Die Ferkelhasen oder Hufpfötler. -- Das Wasserschwein.
ohne Mühe gezähmt werden. Sie laufen frei umher, gehen und kommen, hören auf den Ruf und freuen sich, wenn man sie krauet." Neuere Beobachter haben das Thier ausführlicher beschrieben; von ihnen erfahren wir ungefähr Folgendes: Das Wasserschwein oder der Capybara ist über ganz Südamerika verbreitet. Er findet sich vom Orinoko bis zum La Plata oder vom allantischen Meer bis zu den Vorbergen der Andes. Niedere, waldige, sumpfige Gegenden, zumal Flüsse und die Ränder von Seen und Sümpfe bilden seine Aufenthaltsorte; am liebsten lebt er an großen Strömen. Hier und da ist er ungemein häufig; an bewohnten Stellen begreiflicherweise seltener, als in der Wildniß. Dort wird er nur des Abends und Morgens gesehen; in menschenleeren, wenig besuchten Flußthälern dagegen bemerkt man ihn auch bei Tage in Massen, immer in nächster Nähe des Flusses, entweder weidend oder wie ein Hund auf den zusammengezogenen Hinterbeinen sitzend. Jn dieser Stellung scheinen diese sonderbaren Zwitter zwischen Nagern und Dickhäutern am liebsten auszuruhen; wenigstens sieht man sie nur höchst selten auf dem Bauche liegend.
Der Gang ist ein langsamer Schritt; im Nothfalle springt unser Thier aber auch in Sätzen. Der Lauf ist nicht anhaltend. Dagegen schwimmt es vortrefflich und setzt mit Leichtigkeit über Gewässer. Es schwimmt blos dann, wenn es verfolgt oder wenn ihm die Nahrung an der einen Seite des Flusses knapp geworden ist. So fest es an einem bestimmten Gebiete hält, so regelmäßig verläßt es dasselbe, wenn es Verfolgungen erleidet. Ein eigentliches Lager hat es nicht, obwohl es sich an bevorzugten Plätzen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung besteht aus Wasserpflanzen und aus der Rinde junger Bäume, und nur da, wo es ganz nahe an Pflanzungen wohnt, fällt es zu- weilen über die Wassermelonen und den jungen Mais her.
Das Wasserschwein ist ein stilles und ruhiges Thier. Schon auf den ersten Anblick wird es Einem klar, daß man es mit einem höchst stumpfsinnigen und geistesarmen Geschöpf zu thun hat. Der Jäger kann es stundenlang beobachten, wenn er will; aber sein Leben bietet wenig Abwechselung dar und verleidet sehr bald die Beobachtungen. Niemals sieht man es mit an- deren seiner Art spielen. Entweder gehen die Mitglieder einer Herde langsamen Schrittes ihrer Nahrung nach, oder ruhen in sitzender Stellung. Von Zeit zu Zeit kehren sie etwa den Kopf um, um zu sehen, ob sich ein Feind zeigt. Begegnen sie einem solchen, so eilen sie nicht, die Flucht zu ergreifen, sondern gehen ganz langsam dem Wasser zu. Ein ungeheurer Schrecken ergreift sie aber, wenn sich plötzlich ein Feind in ihrer Mitte zeigt. Dann stürzen sie mit einem lauten Schrei ins Wasser und tauchen unter. Wenn sie nicht gewohnt sind, Menschen zu sehen, betrachten sie diese oft lange, ehe sie entfliehen. Man hört sie keinen anderen Laut von sich geben, als jenes Nothge- schrei, welches Azara durch "Ap" ausdrückt. Dieses Geschrei ist aber so durchdringend, daß man es viertelstundenweit vernehmen kann.
