Etwas mehr wissen wir über die Ferkelratten (Capromys). Ziemlich bedeutende Größe, ein kurzer, dicker Leib mit kräftigem Hintertheil, ein kurzer, dicker Hals und ein ziemlich langer und breiter Kopf mit gestreckter, stumpf zugespitzter Schnauze, mittelgroßen, breiten, fast nackten Ohren und ziemlich großen Augen, sowie gespaltener Oberlippe, starke Beine und Hinterfüße mit fünf und Vorderfüße mit vier Zehen, welche sämmtlich mit langen, stark gekrümmten, zugespitzten, scharfen Krallen bewehrt sind, nebst einer Daumenwarze, die nur einen Plattnagel trägt, ein mittellanger, beschuppter und spärlich mit Haaren besetzter Schwanz endlich sind die Kennzeichen dieser Sippe. Die Behaarung ist reichlich, schlecht, ziemlich grob, rauh und glänzend. Die eine und zwar die wichtigste Art, die gemeine Ferkelratte oder die Hutia-Conga (Capromys Fournieri) wird schon von den ältesten Schriftstellern erwähnt, ist aber doch erst in der neuesten Zeit bekannt ge- worden. Oviedo gedenkt in seinem im Jahre 1525 erschienenen Werke eines dem Kaninchen ähnlichen Thieres, welches auf San Domingo vorkomme und die Hauptnahrung der Eingeborenen ausmache. Bereits 32 Jahre nach Entdeckung von Amerika war das Thier durch die Jagd der Eingeborenen bedeutend vermindert worden, und gegenwärtig ist es ausschließlich auf Cuba beschränkt, obgleich auch hier in den bewohnteren Theilen ausgerottet.
[Abbildung]
Die Hutia-Conga (Capromys Fournieri).
Die Hutia-Conga bewohnt die dichteren und größeren Wälder und lebt entweder auf Bäumen oder im dichtesten Gebüsch, nur bei Nacht hervorkommend, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Be- wegungen auf den Bäumen sind nicht eben geschwind, jedoch geschickt, während sie auf der Erde wegen der starken Entwickelung der hinteren Körperhälfte sich schwerfälliger zeigt und deshalb an die Bären erinnert. Beim Klettern gebraucht sie den Schwanz, um sich festzuhalten, oder um das Gleichgewicht zu vermitteln. Am Boden setzt sie sich oft aufrecht nach Hasenart, um sich umzuschauen; zuweilen macht sie kurze Sprünge wie die Kaninchen, oder läuft in einem plumpen Galopp wie ein Ferkel da- hin. Unter ihren Sinnen ist der Geruch am besten entwickelt; die stumpfe Schnauzenspitze und die weiten, schief gestellten, mit einem erhabenen Rande umgebenen und durch eine tiefe Furche getrennten Nasenlöcher sind beständig in Bewegung, zumal wenn irgend ein neuer, unbekannter Gegenstand in ihre Nähe kommt. Jhre Geistesfähigkeiten sind gering. Sie ist im allgemeinen furchtsam und gut- müthig, auch gesellig und freundlich gegen andere ihrer Art, mit denen sie spielt, ohne jemals in Streit zu gerathen. Wird eine von ihren Verwandten getrennt, so zeigen beide viel Unruhe, rufen sich durch scharfpfeifende Laute und begrüßen sich bei der Wiedervereinigung durch dumpfes Grunzen.
Brehm, Thierleben. II. 14
Die Hutia-Conga.
Etwas mehr wiſſen wir über die Ferkelratten (Capromys). Ziemlich bedeutende Größe, ein kurzer, dicker Leib mit kräftigem Hintertheil, ein kurzer, dicker Hals und ein ziemlich langer und breiter Kopf mit geſtreckter, ſtumpf zugeſpitzter Schnauze, mittelgroßen, breiten, faſt nackten Ohren und ziemlich großen Augen, ſowie geſpaltener Oberlippe, ſtarke Beine und Hinterfüße mit fünf und Vorderfüße mit vier Zehen, welche ſämmtlich mit langen, ſtark gekrümmten, zugeſpitzten, ſcharfen Krallen bewehrt ſind, nebſt einer Daumenwarze, die nur einen Plattnagel trägt, ein mittellanger, beſchuppter und ſpärlich mit Haaren beſetzter Schwanz endlich ſind die Kennzeichen dieſer Sippe. Die Behaarung iſt reichlich, ſchlecht, ziemlich grob, rauh und glänzend. Die eine und zwar die wichtigſte Art, die gemeine Ferkelratte oder die Hutia-Conga (Capromys Fournieri) wird ſchon von den älteſten Schriftſtellern erwähnt, iſt aber doch erſt in der neueſten Zeit bekannt ge- worden. Oviedo gedenkt in ſeinem im Jahre 1525 erſchienenen Werke eines dem Kaninchen ähnlichen Thieres, welches auf San Domingo vorkomme und die Hauptnahrung der Eingeborenen ausmache. Bereits 32 Jahre nach Entdeckung von Amerika war das Thier durch die Jagd der Eingeborenen bedeutend vermindert worden, und gegenwärtig iſt es ausſchließlich auf Cuba beſchränkt, obgleich auch hier in den bewohnteren Theilen ausgerottet.
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Die Hutia-Conga (Capromys Fournieri).
