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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Wasserschwein.
schlecht. Was ihnen aber an Schärfe der Sinne abgeht, wird an Muskelkraft ersetzt, so daß zwei
Männer kaum im Stande sind, einen Capybara zu bändigen."

Jn der Neuzeit ist das Thier öfters lebend nach Europa gekommen. Der hamburger Thier-
garten besitzt es; außerdem sah ich es in Antwerpen und in London. Das unsrige ist mir in hohem
Grade zugethan. Es kennt meine Stimme, kommt herbei, wenn ich es rufe, freut sich, wenn ich
ihm schmeichle und folgt mir, wie ein Hund, durch den ganzen Garten. So freundlich ist es nicht
gegen Jedermann: seinem Wärter, welcher es zurücktreiben wollte, sprang es einmal gegen die
Brust und biß dabei sofort zu, glücklicherweise mehr in den Rock, als in den Körper. Eigentlich
folgsam kann ich es überhaupt nicht nennen; es gehorcht nur, wenn es eben will. Sein Gleichmuth
ist mehr ein scheinbarer, als wirklich begründeter.

Jch kann seine Bewegungen nicht plump oder schwerfällig nennen. Es geht selten rasch, son-
dern gewöhnlich gemächlich dahin, mit großen Schritten, springt aber ohne Mühe über drei Fuß hohe
Gitter weg. Jm Wasser bewegt es sich meisterhaft. Es schwimmt in gleichmäßigem Zuge schnur-
gerade über breite Gewässer, gerade so schnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprung, wie
ein Vogel, und verweilt minutenlang unter dem Wasser, schwimmt auch in der Tiefe fort, ohne sich
in der beabsichtigten Richtung zu irren. Sein Stall steht nahe am Bache unseres Gartens; denn
Wasser und Schlamm ist ihm Bedürfniß. Sobald ich es rufe, springt es unter Ausstoßen des von
den genannten Naturforschern beschriebenen Schreies ins Wasser, taucht unter und steigt dann lang-
sam am anderen Ufer in die Höhe, kommt zu mir heran und murmelt oder kichert in höchst eigenthüm-
licher Weise vor sich hin, und zwar durch die Nase, wie ich mich genau überzeugt habe. Die Töne, welche
es auf diese Weise hervorbringt, lassen sich noch am ehesten mit dem Geräusch vergleichen, welches
entsteht, wenn man die Zähne auf einander reibt. Sie sind abgebrochen-zitternd, unnachahmlich,
eigentlich auch nicht zu beschreiben, ein Ausdruck des entschiedensten Wohlbehagens, gewissermaßen
ein Selbstgespräch des Thieres, welches unterbrochen wird, wenn sich irgendwelche Aufregung seiner
bemächtigt.

Seine Erhaltung verursacht gar keine Mühe. Es frißt allerlei Pflanzenstoffe, wie ein Schwein;
es bedarf viel, aber durchaus kein gutes Futter. Frisches, saftiges Gras ist ihm das Liebste. Mit
seinen breiten Schneidezähnen weidet es wie ein Pferd, ganz wie dieses trinkt es auch, schlürfend,
mit langen Zügen. Möhren, Rüben und Kleienfutter sagen ihm ebenfalls sehr zu.

Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Noch im November stürzte es sich un-
gescheut und ungefährdet in das eiskalte Wasser. Bei großer Hitze sucht es unter dichten Gebüschen
Schatten, gräbt sich hier wohl auch eine seichte Vertiefung aus. Sehr gern wälzt es sich im
Schlamm; es ist überhaupt unreinlich und liederlich: seine Haare liegen kreuz und quer über und
durch einander. Es würde ein ganzes Schwein sein, übernähme das Wasser nicht die Reinigung
seines Vorstenkleides.

Gegen andere Thiere zeigt es sich theilnahmslos. Es fängt mit keinem Streit an und läßt sich
beschnuppern, ohne sich nach dem Neugierigen auch nur umzuschauen. Doch zweifle ich nicht, daß es
sich zu vertheidigen weiß; denn es ist durchaus nicht so dumm und auch nicht so sanft, als es
aussieht.

