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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasenmäuse oder Chinchillen. -- Die Viscacha.
auch diese und richten hier gewaltige Verheerungen an. Bei ihren Weidegängen sind sie ebenfalls höchst
vorsichtig: niemals kommt es dahin, daß sie einen Augenblick ihre Sicherung vergessen. Eines um
das andere richtet sich auf den Hinterbeinen empor und lauscht und lugt sorgfältig in die Nacht
hinaus. Bei dem geringsten Geräusch ergreift Alles die Flucht und stürzt in wilder Hast unter lau-
tem Geschrei nach den Höhlen zurück; ja die Angst ist so groß, daß die Thiere auch dann noch schreien
und lärmen, wenn sie bereits die sichere Wohnung wieder erreicht haben. Anton Göring hörte
niemals, daß die Viscachas beim Laufen grunzten; vernahm aber, so oft er sich einer Höhle näherte,
stets das laute Gebelfer der innen verborgenen Thiere.

Jn ihren Bewegungen haben die Viscachas viel Aehnlichkeit mit den Kaninchen; doch stehen sie
denselben an Schnelligkeit bedeutend nach. Sie sind aber munter, lustig und mehr zum Spielen auf-
gelegt, als jene. Auf ihren Weidegängen scherzen sie fast fortwährend mit einander; sie rennen hastig
umher, springen grunzend über einander weg, schnauzen sich an etc. Höchst sonderbar ist eine Eigen-
thümlichkeit dieser Thiere. Wie der südamerikanische Fuchs oder der Schakal tragen sie nämlich alle
möglichen Dinge, die sie auf ihren Weidegängen finden, nach ihren Höhlen hin und schichten sie vor
der Mündung derselben in wirren Haufen auf, gleichsam zum Spielzeug. So findet man denn dort
Knochen und Genist, Kuhfladen und durch Zufall in Verlust gekommene Gegenstände, welche ihnen
ganz entschieden nicht den geringsten Nutzen gewähren, vor ihren Höhlen aufgeschichtet, und die
Gauchos gehen sicherlich, sobald sie Etwas vermissen, zu den nächsten Viscacheras hin, um dort das
Verlorene zu suchen. Aus dem Jnnern ihrer Wohnungen schaffen sie Alles sorgfältig weg, was
nicht hineingehört, auch die Leichen ihrer eigenen Art. Ob sie sich einen Vorrath für den Winter in
ihrer Höhle sammeln, um davon während der rauhen Jahreszeit zu zehren, ist noch unentschieden;
wenigstens behauptet es nur einer der älteren Naturforscher.

Die Stimme ist laut und widerlich. Sie besteht in einem sonderbaren Schnauben oder Grunzen,
welches nicht zu beschreiben ist.

Ueber die Fortpflanzung ist bisjetzt Sicheres nicht bekannt. Die Weibchen sollen zwei bis vier
Junge werfen, und diese nach zwei bis vier Monaten erwachsen sein. Göring sah immer nur ein
Junges bei den alten Viscachas. Es hielt sich stets in nächster Nähe von seiner Mutter. Die Alte
scheint es mit vieler Liebe zu behandeln und vertheidigt es bei Gefahr. Eines Abends verwundete
mein Gewährsmann mit einem Schuß eine Mutter und ihr Kind. Letzteres blieb betäubt liegen; die
Alte aber war nicht tödtlich getroffen. Als sich Göring näherte, um seine Beute zu ergreifen,
machte die Alte alle möglichen Anstrengungen, um das Junge fortzuschaffen. Sie umging es wie
tanzend und schien sehr betrübt zu sein, als sie sah, daß ihre Anstrengungen Nichts fruchteten. Beim
Näherkommen unsers Jägers erhob sich die Alte plötzlich auf ihre Hinterbeine, sprang fußhoch vom
Boden auf und fuhr schnaubend und grunzend auf ihren Feind los, mit solcher Heftigkeit, daß dieser
sich durch Stöße mit dem Flintenkolben des wüthenden Thieres entwehren mußte. Erst als die Alte
sah, daß Alles vergeblich und ihr Junges nicht zu retten war, zog sie sich nach ihrem nahen Baue
zurück, schaute aber auch von dort aus noch immer mit sichtbarer Angst und grimmigem Zorne
nach dem Mörder ihres Kindes. Wenn man diese Jungen einfängt und sich mit ihnen abgibt, wer-
den sie recht zahm und können, wie unsere Kaninchen, mit Leichtigkeit erhalten werden. Nach Eu-
ropa hat man die Viscacha, soviel uns bekannt, bisjetzt nur ein einziges Mal gebracht, und zwar
im Jahre 1814. Sie zeigte sich sehr wild und unruhig, biß und kratzte, bestätigte aber durch ihr Be-
tragen fast alle Eigenschaften, welche man bei den wilden beobachtet hatte. Jhre Nahrung bestand
in Brod, Möhren und anderen Gemüsen.

