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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Ferkelhasen oder Hufpfötler. -- Der Geldhase.
Bewegungen sind sehr leicht. Sie gehen entweder in langsamen Schritten, wobei sie blos mit den
Zehen auftreten und den Rücken stark wölben, oder sie laufen im gestreckten Galopp, oder machen
Sprünge, die an Weite denen unseres Hasen nichts nachgeben. Laute geben sie selten von sich,
außer wenn sie gereizt werden; dann lassen sie einen pfeifenden Schrei hören, doch knurren sie zu-
weilen, aber nur ganz leise, wenn sie an einem verborgenen Orte irgend Etwas zernagen. Werden
sie in Zorn oder große Furcht gesetzt, so sträuben sie ihr Rückenhaar, und es fällt ihnen dann oft ein
Theil derselben aus. Man ernährt sie mit Allem, was im Hause gegessen wird. Sie lieben aber das
Fleisch lange nicht so, wie Azara angibt, sondern fressen es blos in Ermangelung geeigneter Nahrung.
Eine Lieblingsspeise sind die Rosen. Sowie eine von diesen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird,
wittern sie diese auf der Stelle und suchen sie auf. Die Nahrung ergreifen sie gewöhnlich mit den
Schneidezähnen und nehmen sie dann zwischen beide Daumenwarzen der Vorderfüße, indem sie sich
wie das Eichhörnchen auf die Hintersüße setzen. Zuweilen fressen sie auch in kauernder Stellung, ge-
wöhnlich, wenn sie ganz kleine oder zu kleine Bissen vor sich haben. Jch sah sie nie trinken, jedoch
sollen sie nach Dr. Barlets Beobachtungen das Wasser lappernd zu sich nehmen."

Bodinus sagt mit Recht, daß die zierliche Gestalt, das schöne Aussehen und die Reinlichkeit
die Agutis für alle Liebhaber sehr empfehlenswerth machen, und daß nur ihre große Nagesucht unan-
genehm werden kann. Die, welche im kölner Garten gehalten werden, sind so zutraulich geworden,
daß sie dargereichte Leckerbissen aus der Hand nehmen und augenblicklich mit wahrhaft dankbarem
Blicke auf den Geber verzehren.

Unsere Gefangenen ergötzen hauptsächlich durch eine Eigenthümlichkeit, welche ich noch nir-
gends erwähnt gefunden habe. Sie pflegen nämlich einen guten Theil ihres Futters zu vergraben,
um sich für den Nothfall zu sichern. Sobald ihnen Nahrung gereicht wird, fallen sie gierig
darüber her, nehmen einige Bissen, wählen sich dann ein Stückchen Möhre oder eine ihnen gereichte
Frucht, tragen sie im Maule weg, graben an irgend einer Stelle ein kleines Loch, legen ihren
Schatz dahinein, streichen Erde darüber und schlagen und drücken dieselbe mit den Vorderpfoten fest.
Dies bewerkstelligen sie so rasch, geschickt und ordentlich, daß daran Jedermann seine Freude haben
muß. Sofort nach beendigtem Geschäft holen sie neue Zufuhr und verfahren, wie vorher. Aeußerst
komisch sieht es aus, wie sorgsam sie dabei sich umschauen, und wie sorgfältig sie bemüht sind, ihre
Schatzbergerei ungesehen zu verrichten. Naht sich ihnen ein anderes Thier, so sträuben sie sofort das
Haar und gehen zornig auf den Störenfried los. Futterneidisch scheinen sie überhaupt im höchsten
Grade zu sein; ihre schwächeren Mitgefangenen müssen sich jeden Bissen stehlen, welchen sie genießen
wollen, und selbst stärkeren Wohnungsgenossen, z. B. Pakas und Murmelthieren, machen sie die
Nahrung streitig.