Auffallend war mir der Wechsel seiner Milchnagezähne; sie wurden durch die zweiten, welche
ungefähr nach Ablauf des ersten Lebensjahres durchbrachen, ganz allmählich abgestoßen, saßen eine
Zeit lang wie eine Scheide auf ihnen auf und fielen ab, noch ehe die nachkommenden ausge-
bildet waren. Das Gebiß war eine Zeit lang äußerst unregelmäßig. Möglicherweise wechseln auch
andere Glieder der Ordnung in ähnlicher Weise ihre Nagezähne.

Jch habe mich bemüht, noch andere Capybaras zu erhalten, weil ich nach allen Beobachtungen
glauben darf, daß diese Thiere bei uns zur Fortpflanzung gebracht werden können.

Jn Paraguay benutzt man das Fell des Wasserschweins zu Riemen, Fußdecken, Schuhen etc.
Es ist aber dick und sehr schwammig und läßt das Wasser leicht durchfließen. Das Fleisch genießen

Das Waſſerſchwein.
ſchlecht. Was ihnen aber an Schärfe der Sinne abgeht, wird an Muskelkraft erſetzt, ſo daß zwei
Männer kaum im Stande ſind, einen Capybara zu bändigen.‟

Jn der Neuzeit iſt das Thier öfters lebend nach Europa gekommen. Der hamburger Thier-
garten beſitzt es; außerdem ſah ich es in Antwerpen und in London. Das unſrige iſt mir in hohem
Grade zugethan. Es kennt meine Stimme, kommt herbei, wenn ich es rufe, freut ſich, wenn ich
ihm ſchmeichle und folgt mir, wie ein Hund, durch den ganzen Garten. So freundlich iſt es nicht
gegen Jedermann: ſeinem Wärter, welcher es zurücktreiben wollte, ſprang es einmal gegen die
Bruſt und biß dabei ſofort zu, glücklicherweiſe mehr in den Rock, als in den Körper. Eigentlich
folgſam kann ich es überhaupt nicht nennen; es gehorcht nur, wenn es eben will. Sein Gleichmuth
iſt mehr ein ſcheinbarer, als wirklich begründeter.

Jch kann ſeine Bewegungen nicht plump oder ſchwerfällig nennen. Es geht ſelten raſch, ſon-
dern gewöhnlich gemächlich dahin, mit großen Schritten, ſpringt aber ohne Mühe über drei Fuß hohe
Gitter weg. Jm Waſſer bewegt es ſich meiſterhaft. Es ſchwimmt in gleichmäßigem Zuge ſchnur-
gerade über breite Gewäſſer, gerade ſo ſchnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprung, wie
ein Vogel, und verweilt minutenlang unter dem Waſſer, ſchwimmt auch in der Tiefe fort, ohne ſich
in der beabſichtigten Richtung zu irren. Sein Stall ſteht nahe am Bache unſeres Gartens; denn
Waſſer und Schlamm iſt ihm Bedürfniß. Sobald ich es rufe, ſpringt es unter Ausſtoßen des von
den genannten Naturforſchern beſchriebenen Schreies ins Waſſer, taucht unter und ſteigt dann lang-
ſam am anderen Ufer in die Höhe, kommt zu mir heran und murmelt oder kichert in höchſt eigenthüm-
licher Weiſe vor ſich hin, und zwar durch die Naſe, wie ich mich genau überzeugt habe. Die Töne, welche
es auf dieſe Weiſe hervorbringt, laſſen ſich noch am eheſten mit dem Geräuſch vergleichen, welches
entſteht, wenn man die Zähne auf einander reibt. Sie ſind abgebrochen-zitternd, unnachahmlich,
eigentlich auch nicht zu beſchreiben, ein Ausdruck des entſchiedenſten Wohlbehagens, gewiſſermaßen
ein Selbſtgeſpräch des Thieres, welches unterbrochen wird, wenn ſich irgendwelche Aufregung ſeiner
bemächtigt.

