Zucker, so klimmt er ziemlich rasch nach oben, um diese Lieblingsspeise zu erhalten, schnüffelt an der Wand herum und öffnet die Schnauze soweit, als er kann, gleichsam bittend, daß man ihm doch das Stückchen Zucker gleich in das Maul hinein fallen lasse. Dann frißt er schmatzend mit zugemachten Augen und beweist deutlich genug, wie sehr ihm die Süßigkeit behagt.
Am eigenthümlichsten sieht das Thier aus, wenn man es gerade von vorn betrachtet. Die Kopfhaare sind in der Mitte gescheitelt und stehen zu beiden Seiten vom Schädel ab. Sie geben dem Kopfe dadurch ein eulenartiges Aussehen. Die kleinen Augen sind sehr gewölbt. Jhre Jris ist leb- haft lichtbraun gefärbt, aber die Augen erscheinen doch sehr blöde, weil der Stern kaum die Größe eines Stecknadelkopfes hat und dem Auge keinen Ausdruck gibt. Beim ersten Anblick ist man ver- sucht zu glauben, das Faulthier müsse blind sein. Die Schnauze tritt ganz eigenthümlich hervor aus dem Gesicht, sie stumpft sich in einen abgestutzten Kegel zu, auf dessen Spitze die Nasenlöcher liegen. Die beständig feuchten Lippen glänzen, als ob sie mit Fett bestrichen wären. Recht komisch sieht es aus, wenn das Faulthier sein Maul aufmacht. Die Lippen sind keineswegs so unbeweglich, als man gesagt hat und nichts weniger als hornähnlich, wie behauptet wurde, wenn sie auch nicht die Biegsamkeit der Lippen anderer Säugethiere haben mögen; sie sind auch ziemlich unwesentlich bei der Arbeit des Fressens, denn die lange, schmale, spitze Zunge ersetzt die ihnen fehlende Beweglichkeit. Diese Zunge erinnert schon recht lebhaft an die Wurmzungen der verwandten Zahnlosen, zumal an die der Ameisenbären. Das Faulthier kann sie weit aus dem Halse hervorstrecken und fast handartig gebrauchen.
Man füttert Kees mit allen möglichen Pflanzenstoffen; gekochter Reis und Möhren bleiben aber seine Hauptspeise. Den Reis gibt man ihm auf einem Teller, die Möhren legt man ihm irgend wo auf das Heu hin. Gewöhnlich wird Kees zum Fressen gerufen. Er kennt die Zeit seiner Mahl- zeiten genau und richtet sich alsbald auf, wenn er seinen Namen hört. Anfangs tappt er höchst ungeschickt und schwerfällig mit den langen Armen umher; hat er aber einmal eine Möhre erwischt, so kommt auch sofort Ruhe und Sicherheit in die Bewegung. Er zieht die Wurzel zu sich heran, faßt sie mit dem Maul, dann mit den beiden Pfoten oder besser mit den Krallen, klemmt sie fest dazwischen und beißt nun, die Möhre stetig weiter in das Maul schiebend, verhältnißmäßig sehr große Bissen von ihr ab; dabei beleckt er beständig die Lippen und die Möhre, welche er bald auf der einen, bald auf der anderen Seite in das Maul steckt. Gewöhnlich fängt er bei der Spitze der Wurzel an zu fressen; aber selten verzehrt er eine Möhre auf einmal, sondern versucht lieber alle, welche ihm vor- gelegt werden. An dem Abbiß sieht man deutlich die Eigenthümlichkeit der Zähne. Das Faulthier ist nicht im Stande, ein Stückchen glatt zu beißen und die Zähne brechen mehr, als sie schneiden. Man bemerkt in der Möhre die Eindrücke von allen, welche benutzt wurden, in unregelmäßigen Zwischenräumen.
Ein kleiner Teller voll Reis und drei Möhren genügen übrigens vollkommen zur täglichen Nahrung unseres Thieres.
Die Losung besteht aus kleinen Kügelchen, welche zu einem Klumpen vereinigt sind; sie ähnelt der unserer Schafe und Ziegen.