Das Weibchen wirft nur ein Mal im Jahre zwei bis vier Junge, nicht aber acht, wie man noch heutzutage in Paraguay behaupten hört. Ob dieses in einem besonders dazu bereiteten Lager geschieht, hat man nicht ermitteln können. Die Ferkelchen folgen gleich ihrer Mutter, zeigen jedoch nur wenig Anhänglichkeit. Nach Azara's Beobachtungen soll ein Männchen zwei oder drei Weibchen mit sich führen, und daher kann wohl der Jrrthum entstanden sein, daß das Weibchen acht Junge würfe. "Jch habe," sagt Rengger, "in Paraguay mehrere Capybaras, welche man jung eingefangen und aufgezogen hatte, gesehen. Sie waren sehr zahm, wie ein Hausthier, gingen gleich diesem aus und ein und ließen sich von Jedermann berühren. Doch zeigten sie weder Folgsamkeit noch Anhänglichkeit an den Menschen. Sie hatten sich so an ihren Aufenthaltsort gewöhnt, daß sie sich nie weit davon entfernten. Man braucht sie nicht zu füttern; sie suchen selbst ihre Nahrung auf, und Das bei Nacht oder bei Tage. Jhre Lieblingsspeise blieben, wie in der Freiheit, Sumpf- und Wasser- pflanzen, die sie sich auch täglich aus den nahe gelegenen Flüssen, Lachen und Sümpfen holten; doch fraßen sie auch Maniocwurzeln oder Schalen von Wassermelonen, die man ihnen vorgesetzt hatte. Unter ihren Sinnen scheint der Geruch am besten entwickelt zu sein. Das Gehör und Gesicht sind
Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Das Waſſerſchwein.
ohne Mühe gezähmt werden. Sie laufen frei umher, gehen und kommen, hören auf den Ruf und freuen ſich, wenn man ſie krauet.‟ Neuere Beobachter haben das Thier ausführlicher beſchrieben; von ihnen erfahren wir ungefähr Folgendes: Das Waſſerſchwein oder der Capybara iſt über ganz Südamerika verbreitet. Er findet ſich vom Orinoko bis zum La Plata oder vom allantiſchen Meer bis zu den Vorbergen der Andes. Niedere, waldige, ſumpfige Gegenden, zumal Flüſſe und die Ränder von Seen und Sümpfe bilden ſeine Aufenthaltsorte; am liebſten lebt er an großen Strömen. Hier und da iſt er ungemein häufig; an bewohnten Stellen begreiflicherweiſe ſeltener, als in der Wildniß. Dort wird er nur des Abends und Morgens geſehen; in menſchenleeren, wenig beſuchten Flußthälern dagegen bemerkt man ihn auch bei Tage in Maſſen, immer in nächſter Nähe des Fluſſes, entweder weidend oder wie ein Hund auf den zuſammengezogenen Hinterbeinen ſitzend. Jn dieſer Stellung ſcheinen dieſe ſonderbaren Zwitter zwiſchen Nagern und Dickhäutern am liebſten auszuruhen; wenigſtens ſieht man ſie nur höchſt ſelten auf dem Bauche liegend.
Der Gang iſt ein langſamer Schritt; im Nothfalle ſpringt unſer Thier aber auch in Sätzen. Der Lauf iſt nicht anhaltend. Dagegen ſchwimmt es vortrefflich und ſetzt mit Leichtigkeit über Gewäſſer. Es ſchwimmt blos dann, wenn es verfolgt oder wenn ihm die Nahrung an der einen Seite des Fluſſes knapp geworden iſt. So feſt es an einem beſtimmten Gebiete hält, ſo regelmäßig verläßt es daſſelbe, wenn es Verfolgungen erleidet. Ein eigentliches Lager hat es nicht, obwohl es ſich an bevorzugten Plätzen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung beſteht aus Waſſerpflanzen und aus der Rinde junger Bäume, und nur da, wo es ganz nahe an Pflanzungen wohnt, fällt es zu- weilen über die Waſſermelonen und den jungen Mais her.
