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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Unser Hase.
Unbeweglichkeit des Gegenstandes, nach welchem man zielt, beide Augen zudrücken und dennoch treffen.
Wenn alle Versuche fruchtlos bleiben, so muß zuletzt noch der Anstand manchem Zögling im Dienste
Dianens Trost und Begeisterung gewähren. Man wirft sich ihm mit einer Art von Sehnsucht in die
Arme, und wirklich versöhnt er Einen nicht selten mit der Welt; denn wenn abends ein Lampe aus
der Jagdtasche gezogen und den Hausgenossen vorgezeigt wird, dann ist aller Schmerz rein ver-
gessen."

"Außerdem gewährt der Anstand ganz entschiedene Vortheile, wenn es gilt, das Raubzeug aller
Art zu vertreiben. Wiesel, Füchse, Marder, die man durch die Nachahmung der Stimme von
Mäusen, kleinen Hasen reizen kann, kommen von Zeit zu Zeit zu Gesicht, auch Raubvögel, welche
abends dem Walde als ihrer Nachtherberge zueilen. Für den Naturforscher ist der Anstand weit an-
ziehender und belehrender, als jede andere Jagd, indem man, besonders beim Anbruch des Tages,
die Thiere, so zu sagen, noch in ihrem Hausanzug antrifft und ihr Benehmen im Zustande gänzlicher
Ruhe und Sorglosigkeit beobachten kann. Mancher Jäger zieht den Waldanstand jedem anderen vor;
denn das Süßeste, die Hoffnung, ist dabei des Waidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin."

Die Jagd der Hasen mit Windhunden haben wir bereits weiter oben kennen gelernt. Auf die
übrigen Jagdweisen will ich hier nicht eingehen, am allerwenigsten auf die englischen Hetzjagden, welche,
bei Lichte betrachtet, nichts anderes sind, als viel Lärm um Nichts. Nur erwähnen will ich, daß die
Hasenjagd eigentlich blos in Deutschland Ertrag liefert, sogar jetzt noch, wo die neueren Jagdgesetze
gestatten, daß die Jagd auch von Bauern betrieben werden darf. Schon in Frankreich und in Belgien,
noch mehr in Südeuropa sind die Hasen weit seltener, als bei uns. Als die Königin Eleonore von
Frankreich den kaiserlichen Hof zu Brüssel besuchte, erhielt sie täglich für ihre Tafel 128 Pfund Rind-
fleisch, Hammel-, Kalb- und Schweinefleisch soviel als möglich, aber nur zwei Hasen, und bei
einem sechstägigen Treibjagen, welches der König abhielt, wurden 208 Sauen und 960 Stück Enten,
aber nur fünf Hasen erlegt. --

Jung eingefangene Hasen werden leidlich zahm. Sie gewöhnen sich ohne große Weigerung an
alle Nahrung, welche man den Kaninchen füttert. Sie sind aber immer sehr zärtlich und sterben leicht
dahin. Wenn man ihnen nur Heu, Brod, Hafer und Wasser, aber nie Grünes gibt, leben sie länger.
Bringt man junge Hasen zu alten, so werden sie regelmäßig von diesen todtgebissen. Anderen schwachen
Thieren ergeht es selten besser: im Gehege der Hasen unseres Thiergartens fand ich eine getödtete,
halb aufgefressene Ratte. Mit Meerschweinchen allein vertragen sich die Hasen gut; mit Kaninchen paa-
ren sie sich sogar. Die Blendlinge sind wieder fruchtbar; Dies hat ganz neuerdings wieder Broca
bewiesen. Rouy, ein Kaninchenzüchter von Angouleme, liefert seit einiger Zeit jährlich über tausend
Hasenkaninchen in den Handel. Diese Bastarde sind ebensowohl fruchtbar mit der väterlichen, als mit
der mütterlichen Art, als auch unter sich. Dreiachtels-Bastarde, d. h. Diejenigen, welche ein Viertel
vom Kaninchen und drei Viertel vom Hasen haben, gewähren die meisten Vortheile. Von diesen
Blendlingen hat man bereits durch dreizehn Geschlechter Junge erzielt und die Fruchtbarkeit hat noch
nicht abgenommen. Das Weibchen bringt 5 bis 6 Junge bei jedem Wurfe zur Welt und wirft jähr-
lich sechs Mal. Broca überzeugte sich, daß der Besitzer mit größter Sorgfalt die Ergebnisse seiner
Kreuzungen überwachte. Die betreffenden Thiere wurden nach Umständen getrennt oder zusammen-
gebracht, mit besonderen Namen oder Zahlen bezeichnet etc. Somit unterliegt es also gar keinem
Zweifel, daß auch bei den Nagern verschiedene Arten sich fruchtbar vermischen können.