Nach dem Fressen legt sich Kees wieder zur Ruhe nieder, beugt oder kauert sich zusammen und nimmt seine alte Stellung an. Ungestört oder bezüglich ungerufen bewegt er sich nur dann, wenn ihm das Bedürfniß einmal ankommt, sich zu strecken oder sich irgendwo zu kratzen. Mit Beginn der Dunkelheit wird er etwas lebendiger und hängt sich dann wohl längere Zeit an dem Gestänge in seinem Käfig auf oder klettert an dem oberen Gitter desselben hin und her; doch bekommt er solche Turn- übungen sehr bald satt und zieht sich wieder auf seinen alten Lieblingsplatz in eine Ecke zurück. Auch in der Nacht schläft er ein gutes Stück; gegen den Morgen hin aber ist er immer sehr munter und nimmt dann auch regelmäßig einige Kletterübungen vor. --
Der Nutzen, welchen die Faulthiere den menschlichen Bewohnern ihrer Heimat gewähren, ist außerordentlich gering. Nur in manchen Gegenden essen die Wilden und die Neger das Fleisch,
Die Faulthiere.
Zucker, ſo klimmt er ziemlich raſch nach oben, um dieſe Lieblingsſpeiſe zu erhalten, ſchnüffelt an der Wand herum und öffnet die Schnauze ſoweit, als er kann, gleichſam bittend, daß man ihm doch das Stückchen Zucker gleich in das Maul hinein fallen laſſe. Dann frißt er ſchmatzend mit zugemachten Augen und beweiſt deutlich genug, wie ſehr ihm die Süßigkeit behagt.
Am eigenthümlichſten ſieht das Thier aus, wenn man es gerade von vorn betrachtet. Die Kopfhaare ſind in der Mitte geſcheitelt und ſtehen zu beiden Seiten vom Schädel ab. Sie geben dem Kopfe dadurch ein eulenartiges Ausſehen. Die kleinen Augen ſind ſehr gewölbt. Jhre Jris iſt leb- haft lichtbraun gefärbt, aber die Augen erſcheinen doch ſehr blöde, weil der Stern kaum die Größe eines Stecknadelkopfes hat und dem Auge keinen Ausdruck gibt. Beim erſten Anblick iſt man ver- ſucht zu glauben, das Faulthier müſſe blind ſein. Die Schnauze tritt ganz eigenthümlich hervor aus dem Geſicht, ſie ſtumpft ſich in einen abgeſtutzten Kegel zu, auf deſſen Spitze die Naſenlöcher liegen. Die beſtändig feuchten Lippen glänzen, als ob ſie mit Fett beſtrichen wären. Recht komiſch ſieht es aus, wenn das Faulthier ſein Maul aufmacht. Die Lippen ſind keineswegs ſo unbeweglich, als man geſagt hat und nichts weniger als hornähnlich, wie behauptet wurde, wenn ſie auch nicht die Biegſamkeit der Lippen anderer Säugethiere haben mögen; ſie ſind auch ziemlich unweſentlich bei der Arbeit des Freſſens, denn die lange, ſchmale, ſpitze Zunge erſetzt die ihnen fehlende Beweglichkeit. Dieſe Zunge erinnert ſchon recht lebhaft an die Wurmzungen der verwandten Zahnloſen, zumal an die der Ameiſenbären. Das Faulthier kann ſie weit aus dem Halſe hervorſtrecken und faſt handartig gebrauchen.
