnen gibt, durch ihr angenehmes Wesen tausendfach. Ganz allerliebst sieht es aus, wenn man eine Fliege hinhält. Da fahren alle mit großen Sprüngen auf sie los, packen sie mit den Füßchen, führen sie zum Munde und tödten sie mit einer Hast und Gier, als ob ein Löwe ein Rind erwürgen wolle; dann halten sie ihre Beute allerliebst mit den Vorderpfoten und führen sie damit zum Munde. Die Jungen werden sehr bald zahm, aber mit zunehmendem Alter wieder scheuer, falls man sich nicht ganz besonders oft und fleißig mit ihnen abgibt. Um die Zeit, wo sie sich im Freien in ihre Schlupfwinkel zurückziehen, werden sie immer sehr unruhig und suchen mit Gewalt zu entfliehen, gerade so, wie die im Käfig gehaltenen Zugvögel zu thun pflegen, wenn die Zeit der Wanderung herannaht. Auch im März zeigen sie dasselbe Ge- lüste, sich aus dem Käfig zu entfernen. Sonst gewöhnen sie bald ein und bauen ganz lustig an ihren Kunstnestern, nehmen Blätter und ziehen sie mit den Pfoten durch den Mund, um sie zu spal- ten, ordnen und verweben sie, tragen allerhand Stoff zusammen, kurz, suchen sich sogut als möglich einzurichten.
Eine der schönsten Arten der ganzen Mausfamilie ist die berberische Maus (Mus barbarus), ein Thierchen, welches einen etwa 4 Zoll langen Körper und einen noch etwas längeren Schwanz be- sitzt und am Widerrist über 11/2 Zoll hoch ist. Ein schönes Gelblichbraun oder Röthlichlehmgelb ist die Grundfarbe des Körpers. Vom Kopfe, welcher schwarz gesprenkelt ist, zieht sich ein schwarzbrauner Längsstreif bis zur Schwanzwurzel herab, und viele ähnliche Streifen verlaufen längs der Seiten, aber in etwas ungerader Richtung. Die Unterseite ist rein weiß. Die Ohren sind röthlichgelb be-
Die eigentlichen Mäuſe.
ſo ſind die Jungen regelmäßig ausgeſchlüpft, ehe das Blätterwerk um das Neſt verwelken und hier- durch eine auffällige Farbe annehmen konnte.
Man glaubt, daß jede Zwergmaus jährlich zwei bis drei Mal Junge wirft, jedes Mal ihrer fünf bis neun. Aeltere Mütter bauen immer künſtlichere und vollkommenere Neſter, als die jün- geren, aber auch in dieſen zeigt ſich ſchon der Trieb, die Kunſt der alten ausznüben; denn bereits im erſten Jahre bauen ſich die kleinen Dinger ziemlich vollkommene Neſter, um darin zu ruhen. Gewöhnlich verweilen die Jungen ſolange in ihrer prächtigen Wiege, bis ſie ſehen können. Die Alte hat ſie jedesmal warm zugedeckt oder vielmehr die Thür zum Neſte verſchloſſen, wenn ſie das Neſt- chen verlaſſen muß, um ſich Nahrung zu holen. Sie iſt inzwiſchen wieder mit dem Männchen ihrer Art zuſammengekommen und gewöhnlich bereits von neuem trächtig, während ſie ihre Kinder noch ſäugen muß. Kaum ſind dann dieſe ſoweit, daß ſie zur Noth ſich ernähren können, ſo überläßt ſie die Alte ſich ſelbſt, nachdem ſie höchſtens ein paar Tage lang ihnen Führer und Rathgeber ge- weſen iſt.
Falls das Glück Einem wohl will und man gerade dazukommt, wenn die Alte ihre Brut zum erſten Male ausführt, hat man Gelegenheit, ſich an einem der anziehendſten Familienbilder aus dem Säugethierleben zu erfreuen. So geſchickt die junge Schar auch iſt: etwas Unterricht muß ihr doch werden, und ſie hängt auch noch viel zu ſehr an der Mutter, als daß ſie gleich ſelbſtändig ſein und in die weite, gefährliche Welt hinausſtürmen möchte. Da hängt nun ein Junges an dieſem, das andere an jenem Halme; das zirpt zu der Mutter auf, jenes verlangt noch die Mutterbruſt; dieſes wäſcht und putzt ſich, jenes hat ein Körnchen gefunden, welches es hübſch mit den Vorderfüßen hält und aufknackt, das Neſthäkchen macht ſich noch im Jnnern des Baues zu ſchaffen, das beherzteſte und muthigſte Männchen hat ſich ſchon am weiteſten entfernt und ſchwimmt vielleicht bereits unten in dem Waſſer herum, aus dem das Riedgras ſich erhebt: kurz, die ganze Familie iſt in der lebhafteſten Bewegung und die Alte gar gemüthlich da mittendrin, hier helfend, dort rufend, führend, leitend, die ganze Geſellſchaft beſchützend.