Jung eingefangene Hafen gewöhnen sich so an den Menschen, daß sie auf dessen Ruf herbei-
kommen, die Nahrung aus den Händen nehmen, und trotz ihrer Dummheit Kunststückchen ausführen
lernen. Alte dagegen bleiben immer dumm und gewöhnen sich kaum an ihren Pfleger. Die Gefan-
genen sind nett und munter, erfreuen durch lustige Sprünge und werden angenehm wegen ihrer un-
verwüstlichen Gutmüthigkeit. Jhre Furchtsamkeit aber behalten sie in der Gefangenschaft bei. "Lächer-
lich sieht es aus," sagt Lenz, "wenn man in den Stall eines Hasen mit einem weißen Bogen Papier
oder sonst einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Hase geräth ganz aus der Fassung und springt, wie

Brehm, Thierleben. II. 17

Unſer Haſe.
Unbeweglichkeit des Gegenſtandes, nach welchem man zielt, beide Augen zudrücken und dennoch treffen.
Wenn alle Verſuche fruchtlos bleiben, ſo muß zuletzt noch der Anſtand manchem Zögling im Dienſte
Dianens Troſt und Begeiſterung gewähren. Man wirft ſich ihm mit einer Art von Sehnſucht in die
Arme, und wirklich verſöhnt er Einen nicht ſelten mit der Welt; denn wenn abends ein Lampe aus
der Jagdtaſche gezogen und den Hausgenoſſen vorgezeigt wird, dann iſt aller Schmerz rein ver-
geſſen.‟

„Außerdem gewährt der Anſtand ganz entſchiedene Vortheile, wenn es gilt, das Raubzeug aller
Art zu vertreiben. Wieſel, Füchſe, Marder, die man durch die Nachahmung der Stimme von
Mäuſen, kleinen Haſen reizen kann, kommen von Zeit zu Zeit zu Geſicht, auch Raubvögel, welche
abends dem Walde als ihrer Nachtherberge zueilen. Für den Naturforſcher iſt der Anſtand weit an-
ziehender und belehrender, als jede andere Jagd, indem man, beſonders beim Anbruch des Tages,
die Thiere, ſo zu ſagen, noch in ihrem Hausanzug antrifft und ihr Benehmen im Zuſtande gänzlicher
Ruhe und Sorgloſigkeit beobachten kann. Mancher Jäger zieht den Waldanſtand jedem anderen vor;
denn das Süßeſte, die Hoffnung, iſt dabei des Waidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin.‟

Die Jagd der Haſen mit Windhunden haben wir bereits weiter oben kennen gelernt. Auf die
übrigen Jagdweiſen will ich hier nicht eingehen, am allerwenigſten auf die engliſchen Hetzjagden, welche,
bei Lichte betrachtet, nichts anderes ſind, als viel Lärm um Nichts. Nur erwähnen will ich, daß die
Haſenjagd eigentlich blos in Deutſchland Ertrag liefert, ſogar jetzt noch, wo die neueren Jagdgeſetze
geſtatten, daß die Jagd auch von Bauern betrieben werden darf. Schon in Frankreich und in Belgien,
noch mehr in Südeuropa ſind die Haſen weit ſeltener, als bei uns. Als die Königin Eleonore von
Frankreich den kaiſerlichen Hof zu Brüſſel beſuchte, erhielt ſie täglich für ihre Tafel 128 Pfund Rind-
fleiſch, Hammel-, Kalb- und Schweinefleiſch ſoviel als möglich, aber nur zwei Haſen, und bei
einem ſechstägigen Treibjagen, welches der König abhielt, wurden 208 Sauen und 960 Stück Enten,
aber nur fünf Haſen erlegt. —