Man füttert Kees mit allen möglichen Pflanzenſtoffen; gekochter Reis und Möhren bleiben aber ſeine Hauptſpeiſe. Den Reis gibt man ihm auf einem Teller, die Möhren legt man ihm irgend wo auf das Heu hin. Gewöhnlich wird Kees zum Freſſen gerufen. Er kennt die Zeit ſeiner Mahl- zeiten genau und richtet ſich alsbald auf, wenn er ſeinen Namen hört. Anfangs tappt er höchſt ungeſchickt und ſchwerfällig mit den langen Armen umher; hat er aber einmal eine Möhre erwiſcht, ſo kommt auch ſofort Ruhe und Sicherheit in die Bewegung. Er zieht die Wurzel zu ſich heran, faßt ſie mit dem Maul, dann mit den beiden Pfoten oder beſſer mit den Krallen, klemmt ſie feſt dazwiſchen und beißt nun, die Möhre ſtetig weiter in das Maul ſchiebend, verhältnißmäßig ſehr große Biſſen von ihr ab; dabei beleckt er beſtändig die Lippen und die Möhre, welche er bald auf der einen, bald auf der anderen Seite in das Maul ſteckt. Gewöhnlich fängt er bei der Spitze der Wurzel an zu freſſen; aber ſelten verzehrt er eine Möhre auf einmal, ſondern verſucht lieber alle, welche ihm vor- gelegt werden. An dem Abbiß ſieht man deutlich die Eigenthümlichkeit der Zähne. Das Faulthier iſt nicht im Stande, ein Stückchen glatt zu beißen und die Zähne brechen mehr, als ſie ſchneiden. Man bemerkt in der Möhre die Eindrücke von allen, welche benutzt wurden, in unregelmäßigen Zwiſchenräumen.
Ein kleiner Teller voll Reis und drei Möhren genügen übrigens vollkommen zur täglichen Nahrung unſeres Thieres.
Die Loſung beſteht aus kleinen Kügelchen, welche zu einem Klumpen vereinigt ſind; ſie ähnelt der unſerer Schafe und Ziegen.
Nach dem Freſſen legt ſich Kees wieder zur Ruhe nieder, beugt oder kauert ſich zuſammen und nimmt ſeine alte Stellung an. Ungeſtört oder bezüglich ungerufen bewegt er ſich nur dann, wenn ihm das Bedürfniß einmal ankommt, ſich zu ſtrecken oder ſich irgendwo zu kratzen. Mit Beginn der Dunkelheit wird er etwas lebendiger und hängt ſich dann wohl längere Zeit an dem Geſtänge in ſeinem Käfig auf oder klettert an dem oberen Gitter deſſelben hin und her; doch bekommt er ſolche Turn- übungen ſehr bald ſatt und zieht ſich wieder auf ſeinen alten Lieblingsplatz in eine Ecke zurück. Auch in der Nacht ſchläft er ein gutes Stück; gegen den Morgen hin aber iſt er immer ſehr munter und nimmt dann auch regelmäßig einige Kletterübungen vor. —
Der Nutzen, welchen die Faulthiere den menſchlichen Bewohnern ihrer Heimat gewähren, iſt außerordentlich gering. Nur in manchen Gegenden eſſen die Wilden und die Neger das Fleiſch,
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Die Faulthiere.
Zucker, ſo klimmt er ziemlich raſch nach oben, um dieſe Lieblingsſpeiſe zu erhalten, ſchnüffelt an der
Wand herum und öffnet die Schnauze ſoweit, als er kann, gleichſam bittend, daß man ihm doch das
Stückchen Zucker gleich in das Maul hinein fallen laſſe. Dann frißt er ſchmatzend mit zugemachten
Augen und beweiſt deutlich genug, wie ſehr ihm die Süßigkeit behagt.
Am eigenthümlichſten ſieht das Thier aus, wenn man es gerade von vorn betrachtet. Die
Kopfhaare ſind in der Mitte geſcheitelt und ſtehen zu beiden Seiten vom Schädel ab. Sie geben dem
Kopfe dadurch ein eulenartiges Ausſehen. Die kleinen Augen ſind ſehr gewölbt. Jhre Jris iſt leb-
haft lichtbraun gefärbt, aber die Augen erſcheinen doch ſehr blöde, weil der Stern kaum die Größe
eines Stecknadelkopfes hat und dem Auge keinen Ausdruck gibt. Beim erſten Anblick iſt man ver-
ſucht zu glauben, das Faulthier müſſe blind ſein. Die Schnauze tritt ganz eigenthümlich hervor
aus dem Geſicht, ſie ſtumpft ſich in einen abgeſtutzten Kegel zu, auf deſſen Spitze die Naſenlöcher
liegen. Die beſtändig feuchten Lippen glänzen, als ob ſie mit Fett beſtrichen wären. Recht komiſch
ſieht es aus, wenn das Faulthier ſein Maul aufmacht. Die Lippen ſind keineswegs ſo unbeweglich,
als man geſagt hat und nichts weniger als hornähnlich, wie behauptet wurde, wenn ſie auch nicht die
Biegſamkeit der Lippen anderer Säugethiere haben mögen; ſie ſind auch ziemlich unweſentlich bei der
Arbeit des Freſſens, denn die lange, ſchmale, ſpitze Zunge erſetzt die ihnen fehlende Beweglichkeit.
