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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Wasserschwein.
die ganze Gesellschaft bestmöglichst eingerichtet. Ende Septembers verschwand das Murmelthier den
Blicken, wahrscheinlich weil es bereits in Winterschlaf gefallen war; es blieb somit wenigstens der
größte Theil des Baues den Agutis zu unumschränkter Verfügung. Von nun an schleppten sie sehr
viel Heu und Stroh in das Junere, misteten aber von Zeit zu Zeit auch wieder ordentlich aus, worauf
sie neue Vorräthe eintrugen. Sie blieben den ganzen Winter hindurch in dieser angeeigneten Her-
berge, weil es uns unmöglich war, sie zu fangen. Als starke Kälte eintrat, zeigten sie sich nur auf
Augenblicke, um zu fressen und zwar bei Tage ebensogut, als nachts; die Kälte schien ihnen zwar
läftig, aber nicht schädlich zu sein, wenigstens hielten sie bedeutende Kältegrade zu unserer größten
Ueberraschung vortrefflich aus. Erst der fallende Schnee wurde ihnen lästig und einem von ihnen
verderblich.



Das Wasserschwein (Hydrochoerus Capybara), welches ebenfalls zu unserer Familie zählt,
darf in einer Hinsicht wenigstens als der merkwürdigste aller Nager angesehen werden: es ist das
größte und plumpste Mitglied der ganzen Ordnung.
Seinen deutschen Namen trägt es
mit Recht; denn es erinnert durch seine ganze Gestalt und die borstengleiche Behaarung seines Körpers
entschieden an die Schweine. Seine Kennzeichen sind kleine Ohren, gespaltene Oberlippe, Fehlen des
Schwanzes, kurze Schwimmhäute an den Zehen und starke Hufnägel, sowie der höchst eigenthümliche
Zahnbau. Die Schneidezähne sind wirklich riesenhaft entwickelt; sie haben, bei geringer Dicke, fast
Zollbreite und auf der Vorderseite mehrere flache Rinnen. Vier Backenzähne in jedem Kiefer, welche
keine eigentlichen Wurzeln haben und wie aus Blättern zusammengesetzt erscheinen, bilden das übrige
Gebiß. Der Leib ist auffallend plump und dick, der Hals kurz, der Kopf länglich, hoch und breit,
stumpfschnäuzig und von eigenthümlichem Ausdruck. Ziemlich große, rundliche Augen springen weit
hervor; die Ohren sind oben abgerundet und am vorderen Rande umgestülpt, hinten abgeschnitten.
Die hinteren Beine sind deutlich länger, als die vorderen, die Vorderfüße sind vierzehig, die hinteren
dreizehig. Ganz eigenthümlich ist auch eine Hautfalte, welche den After und die Geschlechtstheile
einschließt, so daß beide äußerlich nicht gesehen und Männchen und Weibchen nicht unterschieden wer-
den können. Von einer bestimmten Färbung des dünnen, aber groben Pelzes kann man eigentlich
gar nicht reden. Ein ungewisses Braun mit einem Anstrich von Roth oder Bräunlichgelb vertheilt
sich über den Leib, ohne irgendwo scharf hervorzutreten. Nur die Borsten um den Mund herum
sind entschieden schwarz. Ein erwachsener Capybara erreicht ungefähr die Größe eines jährigen Haus-
schweins und ein Gewicht von beinahe einem Centner. Die Körperlänge beträgt über 31/2, die Höhe
am Widerrist 11/2 Fuß.

Azara ist auch hier wieder der Erste, welcher eine genaue Beschreibung des Wasserschweins
gibt. "Die Gueranis," sagt er, "nennen das Thier "Capügua"; der Name bedeutet ungefähr so-
viel, als Bewohner der Rohrwälder an Flußufern; der spanische Name "Capybara" ist eine Ber-
drehung jener Benennung. Die Wilden nennen die Alten Otschagu und die Jungen Lakai." --