Seine Erhaltung verurſacht gar keine Mühe. Es frißt allerlei Pflanzenſtoffe, wie ein Schwein;
es bedarf viel, aber durchaus kein gutes Futter. Friſches, ſaftiges Gras iſt ihm das Liebſte. Mit
ſeinen breiten Schneidezähnen weidet es wie ein Pferd, ganz wie dieſes trinkt es auch, ſchlürfend,
mit langen Zügen. Möhren, Rüben und Kleienfutter ſagen ihm ebenfalls ſehr zu.

Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Noch im November ſtürzte es ſich un-
geſcheut und ungefährdet in das eiskalte Waſſer. Bei großer Hitze ſucht es unter dichten Gebüſchen
Schatten, gräbt ſich hier wohl auch eine ſeichte Vertiefung aus. Sehr gern wälzt es ſich im
Schlamm; es iſt überhaupt unreinlich und liederlich: ſeine Haare liegen kreuz und quer über und
durch einander. Es würde ein ganzes Schwein ſein, übernähme das Waſſer nicht die Reinigung
ſeines Vorſtenkleides.

Gegen andere Thiere zeigt es ſich theilnahmslos. Es fängt mit keinem Streit an und läßt ſich
beſchnuppern, ohne ſich nach dem Neugierigen auch nur umzuſchauen. Doch zweifle ich nicht, daß es
ſich zu vertheidigen weiß; denn es iſt durchaus nicht ſo dumm und auch nicht ſo ſanft, als es
ausſieht.

Auffallend war mir der Wechſel ſeiner Milchnagezähne; ſie wurden durch die zweiten, welche
ungefähr nach Ablauf des erſten Lebensjahres durchbrachen, ganz allmählich abgeſtoßen, ſaßen eine
Zeit lang wie eine Scheide auf ihnen auf und fielen ab, noch ehe die nachkommenden ausge-
bildet waren. Das Gebiß war eine Zeit lang äußerſt unregelmäßig. Möglicherweiſe wechſeln auch
andere Glieder der Ordnung in ähnlicher Weiſe ihre Nagezähne.

Jch habe mich bemüht, noch andere Capybaras zu erhalten, weil ich nach allen Beobachtungen
glauben darf, daß dieſe Thiere bei uns zur Fortpflanzung gebracht werden können.

Jn Paraguay benutzt man das Fell des Waſſerſchweins zu Riemen, Fußdecken, Schuhen ꝛc.
Es iſt aber dick und ſehr ſchwammig und läßt das Waſſer leicht durchfließen. Das Fleiſch genießen