Dieſe Zunge erinnert ſchon recht lebhaft an die Wurmzungen der verwandten Zahnloſen, zumal an
die der Ameiſenbären. Das Faulthier kann ſie weit aus dem Halſe hervorſtrecken und faſt handartig
gebrauchen.
Man füttert Kees mit allen möglichen Pflanzenſtoffen; gekochter Reis und Möhren bleiben
aber ſeine Hauptſpeiſe. Den Reis gibt man ihm auf einem Teller, die Möhren legt man ihm irgend
wo auf das Heu hin. Gewöhnlich wird Kees zum Freſſen gerufen. Er kennt die Zeit ſeiner Mahl-
zeiten genau und richtet ſich alsbald auf, wenn er ſeinen Namen hört. Anfangs tappt er höchſt
ungeſchickt und ſchwerfällig mit den langen Armen umher; hat er aber einmal eine Möhre erwiſcht,
ſo kommt auch ſofort Ruhe und Sicherheit in die Bewegung. Er zieht die Wurzel zu ſich heran, faßt
ſie mit dem Maul, dann mit den beiden Pfoten oder beſſer mit den Krallen, klemmt ſie feſt dazwiſchen
und beißt nun, die Möhre ſtetig weiter in das Maul ſchiebend, verhältnißmäßig ſehr große Biſſen
von ihr ab; dabei beleckt er beſtändig die Lippen und die Möhre, welche er bald auf der einen, bald
auf der anderen Seite in das Maul ſteckt. Gewöhnlich fängt er bei der Spitze der Wurzel an zu
freſſen; aber ſelten verzehrt er eine Möhre auf einmal, ſondern verſucht lieber alle, welche ihm vor-
gelegt werden. An dem Abbiß ſieht man deutlich die Eigenthümlichkeit der Zähne. Das Faulthier
iſt nicht im Stande, ein Stückchen glatt zu beißen und die Zähne brechen mehr, als ſie ſchneiden.
Man bemerkt in der Möhre die Eindrücke von allen, welche benutzt wurden, in unregelmäßigen
Zwiſchenräumen.
Ein kleiner Teller voll Reis und drei Möhren genügen übrigens vollkommen zur täglichen
Nahrung unſeres Thieres.
Die Loſung beſteht aus kleinen Kügelchen, welche zu einem Klumpen vereinigt ſind; ſie ähnelt
der unſerer Schafe und Ziegen.
Nach dem Freſſen legt ſich Kees wieder zur Ruhe nieder, beugt oder kauert ſich zuſammen und
nimmt ſeine alte Stellung an. Ungeſtört oder bezüglich ungerufen bewegt er ſich nur dann, wenn
ihm das Bedürfniß einmal ankommt, ſich zu ſtrecken oder ſich irgendwo zu kratzen. Mit Beginn der
Dunkelheit wird er etwas lebendiger und hängt ſich dann wohl längere Zeit an dem Geſtänge in ſeinem
Käfig auf oder klettert an dem oberen Gitter deſſelben hin und her; doch bekommt er ſolche Turn-
übungen ſehr bald ſatt und zieht ſich wieder auf ſeinen alten Lieblingsplatz in eine Ecke zurück. Auch
in der Nacht ſchläft er ein gutes Stück; gegen den Morgen hin aber iſt er immer ſehr munter und
nimmt dann auch regelmäßig einige Kletterübungen vor. —
Der Nutzen, welchen die Faulthiere den menſchlichen Bewohnern ihrer Heimat gewähren, iſt
außerordentlich gering. Nur in manchen Gegenden eſſen die Wilden und die Neger das Fleiſch,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/300>, abgerufen am 23.11.2024.
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