Das Waſſerſchwein iſt ein ſtilles und ruhiges Thier. Schon auf den erſten Anblick wird es Einem klar, daß man es mit einem höchſt ſtumpfſinnigen und geiſtesarmen Geſchöpf zu thun hat. Der Jäger kann es ſtundenlang beobachten, wenn er will; aber ſein Leben bietet wenig Abwechſelung dar und verleidet ſehr bald die Beobachtungen. Niemals ſieht man es mit an- deren ſeiner Art ſpielen. Entweder gehen die Mitglieder einer Herde langſamen Schrittes ihrer Nahrung nach, oder ruhen in ſitzender Stellung. Von Zeit zu Zeit kehren ſie etwa den Kopf um, um zu ſehen, ob ſich ein Feind zeigt. Begegnen ſie einem ſolchen, ſo eilen ſie nicht, die Flucht zu ergreifen, ſondern gehen ganz langſam dem Waſſer zu. Ein ungeheurer Schrecken ergreift ſie aber, wenn ſich plötzlich ein Feind in ihrer Mitte zeigt. Dann ſtürzen ſie mit einem lauten Schrei ins Waſſer und tauchen unter. Wenn ſie nicht gewohnt ſind, Menſchen zu ſehen, betrachten ſie dieſe oft lange, ehe ſie entfliehen. Man hört ſie keinen anderen Laut von ſich geben, als jenes Nothge- ſchrei, welches Azara durch „Ap‟ ausdrückt. Dieſes Geſchrei iſt aber ſo durchdringend, daß man es viertelſtundenweit vernehmen kann.
Das Weibchen wirft nur ein Mal im Jahre zwei bis vier Junge, nicht aber acht, wie man noch heutzutage in Paraguay behaupten hört. Ob dieſes in einem beſonders dazu bereiteten Lager geſchieht, hat man nicht ermitteln können. Die Ferkelchen folgen gleich ihrer Mutter, zeigen jedoch nur wenig Anhänglichkeit. Nach Azara’s Beobachtungen ſoll ein Männchen zwei oder drei Weibchen mit ſich führen, und daher kann wohl der Jrrthum entſtanden ſein, daß das Weibchen acht Junge würfe. „Jch habe,‟ ſagt Rengger, „in Paraguay mehrere Capybaras, welche man jung eingefangen und aufgezogen hatte, geſehen. Sie waren ſehr zahm, wie ein Hausthier, gingen gleich dieſem aus und ein und ließen ſich von Jedermann berühren. Doch zeigten ſie weder Folgſamkeit noch Anhänglichkeit an den Menſchen. Sie hatten ſich ſo an ihren Aufenthaltsort gewöhnt, daß ſie ſich nie weit davon entfernten. Man braucht ſie nicht zu füttern; ſie ſuchen ſelbſt ihre Nahrung auf, und Das bei Nacht oder bei Tage. Jhre Lieblingsſpeiſe blieben, wie in der Freiheit, Sumpf- und Waſſer- pflanzen, die ſie ſich auch täglich aus den nahe gelegenen Flüſſen, Lachen und Sümpfen holten; doch fraßen ſie auch Maniocwurzeln oder Schalen von Waſſermelonen, die man ihnen vorgeſetzt hatte. Unter ihren Sinnen ſcheint der Geruch am beſten entwickelt zu ſein. Das Gehör und Geſicht ſind
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Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Das Waſſerſchwein.
ohne Mühe gezähmt werden. Sie laufen frei umher, gehen und kommen, hören auf den Ruf und
freuen ſich, wenn man ſie krauet.‟ Neuere Beobachter haben das Thier ausführlicher beſchrieben;
von ihnen erfahren wir ungefähr Folgendes: Das Waſſerſchwein oder der Capybara iſt über ganz
Südamerika verbreitet. Er findet ſich vom Orinoko bis zum La Plata oder vom allantiſchen Meer
bis zu den Vorbergen der Andes. Niedere, waldige, ſumpfige Gegenden, zumal Flüſſe und die
Ränder von Seen und Sümpfe bilden ſeine Aufenthaltsorte; am liebſten lebt er an großen Strömen.
Hier und da iſt er ungemein häufig; an bewohnten Stellen begreiflicherweiſe ſeltener, als in der
Wildniß. Dort wird er nur des Abends und Morgens geſehen; in menſchenleeren, wenig beſuchten
Flußthälern dagegen bemerkt man ihn auch bei Tage in Maſſen, immer in nächſter Nähe des
Fluſſes, entweder weidend oder wie ein Hund auf den zuſammengezogenen Hinterbeinen ſitzend. Jn
dieſer Stellung ſcheinen dieſe ſonderbaren Zwitter zwiſchen Nagern und Dickhäutern am liebſten
auszuruhen; wenigſtens ſieht man ſie nur höchſt ſelten auf dem Bauche liegend.
Der Gang iſt ein langſamer Schritt; im Nothfalle ſpringt unſer Thier aber auch in Sätzen. Der
Lauf iſt nicht anhaltend. Dagegen ſchwimmt es vortrefflich und ſetzt mit Leichtigkeit über Gewäſſer.
