Jn den spärlich bewachsenen und auf weite Strecken hin kahlen, dürren Ebenen schlägt die Vis- cacha ihre Wohnsitze auf und gräbt sich hier ausgedehnte, unterirdische Baue, am liebsten in der Nähe von Gebüschen und noch lieber nicht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinschaftlich gegraben und auch gemeinschaftlich bewohnt. Sie haben eine Unzahl von Gängen und Fluchtröhren, oft 40 bis 50; im Jnnern sind sie in mehrer Kammern getheilt, je nach der Anzahl der Familie, welche hier ihre Wohnung aufgeschlagen hat. Diese Anzahl der Familie kann auf acht bis zehn austeigen, dann aber verläßt ein Theil der Jnwohnerschaft den alten Bau und legt sich einen neuen an, gern dicht in der Nähe des alten. Nun geschieht es außerdem, daß die Höhleneule, welche wir schon bei dem Prairiehunde kennen lernten, auch hier sich einfindet und ohne große Umstände von einem oder dem andern Baue Besitz nimmt. Die reinlichen Viscachas dulden niemals einen Mitbewohner, wel- cher nicht eben so sorgfältig auf Ordnung hält, wie sie, und entfernen sich augenblicklich, wenn einer
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Die Viscacha oder Wiskatscha (Lagostomus trichodactylus).
der Eindringlinge sie durch Unreinlichkeit belästigt. So kommt es, daß der Boden manchmal in dem Flächenraume von einer Geviertmeile vollständig unterwühlt ist; Dies ist namentlich in der Provinz Santa Fe im Freistaate Argentina der Fall.
Den Tag über liegt die ganze Familie verborgen im Bau, gegen Sonnenuntergang zeigt sich eins und das andere, und mit Einbruch der Dämmerung hat sich schon eine hübsche Gesellschaft vor den Löchern versammelt. Diese prüft sehr sorgfältig, ob Alles sicher ist, und treibt sich längere Zeit in der Nähe des Baues umher, ehe sie sich anschickt, nach Aeßung auszugehen. Dann kann man Hunderte mit einander spielen sehen und vernimmt ihr schweineartiges Grunzen schon auf bedeu- tende Entfernungen hin. Wenn Alles vollständig ruhig geworden ist, zieht die Gesellschaft auf Nah- rung aus, und dann ist alles Genießbare recht, was sich findet. Gräser, Wurzeln und Rinden bilden wohl den Haupttheil ihres Futters; sind aber Felder in der Nähe, so besuchen unsere Thiere
Die Viscacha oder Wiskatſcha.
Jn den ſpärlich bewachſenen und auf weite Strecken hin kahlen, dürren Ebenen ſchlägt die Vis- cacha ihre Wohnſitze auf und gräbt ſich hier ausgedehnte, unterirdiſche Baue, am liebſten in der Nähe von Gebüſchen und noch lieber nicht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinſchaftlich gegraben und auch gemeinſchaftlich bewohnt. Sie haben eine Unzahl von Gängen und Fluchtröhren, oft 40 bis 50; im Jnnern ſind ſie in mehrer Kammern getheilt, je nach der Anzahl der Familie, welche hier ihre Wohnung aufgeſchlagen hat. Dieſe Anzahl der Familie kann auf acht bis zehn auſteigen, dann aber verläßt ein Theil der Jnwohnerſchaft den alten Bau und legt ſich einen neuen an, gern dicht in der Nähe des alten. Nun geſchieht es außerdem, daß die Höhleneule, welche wir ſchon bei dem Prairiehunde kennen lernten, auch hier ſich einfindet und ohne große Umſtände von einem oder dem andern Baue Beſitz nimmt. Die reinlichen Viscachas dulden niemals einen Mitbewohner, wel- cher nicht eben ſo ſorgfältig auf Ordnung hält, wie ſie, und entfernen ſich augenblicklich, wenn einer
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Die Viscacha oder Wiskatſcha (Lagostomus trichodactylus).
der Eindringlinge ſie durch Unreinlichkeit beläſtigt. So kommt es, daß der Boden manchmal in dem Flächenraume von einer Geviertmeile vollſtändig unterwühlt iſt; Dies iſt namentlich in der Provinz Santa Fe im Freiſtaate Argentina der Fall.