"Der Capybara bewohnt Paraguay bis zum Rio de la Plata, und namentlich die Ufer aller
Flüsse, Lachen und Seen, ohne sich weiter als hundert Schritte davon zu entfernen. Wenn er
erschreckt wird, erhebt er einen lauten Schrei, welcher ungefähr wie "Ap" klingt und wirft sich
augenblicklich ins Wasser, in welchem er leicht dahin schwimmt, blos die Nasenlöcher über den Spie-
gel erhebend. Jst aber die Gefahr größer und das Thier verwundet, so taucht es unter und
schwimmt auf ganz große Strecken unter dem Wasser weg. Jede einzelne Familie erwählt sich ge-
wöhnlich ihren bestimmten Platz, welchen man leicht an den Bergen von Koth erkennen kann. Höhlen
gräbt der Capybara nicht. Sein Lauf ist schlecht. Er ist friedlich, ruhig und dumm. Lange Zeit
sitzt er auf seinem Hintern, ohne sich zu rühren. Sein Fleisch ist fett, aber geschätzt von den Wilden.
Man glaubt, daß das Weibchen ein Mal im Jahre vier bis acht Junge werfe, gewöhnlich auf etwas
zusammengetretenes Stroh, und sagt, daß diese später ihrer Mutter folgten. Die Jungen können

16*

Das Waſſerſchwein.
die ganze Geſellſchaft beſtmöglichſt eingerichtet. Ende Septembers verſchwand das Murmelthier den
Blicken, wahrſcheinlich weil es bereits in Winterſchlaf gefallen war; es blieb ſomit wenigſtens der
größte Theil des Baues den Agutis zu unumſchränkter Verfügung. Von nun an ſchleppten ſie ſehr
viel Heu und Stroh in das Junere, miſteten aber von Zeit zu Zeit auch wieder ordentlich aus, worauf
ſie neue Vorräthe eintrugen. Sie blieben den ganzen Winter hindurch in dieſer angeeigneten Her-
berge, weil es uns unmöglich war, ſie zu fangen. Als ſtarke Kälte eintrat, zeigten ſie ſich nur auf
Augenblicke, um zu freſſen und zwar bei Tage ebenſogut, als nachts; die Kälte ſchien ihnen zwar
läftig, aber nicht ſchädlich zu ſein, wenigſtens hielten ſie bedeutende Kältegrade zu unſerer größten
Ueberraſchung vortrefflich aus. Erſt der fallende Schnee wurde ihnen läſtig und einem von ihnen
verderblich.



Das Waſſerſchwein (Hydrochoerus Capybara), welches ebenfalls zu unſerer Familie zählt,
darf in einer Hinſicht wenigſtens als der merkwürdigſte aller Nager angeſehen werden: es iſt das
größte und plumpſte Mitglied der ganzen Ordnung.
Seinen deutſchen Namen trägt es
mit Recht; denn es erinnert durch ſeine ganze Geſtalt und die borſtengleiche Behaarung ſeines Körpers
entſchieden an die Schweine. Seine Kennzeichen ſind kleine Ohren, geſpaltene Oberlippe, Fehlen des
Schwanzes, kurze Schwimmhäute an den Zehen und ſtarke Hufnägel, ſowie der höchſt eigenthümliche
Zahnbau. Die Schneidezähne ſind wirklich rieſenhaft entwickelt; ſie haben, bei geringer Dicke, faſt
Zollbreite und auf der Vorderſeite mehrere flache Rinnen. Vier Backenzähne in jedem Kiefer, welche
keine eigentlichen Wurzeln haben und wie aus Blättern zuſammengeſetzt erſcheinen, bilden das übrige
Gebiß. Der Leib iſt auffallend plump und dick, der Hals kurz, der Kopf länglich, hoch und breit,
ſtumpfſchnäuzig und von eigenthümlichem Ausdruck. Ziemlich große, rundliche Augen ſpringen weit
hervor; die Ohren ſind oben abgerundet und am vorderen Rande umgeſtülpt, hinten abgeſchnitten.
Die hinteren Beine ſind deutlich länger, als die vorderen, die Vorderfüße ſind vierzehig, die hinteren
dreizehig. Ganz eigenthümlich iſt auch eine Hautfalte, welche den After und die Geſchlechtstheile
einſchließt, ſo daß beide äußerlich nicht geſehen und Männchen und Weibchen nicht unterſchieden wer-
den können. Von einer beſtimmten Färbung des dünnen, aber groben Pelzes kann man eigentlich
gar nicht reden. Ein ungewiſſes Braun mit einem Anſtrich von Roth oder Bräunlichgelb vertheilt
ſich über den Leib, ohne irgendwo ſcharf hervorzutreten. Nur die Borſten um den Mund herum
ſind entſchieden ſchwarz. Ein erwachſener Capybara erreicht ungefähr die Größe eines jährigen Haus-
ſchweins und ein Gewicht von beinahe einem Centner. Die Körperlänge beträgt über 3½, die Höhe
am Widerriſt 1½ Fuß.