Es ſchwimmt blos dann, wenn es verfolgt oder wenn ihm die Nahrung an der einen Seite des
Fluſſes knapp geworden iſt. So feſt es an einem beſtimmten Gebiete hält, ſo regelmäßig verläßt
es daſſelbe, wenn es Verfolgungen erleidet. Ein eigentliches Lager hat es nicht, obwohl es ſich an
bevorzugten Plätzen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung beſteht aus Waſſerpflanzen und
aus der Rinde junger Bäume, und nur da, wo es ganz nahe an Pflanzungen wohnt, fällt es zu-
weilen über die Waſſermelonen und den jungen Mais her.
Das Waſſerſchwein iſt ein ſtilles und ruhiges Thier. Schon auf den erſten Anblick wird es
Einem klar, daß man es mit einem höchſt ſtumpfſinnigen und geiſtesarmen Geſchöpf zu thun
hat. Der Jäger kann es ſtundenlang beobachten, wenn er will; aber ſein Leben bietet wenig
Abwechſelung dar und verleidet ſehr bald die Beobachtungen. Niemals ſieht man es mit an-
deren ſeiner Art ſpielen. Entweder gehen die Mitglieder einer Herde langſamen Schrittes ihrer
Nahrung nach, oder ruhen in ſitzender Stellung. Von Zeit zu Zeit kehren ſie etwa den Kopf um,
um zu ſehen, ob ſich ein Feind zeigt. Begegnen ſie einem ſolchen, ſo eilen ſie nicht, die Flucht zu
ergreifen, ſondern gehen ganz langſam dem Waſſer zu. Ein ungeheurer Schrecken ergreift ſie aber,
wenn ſich plötzlich ein Feind in ihrer Mitte zeigt. Dann ſtürzen ſie mit einem lauten Schrei ins
Waſſer und tauchen unter. Wenn ſie nicht gewohnt ſind, Menſchen zu ſehen, betrachten ſie dieſe
oft lange, ehe ſie entfliehen. Man hört ſie keinen anderen Laut von ſich geben, als jenes Nothge-
ſchrei, welches Azara durch „Ap‟ ausdrückt. Dieſes Geſchrei iſt aber ſo durchdringend, daß man
es viertelſtundenweit vernehmen kann.
Das Weibchen wirft nur ein Mal im Jahre zwei bis vier Junge, nicht aber acht, wie man noch
heutzutage in Paraguay behaupten hört. Ob dieſes in einem beſonders dazu bereiteten Lager geſchieht,
hat man nicht ermitteln können. Die Ferkelchen folgen gleich ihrer Mutter, zeigen jedoch nur wenig
Anhänglichkeit. Nach Azara’s Beobachtungen ſoll ein Männchen zwei oder drei Weibchen mit ſich
führen, und daher kann wohl der Jrrthum entſtanden ſein, daß das Weibchen acht Junge würfe.
„Jch habe,‟ ſagt Rengger, „in Paraguay mehrere Capybaras, welche man jung eingefangen und
aufgezogen hatte, geſehen. Sie waren ſehr zahm, wie ein Hausthier, gingen gleich dieſem aus und
ein und ließen ſich von Jedermann berühren. Doch zeigten ſie weder Folgſamkeit noch Anhänglichkeit
an den Menſchen. Sie hatten ſich ſo an ihren Aufenthaltsort gewöhnt, daß ſie ſich nie weit davon
entfernten. Man braucht ſie nicht zu füttern; ſie ſuchen ſelbſt ihre Nahrung auf, und Das bei
Nacht oder bei Tage. Jhre Lieblingsſpeiſe blieben, wie in der Freiheit, Sumpf- und Waſſer-
pflanzen, die ſie ſich auch täglich aus den nahe gelegenen Flüſſen, Lachen und Sümpfen holten; doch
fraßen ſie auch Maniocwurzeln oder Schalen von Waſſermelonen, die man ihnen vorgeſetzt hatte.
Unter ihren Sinnen ſcheint der Geruch am beſten entwickelt zu ſein. Das Gehör und Geſicht ſind
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/262>, abgerufen am 23.11.2024.
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