Man stellt der Viscacha weniger ihres Fleisches und Felles halber, als wegen ihrer unter-
irdischen Wühlereien eifrig nach. An den Orten, wo sie häufig ist, wird das Reiten wirklich lebens-
gefährlich, weil die Pferde oft die Decken der seichten Gänge durchtreten und hierdurch wenigstens
außerordentlich aufgeregt werden, wenn sie nicht stürzen oder gar ein Bein brechen, und dabei natür-
lich ihren Reiter abwerfen. Der Landeingeborene erkennt die Viscacheras schon von weitem an einer

Die Haſenmäuſe oder Chinchillen. — Die Viscacha.
auch dieſe und richten hier gewaltige Verheerungen an. Bei ihren Weidegängen ſind ſie ebenfalls höchſt
vorſichtig: niemals kommt es dahin, daß ſie einen Augenblick ihre Sicherung vergeſſen. Eines um
das andere richtet ſich auf den Hinterbeinen empor und lauſcht und lugt ſorgfältig in die Nacht
hinaus. Bei dem geringſten Geräuſch ergreift Alles die Flucht und ſtürzt in wilder Haſt unter lau-
tem Geſchrei nach den Höhlen zurück; ja die Angſt iſt ſo groß, daß die Thiere auch dann noch ſchreien
und lärmen, wenn ſie bereits die ſichere Wohnung wieder erreicht haben. Anton Göring hörte
niemals, daß die Viscachas beim Laufen grunzten; vernahm aber, ſo oft er ſich einer Höhle näherte,
ſtets das laute Gebelfer der innen verborgenen Thiere.

Jn ihren Bewegungen haben die Viscachas viel Aehnlichkeit mit den Kaninchen; doch ſtehen ſie
denſelben an Schnelligkeit bedeutend nach. Sie ſind aber munter, luſtig und mehr zum Spielen auf-
gelegt, als jene. Auf ihren Weidegängen ſcherzen ſie faſt fortwährend mit einander; ſie rennen haſtig
umher, ſpringen grunzend über einander weg, ſchnauzen ſich an ꝛc. Höchſt ſonderbar iſt eine Eigen-
thümlichkeit dieſer Thiere. Wie der ſüdamerikaniſche Fuchs oder der Schakal tragen ſie nämlich alle
möglichen Dinge, die ſie auf ihren Weidegängen finden, nach ihren Höhlen hin und ſchichten ſie vor
der Mündung derſelben in wirren Haufen auf, gleichſam zum Spielzeug. So findet man denn dort
Knochen und Geniſt, Kuhfladen und durch Zufall in Verluſt gekommene Gegenſtände, welche ihnen
ganz entſchieden nicht den geringſten Nutzen gewähren, vor ihren Höhlen aufgeſchichtet, und die
Gauchos gehen ſicherlich, ſobald ſie Etwas vermiſſen, zu den nächſten Viscacheras hin, um dort das
Verlorene zu ſuchen. Aus dem Jnnern ihrer Wohnungen ſchaffen ſie Alles ſorgfältig weg, was
nicht hineingehört, auch die Leichen ihrer eigenen Art. Ob ſie ſich einen Vorrath für den Winter in
ihrer Höhle ſammeln, um davon während der rauhen Jahreszeit zu zehren, iſt noch unentſchieden;
wenigſtens behauptet es nur einer der älteren Naturforſcher.

Die Stimme iſt laut und widerlich. Sie beſteht in einem ſonderbaren Schnauben oder Grunzen,
welches nicht zu beſchreiben iſt.