Die erwähnte Reinlichkeitsliebe unserer Gefangenen zeigt sich bei jeder Gelegenheit. Sie
halten sich selbst fortwährend in Ordnung und scheinen ängstlich besorgt, sich irgendwie zu beschmuzen.
Jhre Baue halten sie vortrefflich im Stande. Sie verdanken dieselben eigentlich einem Murmelthiere,
welches ich in ihr Gehege setzte. Bis zur Ankunft dieses Wohnungsgenossen hatten unsere Agutis
nicht daran gedacht, sich eigene Höhlen zu graben, sondern mit den für sie hergerichteten Schlupf-
winkeln, welche mit Heu und Stroh wohl ausgepolstert waren, gern fürlieb genommen. Sobald das
Murmelthier zu ihnen kam, änderte sich die Sache. Der Sohn der Alpen fand besagte Schlupfwinkel
durchaus nicht nach seinem Geschmack und machte von seiner Kunstfertigkeit sofort Gebrauch. Er be-
gann zunächst eine schief nach unten führende Röhre zu graben und arbeitete diese im Verlauf der Zeit
zu einem vielfach verzweigten Bau aus. Jedoch hatte er sich verrechnet, wenn er glaubte, für sich
allein gearbeitet zu haben: die Goldhasen fanden den Bau ganz nach ihrem Geschmack und befuhren
ihn gemeinschaftlich mit dem rechtmäßigen Besitzer, ja es schien, als habe dieser ihnen erst das Graben
gelehrt; denn fortan arbeiteten auch sie mit Ausdauer und Eifer an der Vervollkommnung der unter-
irdischen Wohnung. Das Murmelthier setzte seine Belehrungen fort, indem es Heu und Stroh nach
dem Jnnern der Höhle schleppte; die Agutis ahmten auch Dieses nach, und nach einiger Zeit hatte sich

Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Der Geldhaſe.
Bewegungen ſind ſehr leicht. Sie gehen entweder in langſamen Schritten, wobei ſie blos mit den
Zehen auftreten und den Rücken ſtark wölben, oder ſie laufen im geſtreckten Galopp, oder machen
Sprünge, die an Weite denen unſeres Haſen nichts nachgeben. Laute geben ſie ſelten von ſich,
außer wenn ſie gereizt werden; dann laſſen ſie einen pfeifenden Schrei hören, doch knurren ſie zu-
weilen, aber nur ganz leiſe, wenn ſie an einem verborgenen Orte irgend Etwas zernagen. Werden
ſie in Zorn oder große Furcht geſetzt, ſo ſträuben ſie ihr Rückenhaar, und es fällt ihnen dann oft ein
Theil derſelben aus. Man ernährt ſie mit Allem, was im Hauſe gegeſſen wird. Sie lieben aber das
Fleiſch lange nicht ſo, wie Azara angibt, ſondern freſſen es blos in Ermangelung geeigneter Nahrung.
Eine Lieblingsſpeiſe ſind die Roſen. Sowie eine von dieſen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird,
wittern ſie dieſe auf der Stelle und ſuchen ſie auf. Die Nahrung ergreifen ſie gewöhnlich mit den
Schneidezähnen und nehmen ſie dann zwiſchen beide Daumenwarzen der Vorderfüße, indem ſie ſich
wie das Eichhörnchen auf die Hinterſüße ſetzen. Zuweilen freſſen ſie auch in kauernder Stellung, ge-
wöhnlich, wenn ſie ganz kleine oder zu kleine Biſſen vor ſich haben. Jch ſah ſie nie trinken, jedoch
ſollen ſie nach Dr. Barlets Beobachtungen das Waſſer lappernd zu ſich nehmen.‟

Bodinus ſagt mit Recht, daß die zierliche Geſtalt, das ſchöne Ausſehen und die Reinlichkeit
die Agutis für alle Liebhaber ſehr empfehlenswerth machen, und daß nur ihre große Nageſucht unan-
genehm werden kann. Die, welche im kölner Garten gehalten werden, ſind ſo zutraulich geworden,
daß ſie dargereichte Leckerbiſſen aus der Hand nehmen und augenblicklich mit wahrhaft dankbarem
Blicke auf den Geber verzehren.

Unſere Gefangenen ergötzen hauptſächlich durch eine Eigenthümlichkeit, welche ich noch nir-
gends erwähnt gefunden habe. Sie pflegen nämlich einen guten Theil ihres Futters zu vergraben,
um ſich für den Nothfall zu ſichern. Sobald ihnen Nahrung gereicht wird, fallen ſie gierig
darüber her, nehmen einige Biſſen, wählen ſich dann ein Stückchen Möhre oder eine ihnen gereichte
Frucht, tragen ſie im Maule weg, graben an irgend einer Stelle ein kleines Loch, legen ihren
Schatz dahinein, ſtreichen Erde darüber und ſchlagen und drücken dieſelbe mit den Vorderpfoten feſt.
Dies bewerkſtelligen ſie ſo raſch, geſchickt und ordentlich, daß daran Jedermann ſeine Freude haben
muß. Sofort nach beendigtem Geſchäft holen ſie neue Zufuhr und verfahren, wie vorher. Aeußerſt
komiſch ſieht es aus, wie ſorgſam ſie dabei ſich umſchauen, und wie ſorgfältig ſie bemüht ſind, ihre
Schatzbergerei ungeſehen zu verrichten. Naht ſich ihnen ein anderes Thier, ſo ſträuben ſie ſofort das
Haar und gehen zornig auf den Störenfried los. Futterneidiſch ſcheinen ſie überhaupt im höchſten
Grade zu ſein; ihre ſchwächeren Mitgefangenen müſſen ſich jeden Biſſen ſtehlen, welchen ſie genießen
wollen, und ſelbſt ſtärkeren Wohnungsgenoſſen, z. B. Pakas und Murmelthieren, machen ſie die
Nahrung ſtreitig.