Jung eingefangene Haſen werden leidlich zahm. Sie gewöhnen ſich ohne große Weigerung an
alle Nahrung, welche man den Kaninchen füttert. Sie ſind aber immer ſehr zärtlich und ſterben leicht
dahin. Wenn man ihnen nur Heu, Brod, Hafer und Waſſer, aber nie Grünes gibt, leben ſie länger.
Bringt man junge Haſen zu alten, ſo werden ſie regelmäßig von dieſen todtgebiſſen. Anderen ſchwachen
Thieren ergeht es ſelten beſſer: im Gehege der Haſen unſeres Thiergartens fand ich eine getödtete,
halb aufgefreſſene Ratte. Mit Meerſchweinchen allein vertragen ſich die Haſen gut; mit Kaninchen paa-
ren ſie ſich ſogar. Die Blendlinge ſind wieder fruchtbar; Dies hat ganz neuerdings wieder Broca
bewieſen. Rouy, ein Kaninchenzüchter von Angoulême, liefert ſeit einiger Zeit jährlich über tauſend
Haſenkaninchen in den Handel. Dieſe Baſtarde ſind ebenſowohl fruchtbar mit der väterlichen, als mit
der mütterlichen Art, als auch unter ſich. Dreiachtels-Baſtarde, d. h. Diejenigen, welche ein Viertel
vom Kaninchen und drei Viertel vom Haſen haben, gewähren die meiſten Vortheile. Von dieſen
Blendlingen hat man bereits durch dreizehn Geſchlechter Junge erzielt und die Fruchtbarkeit hat noch
nicht abgenommen. Das Weibchen bringt 5 bis 6 Junge bei jedem Wurfe zur Welt und wirft jähr-
lich ſechs Mal. Broca überzeugte ſich, daß der Beſitzer mit größter Sorgfalt die Ergebniſſe ſeiner
Kreuzungen überwachte. Die betreffenden Thiere wurden nach Umſtänden getrennt oder zuſammen-
gebracht, mit beſonderen Namen oder Zahlen bezeichnet ꝛc. Somit unterliegt es alſo gar keinem
Zweifel, daß auch bei den Nagern verſchiedene Arten ſich fruchtbar vermiſchen können.

Jung eingefangene Hafen gewöhnen ſich ſo an den Menſchen, daß ſie auf deſſen Ruf herbei-
kommen, die Nahrung aus den Händen nehmen, und trotz ihrer Dummheit Kunſtſtückchen ausführen
lernen. Alte dagegen bleiben immer dumm und gewöhnen ſich kaum an ihren Pfleger. Die Gefan-
genen ſind nett und munter, erfreuen durch luſtige Sprünge und werden angenehm wegen ihrer un-
verwüſtlichen Gutmüthigkeit. Jhre Furchtſamkeit aber behalten ſie in der Gefangenſchaft bei. „Lächer-
lich ſieht es aus,‟ ſagt Lenz, „wenn man in den Stall eines Haſen mit einem weißen Bogen Papier
oder ſonſt einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Haſe geräth ganz aus der Faſſung und ſpringt, wie