Ueber die Fortpflanzung iſt bisjetzt Sicheres nicht bekannt. Die Weibchen ſollen zwei bis vier
Junge werfen, und dieſe nach zwei bis vier Monaten erwachſen ſein. Göring ſah immer nur ein
Junges bei den alten Viscachas. Es hielt ſich ſtets in nächſter Nähe von ſeiner Mutter. Die Alte
ſcheint es mit vieler Liebe zu behandeln und vertheidigt es bei Gefahr. Eines Abends verwundete
mein Gewährsmann mit einem Schuß eine Mutter und ihr Kind. Letzteres blieb betäubt liegen; die
Alte aber war nicht tödtlich getroffen. Als ſich Göring näherte, um ſeine Beute zu ergreifen,
machte die Alte alle möglichen Anſtrengungen, um das Junge fortzuſchaffen. Sie umging es wie
tanzend und ſchien ſehr betrübt zu ſein, als ſie ſah, daß ihre Anſtrengungen Nichts fruchteten. Beim
Näherkommen unſers Jägers erhob ſich die Alte plötzlich auf ihre Hinterbeine, ſprang fußhoch vom
Boden auf und fuhr ſchnaubend und grunzend auf ihren Feind los, mit ſolcher Heftigkeit, daß dieſer
ſich durch Stöße mit dem Flintenkolben des wüthenden Thieres entwehren mußte. Erſt als die Alte
ſah, daß Alles vergeblich und ihr Junges nicht zu retten war, zog ſie ſich nach ihrem nahen Baue
zurück, ſchaute aber auch von dort aus noch immer mit ſichtbarer Angſt und grimmigem Zorne
nach dem Mörder ihres Kindes. Wenn man dieſe Jungen einfängt und ſich mit ihnen abgibt, wer-
den ſie recht zahm und können, wie unſere Kaninchen, mit Leichtigkeit erhalten werden. Nach Eu-
ropa hat man die Viscacha, ſoviel uns bekannt, bisjetzt nur ein einziges Mal gebracht, und zwar
im Jahre 1814. Sie zeigte ſich ſehr wild und unruhig, biß und kratzte, beſtätigte aber durch ihr Be-
tragen faſt alle Eigenſchaften, welche man bei den wilden beobachtet hatte. Jhre Nahrung beſtand
in Brod, Möhren und anderen Gemüſen.

Man ſtellt der Viscacha weniger ihres Fleiſches und Felles halber, als wegen ihrer unter-
irdiſchen Wühlereien eifrig nach. An den Orten, wo ſie häufig iſt, wird das Reiten wirklich lebens-
gefährlich, weil die Pferde oft die Decken der ſeichten Gänge durchtreten und hierdurch wenigſtens
außerordentlich aufgeregt werden, wenn ſie nicht ſtürzen oder gar ein Bein brechen, und dabei natür-
lich ihren Reiter abwerfen. Der Landeingeborene erkennt die Viscacheras ſchon von weitem an einer