Die erwähnte Reinlichkeitsliebe unſerer Gefangenen zeigt ſich bei jeder Gelegenheit. Sie
halten ſich ſelbſt fortwährend in Ordnung und ſcheinen ängſtlich beſorgt, ſich irgendwie zu beſchmuzen.
Jhre Baue halten ſie vortrefflich im Stande. Sie verdanken dieſelben eigentlich einem Murmelthiere,
welches ich in ihr Gehege ſetzte. Bis zur Ankunft dieſes Wohnungsgenoſſen hatten unſere Agutis
nicht daran gedacht, ſich eigene Höhlen zu graben, ſondern mit den für ſie hergerichteten Schlupf-
winkeln, welche mit Heu und Stroh wohl ausgepolſtert waren, gern fürlieb genommen. Sobald das
Murmelthier zu ihnen kam, änderte ſich die Sache. Der Sohn der Alpen fand beſagte Schlupfwinkel
durchaus nicht nach ſeinem Geſchmack und machte von ſeiner Kunſtfertigkeit ſofort Gebrauch. Er be-
gann zunächſt eine ſchief nach unten führende Röhre zu graben und arbeitete dieſe im Verlauf der Zeit
zu einem vielfach verzweigten Bau aus. Jedoch hatte er ſich verrechnet, wenn er glaubte, für ſich
allein gearbeitet zu haben: die Goldhaſen fanden den Bau ganz nach ihrem Geſchmack und befuhren
ihn gemeinſchaftlich mit dem rechtmäßigen Beſitzer, ja es ſchien, als habe dieſer ihnen erſt das Graben
gelehrt; denn fortan arbeiteten auch ſie mit Ausdauer und Eifer an der Vervollkommnung der unter-
irdiſchen Wohnung. Das Murmelthier ſetzte ſeine Belehrungen fort, indem es Heu und Stroh nach
dem Jnnern der Höhle ſchleppte; die Agutis ahmten auch Dieſes nach, und nach einiger Zeit hatte ſich