Azara iſt auch hier wieder der Erſte, welcher eine genaue Beſchreibung des Waſſerſchweins
gibt. „Die Gueranis,‟ ſagt er, „nennen das Thier „Capügua‟; der Name bedeutet ungefähr ſo-
viel, als Bewohner der Rohrwälder an Flußufern; der ſpaniſche Name „Capybara‟ iſt eine Ber-
drehung jener Benennung. Die Wilden nennen die Alten Otſchagu und die Jungen Lakai.‟ —

„Der Capybara bewohnt Paraguay bis zum Rio de la Plata, und namentlich die Ufer aller
Flüſſe, Lachen und Seen, ohne ſich weiter als hundert Schritte davon zu entfernen. Wenn er
erſchreckt wird, erhebt er einen lauten Schrei, welcher ungefähr wie „Ap‟ klingt und wirft ſich
augenblicklich ins Waſſer, in welchem er leicht dahin ſchwimmt, blos die Naſenlöcher über den Spie-
gel erhebend. Jſt aber die Gefahr größer und das Thier verwundet, ſo taucht es unter und
ſchwimmt auf ganz große Strecken unter dem Waſſer weg. Jede einzelne Familie erwählt ſich ge-
wöhnlich ihren beſtimmten Platz, welchen man leicht an den Bergen von Koth erkennen kann. Höhlen
gräbt der Capybara nicht. Sein Lauf iſt ſchlecht. Er iſt friedlich, ruhig und dumm. Lange Zeit
ſitzt er auf ſeinem Hintern, ohne ſich zu rühren. Sein Fleiſch iſt fett, aber geſchätzt von den Wilden.
Man glaubt, daß das Weibchen ein Mal im Jahre vier bis acht Junge werfe, gewöhnlich auf etwas
zuſammengetretenes Stroh, und ſagt, daß dieſe ſpäter ihrer Mutter folgten. Die Jungen können