Man kann dieſes anmuthige Treiben ſo recht gemächlich betrachten, wenn man das ganze Neſt mit nach Hauſe nimmt und in einen enggeflochtenen Drahtbauer bringt. Mit Hanf, Hafer, Birnen, füßen Aepfeln, Fleiſch und Stubenfliegen ſind die Zwergmäuſe leicht zu erhalten, und ſie vergelten jede Mühe, welche man ſich mit ihnen gibt, durch ihr angenehmes Weſen tauſendfach. Ganz allerliebſt ſieht es aus, wenn man eine Fliege hinhält. Da fahren alle mit großen Sprüngen auf ſie los, packen ſie mit den Füßchen, führen ſie zum Munde und tödten ſie mit einer Haſt und Gier, als ob ein Löwe ein Rind erwürgen wolle; dann halten ſie ihre Beute allerliebſt mit den Vorderpfoten und führen ſie damit zum Munde. Die Jungen werden ſehr bald zahm, aber mit zunehmendem Alter wieder ſcheuer, falls man ſich nicht ganz beſonders oft und fleißig mit ihnen abgibt. Um die Zeit, wo ſie ſich im Freien in ihre Schlupfwinkel zurückziehen, werden ſie immer ſehr unruhig und ſuchen mit Gewalt zu entfliehen, gerade ſo, wie die im Käfig gehaltenen Zugvögel zu thun pflegen, wenn die Zeit der Wanderung herannaht. Auch im März zeigen ſie daſſelbe Ge- lüſte, ſich aus dem Käfig zu entfernen. Sonſt gewöhnen ſie bald ein und bauen ganz luſtig an ihren Kunſtneſtern, nehmen Blätter und ziehen ſie mit den Pfoten durch den Mund, um ſie zu ſpal- ten, ordnen und verweben ſie, tragen allerhand Stoff zuſammen, kurz, ſuchen ſich ſogut als möglich einzurichten.
Eine der ſchönſten Arten der ganzen Mausfamilie iſt die berberiſche Maus (Mus barbarus), ein Thierchen, welches einen etwa 4 Zoll langen Körper und einen noch etwas längeren Schwanz be- ſitzt und am Widerriſt über 1½ Zoll hoch iſt. Ein ſchönes Gelblichbraun oder Röthlichlehmgelb iſt die Grundfarbe des Körpers. Vom Kopfe, welcher ſchwarz geſprenkelt iſt, zieht ſich ein ſchwarzbrauner Längsſtreif bis zur Schwanzwurzel herab, und viele ähnliche Streifen verlaufen längs der Seiten, aber in etwas ungerader Richtung. Die Unterſeite iſt rein weiß. Die Ohren ſind röthlichgelb be-
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[138/0154]
Die eigentlichen Mäuſe.
ſo ſind die Jungen regelmäßig ausgeſchlüpft, ehe das Blätterwerk um das Neſt verwelken und hier-
durch eine auffällige Farbe annehmen konnte.
Man glaubt, daß jede Zwergmaus jährlich zwei bis drei Mal Junge wirft, jedes Mal ihrer
fünf bis neun. Aeltere Mütter bauen immer künſtlichere und vollkommenere Neſter, als die jün-
geren, aber auch in dieſen zeigt ſich ſchon der Trieb, die Kunſt der alten ausznüben; denn bereits
im erſten Jahre bauen ſich die kleinen Dinger ziemlich vollkommene Neſter, um darin zu ruhen.
Gewöhnlich verweilen die Jungen ſolange in ihrer prächtigen Wiege, bis ſie ſehen können. Die Alte
hat ſie jedesmal warm zugedeckt oder vielmehr die Thür zum Neſte verſchloſſen, wenn ſie das Neſt-
chen verlaſſen muß, um ſich Nahrung zu holen. Sie iſt inzwiſchen wieder mit dem Männchen ihrer
Art zuſammengekommen und gewöhnlich bereits von neuem trächtig, während ſie ihre Kinder noch
ſäugen muß. Kaum ſind dann dieſe ſoweit, daß ſie zur Noth ſich ernähren können, ſo überläßt ſie
die Alte ſich ſelbſt, nachdem ſie höchſtens ein paar Tage lang ihnen Führer und Rathgeber ge-
weſen iſt.