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[242/0260] Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Der Geldhaſe. Bewegungen ſind ſehr leicht. Sie gehen entweder in langſamen Schritten, wobei ſie blos mit den Zehen auftreten und den Rücken ſtark wölben, oder ſie laufen im geſtreckten Galopp, oder machen Sprünge, die an Weite denen unſeres Haſen nichts nachgeben. Laute geben ſie ſelten von ſich, außer wenn ſie gereizt werden; dann laſſen ſie einen pfeifenden Schrei hören, doch knurren ſie zu- weilen, aber nur ganz leiſe, wenn ſie an einem verborgenen Orte irgend Etwas zernagen. Werden ſie in Zorn oder große Furcht geſetzt, ſo ſträuben ſie ihr Rückenhaar, und es fällt ihnen dann oft ein Theil derſelben aus. Man ernährt ſie mit Allem, was im Hauſe gegeſſen wird. Sie lieben aber das Fleiſch lange nicht ſo, wie Azara angibt, ſondern freſſen es blos in Ermangelung geeigneter Nahrung. Eine Lieblingsſpeiſe ſind die Roſen. Sowie eine von dieſen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird, wittern ſie dieſe auf der Stelle und ſuchen ſie auf. Die Nahrung ergreifen ſie gewöhnlich mit den Schneidezähnen und nehmen ſie dann zwiſchen beide Daumenwarzen der Vorderfüße, indem ſie ſich wie das Eichhörnchen auf die Hinterſüße ſetzen. Zuweilen freſſen ſie auch in kauernder Stellung, ge- wöhnlich, wenn ſie ganz kleine oder zu kleine Biſſen vor ſich haben. Jch ſah ſie nie trinken, jedoch ſollen ſie nach Dr. Barlets Beobachtungen das Waſſer lappernd zu ſich nehmen.‟ Bodinus ſagt mit Recht, daß die zierliche Geſtalt, das ſchöne Ausſehen und die Reinlichkeit die Agutis für alle Liebhaber ſehr empfehlenswerth machen, und daß nur ihre große Nageſucht unan- genehm werden kann. Die, welche im kölner Garten gehalten werden, ſind ſo zutraulich geworden, daß ſie dargereichte Leckerbiſſen aus der Hand nehmen und augenblicklich mit wahrhaft dankbarem Blicke auf den Geber verzehren. Unſere Gefangenen ergötzen hauptſächlich durch eine Eigenthümlichkeit, welche ich noch nir- gends erwähnt gefunden habe. Sie pflegen nämlich einen guten Theil ihres Futters zu vergraben, um ſich für den Nothfall zu ſichern. Sobald ihnen Nahrung gereicht wird, fallen ſie gierig darüber her, nehmen einige Biſſen, wählen ſich dann ein Stückchen Möhre oder eine ihnen gereichte Frucht, tragen ſie im Maule weg, graben an irgend einer Stelle ein kleines Loch, legen ihren Schatz dahinein, ſtreichen Erde darüber und ſchlagen und drücken dieſelbe mit den Vorderpfoten feſt. Dies bewerkſtelligen ſie ſo raſch, geſchickt und ordentlich, daß daran Jedermann ſeine Freude haben muß. Sofort nach beendigtem Geſchäft holen ſie neue Zufuhr und verfahren, wie vorher. Aeußerſt komiſch ſieht es aus, wie ſorgſam ſie dabei ſich umſchauen, und wie ſorgfältig ſie bemüht ſind, ihre Schatzbergerei ungeſehen zu verrichten. Naht ſich ihnen ein anderes Thier, ſo ſträuben ſie ſofort das Haar und gehen zornig auf den Störenfried los. Futterneidiſch ſcheinen ſie überhaupt im höchſten Grade zu ſein; ihre ſchwächeren Mitgefangenen müſſen ſich jeden Biſſen ſtehlen, welchen ſie genießen wollen, und ſelbſt ſtärkeren Wohnungsgenoſſen, z. B. Pakas und Murmelthieren, machen ſie die Nahrung ſtreitig. Die erwähnte Reinlichkeitsliebe unſerer Gefangenen zeigt ſich bei jeder Gelegenheit. Sie halten ſich ſelbſt fortwährend in Ordnung und ſcheinen ängſtlich beſorgt, ſich irgendwie zu beſchmuzen. Jhre Baue halten ſie vortrefflich im Stande. Sie verdanken dieſelben eigentlich einem Murmelthiere, welches ich in ihr Gehege ſetzte. Bis zur Ankunft dieſes Wohnungsgenoſſen hatten unſere Agutis nicht daran gedacht, ſich eigene Höhlen zu graben, ſondern mit den für ſie hergerichteten Schlupf- winkeln, welche mit Heu und Stroh wohl ausgepolſtert waren, gern fürlieb genommen. Sobald das Murmelthier zu ihnen kam, änderte ſich die Sache. Der Sohn der Alpen fand beſagte Schlupfwinkel durchaus nicht nach ſeinem Geſchmack und machte von ſeiner Kunſtfertigkeit ſofort Gebrauch. Er be- gann zunächſt eine ſchief nach unten führende Röhre zu graben und arbeitete dieſe im Verlauf der Zeit zu einem vielfach verzweigten Bau aus. Jedoch hatte er ſich verrechnet, wenn er glaubte, für ſich allein gearbeitet zu haben: die Goldhaſen fanden den Bau ganz nach ihrem Geſchmack und befuhren ihn gemeinſchaftlich mit dem rechtmäßigen Beſitzer, ja es ſchien, als habe dieſer ihnen erſt das Graben gelehrt; denn fortan arbeiteten auch ſie mit Ausdauer und Eifer an der Vervollkommnung der unter- irdiſchen Wohnung. Das Murmelthier ſetzte ſeine Belehrungen fort, indem es Heu und Stroh nach dem Jnnern der Höhle ſchleppte; die Agutis ahmten auch Dieſes nach, und nach einiger Zeit hatte ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/260>, abgerufen am 23.11.2024.