Die Hutia-Conga bewohnt die dichteren und größeren Wälder und lebt entweder auf Bäumen oder im dichteſten Gebüſch, nur bei Nacht hervorkommend, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Be- wegungen auf den Bäumen ſind nicht eben geſchwind, jedoch geſchickt, während ſie auf der Erde wegen der ſtarken Entwickelung der hinteren Körperhälfte ſich ſchwerfälliger zeigt und deshalb an die Bären erinnert. Beim Klettern gebraucht ſie den Schwanz, um ſich feſtzuhalten, oder um das Gleichgewicht zu vermitteln. Am Boden ſetzt ſie ſich oft aufrecht nach Haſenart, um ſich umzuſchauen; zuweilen macht ſie kurze Sprünge wie die Kaninchen, oder läuft in einem plumpen Galopp wie ein Ferkel da- hin. Unter ihren Sinnen iſt der Geruch am beſten entwickelt; die ſtumpfe Schnauzenſpitze und die weiten, ſchief geſtellten, mit einem erhabenen Rande umgebenen und durch eine tiefe Furche getrennten Naſenlöcher ſind beſtändig in Bewegung, zumal wenn irgend ein neuer, unbekannter Gegenſtand in ihre Nähe kommt. Jhre Geiſtesfähigkeiten ſind gering. Sie iſt im allgemeinen furchtſam und gut- müthig, auch geſellig und freundlich gegen andere ihrer Art, mit denen ſie ſpielt, ohne jemals in Streit zu gerathen. Wird eine von ihren Verwandten getrennt, ſo zeigen beide viel Unruhe, rufen ſich durch ſcharfpfeifende Laute und begrüßen ſich bei der Wiedervereinigung durch dumpfes Grunzen.
Brehm, Thierleben. II. 14
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Die Hutia-Conga.
Etwas mehr wiſſen wir über die Ferkelratten (Capromys). Ziemlich bedeutende Größe,
ein kurzer, dicker Leib mit kräftigem Hintertheil, ein kurzer, dicker Hals und ein ziemlich langer und
breiter Kopf mit geſtreckter, ſtumpf zugeſpitzter Schnauze, mittelgroßen, breiten, faſt nackten Ohren
und ziemlich großen Augen, ſowie geſpaltener Oberlippe, ſtarke Beine und Hinterfüße mit fünf und
Vorderfüße mit vier Zehen, welche ſämmtlich mit langen, ſtark gekrümmten, zugeſpitzten, ſcharfen
Krallen bewehrt ſind, nebſt einer Daumenwarze, die nur einen Plattnagel trägt, ein mittellanger,
beſchuppter und ſpärlich mit Haaren beſetzter Schwanz endlich ſind die Kennzeichen dieſer Sippe.
Die Behaarung iſt reichlich, ſchlecht, ziemlich grob, rauh und glänzend. Die eine und zwar die
wichtigſte Art, die gemeine Ferkelratte oder die Hutia-Conga (Capromys Fournieri) wird
ſchon von den älteſten Schriftſtellern erwähnt, iſt aber doch erſt in der neueſten Zeit bekannt ge-
worden. Oviedo gedenkt in ſeinem im Jahre 1525 erſchienenen Werke eines dem Kaninchen ähnlichen
Thieres, welches auf San Domingo vorkomme und die Hauptnahrung der Eingeborenen ausmache.
Bereits 32 Jahre nach Entdeckung von Amerika war das Thier durch die Jagd der Eingeborenen
bedeutend vermindert worden, und gegenwärtig iſt es ausſchließlich auf Cuba beſchränkt, obgleich auch
hier in den bewohnteren Theilen ausgerottet.
[Abbildung Die Hutia-Conga (Capromys Fournieri).]
Die Hutia-Conga bewohnt die dichteren und größeren Wälder und lebt entweder auf Bäumen
oder im dichteſten Gebüſch, nur bei Nacht hervorkommend, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Be-
wegungen auf den Bäumen ſind nicht eben geſchwind, jedoch geſchickt, während ſie auf der Erde wegen
der ſtarken Entwickelung der hinteren Körperhälfte ſich ſchwerfälliger zeigt und deshalb an die Bären
erinnert. Beim Klettern gebraucht ſie den Schwanz, um ſich feſtzuhalten, oder um das Gleichgewicht
zu vermitteln. Am Boden ſetzt ſie ſich oft aufrecht nach Haſenart, um ſich umzuſchauen; zuweilen
macht ſie kurze Sprünge wie die Kaninchen, oder läuft in einem plumpen Galopp wie ein Ferkel da-
hin. Unter ihren Sinnen iſt der Geruch am beſten entwickelt; die ſtumpfe Schnauzenſpitze und die
weiten, ſchief geſtellten, mit einem erhabenen Rande umgebenen und durch eine tiefe Furche getrennten
Naſenlöcher ſind beſtändig in Bewegung, zumal wenn irgend ein neuer, unbekannter Gegenſtand in
ihre Nähe kommt. Jhre Geiſtesfähigkeiten ſind gering. Sie iſt im allgemeinen furchtſam und gut-
müthig, auch geſellig und freundlich gegen andere ihrer Art, mit denen ſie ſpielt, ohne jemals in
Streit zu gerathen. Wird eine von ihren Verwandten getrennt, ſo zeigen beide viel Unruhe, rufen
ſich durch ſcharfpfeifende Laute und begrüßen ſich bei der Wiedervereinigung durch dumpfes Grunzen.
Brehm, Thierleben. II. 14
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/227>, abgerufen am 23.11.2024.
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