Falls das Glück Einem wohl will und man gerade dazukommt, wenn die Alte ihre Brut zum
erſten Male ausführt, hat man Gelegenheit, ſich an einem der anziehendſten Familienbilder aus dem
Säugethierleben zu erfreuen. So geſchickt die junge Schar auch iſt: etwas Unterricht muß ihr doch
werden, und ſie hängt auch noch viel zu ſehr an der Mutter, als daß ſie gleich ſelbſtändig ſein und
in die weite, gefährliche Welt hinausſtürmen möchte. Da hängt nun ein Junges an dieſem, das andere
an jenem Halme; das zirpt zu der Mutter auf, jenes verlangt noch die Mutterbruſt; dieſes wäſcht
und putzt ſich, jenes hat ein Körnchen gefunden, welches es hübſch mit den Vorderfüßen hält und
aufknackt, das Neſthäkchen macht ſich noch im Jnnern des Baues zu ſchaffen, das beherzteſte und
muthigſte Männchen hat ſich ſchon am weiteſten entfernt und ſchwimmt vielleicht bereits unten in dem
Waſſer herum, aus dem das Riedgras ſich erhebt: kurz, die ganze Familie iſt in der lebhafteſten
Bewegung und die Alte gar gemüthlich da mittendrin, hier helfend, dort rufend, führend, leitend,
die ganze Geſellſchaft beſchützend.
Man kann dieſes anmuthige Treiben ſo recht gemächlich betrachten, wenn man das ganze
Neſt mit nach Hauſe nimmt und in einen enggeflochtenen Drahtbauer bringt. Mit Hanf, Hafer,
Birnen, füßen Aepfeln, Fleiſch und Stubenfliegen ſind die Zwergmäuſe leicht zu erhalten, und ſie
vergelten jede Mühe, welche man ſich mit ihnen gibt, durch ihr angenehmes Weſen tauſendfach.
Ganz allerliebſt ſieht es aus, wenn man eine Fliege hinhält. Da fahren alle mit großen Sprüngen
auf ſie los, packen ſie mit den Füßchen, führen ſie zum Munde und tödten ſie mit einer Haſt und
Gier, als ob ein Löwe ein Rind erwürgen wolle; dann halten ſie ihre Beute allerliebſt mit
den Vorderpfoten und führen ſie damit zum Munde. Die Jungen werden ſehr bald zahm, aber
mit zunehmendem Alter wieder ſcheuer, falls man ſich nicht ganz beſonders oft und fleißig mit ihnen
abgibt. Um die Zeit, wo ſie ſich im Freien in ihre Schlupfwinkel zurückziehen, werden ſie immer
ſehr unruhig und ſuchen mit Gewalt zu entfliehen, gerade ſo, wie die im Käfig gehaltenen Zugvögel
zu thun pflegen, wenn die Zeit der Wanderung herannaht. Auch im März zeigen ſie daſſelbe Ge-
lüſte, ſich aus dem Käfig zu entfernen. Sonſt gewöhnen ſie bald ein und bauen ganz luſtig an
ihren Kunſtneſtern, nehmen Blätter und ziehen ſie mit den Pfoten durch den Mund, um ſie zu ſpal-
ten, ordnen und verweben ſie, tragen allerhand Stoff zuſammen, kurz, ſuchen ſich ſogut als möglich
einzurichten.
Eine der ſchönſten Arten der ganzen Mausfamilie iſt die berberiſche Maus (Mus barbarus),
ein Thierchen, welches einen etwa 4 Zoll langen Körper und einen noch etwas längeren Schwanz be-
ſitzt und am Widerriſt über 1½ Zoll hoch iſt. Ein ſchönes Gelblichbraun oder Röthlichlehmgelb iſt die
Grundfarbe des Körpers. Vom Kopfe, welcher ſchwarz geſprenkelt iſt, zieht ſich ein ſchwarzbrauner
Längsſtreif bis zur Schwanzwurzel herab, und viele ähnliche Streifen verlaufen längs der Seiten,
aber in etwas ungerader Richtung. Die Unterſeite iſt rein weiß. Die Ohren ſind röthlichgelb be-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/154>, abgerufen am 27.11.2024.
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