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[243/0261] Das Waſſerſchwein. die ganze Geſellſchaft beſtmöglichſt eingerichtet. Ende Septembers verſchwand das Murmelthier den Blicken, wahrſcheinlich weil es bereits in Winterſchlaf gefallen war; es blieb ſomit wenigſtens der größte Theil des Baues den Agutis zu unumſchränkter Verfügung. Von nun an ſchleppten ſie ſehr viel Heu und Stroh in das Junere, miſteten aber von Zeit zu Zeit auch wieder ordentlich aus, worauf ſie neue Vorräthe eintrugen. Sie blieben den ganzen Winter hindurch in dieſer angeeigneten Her- berge, weil es uns unmöglich war, ſie zu fangen. Als ſtarke Kälte eintrat, zeigten ſie ſich nur auf Augenblicke, um zu freſſen und zwar bei Tage ebenſogut, als nachts; die Kälte ſchien ihnen zwar läftig, aber nicht ſchädlich zu ſein, wenigſtens hielten ſie bedeutende Kältegrade zu unſerer größten Ueberraſchung vortrefflich aus. Erſt der fallende Schnee wurde ihnen läſtig und einem von ihnen verderblich. Das Waſſerſchwein (Hydrochoerus Capybara), welches ebenfalls zu unſerer Familie zählt, darf in einer Hinſicht wenigſtens als der merkwürdigſte aller Nager angeſehen werden: es iſt das größte und plumpſte Mitglied der ganzen Ordnung. Seinen deutſchen Namen trägt es mit Recht; denn es erinnert durch ſeine ganze Geſtalt und die borſtengleiche Behaarung ſeines Körpers entſchieden an die Schweine. Seine Kennzeichen ſind kleine Ohren, geſpaltene Oberlippe, Fehlen des Schwanzes, kurze Schwimmhäute an den Zehen und ſtarke Hufnägel, ſowie der höchſt eigenthümliche Zahnbau. Die Schneidezähne ſind wirklich rieſenhaft entwickelt; ſie haben, bei geringer Dicke, faſt Zollbreite und auf der Vorderſeite mehrere flache Rinnen. Vier Backenzähne in jedem Kiefer, welche keine eigentlichen Wurzeln haben und wie aus Blättern zuſammengeſetzt erſcheinen, bilden das übrige Gebiß. Der Leib iſt auffallend plump und dick, der Hals kurz, der Kopf länglich, hoch und breit, ſtumpfſchnäuzig und von eigenthümlichem Ausdruck. Ziemlich große, rundliche Augen ſpringen weit hervor; die Ohren ſind oben abgerundet und am vorderen Rande umgeſtülpt, hinten abgeſchnitten. Die hinteren Beine ſind deutlich länger, als die vorderen, die Vorderfüße ſind vierzehig, die hinteren dreizehig. Ganz eigenthümlich iſt auch eine Hautfalte, welche den After und die Geſchlechtstheile einſchließt, ſo daß beide äußerlich nicht geſehen und Männchen und Weibchen nicht unterſchieden wer- den können. Von einer beſtimmten Färbung des dünnen, aber groben Pelzes kann man eigentlich gar nicht reden. Ein ungewiſſes Braun mit einem Anſtrich von Roth oder Bräunlichgelb vertheilt ſich über den Leib, ohne irgendwo ſcharf hervorzutreten. Nur die Borſten um den Mund herum ſind entſchieden ſchwarz. Ein erwachſener Capybara erreicht ungefähr die Größe eines jährigen Haus- ſchweins und ein Gewicht von beinahe einem Centner. Die Körperlänge beträgt über 3½, die Höhe am Widerriſt 1½ Fuß. Azara iſt auch hier wieder der Erſte, welcher eine genaue Beſchreibung des Waſſerſchweins gibt. „Die Gueranis,‟ ſagt er, „nennen das Thier „Capügua‟; der Name bedeutet ungefähr ſo- viel, als Bewohner der Rohrwälder an Flußufern; der ſpaniſche Name „Capybara‟ iſt eine Ber- drehung jener Benennung. Die Wilden nennen die Alten Otſchagu und die Jungen Lakai.‟ — „Der Capybara bewohnt Paraguay bis zum Rio de la Plata, und namentlich die Ufer aller Flüſſe, Lachen und Seen, ohne ſich weiter als hundert Schritte davon zu entfernen. Wenn er erſchreckt wird, erhebt er einen lauten Schrei, welcher ungefähr wie „Ap‟ klingt und wirft ſich augenblicklich ins Waſſer, in welchem er leicht dahin ſchwimmt, blos die Naſenlöcher über den Spie- gel erhebend. Jſt aber die Gefahr größer und das Thier verwundet, ſo taucht es unter und ſchwimmt auf ganz große Strecken unter dem Waſſer weg. Jede einzelne Familie erwählt ſich ge- wöhnlich ihren beſtimmten Platz, welchen man leicht an den Bergen von Koth erkennen kann. Höhlen gräbt der Capybara nicht. Sein Lauf iſt ſchlecht. Er iſt friedlich, ruhig und dumm. Lange Zeit ſitzt er auf ſeinem Hintern, ohne ſich zu rühren. Sein Fleiſch iſt fett, aber geſchätzt von den Wilden. Man glaubt, daß das Weibchen ein Mal im Jahre vier bis acht Junge werfe, gewöhnlich auf etwas zuſammengetretenes Stroh, und ſagt, daß dieſe ſpäter ihrer Mutter folgten. Die Jungen können 16*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/261>, abgerufen am 23.11.2024.