Brehm, Thierleben. II. 17
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[257/0275] Unſer Haſe. Unbeweglichkeit des Gegenſtandes, nach welchem man zielt, beide Augen zudrücken und dennoch treffen. Wenn alle Verſuche fruchtlos bleiben, ſo muß zuletzt noch der Anſtand manchem Zögling im Dienſte Dianens Troſt und Begeiſterung gewähren. Man wirft ſich ihm mit einer Art von Sehnſucht in die Arme, und wirklich verſöhnt er Einen nicht ſelten mit der Welt; denn wenn abends ein Lampe aus der Jagdtaſche gezogen und den Hausgenoſſen vorgezeigt wird, dann iſt aller Schmerz rein ver- geſſen.‟ „Außerdem gewährt der Anſtand ganz entſchiedene Vortheile, wenn es gilt, das Raubzeug aller Art zu vertreiben. Wieſel, Füchſe, Marder, die man durch die Nachahmung der Stimme von Mäuſen, kleinen Haſen reizen kann, kommen von Zeit zu Zeit zu Geſicht, auch Raubvögel, welche abends dem Walde als ihrer Nachtherberge zueilen. Für den Naturforſcher iſt der Anſtand weit an- ziehender und belehrender, als jede andere Jagd, indem man, beſonders beim Anbruch des Tages, die Thiere, ſo zu ſagen, noch in ihrem Hausanzug antrifft und ihr Benehmen im Zuſtande gänzlicher Ruhe und Sorgloſigkeit beobachten kann. Mancher Jäger zieht den Waldanſtand jedem anderen vor; denn das Süßeſte, die Hoffnung, iſt dabei des Waidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin.‟ Die Jagd der Haſen mit Windhunden haben wir bereits weiter oben kennen gelernt. Auf die übrigen Jagdweiſen will ich hier nicht eingehen, am allerwenigſten auf die engliſchen Hetzjagden, welche, bei Lichte betrachtet, nichts anderes ſind, als viel Lärm um Nichts. Nur erwähnen will ich, daß die Haſenjagd eigentlich blos in Deutſchland Ertrag liefert, ſogar jetzt noch, wo die neueren Jagdgeſetze geſtatten, daß die Jagd auch von Bauern betrieben werden darf. Schon in Frankreich und in Belgien, noch mehr in Südeuropa ſind die Haſen weit ſeltener, als bei uns. Als die Königin Eleonore von Frankreich den kaiſerlichen Hof zu Brüſſel beſuchte, erhielt ſie täglich für ihre Tafel 128 Pfund Rind- fleiſch, Hammel-, Kalb- und Schweinefleiſch ſoviel als möglich, aber nur zwei Haſen, und bei einem ſechstägigen Treibjagen, welches der König abhielt, wurden 208 Sauen und 960 Stück Enten, aber nur fünf Haſen erlegt. — Jung eingefangene Haſen werden leidlich zahm. Sie gewöhnen ſich ohne große Weigerung an alle Nahrung, welche man den Kaninchen füttert. Sie ſind aber immer ſehr zärtlich und ſterben leicht dahin. Wenn man ihnen nur Heu, Brod, Hafer und Waſſer, aber nie Grünes gibt, leben ſie länger. Bringt man junge Haſen zu alten, ſo werden ſie regelmäßig von dieſen todtgebiſſen. Anderen ſchwachen Thieren ergeht es ſelten beſſer: im Gehege der Haſen unſeres Thiergartens fand ich eine getödtete, halb aufgefreſſene Ratte. Mit Meerſchweinchen allein vertragen ſich die Haſen gut; mit Kaninchen paa- ren ſie ſich ſogar. Die Blendlinge ſind wieder fruchtbar; Dies hat ganz neuerdings wieder Broca bewieſen. Rouy, ein Kaninchenzüchter von Angoulême, liefert ſeit einiger Zeit jährlich über tauſend Haſenkaninchen in den Handel. Dieſe Baſtarde ſind ebenſowohl fruchtbar mit der väterlichen, als mit der mütterlichen Art, als auch unter ſich. Dreiachtels-Baſtarde, d. h. Diejenigen, welche ein Viertel vom Kaninchen und drei Viertel vom Haſen haben, gewähren die meiſten Vortheile. Von dieſen Blendlingen hat man bereits durch dreizehn Geſchlechter Junge erzielt und die Fruchtbarkeit hat noch nicht abgenommen. Das Weibchen bringt 5 bis 6 Junge bei jedem Wurfe zur Welt und wirft jähr- lich ſechs Mal. Broca überzeugte ſich, daß der Beſitzer mit größter Sorgfalt die Ergebniſſe ſeiner Kreuzungen überwachte. Die betreffenden Thiere wurden nach Umſtänden getrennt oder zuſammen- gebracht, mit beſonderen Namen oder Zahlen bezeichnet ꝛc. Somit unterliegt es alſo gar keinem Zweifel, daß auch bei den Nagern verſchiedene Arten ſich fruchtbar vermiſchen können. Jung eingefangene Hafen gewöhnen ſich ſo an den Menſchen, daß ſie auf deſſen Ruf herbei- kommen, die Nahrung aus den Händen nehmen, und trotz ihrer Dummheit Kunſtſtückchen ausführen lernen. Alte dagegen bleiben immer dumm und gewöhnen ſich kaum an ihren Pfleger. Die Gefan- genen ſind nett und munter, erfreuen durch luſtige Sprünge und werden angenehm wegen ihrer un- verwüſtlichen Gutmüthigkeit. Jhre Furchtſamkeit aber behalten ſie in der Gefangenſchaft bei. „Lächer- lich ſieht es aus,‟ ſagt Lenz, „wenn man in den Stall eines Haſen mit einem weißen Bogen Papier oder ſonſt einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Haſe geräth ganz aus der Faſſung und ſpringt, wie Brehm, Thierleben. II. 17

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/275>, abgerufen am 23.11.2024.