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[202/0218] Die Haſenmäuſe oder Chinchillen. — Die Viscacha. auch dieſe und richten hier gewaltige Verheerungen an. Bei ihren Weidegängen ſind ſie ebenfalls höchſt vorſichtig: niemals kommt es dahin, daß ſie einen Augenblick ihre Sicherung vergeſſen. Eines um das andere richtet ſich auf den Hinterbeinen empor und lauſcht und lugt ſorgfältig in die Nacht hinaus. Bei dem geringſten Geräuſch ergreift Alles die Flucht und ſtürzt in wilder Haſt unter lau- tem Geſchrei nach den Höhlen zurück; ja die Angſt iſt ſo groß, daß die Thiere auch dann noch ſchreien und lärmen, wenn ſie bereits die ſichere Wohnung wieder erreicht haben. Anton Göring hörte niemals, daß die Viscachas beim Laufen grunzten; vernahm aber, ſo oft er ſich einer Höhle näherte, ſtets das laute Gebelfer der innen verborgenen Thiere. Jn ihren Bewegungen haben die Viscachas viel Aehnlichkeit mit den Kaninchen; doch ſtehen ſie denſelben an Schnelligkeit bedeutend nach. Sie ſind aber munter, luſtig und mehr zum Spielen auf- gelegt, als jene. Auf ihren Weidegängen ſcherzen ſie faſt fortwährend mit einander; ſie rennen haſtig umher, ſpringen grunzend über einander weg, ſchnauzen ſich an ꝛc. Höchſt ſonderbar iſt eine Eigen- thümlichkeit dieſer Thiere. Wie der ſüdamerikaniſche Fuchs oder der Schakal tragen ſie nämlich alle möglichen Dinge, die ſie auf ihren Weidegängen finden, nach ihren Höhlen hin und ſchichten ſie vor der Mündung derſelben in wirren Haufen auf, gleichſam zum Spielzeug. So findet man denn dort Knochen und Geniſt, Kuhfladen und durch Zufall in Verluſt gekommene Gegenſtände, welche ihnen ganz entſchieden nicht den geringſten Nutzen gewähren, vor ihren Höhlen aufgeſchichtet, und die Gauchos gehen ſicherlich, ſobald ſie Etwas vermiſſen, zu den nächſten Viscacheras hin, um dort das Verlorene zu ſuchen. Aus dem Jnnern ihrer Wohnungen ſchaffen ſie Alles ſorgfältig weg, was nicht hineingehört, auch die Leichen ihrer eigenen Art. Ob ſie ſich einen Vorrath für den Winter in ihrer Höhle ſammeln, um davon während der rauhen Jahreszeit zu zehren, iſt noch unentſchieden; wenigſtens behauptet es nur einer der älteren Naturforſcher. Die Stimme iſt laut und widerlich. Sie beſteht in einem ſonderbaren Schnauben oder Grunzen, welches nicht zu beſchreiben iſt. Ueber die Fortpflanzung iſt bisjetzt Sicheres nicht bekannt. Die Weibchen ſollen zwei bis vier Junge werfen, und dieſe nach zwei bis vier Monaten erwachſen ſein. Göring ſah immer nur ein Junges bei den alten Viscachas. Es hielt ſich ſtets in nächſter Nähe von ſeiner Mutter. Die Alte ſcheint es mit vieler Liebe zu behandeln und vertheidigt es bei Gefahr. Eines Abends verwundete mein Gewährsmann mit einem Schuß eine Mutter und ihr Kind. Letzteres blieb betäubt liegen; die Alte aber war nicht tödtlich getroffen. Als ſich Göring näherte, um ſeine Beute zu ergreifen, machte die Alte alle möglichen Anſtrengungen, um das Junge fortzuſchaffen. Sie umging es wie tanzend und ſchien ſehr betrübt zu ſein, als ſie ſah, daß ihre Anſtrengungen Nichts fruchteten. Beim Näherkommen unſers Jägers erhob ſich die Alte plötzlich auf ihre Hinterbeine, ſprang fußhoch vom Boden auf und fuhr ſchnaubend und grunzend auf ihren Feind los, mit ſolcher Heftigkeit, daß dieſer ſich durch Stöße mit dem Flintenkolben des wüthenden Thieres entwehren mußte. Erſt als die Alte ſah, daß Alles vergeblich und ihr Junges nicht zu retten war, zog ſie ſich nach ihrem nahen Baue zurück, ſchaute aber auch von dort aus noch immer mit ſichtbarer Angſt und grimmigem Zorne nach dem Mörder ihres Kindes. Wenn man dieſe Jungen einfängt und ſich mit ihnen abgibt, wer- den ſie recht zahm und können, wie unſere Kaninchen, mit Leichtigkeit erhalten werden. Nach Eu- ropa hat man die Viscacha, ſoviel uns bekannt, bisjetzt nur ein einziges Mal gebracht, und zwar im Jahre 1814. Sie zeigte ſich ſehr wild und unruhig, biß und kratzte, beſtätigte aber durch ihr Be- tragen faſt alle Eigenſchaften, welche man bei den wilden beobachtet hatte. Jhre Nahrung beſtand in Brod, Möhren und anderen Gemüſen. Man ſtellt der Viscacha weniger ihres Fleiſches und Felles halber, als wegen ihrer unter- irdiſchen Wühlereien eifrig nach. An den Orten, wo ſie häufig iſt, wird das Reiten wirklich lebens- gefährlich, weil die Pferde oft die Decken der ſeichten Gänge durchtreten und hierdurch wenigſtens außerordentlich aufgeregt werden, wenn ſie nicht ſtürzen oder gar ein Bein brechen, und dabei natür- lich ihren Reiter abwerfen. Der Landeingeborene erkennt die Viscacheras ſchon von weitem an einer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/218>, abgerufen am 27.11.2024.