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[245/0263] Das Waſſerſchwein. ſchlecht. Was ihnen aber an Schärfe der Sinne abgeht, wird an Muskelkraft erſetzt, ſo daß zwei Männer kaum im Stande ſind, einen Capybara zu bändigen.‟ Jn der Neuzeit iſt das Thier öfters lebend nach Europa gekommen. Der hamburger Thier- garten beſitzt es; außerdem ſah ich es in Antwerpen und in London. Das unſrige iſt mir in hohem Grade zugethan. Es kennt meine Stimme, kommt herbei, wenn ich es rufe, freut ſich, wenn ich ihm ſchmeichle und folgt mir, wie ein Hund, durch den ganzen Garten. So freundlich iſt es nicht gegen Jedermann: ſeinem Wärter, welcher es zurücktreiben wollte, ſprang es einmal gegen die Bruſt und biß dabei ſofort zu, glücklicherweiſe mehr in den Rock, als in den Körper. Eigentlich folgſam kann ich es überhaupt nicht nennen; es gehorcht nur, wenn es eben will. Sein Gleichmuth iſt mehr ein ſcheinbarer, als wirklich begründeter. Jch kann ſeine Bewegungen nicht plump oder ſchwerfällig nennen. Es geht ſelten raſch, ſon- dern gewöhnlich gemächlich dahin, mit großen Schritten, ſpringt aber ohne Mühe über drei Fuß hohe Gitter weg. Jm Waſſer bewegt es ſich meiſterhaft. Es ſchwimmt in gleichmäßigem Zuge ſchnur- gerade über breite Gewäſſer, gerade ſo ſchnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprung, wie ein Vogel, und verweilt minutenlang unter dem Waſſer, ſchwimmt auch in der Tiefe fort, ohne ſich in der beabſichtigten Richtung zu irren. Sein Stall ſteht nahe am Bache unſeres Gartens; denn Waſſer und Schlamm iſt ihm Bedürfniß. Sobald ich es rufe, ſpringt es unter Ausſtoßen des von den genannten Naturforſchern beſchriebenen Schreies ins Waſſer, taucht unter und ſteigt dann lang- ſam am anderen Ufer in die Höhe, kommt zu mir heran und murmelt oder kichert in höchſt eigenthüm- licher Weiſe vor ſich hin, und zwar durch die Naſe, wie ich mich genau überzeugt habe. Die Töne, welche es auf dieſe Weiſe hervorbringt, laſſen ſich noch am eheſten mit dem Geräuſch vergleichen, welches entſteht, wenn man die Zähne auf einander reibt. Sie ſind abgebrochen-zitternd, unnachahmlich, eigentlich auch nicht zu beſchreiben, ein Ausdruck des entſchiedenſten Wohlbehagens, gewiſſermaßen ein Selbſtgeſpräch des Thieres, welches unterbrochen wird, wenn ſich irgendwelche Aufregung ſeiner bemächtigt. Seine Erhaltung verurſacht gar keine Mühe. Es frißt allerlei Pflanzenſtoffe, wie ein Schwein; es bedarf viel, aber durchaus kein gutes Futter. Friſches, ſaftiges Gras iſt ihm das Liebſte. Mit ſeinen breiten Schneidezähnen weidet es wie ein Pferd, ganz wie dieſes trinkt es auch, ſchlürfend, mit langen Zügen. Möhren, Rüben und Kleienfutter ſagen ihm ebenfalls ſehr zu. Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Noch im November ſtürzte es ſich un- geſcheut und ungefährdet in das eiskalte Waſſer. Bei großer Hitze ſucht es unter dichten Gebüſchen Schatten, gräbt ſich hier wohl auch eine ſeichte Vertiefung aus. Sehr gern wälzt es ſich im Schlamm; es iſt überhaupt unreinlich und liederlich: ſeine Haare liegen kreuz und quer über und durch einander. Es würde ein ganzes Schwein ſein, übernähme das Waſſer nicht die Reinigung ſeines Vorſtenkleides. Gegen andere Thiere zeigt es ſich theilnahmslos. Es fängt mit keinem Streit an und läßt ſich beſchnuppern, ohne ſich nach dem Neugierigen auch nur umzuſchauen. Doch zweifle ich nicht, daß es ſich zu vertheidigen weiß; denn es iſt durchaus nicht ſo dumm und auch nicht ſo ſanft, als es ausſieht. Auffallend war mir der Wechſel ſeiner Milchnagezähne; ſie wurden durch die zweiten, welche ungefähr nach Ablauf des erſten Lebensjahres durchbrachen, ganz allmählich abgeſtoßen, ſaßen eine Zeit lang wie eine Scheide auf ihnen auf und fielen ab, noch ehe die nachkommenden ausge- bildet waren. Das Gebiß war eine Zeit lang äußerſt unregelmäßig. Möglicherweiſe wechſeln auch andere Glieder der Ordnung in ähnlicher Weiſe ihre Nagezähne. Jch habe mich bemüht, noch andere Capybaras zu erhalten, weil ich nach allen Beobachtungen glauben darf, daß dieſe Thiere bei uns zur Fortpflanzung gebracht werden können. Jn Paraguay benutzt man das Fell des Waſſerſchweins zu Riemen, Fußdecken, Schuhen ꝛc. Es iſt aber dick und ſehr ſchwammig und läßt das Waſſer leicht durchfließen. Das Fleiſch genießen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/263>, abgerufen am 23.11.2024.