Den Tag über liegt die ganze Familie verborgen im Bau, gegen Sonnenuntergang zeigt ſich eins und das andere, und mit Einbruch der Dämmerung hat ſich ſchon eine hübſche Geſellſchaft vor den Löchern verſammelt. Dieſe prüft ſehr ſorgfältig, ob Alles ſicher iſt, und treibt ſich längere Zeit in der Nähe des Baues umher, ehe ſie ſich anſchickt, nach Aeßung auszugehen. Dann kann man Hunderte mit einander ſpielen ſehen und vernimmt ihr ſchweineartiges Grunzen ſchon auf bedeu- tende Entfernungen hin. Wenn Alles vollſtändig ruhig geworden iſt, zieht die Geſellſchaft auf Nah- rung aus, und dann iſt alles Genießbare recht, was ſich findet. Gräſer, Wurzeln und Rinden bilden wohl den Haupttheil ihres Futters; ſind aber Felder in der Nähe, ſo beſuchen unſere Thiere
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Die Viscacha oder Wiskatſcha.
Jn den ſpärlich bewachſenen und auf weite Strecken hin kahlen, dürren Ebenen ſchlägt die Vis-
cacha ihre Wohnſitze auf und gräbt ſich hier ausgedehnte, unterirdiſche Baue, am liebſten in der Nähe
von Gebüſchen und noch lieber nicht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinſchaftlich
gegraben und auch gemeinſchaftlich bewohnt. Sie haben eine Unzahl von Gängen und Fluchtröhren,
oft 40 bis 50; im Jnnern ſind ſie in mehrer Kammern getheilt, je nach der Anzahl der Familie,
welche hier ihre Wohnung aufgeſchlagen hat. Dieſe Anzahl der Familie kann auf acht bis zehn auſteigen,
dann aber verläßt ein Theil der Jnwohnerſchaft den alten Bau und legt ſich einen neuen an, gern
dicht in der Nähe des alten. Nun geſchieht es außerdem, daß die Höhleneule, welche wir ſchon bei
dem Prairiehunde kennen lernten, auch hier ſich einfindet und ohne große Umſtände von einem oder
dem andern Baue Beſitz nimmt. Die reinlichen Viscachas dulden niemals einen Mitbewohner, wel-
cher nicht eben ſo ſorgfältig auf Ordnung hält, wie ſie, und entfernen ſich augenblicklich, wenn einer
[Abbildung Die Viscacha oder Wiskatſcha (Lagostomus trichodactylus).]
der Eindringlinge ſie durch Unreinlichkeit beläſtigt. So kommt es, daß der Boden manchmal in dem
Flächenraume von einer Geviertmeile vollſtändig unterwühlt iſt; Dies iſt namentlich in der Provinz
Santa Fe im Freiſtaate Argentina der Fall.
Den Tag über liegt die ganze Familie verborgen im Bau, gegen Sonnenuntergang zeigt ſich
eins und das andere, und mit Einbruch der Dämmerung hat ſich ſchon eine hübſche Geſellſchaft vor
den Löchern verſammelt. Dieſe prüft ſehr ſorgfältig, ob Alles ſicher iſt, und treibt ſich längere
Zeit in der Nähe des Baues umher, ehe ſie ſich anſchickt, nach Aeßung auszugehen. Dann kann
man Hunderte mit einander ſpielen ſehen und vernimmt ihr ſchweineartiges Grunzen ſchon auf bedeu-
tende Entfernungen hin. Wenn Alles vollſtändig ruhig geworden iſt, zieht die Geſellſchaft auf Nah-
rung aus, und dann iſt alles Genießbare recht, was ſich findet. Gräſer, Wurzeln und Rinden
bilden wohl den Haupttheil ihres Futters; ſind aber Felder in der Nähe, ſo beſuchen unſere Thiere
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/217>, abgerufen am 27.11.2024.
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